Der nächste Schritt auf dem Weg zur Spitze stand an, als sich Lewis 2001 endlich in einen Rennwagen setzte und in seiner Debütsaison auf Anhieb Fünfter wurde im Gesamtklassement des „Formel Renault Winter-Cups“. Seine Karriere wurde von Ron Dennis und McLaren geplant und organisiert. Lewis war damals 16 und, obwohl er es noch nicht wusste, nur noch sechs Jahre entfernt von der Formel 1.
Ohne Zweifel lernte er schnell, und am Ende der darauffolgenden Saison war er Dritter der „British Formula Renault Series“ – auf dem Weg dorthin gelangen ihm drei Siege, drei schnellste Runden und drei Pole Positions. Aber damit nicht genug, er wurde auch Fünfter des „Formel Renault Eurocups“ bei einem Sieg und drei Podestplätzen, nachdem er von neun Runden vier für sich entschieden hatte.
Seine Lehrzeit bei den Meisterschaften war vorüber, und er sauste bald durch die „Britische Formel Renault Meisterschaft“ von 2003 mit zehn Siegen und elf Pole Positions. Mit 419 Punkten war sein Vorsprung deutlich, verglichen mit den 377 Punkten (einschließlich nur zweier Siege) seines stärkten Rivalen Alex Lloyd. Der Sieg kam dann überraschend schnell während der Saison – er hatte sich den Titel mit zwei Runden Vorsprung geschnappt –, und durch dieses Polster konnte er sein Debüt in der „Britischen F3-Meisterschaft“ geben, indem er an den letzten beiden Rennen der Saison noch teilnahm.
Der Teamchef von Manor Motorsport, John Booth, war der Mann, der Lewis durch die Formel-Renault-Jahre führte, nachdem McLaren entschieden hatte, dass er so weit war, den Kartsport hinter sich zu lassen. John hat viele Fahrer aus seinem Team unterstützt und war froh, dass er Lewis in der zweiten Phase seiner Erfolgsgeschichte zur Seite stehen konnte. Der Wunderknabe trat für ihn der Formel Renault sowie in seinen frühen Formel-3-Tagen an. John erzählte dem Guardian: „McLaren bat uns, Lewis eine Testfahrt in unserem Auto der Formel Renault machen zu lassen. Er hatte zuvor noch nie einen Rennwagen gesteuert, noch nicht einmal einen Straßenwagen, denn er war ja erst 16, und nach ein paar Runden hatte er einen Unfall.“ Booth hatte zwar mit einem Crash gerechnet, aber es beeindruckte ihn wirklich, dass Lewis sich nach der Reparatur des Wagens sofort wieder hinters Steuer setzte. Der Unfall hatte ihn nicht im Geringsten entmutigt.
„2001 fuhr er mit uns die ‚Renault Winter Series‘ – und die kompletten UK-Meisterschaften von 2002 und 2003. Natürlich machte er auch Fehler, aber was kann man denn von einem 17-Jährigen erwarten?“ Ja, in der Tat … jede Menge im Fall von Hamilton, manchmal vielleicht zu viel.
Lewis war auf dem College ein guter Schüler, wenn man seine anderweitigen Verpflichtungen in Betracht zieht. Er war zwischenzeitlich zum Cambridge College of Arts and Science übergewechselt – welches sich trotz des Namens in Stevenage befindet –, um dort die Hochschulreife zu erlangen, nachdem er die Sekundarstufe an der John-Henry-Newman-Schule erfolgreich abgeschlossen hatte. Am College hatte er einen flexiblen Stundenplan, der ihm erlaubte, den Unterricht an seine Verpflichtungen als Formel-3-Pilot anzupassen.
Ein College-Newsletter, der entstand, als Lewis dort studierte, offenbart ein wenig mehr über den Starschüler: „Lewis kam aufgrund der Empfehlung eines Freundes ans CATS, weil er eine Institution suchte, bei der er seinen Unterricht an die Termine seiner Rennen anpassen konnte. Für Lewis ist es immer noch schwierig, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, während er mit dem Kopf schon bei seinen Rennen am Wochenende ist, aber er macht trotzdem gute Fortschritte.“ Dieser Bericht aus dem Jahr 2002 sagte große Dinge voraus: „Lewis fährt jetzt in der ‚UK Formel Renault Single-Seater‘-Meisterschaft und plant, Profirennfahrer zu werden und in die Formel 1 aufzusteigen, wenn er seinen Schulabschluss hat.“
Im Cambridge College lernte er auch seine damalige Freundin Jodia Ma kennen. Obwohl Lewis es ablehnte, öffentlich über ihre Beziehung sprechen, war bekannt, dass sie nach ihrem Schulabschluss eine Zeitlang in London lebte, bevor sie im Januar 2007 zurück nach Hongkong ging. Sie und Lewis waren fünf Jahre lang ein Paar; in dieser Zeit gab er 10.000 Pfund für ein Diamantarmband aus, das er ihr zum 21. Geburtstag schenkte.
Im Gegensatz zu Lewis kam sie aus einem reichen Elternhaus. Ihre Eltern besitzen ein riesiges Anwesen in einem umzäunten Wohngebiet in Clearwater Bay, einer Gegend in der Bucht von Hongkong, in der hauptsächlich wohlhabende Geschäftsleute leben.
Jodia flog von Hongkong nach London zurück, um ihren 22. Geburtstag am 28. Juli 2007 mit Lewis zu feiern. Freunden gegenüber gab sie zu, sechs Monate zuvor in ihre Heimat zurückgekehrt zu sein, weil sie sich nicht sicher gewesen sei, ob sie und Lewis – wegen seiner Rennverpflichtungen und ihrer eigenen ungewissen Zukunft – zusammenbleiben würden. Aber Lewis hielt an der Beziehung fest. Im März desselben Jahres war er nach Hongkong geflogen, um sie zu besuchen, und von dort aus hatten sie sich zu einem gemeinsamen Urlaub nach Bali aufgemacht. Dann flog sie im Juli nach England und bestätigte, dass sie trotz der 6.000 Meilen, die zwischen ihnen lägen, immer noch zusammen seien.
