Kapitel 6
Big Ron, Teamchef

Er war vielleicht nicht der beliebteste Typ in der Boxengasse, aber Ron Dennis, „Big Ron“, wie er allgemein auf der Rennstrecke genannt wurde, gab keinen sprichwörtlichen Pfifferling darauf – dreist und selbstbewusst machte er ein wenig den Eindruck, als wäre er der Besitzer des gesamten Rennzirkus. Das war er natürlich nicht: Diese Ehre gebührte Formel-1-Ringmeister Bernie Ecclestone. Als Chef eines der beiden mächtigsten Rennteams der Epoche (neben Ferrari) hatte der „Big Man“ jedoch großen Einfluss – und in unserer Geschichte ist er der Verantwortliche für den unaufhaltsamen Aufstieg von Lewis Hamilton.

Lewis ist der Erste, der konzediert, dass er Dennis großen Dank schuldet. Er sagte: „Ron und mein Vater haben meine Karriere am meisten beeinflusst. Ohne sie wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Ich schulde beiden tiefe Dankbarkeit für ihren Glauben an mich. Ron verhalf mir zum Durchbruch, und dafür ich werde ihm immer dankbar sein. Aber er ist auch ein Freund, jemand, mit dem ich über alles reden kann, jemand, der immer Zeit für mich hat. Er ist ein großartiger Mann.“

Später in diesem Kapitel hören wir mehr von Dennis als Ersatzvater und Mentor – er dirigierte Lewis’ Fortschritte in ähnlicher Weise, wie sich Fußballmanager Sir Alex Ferguson in seinen jüngeren Tagen um seinen Manchester-United-Stammspieler Ryan Giggs kümmerte. Zunächst aber interessiert uns Ron Dennis, der Mann, sein Hintergrund und wie er McLaren wiederbelebt hat, nachdem das Team in den 1980er Jahren Schwierigkeiten hatten, an der Spitze zu bleiben.

Die ehemalige Nummer eins McLarens, Kimi Räikkönen, sprach aus, was viele im Fahrerlager dachten, als er seinen ehemaligen Chef Dennis Anfang 2007 als „Kontrollfreak“ bezeichnete. Aber, typisch für Dennis, drehte dieser den Spieß um, indem er erklärte, dass Kimi absolut recht habe: „Ich lächelte, als ich hörte, dass er sagte, ich sei ein Kontrollfreak, weil ich es bin – wenn es um Details geht, schaue ich ganz genau hin.“

Er ist sicherlich bekannt für diese perfektionistische Ader und dafür, dass er in der Box nicht zu Scherzen aufgelegt ist. Einige halten ihn für humorlos, aber das scheint nur so. Wenn man ihn nicht bei der Arbeit erwischt, hat er einen trockenen Humor und kann über sich selbst lachen. 2007 gab er sogar zu, dass er wie der damals neue britische Premierminister Gordon Brown ein wenig daran gearbeitet habe, in der Öffentlichkeit etwas nahbarer zu werden. Er lehnte die Menschen nicht ab; es war nur sein Engagement im Job, das ihn mürrisch und introvertiert erscheinen ließ.

Die Veränderungen im McLaren-Team seit der Saison 2006 sind letztlich der Beweis für den Versuch, sich und sein Team in „besserem“ Licht erscheinen zu lassen: Er wurde den brillanten, aber relativ unspektakulären Räikkönen los, holte den jungen amtierenden Doppelweltmeister Alonso als Ersatz und zog dann ein weiteres Kaninchen aus dem Hut, indem er einem eher unbekannten Rookie – Lewis Hamilton – den Aufstieg in die Formel 1 ermöglichte. Als Räikkönen, bekannt als „The Iceman“, McLaren verließ, machte er mit wenigen Worten seinem Ruf alle Ehre: „Ich bin seit fünf Jahren bei McLaren, und ich wollte etwas anderes.“ Es war ihm sicher auch nicht dienlich, dass McLaren in der letzten Saison mit Räikkönen zum ersten Mal seit zehn Jahren kein einziges Rennen gewann. Diese Tatsache machte Dennis umso entschlossener, sein Team wieder an die Spitze zu bringen – und zum ersten Mal, seit Mika Häkkinen 1999 das letzte Mal den Titel geholt hatte, wieder eine Meisterschaft zu gewinnen.

