Mehrzelliges Leben hat sich schon mehrere Male unabhängig voneinander entwickelt (siehe Sebé-Pedros et al., »The origin of Metazoa: a unicellular perspective«, Nature Reviews Genetics 18, 498512, 2017). Außer den Tieren zählen dazu noch die Pflanzen und ihre engen Verwandten, die Grünalgen, diverse Spezies von Rot- und Braunalgen sowie allerlei Arten von Pilzen. Die meisten Eukaryoten allerdings sind noch immer einzellig, so wie alle eukaryotischen Geschlechtszellen, einschließlich menschlicher Ei- und Samenzellen. In gewisser Weise könnte man also Vielzelligkeit als Hilfsmittel betrachten, das lediglich eine effizientere Versorgung mit Geschlechtszellen gewährleisten soll.

Diese erdgeschichtliche Periode wird von Geologen, die ohne die Aussicht auf ein verheerendes tektonisches Desaster gar nicht erst aufstehen, abschätzig als die »öde Milliarde« (boring billion) bezeichnet.

Die Protisten umfassen eine Vielzahl sehr unterschiedlicher einzelliger eukaryotischer Organismen, die man einst unter dem unscharfen Sammelbegriff der Protozoen zusammenfasste. Neben den üblichen Gartenteichbewohnern wie Amöben und Pantoffeltierchen zählen zu der Gruppe auch für das Ökosystem äußerst wichtige Organismen wie die Dinoflagellaten, die Algenblüten verursachen, die Foraminiferen und Coccolithophorida, die berückend schöne Kalkstrukturen ausbilden; die medizinisch bedeutenden Malariaparasiten und Trypanosomen, die die Schlafkrankheit verursachen, sowie generell faszinierende und erstaunliche Wesen wie das zu den Dinoflagellaten gehörende Nematodinium, das über ein perfekt geformtes Auge mitsamt Hornhautschicht, Linse und Netzhaut verfügt (siehe G.S. Gavelis, »Eye-like ocelloids are built from different endosymbiotically acquired components«, Nature 523, 204207, 2015). Protisten sind wie Jack-Russell-Terrier: Was sie an Größe vermissen lassen, machen sie durch ihre Persönlichkeit wett.

Siehe Strother et al., »Earth’s earliest non-marine eukaryotes«, Nature 473, 505509, 2011.

Flechten sind Gemeinschaften von Algen und Pilzen, die so eng verwoben sind, dass sie als eigene Spezies gelten. Eine äußerst unterhaltsame Abhandlung über Flechten findet sich in Merlin Sheldrakes Buch Verwobenes Leben: Wie Pilze unsere Welt formen und unsere Zukunft beeinflussen (Berlin: Ullstein, 2020).

Siehe N.J. Butterfield, »Bangiomorpha pubescens n. gen. n. sp.: implications for the evolution of sex, multicellularity, and the Mesoproterozoic/Neoproterozoic radiation of eukaryotes«, Paleobiology 26, 386404, 2000.

Siehe C. Loron et al., »Early fungi from the Proterozoic era in Arctic Canada«, Nature 570, 232235, 2019.

Siehe El Albani et al., »Large colonial organisms with coordinated growth in oxygenated environments 2.1 Gyr ago«, Nature 466, 100104, 2010.

Die Plattentektonik »atmet ein und aus«: Alle paar 100 Millionen Jahre fügen sich die Kontinente zu einer einzigen superkontinentalen Landmasse zusammen, um anschließend erneut auseinanderzubrechen, wenn Magmaströme aus dem Erdinneren sie von unten her durchstoßen und wieder voneinander trennen. Der jüngste Superkontinent war Pangäa, der seine größte Ausdehnung vor etwa 250 Millionen Jahren erreichte. Den vorherigen nennt man Rodinia, den davor Columbia, und Studien legen nahe, dass es davor sogar noch frühere gab. Alles, was Sie jemals über Plattentektonik wissen müssen, lässt sich in dem Buch Superkontinent meines Freundes Ted Nield nachlesen (München: Kunstmann, 2008). Ted versicherte mir, dass es trotz des mehrdeutigen Titels in dem Buch nicht um Beckenbodengymnastik geht.

Ein Großteil der folgenden Ausführungen beruhen auf Lenton et al., »Co-evolution of eukaryotes and ocean oxygenation in the Neoproterozoic era«, Nature Geoscience 7, 257265, 2014.