Jodia meinte: „Ich halte sehr viel von ihm und bin einfach nur stolz auf ihn. Er ist ein liebevoller, wunderbarer Mensch und so talentiert. Lewis ist ein Nationalheld, und ich kann verstehen, dass die Leute so an ihm interessiert sind.“
Ein paar Wochen darauf reiste sie nach Ungarn, um Lewis beim Grand Prix in Budapest in Aktion zu sehen – das erste Mal, dass sie ihm bei einem Rennen zusah. Eine Freundin des Paares sagte, sie hätten über die Möglichkeit gesprochen, dass Jodia ganz nach London ziehen könne, um bei Lewis zu sein, und dass sie vielleicht eine Karriere im Eventmanagement in England beginnen würde. Ihre Hoffnungen auf eine dauerhafte Beziehung mit Lewis wurden jedoch zunichtegemacht, als sie sich im Spätsommer 2007 trennten.
Mit Jodia hatte Lewis seine zweite ernsthafte Beziehung. Die erste ging er mit Rachel Butterfield ein, mit der er im Jahr, bevor er Jodia kennenlernte, in der Sekundarschule liiert war. Rachel aus Biggleswade in Bedfordshire verkaufte später die „Enthüllungsstory“ ihrer gemeinsamen Zeit an die News of the World.
Neben dem College-Studium und seinem Engagement im Rennsport hatte Lewis auch eine Reihe kleinerer Jobs. Als er nach Tewin zog, bediente er im White Horse Gastro-Pub in Burnham Green und arbeitete auch für eine Firma, die sich um einen Fuhrpark kümmerte. Ungefähr zu dieser Zeit machte er zudem seinen Führerschein – beim ersten Versuch und nach nur sechs Stunden Unterricht –, obwohl er ermahnt werden musste, langsamer in die Kurven zu fahren. Sein Fahrlehrer Stephen Sivell sagte, er habe sofort gewusst, dass dieser 17-Jährige ein besonderes Talent habe, fügte aber hinzu: „Ich musste ihn dazu ermahnen, die Kurven langsamer zu nehmen und den Motor meines Nissan Micra nicht mehr so hochzujagen.“
Stephens Geschäftsunterlagen zeigen, dass er am 10. April 2002 zum ersten Mal von Lewis’ Vater Anthony kontaktiert wurde, der sich nach Fahrstunden für seinen Sohn erkundigte. Anfangs hatte der Fahrlehrer Bedenken, nachdem er die ungewöhnliche Kleidung bemerkt hatte, die Lewis bei seiner ersten Fahrstunde trug: „Er war ganz in Weiß gekleidet und trug eine Designer-Sonnenbrille von Oakley, als ich ihn von zu Hause abholte. Er sah stylisch aus, aber ich dachte nur: ‚Wir haben hier einen richtigen kleinen Rennfahrer.‘“
Stephen war auch wegen des Fahrstils besorgt, den sich sein Fahrschüler beim Kartfahren angeeignet hatte. Er fügte hinzu: „Ich musste ihn darauf hinweisen, dass sein Rennfahrstil nicht das sei, was der Prüfer in der Fahrprüfung sehen wolle. Er holte rechts aus, bevor er nach links abbog, was für ein professionelles Fahrertraining akzeptabel gewesen wäre, aber nicht für die Führerscheinprüfung. Und er nahm die Kurven auf den Landstraßen ein wenig schnell – er ging so schnell in die Kurve, dass ich zusammenzuckte. Ich glaube, er hat gesehen, dass mich das ein wenig nervös machte, und er schien es auf eine schelmische Art zu genießen. Ich sagte ihm, er könne schneller aus einer Kurve herauskommen, als er hineinfahre, aber er müsse langsamer in die Kurven fahren. Er hörte zu und lernte sehr schnell.“
Stephens alter silberner Nissan Micra hatte so etwas noch nie erlebt: „Irgendwann musste ich ihm sagen: ‚Wenn du den Motor noch weiter so hochjagst, schießt du ihn irgendwann in die Umlaufbahn!‘“ Aber er fügte hinzu, dass Lewis auch enorm konzentriert bei der Sache gewesen sei: „Er hat alles sehr schnell aufgenommen.“
Nach vier 90-minütigen Fahrstunden in etwas mehr als einer Woche zu einem Preis von jeweils 18 Pfund teilte Stephen seinem jungen Fahrschüler mit, dass er bereit sei, seine Prüfung abzulegen. Lewis bestand mit Bravour. Stephen sagte: „Ich weiß, dass er die Prüfung beim ersten Mal bestanden hatte, weil er mich anrief, um es mir zu erzählen. Ich glaube, er machte nur ein paar kleine Fehler, die er aber durch seine hervorragende Kontrolle über das Fahrzeug ausgeglichen hat.“ Der Fahrlehrer war auch Zeuge von Lewis’ Freude, als sein Vater ihm sein erstes Auto schenkte, ein Mini-Coupé mit einer Zielflagge auf dem Dach. Er erinnerte sich: „Wir sind am Ende einer unserer letzten Fahrstunden zu seinem Haus zurückgekehrt und haben festgestellt, dass Lewis’ Vater Anthony ihm das Auto gekauft hatte. Lewis war begeistert, und ich vermute, er hatte es auch verdient.“
Stephen erinnerte sich, dass Lewis über rassistischen Spott und Snobismus sprach, die er auf seinem Weg nach oben erlebt habe: „Ich denke, es war schwierig für ihn, weil einige Leute zu dieser Zeit nicht besonders angenehm für ihn waren. Einige Eltern warfen ihren Kindern ihren Reichtum hinterher und besorgten ihnen die beste Ausrüstung, aber sie waren weniger talentiert als Lewis, und ich vermute, dadurch entstand eine gewisse Eifersucht. Lewis war talentierter als die anderen und gewann auch noch. Deshalb musste er sich wohl von Zeit zu Zeit unpassende Bemerkung wie ‚Blacky‘ anhören. Ich würde ihn gern wiedersehen. Ich würde ihn nur fest umarmen und sagen: ‚Gut gemacht!‘“
Zum Zeitpunkt seiner zweiten Saison bei Manor Motorsport in Yorkshire im Jahr 2002 hatte Lewis seine „normale“ Fahrprüfung bestanden und sollte die nächste Prüfung in seiner Rennkarriere bestehen: Er war klarer Favorit auf den Titel der Formel Renault. „Wir waren im Test vor der Saison am schnellsten“, erinnert sich John Booth, „aber beim ersten Rennen lief es nicht rund – er wurde von einem aus den hinteren Reihen abgedrängt. Er hat drei Rennen ohne Sieg absolviert, was für uns, gelinde gesagt, eine Überraschung war.“
Doch dann kam der große Durchbruch: Lewis’ erster Sieg in einem Rennwagen in Silverstone. John sagte: „Er lag an fünfter Stelle auf Slicks, und es regnete. Er kam durch und gewann ganz bequem. Das war’s. Da hat es Klick gemacht, sein Selbstvertrauen war gestiegen, und wenn ich mich recht erinnere, blieb er für den Rest dieser Saison ungeschlagen.“
Lewis’ F3-Debüt in Brands Hatch war ein Albtraum. Im ersten Rennen des Tages wurde er durch eine Reifenpanne gezwungen, aufzugeben, und im zweiten Rennen wurde er nach einer Kollision mit seinem Teamkollegen Tor Graves ins Krankenhaus gebracht.