Mit dem frischen Wind, der durch das Team wehte, beschloss Dennis auch, dass McLaren die Saison 2007 mit einem neuen Hauptsponsor – dem erst Dritten in den letzten 30 Jahren –, dem Kommunikationsgiganten Vodafone, beginnen werde. Und um das Ganze abzurunden, stellte er sein neues Auto, den MP4-22, sehr werbewirksam in Spanien vor. Alonso und Hamilton fuhren auf einer speziellen Rennstrecke vor 100.000 Fans für ein paar Parade-Runden durch die Straßen von Valencia. Der PR-Coup kostete schätzungsweise mehr als vier Millionen Pfund. Dennis wollte zeigen, dass er eine stilvolle Einführung hinlegen konnte, die die skeptischen Medien doch irgendwie davon überzeugen sollte, dass er auch sanftere Töne anzuschlagen vermochte. Als Reaktion auf die Salven, die er ihnen im Laufe der Saison für die „Eingriffe“ in Hamiltons Privatleben verpasste, überlegten sie es sich dann wieder anders, aber zu Beginn der Saison arbeitete Dennis hart daran, sein emotionsloses, roboterhaftes Image abzuschütteln. Er gab dies während der Show in Valencia auch zu und sagte: „Bevor wir vor über einem Jahr Vodafone unter Vertrag genommen haben, hatten wir Zeit, eine Analyse dahingehend durchzuführen, wie die Leute das Team wahrnehmen. Es gab Positives: integer, ehrlich, sportlich, topaktuell, modern … Aber dann kam das Negative: kalt, nicht besonders publikumsfreundlich, etwas distanziert … Wir waren überrascht, weil wir auf der Strecke ein ‚Meet and Great‘ mit dem Team veranstalten und versuchen, mit den Medien zu kooperieren. Aber wie auch immer die Medien uns wahrnehmen mögen, wir wurden von der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen, also sagten wir uns: ‚Lasst uns etwas dagegen tun.‘ Wir wollten uns ‚menschlicher‘ zeigen und zugänglicher werden.“

Er sprach auch von seinem Engagement, die Formel 1 wiederzubeleben, die in den Jahren der Schumacher-Dominanz bei vielen Fans in Ungnade gefallen war: „Heute geht es wirklich nicht nur darum, das Auto und die Fahrer zu präsentieren, sondern vielmehr darum, unser Engagement für die Formel 1 praktisch zu demonstrieren. Das ist nicht nur die protzige Art, ein Auto zu enthüllen. Die Leute wollen eine dynamische, publikumsnahe Formel 1; es ist unser Bestreben, dieses Bedürfnis zu befriedigen.“

Gleichzeitig konnte er in Valencia die pragmatischere Seite seiner Natur nicht verbergen. Sicherlich hatte sie sich nicht in Luft aufgelöst, als er über seine Hoffnungen für die neue Saison sprach, obwohl er sich für Lewis Hamilton begeistern konnte, den Jungen, den er seit neun Jahren hegte und pflegte: „Es ist wichtig, weder optimistisch noch pessimistisch zu sein, sondern realistisch. Bisher hat mich alles zu der Annahme verleitet, dass wir in diesem Jahr ein besseres Auto haben werden, obwohl die Zeit zeigen wird, ob wir konkurrenzfähig sind. Viele Leute haben gesagt, Lewis sollte in einem weniger konkurrenzfähigen Team sein, in dem nicht so viel von ihm erwartet wird, aber er geht gut damit um. Wir haben in den letzten fünf Monaten viel Arbeit investiert, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen und zu versuchen, ihn zum fittesten Fahrer zu machen, dem Fahrer, der sich mit den Regeln am besten auskennt. Er weiß Dinge vom Rennwagen, die nur sehr wenige Fahrer jemals begriffen haben. Er ist vielleicht nicht der erfahrenste Fahrer, wenn er in die Saison startet, aber er wird in vielen, vielen Themen viel besser Bescheid wissen als die meisten von ihnen, und er ist auch super fit.“ Mit diesen Worten zeigte Ron Dennis, warum die Briten froh waren, ihn im Formel-1-Kampf an ihrer Seite zu haben. Egal, was man von ihm hält, den Vorwurf, „langweilig“ zu sein, hin oder her, er weiß, wovon er spricht, und seine Entscheidung, Lewis Hamilton in der Formel 1 einzusetzen – auch wenn zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich niemand anderes das getan hätte –, spricht Bände.

