Kapitel 10
Blechschaden in Monte Carlo
„Ausgebremst in den Straßen von Monte Carlo“ – so kann man Lewis Hamiltons Wochenende des 27. Mai 2007 in Monaco beschreiben. Dabei hatte alles ganz anders angefangen, als sie am Mittwoch davor im sogenannten Playboy-Paradies ankamen. Wie bereits erwähnt, liebte Lewis es dort: Tatsächlich gab er später in der Saison zu, dass er problemlos im Fürstentum leben könne.
Die Sonne strahlt, die Atmosphäre ist entspannt, und jeder Formel-1-Fahrer, mit dem ich je gesprochen habe, scheint das Rennen durch die Stadt zu genießen. Sie mögen die Herausforderung der engen und kurvigen Straßen und die spezifischen Anforderungen eines Stadtrennens. Lewis hatte seine eigenen Ansichten über die Strecke: „Na ja, es gibt keinen Raum für Fehler, und es geht darum, deine Bremszonen zu kennen, zu wissen, wo die Unebenheiten sind …“
Und wie kam er mit Alonso zurecht? Hatte er irgendeine Veränderung in ihrer Beziehung bemerkt, als sie wieder zu arbeiten begannen? „Ich glaube nicht, dass sie sich geändert hat. Ich denke, mit dem Team wächst die Beziehung ständig. Ich bin schon sehr lange bei McLaren, und es wird immer besser – wir arbeiten zusammen sehr hart, um erfolgreich zu sein, und es läuft extrem gut. Wie man sieht, wird es immer besser. Ich denke, auch die Beziehung zwischen Fernando und mir wird wachsen. Wir beginnen, uns irgendwie zu verstehen. Natürlich haben wir wie immer großen Respekt voreinander. Aber es läuft gut.“
Doch war Alonso immer noch der Platzhirsch? Und war Lewis der Schüler des Meisters Alonso? „Um ehrlich zu sein, war ich nie der Meinung, dass es ein Meister-Schüler-Ding ist. Ich denke, dass es wie in jedem Team ein wenig Rivalität gibt, aber das ist nur auf der Strecke so. Wir sind Profis. Abseits der Strecke sind wir Freunde – wir können reden, wir sind entspannt, da gibt es keine Spannungen.“ Und wie hat er sich an seinen neu gewonnenen Ruhm gewöhnt? „Also die Reise war eine Achterbahnfahrt. Zuerst einmal, in die Formel 1 zu kommen, und dann in meinen ersten vier Rennen gleich vier Podestplätze zu erreichen – es ist alles neu und nicht einfach. Es fühlt sich immer noch nicht real an. Du siehst dir die Rennen an und denkst, wow, ich wurde Zweiter hinter Felipe Massa! Es ist nur so, dass ich in den letzten Jahren diese Jungs beim Rennen beobachtet und sie bewundert habe. Und jetzt gehöre ich dazu. Es ist wirklich schwer, damit klarzukommen … Ich lese nicht viel darüber, was in Großbritannien vor sich geht in Bezug auf das, was über mich geschrieben wird. Ich denke, das ist meine Art, damit umzugehen. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich es unbedingt lesen muss. Der Hype wird größer, aber so kontrolliere ich ihn. Es ist schön, sein Gesicht in einer Zeitschrift oder einer Zeitung zu sehen. Es tut gut zu sehen, dass man unterstützt wird; ich habe gehört, dass es sehr gute Geschichten sind, und das macht mich glücklich.“
„Gute Geschichten“ – in der Tat. Der Junge war ein glattrasierter Held unserer Zeit, und was sicherlich als die Marke Hamilton bekannt werden würde – genau wie die Marke Beckham –, nahm bereits Gestalt an. Er war anders; ein netter, normaler, beständiger Typ in einem Sport, der eher an Exzess und Hedonismus gewöhnt ist.
Man muss ihm zugutehalten, dass er über die Vermutung Eddie Jordans nur lachte, der einige Tage davor geäußert hatte, dass er vielleicht nicht über die notwendige Aggressivität verfüge, um Weltmeister zu werden. Lewis erwiderte, als er von Jordans Worten erfuhr: „Ich weiß nicht, ob ich daran glaube, dass ein ‚Sieg um jeden Preis‘ der richtige Weg ist. Ja, wir sind hier, um zu gewinnen, also bereitest du dich vor und arbeitest so hart wie möglich, aber dem Motto ‚Sieg um jeden Preis‘ stimme ich nicht unbedingt zu. Sicher, jeder Fahrer hat da eine andere Betrachtungsweise.“ Es war eine brillante Kritik am Iren, der im Laufe der Jahre manchmal seiner eigenen Publicity Glauben zu schenken schien, er sei das Orakel und der Retter der Formel 1.