Stella-Maria Thomas und Lynne Waite von Motorsport.com berichteten am 13. Oktober 2003 ironisch über sein F3-Debüt: „Hinten erwies sich das Leben für Lewis Hamilton (Manor Motorsport) als interessant: Nachdem er am Morgen sein Debüt in der Kategorie gegeben hatte, startete er dieses Rennen von hinten, er hatte einen Fehler im Qualifying gemacht und nichts zu Wege gebracht, was einer passablen Zeit auch nur annähernd ähnelte …
Beim Versuch, an seinem Teamkollegen Tor Graves vorbeizukommen, kollidierten die beiden, was dazu führte, dass Graves’ Auto fast zerstört wurde, während der Fahrer mit einem vermutlich gebrochenen Daumen davonkam. Hamilton hatte nicht so viel Glück. Er war eine Weile im Auto eingeklemmt und klagte über Rückenschmerzen. Natürlich wollten die Streckposten vor Ort kein Risiko eingehen, deshalb nahm seine Befreiung aus dem Wagen einige Zeit in Anspruch. Schließlich wurde Hamilton, mit einer Halskrause um, herausgezogen und im Krankenwagen zur Krankenstation und später ins Krankenhaus gebracht. Es wurden zwar keine Verletzungen festgestellt, aber die Ärzte wollten ihn über Nacht zur Beobachtung dabehalten. Er wird sein F3-Debütwochenende wahrscheinlich nicht so schnell vergessen.“
Lewis und Manor debütierten 2004 in der Formel-3-Euroserie. Sie gewannen nur ein Rennen, und Lewis wurde Fünfter der Meisterschaft. Aber er gewann den „Bahrain F3 Superprix“. John Booth gab zu, dass das Problem beim Auto und nicht beim Fahrer lag. „Als wir in die Formel 3 wechselten, hatten wir nicht das wettbewerbsfähigste Auto. Lewis gewann zwar ein paar Rennen, aber es war ziemlich schwierig für ihn, in einem Auto zu sitzen, das nicht das beste war, weil er den festen Willen hatte zu gewinnen. Aber selbst, wenn es schwierig war, verlor er nie die Fassung.“
Booth bewunderte die natürliche Art, die Lewis schon damals hatte und die alle auf seine Seite brachte, im deutlichen Gegensatz zu Ayrton Senna. „Der hatte das gleiche Ziel, war aber manipulativ. Als er mit uns Rennen fuhr, war Ayrton ein sehr angenehmer junger Mann, aber mit Kalkül. Er sagte sich: ‚Wenn ich freundlich bin, bringe ich die Mechaniker auf meine Seite.‘ Lewis hingegen sah man ständig mit einem Lächeln im Gesicht herumspringen. So war er schon immer.“
Ende 2004 war klar, dass die Verbindung zwischen Lewis und Manor keinen Bestand mehr hatte – Mitte Dezember wurde dann bekannt gegeben, dass er bereits am 1. Dezember seine erste Testfahrt für McLaren in Silverstone abgeschlossen hätte. Es gab sogar Spekulationen, dass er zwei Stufen überspringen und ihr dritter Mann im F1-Team werden könne.