Ron Dennis wurde am 1. Juni 1947 in Woking geboren, der Stadt in Surrey, in der er auch aufwuchs und später als Chef von McLaren arbeite. Mit 16 verließ er die Schule und begann in der Autowerkstatt Thomson & Taylor in Weybridge (in der Nähe der stillgelegten Brooklands-Rennstrecke) eine Lehre als Automechaniker. Er absolvierte einen Teilzeitkurs für Fahrzeugtechnik am Guildford Technical College. Als Thomson & Taylor von der Chipstead Motor Group übernommen wurde, wechselte Dennis zu einem anderen Geschäftsbereich: der Cooper Car Company. Das war sein erster großer Karriere­schritt, denn sie stellte Rennwagen her. 1966, im Alter von 19 Jahren, wurde er Mechaniker im Cooper-Formel-1-Team, dessen wichtigster Fahrer Jochen Rindt war. 1968 beschloss Rindt, zu Brabham zu wechseln. Es war ein Beweis für Dennis’ Fähigkeiten, dass der deutsche Spitzenfahrer darauf bestand, ihn mitzunehmen. Ein Jahr darauf wechselte Rindt erneut den Rennstall, diesmal ging er zu Lotus. Aber Dennis entschied, dass seine Loyalität Brabham galt, und so wurde er deren Chefmechaniker. Tragischerweise starb Jochen Rindt, mit dem er eine enge Freundschaft pflegte, ein Jahr später im Training beim Großen Preis von Italien in Monza.

Angesichts dieser Nachricht war er am Boden zerstört. 1970 wurde ihm noch ein weiterer Schlag versetzt, als Jack Brabham beschloss, sich aus dem aktiven Rennsport zurückzuziehen. Der damals 44-jährige legendäre Australier hatte in jener Saison mit Jackie Stewart den fünften Platz in der Fahrerwertung belegt. Als er in den Ruhestand ging, erklärte er, dass er sich eine Auszeit vom Rennsport gönnen werde, verkaufte seine Anteile am Team an Ron Tauranac und kehrte nach Australien zurück.

Als sich eine Tür für Ron Dennis schloss, öffnete sich eine andere. Mit 24 Jahren gründete er 1971 mit seinem Mechaniker-Kollegen Neil Trundle sein eigenes Team mit dem Namen Rondel Racing mit Sitz in seinem Stammrevier Woking. Sie fanden Sponsoren im französischen Ölkonzern Motul und erwarben zwei Brabham BT38-Chassis von Tauranac. Das Team trat in der Formal 2 zum ersten Mal in Hockenheim mit den Fahrern Graham Hill und Tim Schenken auf. Hill gewann einen der beiden Vorläufe, wurde dann jedoch von François Cevert in seinem Tecno geschlagen. Eine Woche später, am Ostermontag, bescherte Hill dem Team in Thruxton seinen ersten Gesamtsieg. Später in jenem Jahr erweiterte sich das Team um Bob Wollek in einem dritten Auto. In diesem Winter ging dasselbe Trio nach Südamerika, wo Schenken den zweiten Sieg des Teams in Cordoba erzielte.

Aber es zeichneten sich Schwierigkeiten ab. Ron arbeitete rund um die Uhr, und eines Nachts, als er spät nach Hause fuhr, wurde er in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt. Das zwang ihn zum Umdenken: Er beschloss, nicht mehr selbst die Autos zu testen, sondern sich der Unternehmensleitung und der Planung eigener Autos zu widmen. Dies sollte sein Schicksal sein, und bald würde er sein eigenes Chassis entwerfen. Ein Jahr später beauftragte er Ray Jessop damit, ein F2-Auto für die Saison 1973 zu entwerfen, das nach dem Hauptsponsor des Teams Motul genannt werden sollte. Das Motul-Chassis war Anfang des Jahres so weit. Henri Pescarolo gewann das zweite F2-Rennen der Saison, und Tim Schenken fuhr im Herbst einen weiteren Sieg ein. Zu diesem Zeitpunkt plante Dennis ein Rondel-Formel-1-Programm, aber sein erster Versuch, bei den Großen mitzuspielen, sollte von anderer Seite vereitelt werden.

Im Oktober 1973 verursachten die Ölproduzenten der OPEC eine Ölkrise, und als Folge davon versiegte im Winter Motuls Sponsoring. Dennis und Trundle mussten ihren Traum aufgeben. Das Projekt wurde an die Geschäftsleute Tony Vlassopoulo und Ken Grob verkauft, die das Token-Formel-1-Team gründeten. Für den Rest dieses Jahrzehnts konzentrierte sich Ron Dennis auf die F2 und lehrte seinen Mitarbeitern schnell die Disziplin, die er auch heute noch fordert. Er erklärte, dass er Sauberkeit und Ordnung in der traditionell unordentlichen Werkstatt und im Fahrerlager erwarte sowie absolutes Engagement und vollen Einsatz im Hinblick darauf, dass die Autos jederzeit in einem Top-Zustand seien.