Wann genau sich die Schwämme entwickelt haben, ist umstritten. Die mineralisierten Stacheln, die das Skelett von Schwämmen bilden, erscheinen, wenn überhaupt, nur selten vor dem Kambrium, und »molekulare« Fossilien, die man für Anzeichen von Schwämmen hielt, hätten genauso gut von Protisten stammen können. Siehe Zumberge et al. »Demosponge steroid biomarker 26-methylstigmastane provides evidence for Neoproterozoic animals«, Nature Ecology & Evolution 2, 17091714, 2018; J.P. Botting und B.J. Nettersheim, »Searching for sponge origins«, Nature Ecology & Evolution 2, 16851686, 2018; Nettersheim et al., »Putative sponge biomarkers in unicellular Rhizaria question an early rise of animals«, Nature Ecology & Evolution 3, 577581, 2019.

Siehe Tatzel et al., »Late Neoproterozoic seawater oxygenation by siliceous sponges«, Nature Communications 8, 621, 2017. Dies weckt unweigerlich Erinnerungen an Darwins letztes Buch Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer, erschienen 1881, kurz vor seinem Tod. Man muss wohl lange nach einem Buch mit einem griffigeren Titel suchen, wenngleich mir auf dem Regal der an Nature eingesandten Rezensionsexemplare einst ein dicker Wälzer namens Aktivierter Schlamm begegnet ist. Aber ich schweife ab. Würmer (wie es unter Darwin-Kennern gewöhnlich genannt wird) zeigt, wie die Tätigkeit von Regenwürmern, die den Boden umgraben, über sehr große Zeiträume hinweg eine Landschaft verändern kann. Wenn man bedenkt, dass dieser schmale Band die großen Themen von Zeit und Veränderung, die Darwins Leben beherrschten, in einer für jedermann zugänglichen Sprache auf den Punkt bringt, ist Würmer wohl nicht weniger als die Krönung seines Schaffens. Mit der für ihn typischen Sorgfalt dokumentierte er das Wirken der Würmer, indem er aufzeichnete, wie lange ein Stein auf dem Rasen hinter seinem Haus tatsächlich brauchte, um durch die Tätigkeit der darunter lebenden Würmer im Boden einzusinken.

Streng genommen bezeichnet der Begriff Plankton einen bestimmten Teil des Meeres und weniger die darin lebenden Organismen. Das Plankton ist die sonnenbeschienene Oberflächenschicht des Ozeans, die reich an von photosynthetischen Algen gebildetem Sauerstoff ist, sowie die Gemeinschaft von Tieren, die sich von diesen Algen und voneinander ernähren. Viele Tiere, die im Erwachsenenstadium den Meeresgrund bewohnen (wie etwa Schwämme), leben als Larven noch im Plankton.

Siehe Logan et al., »Terminal Proterozoic reorganization of biogeochemical cycles«, Nature 376, 5356, 1995.

Siehe Brocks et al., »The rise of algae in Cryogenic oceans and the emergence of animals«, Nature 548, 578581, 2017.

Der Name dieser sogenannten Ediacara-Fauna geht auf die Bergkette in Südaustralien zurück, wo die ersten Fossilien aus dieser Zeit entdeckt wurden. Seither hat man an vielen Orten auf der Welt Ediacara-Fossilien gefunden, vom arktischen Russland über das windgepeitschte Neufundland und die Wüsten Namibias bis hin zur vergleichsweise milden Umgebung Mittelenglands.

Heute nimmt man an, dass es sich bei Dickinsonia um eine Art von Tier handelt, welche genau ist allerdings unklar. Siehe Bobrovskiy et al., »Ancient steroids establish the Ediacaran fossil Dickinsonia as one of the earliest animals«, Science 361, 12461219, 2018.

Siehe Fedonkin und Waggoner, »The Late Precambrian fossil Kimberella is a mollusc-like bilaterian organism«, Nature 388, 868871, 1997.

Siehe Mitchell et al., »Reconstructing the reproductive mode of an Ediacaran macro-organism«, Nature 524, 343346, 2015.

Gregory Retallack vertritt die These, einige der Ediacara-Tiere hätten an Land gelebt – eine Behauptung, die, gelinde gesagt, umstritten ist. Siehe G.J. Retallack, »Ediacaran life on land«, Nature 493, 8992, 2013; S. Xiao und L.P. Knauth, »Fossils come in to land«, Nature 493, 2829, 2013.