In einem Bericht heißt es: „Das Team McLaren-Mercedes hat bestätigt, dass Alexander Wurz das neue Auto von 2005, den MP4-20, im Januar nicht testen wird, weil er zu groß ist, um hineinzupassen. Obwohl das Team hinzufügte, dass das Auto möglicherweise modifiziert wird, um dem Österreicher gerecht zu werden, wird angenommen, dass dies einige Zeit dauern kann, und deshalb wurde Pedro de la Rosa am Ende zum ‚dritten Fahrer‘ befördert. Es gab Gerüchte, dass Jamie Green, Lewis Hamilton und Alex Lloyd ebenfalls im Gespräch waren, nachdem sie kürzlich in Silverstone den MP4-19 getestet hatten, und trotz McLarens Aussage am Montag, dass sich Mika Häkkinen 2005 ausschließlich auf die DTM [Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft] konzentrieren wird, war sein Aufstieg in die Formel 1 nicht ausgeschlossen.“
Es sollte also nicht sein, aber zumindest war Lewis in Betracht gezogen worden. Gut zwei Jahre, bevor Ron Dennis ihn zu seinem neuen Auserwählten machen würde, absolvierte er Testfahrten mit etablierteren Namen. Als er in das zweite Jahr der „Formel 3 Euroserie“ eintrat, wurde er von McLaren erneut unterstützt, als sie seinen Wechsel zum Rivalen ASM bewerkstelligten. Dennoch würde er die Rolle, die John Booth in seiner Karriere gespielt hatte, nicht vergessen. Vor dem Großen Preis der Formel 1 von Frankreich in Magny-Cours 2007 suchte Lewis ihn auf, um zu sehen, wie es ihm ging. John, der sich an diesem Tag mit seinem Formel-3-Team von Manor Motorsport auf ein Rennen vorbereitete, war gerührt von dieser Geste: „Das war so typisch für Lewis. Da stand er – vor einem großen Wochenende als Führender der Weltmeisterschaft – und nahm sich Zeit, um sich mit mir zu unterhalten.“
Am Ende der Saison 2004 war hingegen in der Boxengasse die Rede davon, dass die Testfahrt mit dem Formel-1-Auto in Silverstone Lewis zu Kopf gestiegen sein könnte und dass er und Anthony Ron Dennis’ Entscheidung, ihn noch eine weitere Saison in der Formel 3 zu behalten, nicht gutheißen würden, weil Lewis und sein Vater sofort in die GP2-Rennen einsteigen wollten. Es gingen Gerüchte um, dass es einen Streit gebe, der Lewis dazu bringen würde, ohne McLarens Unterstützung am Grand Prix der Formel 3 in Macau teilzunehmen, und dass die Hamiltons einen anderen Sponsor suchten, um in der GP2 zu fahren. Es wurde behauptet, dass sie jedoch nicht genügend Unterstützung gefunden hätten und „reumütig zu Dennis zurückkehren mussten“. Lewis, sein Vater und McLaren weigerten sich hartnäckig, zu diesen Anschuldigungen Stellung zu nehmen, aber wenn sie der Wahrheit entsprechen, war das eine heilsame Lektion für den jungen Mann. Dennis erwies sich als genau der richtige Mann – als Lewis 2005 zu ASM wechselte, stellte sich der Erfolg schnell ein, der es dann letztendlich ermöglichte, mit noch mehr Selbstvertrauen in die Formel 2 aufzusteigen.
Lewis’ zweite Saison in der Formel 3 begann mit einem eindrucksvollen Sieg in Hockenheim, und er wurde in der Folge ein glänzender Champion. Seine Statistik umfasste 15 Siege, 10 schnellste Runden, 13 Pole Positions und die vorzeitige Sicherung des Titels bei noch vier verbleibenden Rennen. Zur selben Zeit gewann er auch das F3-Masters in Zandvoort, räumte die Pole Position und den Rundenrekord ab, triumphierte beim F3 Grand Prix von Monaco und beim Pau F3 Grand Prix in Frankreich.
Als er im August 2005 vorzeitig den Titel gewann, zollten die Formel-3-Verantwortlichen ihm Tribut und würdigten Lewis als den besten Fahrer aller Zeiten in der F3: „Lewis Hamilton (ASM F3, Dallara-Mercedes) wurde bereits zu Beginn der Saison 2005 als einer der großen Favoriten gehandelt – und der 20-Jährige dominierte die Formel-3-Euro-Serie wie kein anderer Fahrer in der Geschichte. In den bisher bestrittenen 16 Rennen der Saison hat der junge Brite 11 Siege eingefahren, 11 Pole Positions erzielt und 7 schnellste Runden gefahren. Lewis Hamilton dominiert eindeutig die Saison 2005. Er macht fast keine Fehler und ist immer extrem schnell. Daher ist sein Titeltriumph die logische Konsequenz. Wenn Lewis Hamilton nicht am Steuer seines Autos sitzt, ist er ein ruhiger und höflicher junger Mann, dessen zweite Leidenschaft neben dem Motorsport das Gitarrenspiel ist.“
Es war eine schöne Hommage der F3-Verantwortlichen, und es würde bei McLaren nicht unbemerkt bleiben, dass seine Leistungen in dieser Saison den frühen Erfolgen der Rennlegenden Jackie Stewart und Alain Prost entsprachen.
ASM-Teamchef Frederic Vasseur war ebenfalls voll des Lobes für seinen Fahrer und gab zu, dass er es als gelungenen Coup empfinde, als McLaren ihn bat, Lewis unter seine Fittiche zu nehmen: „Meine erste Begegnung mit Lewis fand 2003 in der ‚Formel Renault Eurocup‘ in Assen statt. ASM gewann dort das zweite Rennen mit Simon Pagenaud, und Lewis wurde Zweiter. Er rief den Eindruck hervor, ein sehr guten Fahrer zu sein, als er 2004 mit Manor in die F3-Euroserie wechselte. Es war eine schwierige Situation für ihn, da sowohl er als auch das Team neu in der Serie waren und die Kumho-Kontrollreifen besondere Eigenschaften besitzen, Eigenschaften, mit denen man erst vertraut werden muss. Mit Jamie Green, Nico Rosberg und Alexandre Premat hatte er zudem starke Konkurrenz. Am Ende war ich sehr daran interessiert, Lewis für 2005 unter Vertrag zu nehmen, aber bevor ich die Gelegenheit bekam, mit ihm zu sprechen, rief mich Martin Whitmarsh [der McLaren-CEO] an und sagte, er wolle, dass Lewis für uns fahre!“
Lewis’ Verbindung zu Vasseur bestand auch nach der Formel 3 weiterhin fort. Als McLaren entschied, dass 2006 für ihn der richtige Zeitpunkt sei, in die Formel 2 aufzusteigen, wechselte er mit dem Schwesterteam von ASM, dem ART Grand Prix, in die Formel 2. Aber zuerst legte er 2005, am Ende einer erfolgreichen F3-Saison, eine wohlverdiente Pause ein: „Ich habe ein wenig Zeit mit meiner Familie, meiner Freundin und meinen Freunden nachgeholt. Ich bin auch ein bisschen gereist. Zuerst machte ich mit meiner Freundin Sightseeing in New York. Wir waren oben auf dem Empire State Building, sind mit dem Boot zur Freiheitsstatue gefahren, und natürlich konnten wir nicht nach New York fahren, ohne ein paar Einkäufe zu erledigen! Dann verbrachte ich mit ein paar Freunden eine Woche auf den Bermudas – es war Winter dort, aber trotzdem noch schön warm. Es ist ein wirklich schöner Ort und sehr entspannend, genau das, was ich vor Beginn der neuen Saison brauchte.“
Ohne Anstrengung wurde er auch zum Champion der GP2. Auf dem Weg zum Titel lautete seine Rennstatistik wie folgt: fünf Siege, sechs schnellste Runden, erster Doppelsieg auf dem Nürburgring, Pole Position und Gewinner des GP2-Rennens in Monaco, zweiter Doppelsieg in Silverstone beim Heimrennen, sieben zweite und zwei dritte Podestplätze.