1975 gründete er das „Project Three Team“ und produzierte schon bald Rennsieger, als er an der Fertigstellung von F2-Fahrzeugen des BMW-Junior-Teams beteiligt wurde. Am Ende des Jahrzehnts gründete er ein weiteres Unternehmen namens „Project Four“. Das Team erzielte Erfolge in der Formel 2 und der Formel 3 und holte sich 1979 und 1980 mit Unterstützung von Philip Morris (Marlboro) den britischen Titel. 1980 gewannen sie dann auch den Procar-Titel mit Niki Lauda an Bord.

Später in diesem Jahr übernahm Dennis die Rolle, für die er sicherlich bestimmt war: Chef von McLaren zu sein. Die Sponsoren des Teams, die über Philip Morris auch sein Project Four unterstützten, bewerkstelligten eine Fusion zwischen den beiden, wobei das neue Team McLaren International heißen sollte.

Eine seiner ersten wichtigen Entscheidungen, um das schwächelnde McLaren-Imperium wieder auf die Erfolgsspur zu bringen, bestand darin, den Designer John Barnard zu engagieren, der mit der Arbeit an dem revolutionären neuen Auto des Teams, dem MP4/1, begann. Es wurde in den Saisonen 1981, 1982 und 1983 eingesetzt und war das erste Formel-1-Auto mit einem Chassis, das komplett aus Carbonfaser bestand. 1982 gelang ihm ein weiterer Geniestreich, als er Williams’ Finanzier Mansour Ojjeh überzeugte, seine Neuentwicklung mit barem Geld zu unterstützen. Ojjeh, ein in Syrien geborener saudi-arabischer Unternehmer, hatte eine Leidenschaft für den Motorsport und musste nicht lange überredet werden. Für Dennis war das Schöne an dieser Beteiligung, dass er nun die fünf Millionen Dollar, die Ojjeh in die Firma pumpte, für die Motorenentwicklung verwenden konnte. Die neue große Ära von McLaren stand unmittelbar bevor, als er das Geld in einen von Porsche gebauten Turbomotor steckte.

Ojjeh und Dennis gründeten TAG Turbo Engines und kündigten im September 1982 ihren ersten Formel-1-Wagen mit TAG-Turbo-Motor von Porsche an. Er wurde Anfang 1983 auf dem Genfer Autosalon vorgestellt und fuhr im August desselben Jahres zum ersten Mal beim Großen Preis der Niederlande.

Im folgenden Jahr dominierten die McLaren-TAG-Fahrer Niki Lauda und Alain Prost die Weltmeisterschaft und erzielten 12 Siege in 16 Rennen. Dennis wurde für all seine Bemühungen, das Unternehmen umzukrempeln, belohnt, als Lauda den Titel mit einem halben Punkt Vorsprung auf Prost holte. Beide hatten doppelt so viele Punkte wie der drittplatzierte Elio de Angelis. Im folgenden Jahr wurde der Spieß jedoch umgedreht, und Prost schlug Lauda in der Fahrerwertung, wobei McLaren mit acht Punkten Vorsprung vor Ferrari die Konstrukteurswertung für sich entscheiden konnte.

In fünf Jahren hatte Dennis den durchschnittlichen Rennstall McLaren wieder an die Spitze katapultiert, eine bemerkenswerte Leistung. Ende 1984 wurde Ojjeh Mehrheitsaktionär von McLaren, obwohl der Deal erst im März 1985 bekannt gemacht wurde. Das war eine faire Belohnung für seine Investition, die ein Unternehmen wiederbelebte, das darum gekämpft hatte, an der Spitze mitzufahren.

Das TAG/McLaren-Imperium wuchs Ende der 1980er Jahre stetig an, es wurden weitere Erfolge mit neuen Honda-Motoren erzielt, und es entstanden die Unternehmenszweige TAG Electronics, TAG/McLaren Marketing sowie McLaren Cars. Dennis, der seine Karriere als bescheidener Mechaniker-Lehrling in Woking begonnen hatte, war nun buchstäblich in der Weltspitze angelangt. 1988 gewann sein McLaren-Team 15 der 16 Rennen und holte beide Titel, aber er hatte ein Problem hinter den Kulissen – Prost und Senna davon abzuhalten, sich gegenseitig zu erdrosseln. Er machte einen guten Job, massierte irgendwie jedes ihrer massiven Egos, aber Mitte 1989 konnte selbst er sie nicht mehr in Schach halten. Nach einer umstrittenen Kollision beim Großen Preis von Japan verließ der Franzose das Team in Richtung Ferrari, obwohl er sich den Titel sichern konnte, und wurde in der darauffolgenden Saison durch Gerhard Berger ersetzt.

Senna setzte die Siegesparade allein fort und gewann 1990 und 1991 den Titel, zusätzlich zu dem, den er 1988 bereits für das Team gewonnen hatte. 1993 war jedoch auch er dann weg, und es dauerte fünf Jahre, bis Mika Häkkinen und David Coulthard McLaren wieder an die Spitze des Rennsports zurückbrachten und der Finne den Titel holte.

Wie bereits im Jahr 1980, als er das Kommando übernommen hatte, analysierte Dennis auch in der kargen Zeit Mitte der 1990er Jahre die Situation seines Teams genau und kam zu dem Schluss, dass frisches Blut von Nöten war – und er wusste auch, welcher Mann dafür sorgen konnte. 1996 wandte er sich an Williams’ brillanten Designer Adrian Newey, um ihn als technischen Direktor für McLaren anzuwerben. Newey stimmte zu, und 1998 lag McLaren wieder an der Spitze der Fahrer- und Konstrukteurswertung. Ein weiterer Fahrertitel folgte 1999.

Ron Dennis erhielt auch als Privatperson zahlreiche Auszeichnung. Ihm wurde der Ehrendoktortitel der De Montfort University, der City University London und der University of Surrey verliehen. Der Mann, der McLaren wieder auf die Beine brachte, nahm das neue Jahrtausend gebührend in Empfang, als er Anfang der 2000er Jahre für seine Verdienste um den britischen Motorsport als „Commander“ in den Englischen Ritterorden (CBE) aufgenommen wurde. Seit er das Team 1980 übernommen hatte, brachte er es auf elf Fahrer- und acht Konstrukteurstitel. Auch beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans hatte er McLaren auf Anhieb zum Sieg geführt.

Als er den Ehrendoktor der University of Surrey erhielt, lebte er mit seiner Familie noch dort. Die Auszeichnung wurde ihm mit folgenden Worten verliehen: „Ron Dennis wird für seinen bedeutenden Beitrag zur Automobilindustrie und als herausragender Botschafter für Großbritannien und Surrey geehrt. Angesichts der Leistung des McLaren-Formel-1-Teams, das seit den 1980er Jahren unter seiner Leitung steht, hat er ein Weltklasse-Unternehmen geschaffen, das nicht nur im technischen Design, sondern auch in vielen weiteren Bereichen epochemachend ist.“

Auf die Frage, wie er sich nach der Auszeichnung fühle, sagte Dennis: „Sehr privilegiert und glücklich, Gefühle mit denen sich sicherlich jeder, der diese Auszeichnung erhält, identifizieren kann, weil sie eine offizielle Würdigung der Leistungen ist, die ein Mensch erbracht hat. Die TAG McLaren Group ist mit Surrey im Allgemeinen und Woking im Besonderen eng verbunden. Viele unserer Mitarbeiter, darunter auch ich, kommen aus der Region und haben hier ihre Wurzeln. Darüber hinaus bin ich der Überzeugung, dass das Arbeitsumfeld für die optimale Leistung der Mitarbeiter entscheidend ist und dass die Mitarbeiter von TAG McLaren in Surrey gut aufgehoben sind.“

Er legte auch seine Grundüberzeugung dar, dass Leidenschaft der Schlüssel zum Erfolg sei, die bei der Unternehmensspitze beginne: „Ein erfolgreiches Unternehmen zu führen bedeutet, sich wirklich dafür zu engagieren und mit Begeisterung dabei zu sein. Diese Einstellung wirkt sich dann auf das gesamte Unternehmen aus und sorgt dafür, dass jeder sein Möglichstes tut, um den Erfolg des Unternehmens sicherzustellen.“ 2001 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste um den Motorsport zudem die BRDC (British Racing Drivers’ Club) Goldmedaille verliehen.

Nebenbei: Im Juni 2007, nach den bemerkenswerten Debütsiegen von Lewis Hamilton, fragten sich einige, warum Dennis noch nicht zum Ritter geschlagen worden sei, da er diese Anerkennung verdient habe, nachdem er doch ein solches Juwel fand. Der Motorsportexperte Steve Robson drückte es so aus: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Ehrungen anlässlich des Geburtstags der Königin irgendwann in der nächsten Woche bekannt gegeben werden. Ist es nicht an der Zeit, dass Ron Dennis (CBE) bei allem, was er erreicht hat, zum Ritter geschlagen wird? Frank Williams scheint schon seit Ewigkeiten Sir Frank zu sein …“