Frederic Vasseur erinnerte sich gern an Lewis’ Dominanz in der Formel 2, ganz zu schweigen von seiner hingebungsvollen und professionellen Arbeitsweise: „Es war offensichtlich, dass er ein Naturtalent war, aber er war auch sehr engagiert. Alle Fahrer sagen, dass sie den Ehrgeiz hätten, Weltmeister zu werden, aber nur sehr wenige konzentrieren sich tatsächlich darauf. Lewis ist einer dieser wenigen. Er kann ein Team motivieren, weil er zu allen freundlich ist. Und er ist vollkommen ehrlich zu sich selbst. Wenn er im Qualifying schlecht war, sagt er: ‚Ich habe einen schlechten Job gemacht. Das Auto ist in Ordnung. Verändert es nicht, es ist meine Schuld.‘“ Das war eine Schlüsselkompetenz dieses jungen Mannes, weil damit die effizienteste Nutzung der Zeit von Ingenieuren und Technikern sichergestellt wurde – man kann nämlich viel Zeit damit verschwenden, das Auto zu modifizieren, wenn doch tatsächlich der Fahrer Schuld hat.
Vasseur erinnerte sich an zahlreiche beeindruckende Rennen: „Ich erinnere mich besonders an einige der GP2. Silverstone [als Lewis zwei Autos in einer einzigen Aktion überholte] war ein fantastischer Moment für mich. Und in der Türkei, als er sich im hinteren Teil des Feldes gedreht hatte, war seine Aufholjagd unglaublich. Und doch ging er kein großes Risiko ein. Wenn ein Fahrer so etwas aufholen möchte, will er alle auf einmal überholen – und verunglückt. Lewis benutzte sein Gehirn, dachte an die Meisterschaft und nahm sich einen Fahrer nach dem anderen vor. Auf dem Nürburgring, als es anfing zu regnen und alle Slicks aufgezogen hatten, war Lewis zwei bis drei Sekunden pro Runde schneller als die anderen. Ich schaltete den Funk ein und sagte: ‚Beruhige dich.‘ Er antwortete: ‚Okay, ich habe kein Problem.‘ Es war alles so einfach für ihn. Während eines Rennens war ich an der Boxenmauer nie nervös wegen ihm.“
Bezeichnend dafür war die Kollision mit seinem Teamkollegen Alexandre Premat in Barcelona: „Premat touchierte Lewis in der letzten Runde, wobei sich Hamiltons Wagen drehte. Trotzdem gratulierte er Alex zum Sieg: ‚Alex ist nicht das Problem‘, sagte er, ‚das Problem war mein Start.‘ Das heißt, wenn er einen besseren Start gehabt hätte, wäre das Problem nicht aufgetreten. Das ist Lewis, ein unglaublicher Typ.“
Nicolas Todt, neben Vasseur Co-Manager des ART Grand Prix, war ebenfalls erfreut, dass Lewis sie zu einer zweiten GP2-Meisterschaft in Folge geführt hatte: „Ich bin sehr, sehr glücklich. Der Titelgewinn im letzten Jahr [mit Nico Rosberg] war eine wirklich gute Leistung, da es sich um eine neue Serie handelte. Der erneute Gewinn hat gezeigt, dass es letztes Jahr kein Glücksfall war. Es zeigt, dass wir es wirklich verdient haben. Lewis war erstaunlich. Er war sehr schnell und sehr entschlossen. Es war eine Freude, mit einem Mann wie ihm zu arbeiten. Die Kombination von Lewis und Alex Premat, der auch letztes Jahr mit uns fuhr, war die beste, die wir haben konnten.“
Lewis würdigte Todt und Vasseur und ihr Team dafür, dass sie ihm geholfen hatten, schneller als von vielen erwartet in die Formel 1 zu kommen: „Ja, ich hatte ein paar großartige Jahre mit den beiden. Ich glaube, ich habe dort viel von meinen Ingenieuren gelernt, weil sie zwei fantastische Teams in der Formel 3 und Formel 2 leiten. Sie haben mir technisch wirklich ein gutes Verständnis vermittelt, denn wenn du in die Formel 1 einsteigst, musst du über vorzügliche Kenntnisse des Autos verfügen, um mit dem Team kommunizieren zu können. Das habe ich von diesen Teams gelernt.“