Dennoch, die Jahre 2000 bis 2006 waren auf der Rennstrecke weniger erfolgreich. Zumindest hatte Dennis jedoch die Genugtuung, mitzubekommen, dass sich sein Schützling während dieser mageren Zeit gut entwickelte. Seine Beziehung zu Lewis Hamilton war immer eng, seit sie sich zum ersten Mal begegneten, als Lewis 13 Jahre alt war, aber sie hatte sich im Laufe der Jahre zu etwas Besonderem entwickelt. Viele Motorsportexperten bezeichneten ihn als Hamiltons Ersatzvater, und es ist leicht zu erkennen, warum. Ich weiß, dass er Lewis als die größte Entdeckung und die größte Errungenschaft seiner Karriere betrachtet; es gibt eine besondere Verbindung zwischen ihnen, die sicherlich nie zerbrechen wird. Ron sagte: „Du wartest dein ganzes Leben darauf, dass ein Junge wie Lewis vorbeikommt. Ich fühle mich glücklich und geehrt, dass ich derjenige war, der während der prägenden Jahre seiner Karriere bei ihm war.“

Er war zweifelsohne ein engagierter Mentor – einst bezeichnete er Lewis sogar als sein „My-Fair-Lady-Experiment“, ein Kommentar, der auf den ersten Blick unbedacht und herablassend erscheinen mag. Jeder, der die Verhältnisse kennt, wird jedoch wissen, dass der Schützling alle Erwartungen übertroffen hat und die Beziehung schließlich zu einer gleichberechtigten Partnerschaft geworden ist, die keine Ähnlichkeit mehr mit einer Mentor-Schüler-Situation aufwies. Ein Freund von Ron erzählte mir, dass es das sei, was Ron mit dieser spontanen Bemerkung eigentlich habe sagen wollen.

Im Gegenzug machte Lewis keinen Hehl daraus, dass seine wundervolle Erfolgsgeschichte ohne das Vertrauen seines Mentors in ihn möglicherweise nicht stattgefunden hätte: „Ich habe Ron bei einer Preisverleihung kennengelernt, als ich zehn Jahre alt war. Zu hören, wie er sich an das erste Mal erinnert, als wir uns trafen, ist etwas Besonderes; sein Glaube an mich und das Vertrauen und die Loyalität, die er mir über die Jahre entgegenbrachte, waren der Schlüssel zum Erfolg. Ich finde, das ist eine schöne Geschichte – oder das Ende einer Geschichte und der Beginn eines neuen Kapitels.“

Fast ein Jahrzehnt lang verbrachte Dennis Stunde um Stunde mit Lewis – leitete ihn an, redete ihm gut zu und ließ ihn schließlich auf die Formel-1-Strecke los, als die Mehrheit diese Entscheidung noch in Frage stellte. Einige meinten, er hätte auf den erfahreneren Gary Paffett oder auf Pedro de la Rosa zurückgreifen sollen. Aber Dennis wollte nichts davon wissen und sagte: „Seit 1998 ist Lewis ein wichtiger Bestandteil unserer langfristigen Strategie, und wir freuen uns, dass wir ihn bei seinem nächsten Schritt unterstützen können, dabei, seinen Traum, Formel-1-Pilot zu werden, zu verwirklichen. Pedro hat in dieser Saison hervorragende Arbeit für uns geleistet, aber wir sind der Meinung, dass dies der richtige Zeitpunkt ist, Lewis diese Gelegenheit zu bieten. Es wird natürlich die größte Herausforderung in Lewis’ Karriere sein, aber wir sind sicher, dass er sie meistern kann. Er wird zum ersten Mal als Formel-1-Pilot ins Fahrerlager kommen und muss sich mit den Belastungen eines Grand-Prix-Wochenendes vertraut machen. Das Vertrauen, das wir in Lewis’ Fähigkeiten und in sein Talent haben, zeigt sich in unserer Entscheidung, ihm diese Chance zu geben.“

Mit ironischem Unterton fuhr er fort: „Ich bin von der Mehrheit der Fahrer in der Formel 1 deutlich unbeeindruckt. Lewis ist gut gerüstet, um mit den Fahrern umzugehen, die in diese Kategorie fallen. Natürlich haben wir Vorbehalte – Lewis ist kein erfahrener Fahrer. Aber wir haben ja den Weltmeister in einem unserer Autos, deshalb können wir es riskieren, etwas weniger konservativ zu sein und diesen Umstand dazu zu nutzen, Lewis seine Chance zu geben.“

Mit Lewis Hamilton war es ähnlich wie mit einem jungen Burschen, der als Debütant in ein für ihn vermeintlich deprimierendes Fußballmatch der ersten Liga geworfen wurde, so, wie es bei Ryan Giggs der Fall war, der als Manchester Uniteds Ersatzmann gegen Everton am 2. März 1991 im Old-Trafford-Stadion ins Spiel kam. Ich war im Stadion und erinnere mich noch an den schlaksigen Burschen, der so dünn und zerbrechlich war, dass es aussah, als würde er zusammenbrechen, wenn er angegriffen wurde. Bis er dann munter um den Linksverteidiger der Gäste herumtänzelte …

Wie bereits erwähnt, gibt es große Ähnlichkeiten zwischen der Art und Weise, wie sich Giggs’ Trainer Sir Alex Ferguson um diesen kümmerte, und der Art und Weise, wie Dennis sich um Lewis Hamilton kümmerte. Beide Jungs waren Wunderkinder, potenzielle Genies, und beide hatten den kühlen Kopf und die wilde Entschlossenheit, es zu schaffen. Diese Tatsache an sich hat es ihren Managern leichter gemacht. Beide Männer sind besonnen und bescheiden, das ist ein wichtiger Teil ihrer Anziehungskraft, insbesondere bei Lewis, denn er kommt aus einer Sportart, die für ihre Arroganz, ihren Reichtum und jedweden Mangel an Demut berüchtigt ist. Wie bereits festgestellt, ähnelt Lewis in seiner Coolness seinem Idol Michael Schumacher, verfügt aber zum Glück nicht über dessen kühle Arroganz und legendäre Unnahbarkeit.

Lewis war damals natürlich seit fast einem Jahrzehnt in der McLaren-Trainingsakademie aufgewachsen. Darauf wies Ron Dennis diejenigen hin, die behaupteten, er habe den Jungen auf der Straße aufgelesen und in einen Rennwagen gesteckt. Er betonte in aller Bescheidenheit, dass er mit Lewis’ Vater Anthony zusammengearbeitet habe, um ihn im Auge zu behalten: „Lewis’ Charakter basiert auf den Werten seiner Familie, die wir nur ergänzt haben. Er ist ein Mensch mit einem gut ausgebildeten Charakter, der nicht nur schätzt, was McLaren-Mercedes für ihn getan hat, sondern auch, was seine Familie für ihn getan hat.“

Die britische Rennlegende Nigel Mansell sagte, er sei überzeugt, dass Lewis ohne die massive Unterstützung von Dennis und die Ressourcen, die er seinem Schützling bei McLaren zur Verfügung gestellt habe, keine so unmittelbaren Erfolge erzielt hätte: „McLarens Erfolg war längst überfällig. Timing ist alles. Wenn ein Fahrer zur rechten Zeit gleich ein Team und einen Wagen hat, macht es einen Unterschied. Ohne ihm gegenüber respektlos zu sein – ich denke, es wurde alles im Voraus geplant. Meine Geschichte war viel schwieriger.“

Damon Hill war, nach anfänglichen Sorgen, Lewis könnte die Saison nicht überstehen, davon überzeugt, dass er das Zeug dazu habe – und dass es ebenso an Lewis wie an Dennis liege. Lewis hatte die Fähigkeit, das, was ihm gesagt wurde, aufzunehmen und umzusetzen; er hatte den Verstand, zuzuhören und zu lernen. Der letzte britische Weltmeister des Jahres 1996 sagte, es sei klar, dass ihm auch ein exzellentes McLaren-Auto geholfen habe. Aber nicht nur das, auch hatte er über sein Alter hinaus immer die nötige Reife bewiesen, um im härtesten Umfeld des Motorsports einen kühlen Kopf zu bewahren: „Die Menschen sollten nicht unterschätzen, was er in unglaublich kurzer Zeit erreicht hat“, sagte Hill nach Lewis’ Sieg in Kanada. „Ja, er ist mit einem guten Team zusammen, und ja, er hat ein gutes Auto, aber um einen Grand Prix zu gewinnen und solche Leistungen zu erbringen, Rennen für Rennen, braucht es etwas Besonderes. Er mag jung sein und in seiner ersten Saison, aber dieser Typ ist wirklich top. Wenn du in diesem Sport gut genug bist, bist du auch alt genug – und, Junge, Lewis ist gut genug!“

Aus seiner Sicht als Insider stimmte Martin Whitmarsh, CEO von McLaren, zu, dass Lewis das Lob gebühre, auf Dennis gehört zu haben. Er bestätigte, dass er das Talent und die Entschlossenheit besitze, die ihn vom durchschnittlichen Rennstreckenfahrer unterschieden: „Seit ich 1989 zu McLaren kam, habe ich mit vielen großartigen Fahrern zusammengearbeitet, darunter Alain Prost, Ayrton Senna, Mika Häkkinen und jetzt Fernando Alonso mit Lewis. Für mich ist es eine klare Sache, dass Lewis alle notwendigen Anlagen besitzt. Unser Ziel war nicht nur, dass Lewis mit einem konkurrenzfähigen Team im Hintergrund in die Formel 1 kommt, sondern auch so gut vorbereitet wie möglich. Lewis hat einen großartigen Karrierestart hingelegt; jetzt ist es unsere Aufgabe, ihm zu helfen, mit der enormen Aufmerksamkeit der britischen Medien fertigzuwerden. Wir sind sicher, dass diese Aufmerksamkeit Lewis nicht negativ beeinflussen wird, aber wir möchten sicherstellen, dass in den frühen Phasen seiner Karriere nichts passiert, was ihn davon ablenkt, sich voll und ganz auf seine Aufgaben zu konzentrieren.“