Seine GP2-Triumphe in Silverstone im Juni 2006 werden von vielen als der Moment angesehen, in dem Ron Dennis entschied, dass er seinen Schützling nicht länger zurückhalten konnte; zu diesem Zeitpunkt gab er seine Zustimmung dazu, dass Lewis Teil des McLaren F1-Teams wurde. Sicherlich schienen die offiziellen Kommentare des Teams an diesem Tag diese Theorie zu untermauern: „Lewis Hamiltons schillernde Siege bei den beiden GP2-Rennen [in Silverstone], die zum Grand-Prix-Sieg von Großbritannien 2006 beitrugen, haben viele Fahrer der höchsten Kategorie aus dem Rampenlicht gedrängt. Nach dem Sieg im ersten Rennen am Samstag stand er nach den GP2-Regeln auf Platz acht in der Startaufstellung für das Sprint-Rennen am Sonntagmorgen. Lewis kam vom Dreiergespann, mit Clivio Piccioni und Nelson Piquet Jr. neben ihm, als Erster heraus und überholte Maggotts und Becketts. Dieses umwerfende Manöver brachte ihn auf den zweiten Platz. Danach arbeitete er hart daran, Felix Porteiro zu verdrängen und seinen zweiten Sieg in weniger als 24 Stunden zu besiegeln. Viele sagten voraus, dass ihm dieses Rennen 2007 den Sprung in die Formel 1 einbringen werde.“
Am Samstag, den 9. September 2006, erhöhten sich nach der Bestätigung seines GP2-Titelgewinns in Monza die Chancen für ihn, einen McLaren zu steuern. Der bekannte Formel-1-Blogger Oliver White drückte es folgendermaßen aus: „Obwohl Hamilton im Rennen nur Dritter wurde, holte er sich einen Extrapunkt, weil Sieger Giorgio Pantano seine schnellste Runde aberkannt wurde, die er bei gelben Flaggen fuhr. Das bedeutete für Lewis, dass er seinen Rivalen Nelson Piquet Jr. geschlagen hatte. Ron Dennis – Teamchef von McLaren F1 – wollte sich nicht in Fragen zur Fahreraufstellung des nächsten Jahres verwickeln lassen, lobte jedoch seinen 21-jährigen Schützling: ‚Die Art und Weise, wie er seine vielen herausragenden Leistungen in diesem Jahr erzielte, wie die in Silverstone und der Türkei, war phänomenal, und er ist ein verdienter Champion. Lewis hat ein außergewöhnliches Talent, das dieses Jahr unter Beweis gestellt wurde, und seine Gesamtleistung während der Saison gibt dir ein klares Gefühl von Stolz und Zufriedenheit. Die Pläne für das Team und Lewis für 2007 werden zu gegebener Zeit bekannt gegeben.‘ Hamilton soll angeblich glücklich darüber sein, dass der jahrelange Kampf mit Nelson Piquet Jr. dann endlich vorbei wäre, und freut sich über seinen Erfolg. Da Kimi Räikkönen voraussichtlich nächstes Jahr bei Ferrari sein wird, hat Ron Dennis eine schwere Entscheidung für die Fahreraufstellung von 2007 zu treffen. McLaren hat derzeit Fernando Alonso, Pedro de la Rosa, Lewis Hamilton und Gary Paffett für das nächste Jahr zur Verfügung, und obwohl Kimi im Kader aus Woking bleiben könnte, ist dies unwahrscheinlich. Ron würde kaum etwas falsch machen, wenn er Pedro als Piloten behalten würde. Der Spanier hat sich als Nachfolger von Juan Pablo Montoya gut geschlagen und dem Team gezeigt, dass er eine sichere Bank ist. Die Versuchung, einen jungen, motivierten Durchstarter als Zweitbesetzung zu haben, muss jedoch sehr stark sein.“
Das war sie, in der Tat, und am Ende erwies sich die Versuchung als zu stark. Nach neun Jahren entschied Big Ron, dass es für Lewis an der Zeit sei, mit den großen Jungs zu spielen. Am Samstag, den 30. September 2006, kurz vor dem Großen Preis von China, wurde er in sein Haus eingeladen. Lewis selbst griff die Geschichte auf: „Wir saßen da, und er sagte: ‚Wir haben beschlossen, dass du nächstes Jahr unser Fahrer wirst.‘ Ich musste eine professionelle Miene aufsetzen und lächelte dezent, aber in meinem Inneren war ich überwältigt.“ Als Big Ron ihn bei den ganz Großen aufnahm, verstieß er gegen seine eigenen Grundregeln. Er war gegen seinen Grundsatz vorgegangen, nur Fahrer einzustellen, die bereits in der Formel 1 etabliert waren.
Die Tage seiner Ausbildung in den hinführenden Kategorien waren endlich vorbei, und Lewis Hamilton hatte das erreicht, was er wollte, solange er denken konnte. Er startete sechs Monate später in Melbourne als Formel-1-Pilot. Aber er hatte gerade erst begonnen zu lernen, wie man tatsächlich einer ist, und lange, harte Tage des Testens und Trainierens lagen vor ihm. Dies würde viel Zeit im McLaren Technology Center in Woking erfordern, ein Ort, den Lewis bereits genau kannte. Hier hatten sich seine Fähigkeiten im Motorsport weiterentwickelt, seit Dennis ihn in das Ausbildungsprogramm von McLaren aufgenommen hatte.