Der ehemalige Grand-Prix-Fahrer Martin Brandle rechnete jedoch damit, dass Presseerklärungen kein Problem für Lewis darstellen würden: „Zweifellos wird es ein langer Weg für Lewis, und es gibt eine Reihe von Dingen, die er bewältigen muss – zum Beispiel seinen ersten großen Crash und all die Reisen, die ziemlich ermüdend sein können. Aber alle Zutaten sind da. Er begeistert mich. Wird er eines Tages mit Prost, Senna und Schumacher ganz da oben stehen? Er hat definitiv eine Chance.“

Die Entscheidung von Ron Dennis, seinen Jungen von den Horden der Presse fernzuhalten, wie es Sir Alex Ferguson mit Ryan Giggs tat, war ebenfalls ein wohlüberlegter Schritt. Es bedeutete, dass er keinen zusätzlichen Druck hatte, mit dem er fertigwerden musste; er konnte seine aufkeimende Karriere fortsetzen und sich auf die Verbesserung seiner fahrerischen Fähigkeiten und seiner Wahrnehmung konzentrieren. Erst als er seine Grand-Prix-Karriere begann – und da war er 22 –, gab ihm Dennis grünes Licht für Interviews. Zu diesem Zeitpunkt hatte er diese neun Jahre in der McLaren-Version des Big-Brother-Hauses verbracht und wusste genau, was ihn erwartete und wie er damit umgehen sollte.

Er verstand es, Suggestivfragen zu vermeiden und sich an das Drehbuch zu halten, eine Taktik, die ihm die Bewunderung der Blogger einbrachte: Der Motorsport-Journalist Adam Spurr fasste den Erfolg dahingehend, den Youngster so lange zurückzuhalten, bis er definitiv bereit dafür war, der Presse ungeschützt ausgesetzt zu werden, auf folgende einfühlsame Weise zusammen: „Der jüngste Star der Formel 1 wird mit Blick auf Medien und PR-Agenturen abgeschirmt, auf Armlänge gehalten. Dadurch kann sich der 22-Jährige hoffentlich darauf konzentrieren, Rennen zu gewinnen … Immer wieder scheint der britische Sport ein Aushängeschild gefunden zu haben: Tim Henman (Mamas kleiner Soldat), Greg Rusedski (dieser bekannte kanadische – ich meine britische – Superstar) und Jenson Button (der jetzt eher in der Kälte steht) haben es jedoch nicht geschafft, die Briten für Solosportarten zu begeistern. Hamilton wurde stillschweigend bei McLaren eingeführt und übertraf dann noch die größten Hoffnungen und hochfliegendsten Träume derer von uns, die ihn in Bernie Ecclestones Reich eintreten sahen. Ich glaube, dass dies ein sehr wichtiger Teil seines Erfolgs ist. Er wurde unter den Fittichen von Ron Dennis gehalten und vor dem Medienrummel, der ihn jetzt umgibt, geschützt, damit er sich auf seine Rennen konzentrieren kann. Sogar ITV F1, diese britische Bastion der Fahrerinterviews, ist der Bitte von Herrn Dennis nachgekommen, Lewis’ Privatsphäre zu respektieren. Jeder bei ITV F1 möchte, dass Lewis gewinnt, und scheint bereit zu sein, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um nicht die geringste Störung zu verursachen.“

Überlassen wir das letzte Wort in diesem Kapitel Ron Dennis selbst, dem Mann, der McLaren zur der Erfolgsgeschichte gemacht hat, an der der junge Lewis Hamilton unbedingt teilhaben wollte, der Mann, der genug Vertrauen in Lewis hatte, um ihn an die Schwelle zu wahrer Größe zu führen. Dennis sagte: „Er hat jetzt genug Pluspunkte gesammelt, um auch einige wieder einzubüßen, ohne ernsthafte Kritik zu bekommen. Selbstvertrauen ist oft mit Arroganz gepaart, aber bei Lewis gibt es kein bisschen Arroganz. Er hörte zu, was junge Leute oft nicht tun, und baute seine Karriere nach und nach auf …“