Werfen wir einen kurzen Blick auf das Trainingsprogramm, das dazu beigetragen hat, Lewis in seiner neunjährigen McLaren-Ausbildung von einem hoffnungsvollen Kartfahrer zu einem Formel-1-Sieger zu formen. 2007, als der Countdown für seinen Formel-1-Start lief, äußerte er Folgendes dazu: „Ich bin jeden Tag im McLaren Technology Center. Ich bin nach Woking gezogen, um in der Nähe des Teams und des Centers zu sein. Ich trainiere jeden Tag im Fitnessstudio, treffe Teammitglieder in Trainings- und Entwicklungs-Meetings, lerne das Team im Allgemeinen kennen und verfolge den Fortschritt des neuen Autos genau. Das gibt mir auch die Möglichkeit, eng mit meinen neuen Ingenieuren zusammenzuarbeiten, so dass wir uns immer besser kennenlernen!“
Joseph Dunn von der Sunday Times beschrieb Lewis’ Training folgendermaßen: „Die Intensität ist erstaunlich. Hightech-Telemetrieanzeigen ermöglichen es dem Fahrer und den Ingenieuren, die Rundenzeiten in Sekundenbruchteilen anzuzeigen, während Rennsimulatoren und 3D-Virtual-Reality-Autos bedeuten, dass Fahrer eine Rennstrecke in- und auswendig kennen, ohne sie tatsächlich gefahren zu sein. In einigen Berichten wurde behauptet, Hamilton habe Tausende von Stunden in einem solchen Simulator an der McLaren-Basis in Woking verbracht, obwohl er selbst dessen Bedeutung heruntergespielt hat.“
Rory Ross’ Kommentar zu diesem Thema in der Zeitschrift Daily Telegraph lautet wie folgt: „Er ist 1,74 groß, hat breite Schultern und einen hervorragend entwickelten Oberkörper. Seine Unterarme sind mit pulsierenden Adern wie braune Blitze übersät … Sechs Monate vor Saisonbeginn wurde Hamilton auf sein Formel-1-Debüt vorbereitet. Jeden Tag, auch am Wochenende, absolvierte er zwei dreistündige Trainingseinheiten: Er schwamm zwei Kilometer, radelte 50 Meilen und verbrachte zwei Stunden im Fitnessstudio. ‚Es geht nur um Ausdauer‘, sagt er, ‚es gibt nichts Schlimmeres, als mitten im Rennen erschöpft zu sein, dann muss dein Kopf doppelt so hart arbeiten, um Energiereserven zu mobilisieren. Dann verlierst du den Fokus und kannst einen Crash bauen. Es geht darum, den Kopf freizuhaben, indem man fit genug ist.‘“
Richard Williams vom Guardian sprach von „Robotik“, um zu beschreiben, wie Lewis von McLaren ausgebildet wurde, und über eine „Trainingsperiode, die Tausende von Stunden im einzigartigen und streng geheimen Simulator des McLaren-Teams beinhaltete“ sowie von „einigen der speziellen Trainingstechniken für Astronauten und Kampfpiloten“.
Im Weiteren schrieb er: „[Ron] Dennis stellte Hamilton das größte Trainingsgerät zur Verfügung, das jemals ein Fahrer erhalten hat. McLarens Simulator, der in den letzten acht Jahren zu einem geschätzten Preis von über 20 Millionen Pfund entwickelt wurde, war Hamiltons Klassenzimmer, in dem er in einem Formel-1-Auto in voller Größe ohne Räder und funktionierendem Motor in einem abgedunkelten Raum vor einem großen, gebogenen Plasmabildschirm sitzt. Das Chassis ist an einem Mehrpunkt-Hydraulik-Rig aufgehängt, das sich als Reaktion auf seine Lenkbewegungen und auf die Betätigung der Pedale hin bewegt, während sich auf dem Bildschirm vor ihm die Rennstrecke nebst Soundeffekten entfaltet. Alles in diesem Videospiel für Erwachsene wird über die Software des Simulators programmiert: die kleinsten Details der Schaltung, das Verhalten des Motors unter verschiedenen Bedingungen, die Art und die Verschleißrate der Reifen sowie das Geräusch des Motors.“
Es war sicherlich richtig, dass Lewis eine neunjährige Ausbildungszeit absolviert hatte, wie sie noch keinem anderen Formel-1-Piloten jemals zuteilwurde. So gesehen war er der Prototyp der neuen Generation von Fahrern; schon in jungen Jahren zum Champion entwickelt, obwohl, wie Williams ebenfalls betont, auch Geschicklichkeit und Talent von entscheidender Bedeutung seien.
Lewis gab vor dem Grand Prix von Großbritannien 2007 freimütig zu, dass er ohne das Fünf-Millionen-Pfund-Trainingsprogramm wahrscheinlich nicht so schnell dahin gekommen wäre, wo er nun sei: „Ich glaube nicht, dass man diese Position erreichen kann, ohne so hart zu arbeiten, wie sie es dir vorgeben. Mir wurde die Gelegenheit dazu gegeben. Ich erinnere mich, dass Ron sagte: ‚Du hast die Chance, und ich möchte, dass du der Fitteste da draußen bist.‘ Deshalb musste ich genug Selbstvertrauen aufbauen, selbst der Stärkste da draußen sein zu wollen. Ob ich das bin oder nicht, wird sich herausstellen. Ich hatte die Gelegenheit, ein Trainingsprogramm zu absolvieren, um so viel wie möglich über das Auto zu lernen, damit ich beim ersten Rennen keine Probleme bekäme. Und wir haben nicht zurückgeschaut und gesagt: ‚Ich wünschte, wir hätten das anders gemacht‘ oder: ‚Ich wünschte, wir hätten einen Tag mehr gearbeitet.‘ Wir haben jeden Tag so genommen, wie er kam, und jeden Tag wirklich maximal genutzt. Das ist es, woran ich seit so vielen Jahren arbeite. Wenn du die Gelegenheit dazu bekommst, lässt du sie nicht einfach verstreichen, du holst raus, was du kannst.“
Vor besagtem Großen Preis von Großbritannien gab er auch zu, dass ihm durch das Trainingsprogramm eingeimpft worden sei, immer weiter zu lernen und Daten, Bücher und Videos zu analysieren, um die absolute Weltspitze zu erreichen: „Ich habe meinen Kopf in den letzten neun Monaten in Bücher vergraben. Wenn ich keine Bücher lese, schaue ich mir DVDs an oder spreche mit dem McLaren-Team über das Auto. Die Autos haben heutzutage so viel Software – es ist nicht die Mechanik. Du steigst nicht einfach in ein Auto und fährst es auf einer Rennstrecke; man muss etwas über die Aerodynamik lernen. Ich habe von September bis März studiert, um sicherzugehen, dass ich alles im Kopf habe. Dann muss ich mir jede einzelne Rennstrecke einprägen. Der Rat, den ich anderen Fahrern geben würde, ist der, niemals aufzugeben, selbst wenn man sich dreht. Als ich mich drehte und trotzdem weiterfuhr und mich konzentrierte, wurde ich Zweiter. Du kannst es dir einfach nicht leisten, den Fokus zu verlieren. Wenn ich mit 200 Meilen pro Stunde fahre und den Fokus verliere, könnte ich sterben, so einfach ist das.“
David Coulthard befürwortete die Vorgehensweise McLarens und räumte ein, dass sein Training mit dem Team für seine eigene Karriere enorm hilfreich gewesen sei. Bei einer Pressekonferenz vor dem Großen Preis von Großbritannien im Juli 2007 bemüßigte er sich, auch hinzuzufügen, dass Lewis’ angeborene Fähigkeiten das Siegerpaket vervollständigten: „Da ich Teil des McLaren-Systems war, kenne ich einige der Einrichtungen, die sie bis zu meinem Weggang hatten, und ich wäre überrascht, wenn irgendein Grand-Prix-Team ein ebenso vollständiges Paket an Simulationsgeräten hätte, das die Fahrer nutzen können. Es ist offensichtlich eine hochmoderne Einrichtung, wahrscheinlich moderner als alle anderen da draußen. Aber Lewis hat sich beweisen müssen, sonst würde er nicht hier sitzen. McLaren ist kein Wohltätigkeitsverein. Sie haben investiert, weil sie das Talent gesehen und ihm geholfen haben, es im Laufe der Zeit weiterzuentwickeln. Da Lewis ins Ausland umziehen wird und in sein Leben hineinwächst, wird er unweigerlich weniger Zeit in der Fabrik verbringen, weil ihm einfach die Möglichkeit dazu fehlt. Er wird Energie und Erholungsphasen benötigen, um das Niveau, das er erreicht hat, über die nächsten 10 bis 15 Jahre zu halten.“
Einige Experten waren der Meinung, dass Dennis Frankenstein gespielt habe und Lewis lediglich seine Formel-1-Kreation sei. Diese Theorie wurde durch die Tatsache gestützt, dass Big Ron den aus Neuseeland stammenden Neurowissenschaftler Dr. Kerry Spackman engagiert hatte, um den Jungen anscheinend in eine Formel-1-Siegermaschine zu verwandeln. Spackmans Untersuchungen hatten gezeigt, dass in der Formel 1 zwar einige Autos schneller sind als andere, aber letztendlich der Fahrer der Schlüssel zu einer höheren Geschwindigkeit ist.
Der Autor Robert Matthews äußerte sich im Online-Nachrichtenmagazin thefirstpost.co.uk folgendermaßen zu diesem wissenschaftlichen Ansatz: „Ein wesentlicher Teil von Spackmans Methode ist der intensive Einsatz von Computersimulatoren, die Hamilton jeder Kurve, Drehung und Eventualität eines Rennens aussetzen, bis der Umgang mit diesen Situationen instinktiv erfolgt.“ Es war die gleiche Methode, die die NASA mehr als 40 Jahre zuvor schon beim Astronautentraining anwandte. Spackman ging jedoch noch viel weiter und nutzte Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der Psychologie, um ein umfassenderes Bild von Hamiltons Technik und Denkweise zu erstellen und seine Schwächen unter Kontrolle zu bringen. „Das Ergebnis ist ein Fahrer, der die Standardfähigkeiten von Fokus und kontrollierter Aggression mit unerbittlicher Konsistenz kombiniert.“
Der Guardian-Kolumnist Richard Williams wies darauf hin, dass Dr. Spackmans Arbeit eher die Fähigkeiten des Wunderknaben ergänzt habe: „Spackmans Einsatz von Virtual-Reality-Techniken hat es Hamilton ermöglicht, sein natürliches Talent noch weiter auszureizen, indem er seine geistigen Fähigkeiten erweiterte. In gewisser Weise ist es so, als würde man seinem Mercedes-Motor einen zusätzlichen Liter hinzufügen.“
Ron Dennis selbst wollte unbedingt die Vorstellung herunterspielen, dass Lewis nur ein werksseitig kreierter Formel-1-Fahrer war: „Zunächst einmal haben wir das für mehrere junge Kartfahrer getan. Wir haben ein Kart-Team für Lewis und Nico Rosberg aufgebaut. Offensichtlich haben beide einen großartigen Job gemacht – und Nico sogar noch etwas besser, obwohl eher wegen seines Alters als wegen irgendetwas anderem bzw. wegen der Art und Weise, wie das Lizenzsystem funktioniert: Er ist einfach nur einen Schritt voraus, was den Einstieg in die Formel 1 betrifft. Ich war jedoch immer daran interessiert, dass Lewis jede Kategorie dominierte, in der er Rennen fuhr, denn das fördert eine gewisse Denkweise, und natürlich wollten wir, dass er den richtigen Weg in die Formel 1 einschlägt. Aber man darf nicht vergessen, egal, wer jungen Fahrern diese Gelegenheit gibt, letztendlich sind es ihre eigenen Fähigkeiten, ihr Einsatz, ihr eigenes Engagement und ihre Opfer, die das Ergebnis bestimmen. Ich würde nie so weit gehen zu behaupten, der Grund dafür zu sein, dass Lewis dieser große Erfolg beschieden ist. Das ist schon seine eigene Leistung bzw. sein eigenes Engagement. Ja, er hatte die Gelegenheit. Ja, er musste sich keine Sorgen um Geld machen, aber angesichts dieser Möglichkeiten ist es tatsächlich am schwierigsten, abzuliefern, und es liegt ganz bei ihm, aber natürlich ist auch die Unterstützung seiner Familie wichtig.“ Das war eine schöne Hommage an den Jungen, den er fast ein Jahrzehnt lang wie einen Sohn behandelt hatte. Offensichtlich war die Bindung zwischen ihnen tief.
Bevor wir jedoch zum Start von Lewis’ Formel-1-Karriere übergehen, ist es Zeit, einen Blick auf den Mann zu werfen, den er als seinen ultimativen Helden bezeichnet hat – Ayrton Senna – und auf McLaren, das Team, zu dem er schon immer gehören wollte. Lassen Sie uns genau herausfinden, wie sich McLaren mit Hilfe des verstorbenen großartigen Senna zu dem legendären Rennriesen entwickelte, zu dem es geworden war, als es Lewis Hamilton an Bord willkommen hieß.