Ron Dennis blies ins gleiche Horn und sagte: „Es gibt Fahrer, die bereit sind, alles zu tun, um zu gewinnen. Sie waren in der Formel 1 und sind wieder gegangen, aber Lewis ist keiner von ihnen. Die Leute wissen, dass man siegen kann, wenn man gut ist. Für uns ist er nicht nur ein großartiger Rennfahrer, der einem Doppelweltmeister auf den Fersen bleibt, sondern ebenso wie Fernando Alonso auch ein großartiger Mensch. Es macht Spaß, diese Jungs im Team zu haben, auch angesichts von Lewis’ Beliebtheit, weil er seinen Traum lebt.“
Selbstbewusst und zuversichtlich gesellte sich Lewis dann zu seinem Vater für ein leichtes Abendessen und eine kleine Pause vor dem Training. Im ersten Training wurde er Zweiter hinter Alonso – der Spanier fuhr mit einer Runde von 1:16,973 die schnellste Zeit. Lewis hatte früher am Tag tatsächlich die Nase vorn gehabt, aber ein Problem mit dem Anlasser führte dazu, dass er nur 14 von 32 Runden absolvieren konnte. Der Abstand zwischen den beiden Fahrern betrug letztlich sechs Zehntelsekunden.
Im zweiten Training geriet das McLaren-Team in Panik, als Lewis, der verzweifelt versuchte, Alonsos Zeit zu übertrumpfen, verunglückte. Fast eine Stunde nach Beginn geriet er in Schwierigkeiten, als er vor der ersten Kurve – der Sainte-Devote-Rechtskurve – zu nah an die Leitplanken kam, die Kontrolle verlor und in den Reifenstapel krachte. Sichtlich besorgt beobachtete Ron Dennis die Szene, und seine Erleichterung war groß, als sein Junge aus seinem Auto sprang und signalisierte, dass er unverletzt sei.
Lewis, der von dem Vorfall erschüttert war, sagte: „Heute war das erste Mal, dass ich in einem Formel-1-Auto durch Monaco gefahren bin, und es war großartig. Ich kenne die Strecke natürlich schon aus der Formel 3 und der Formel 2, aber in einem Formel-1-Auto ist das ganz anders. Jeder macht Fehler, und ich bin auch nur ein Mensch – diese kleinen Dinge passieren. Ich bin an die Grenzen gegangen, was man in Monaco immer machen muss. Dann habe ich das Limit erreicht – mitten in der zweiten Session – und herausgefunden, wie unversöhnlich diese Strecke sein kann. Ich habe nur die Hinterräder blockiert, und vor dem Scheitelpunkt ist das Heck ausgebrochen; ich versuchte, zu früh zu bremsen, und rutschte in die Wand. Monaco lässt einfach keinen Raum für Fehler. Um ehrlich zu sein, war es ein leichter Aufprall, auch wenn es ziemlich schnell aussah. Es tut mir natürlich leid, weil es jetzt ein wenig Arbeit für die Jungs geben wird.“
Nach Abschluss des Trainings – mit Lewis hinter Alonso und Räikkönen – war auch in Ron Dennis’ Gesicht die Farbe zurückgekehrt. Big Ron sagte: „Das ist ein Standardfehler, den alle Fahrer machen. Es ist nichts, woran ich Kritik üben werde. Ich hätte natürlich lieber keinen verbogenen Rennwagen, aber unter den gegebenen Umständen fühlen wir uns mit seinem Beitrag zu dieser Saison ziemlich wohl.“ Mit Augenzwinkern und schelmischem Grinsen im Gesicht fügte der väterliche McLaren-Chef verschwörerisch hinzu: „Er hat immer noch ein paar Pluspunkte auf seinem Konto!“
Am Ende des Qualifyings hatte Lewis bewiesen, wie stark er mental war. Der Crash hatte keinen Einfluss auf seine Leistung, er sicherte sich eine gute Startposition für das Rennen, indem er Zweiter nach Alonso wurde. Zum ersten Mal in der Saison holte Alonso die Pole Position, nachdem er sich auf eine Zeit von 1:15,726 katapultiert hatte. Lewis wurde Zweiter mit 1:15,905, hatte aber vier Minuten vor Schluss noch vor seinem Teamkollegen gelegen. Alonso siegte knapp in der letzten Runde, nachdem Lewis von Mark Webber aufgehalten worden war. Massa wurde Dritter.
Es war das erste Mal in dieser Saison, dass McLaren mit beiden Autos die erste Startreihe belegte, und Alonso holte seine erste Pole Position seit dem Grand Prix in China im vorangegangenen Oktober.
Lewis war froh, die erste Reihe geschafft zu haben, räumte aber ein, dass er sogar die Pole hätte holen können: „Mein erstes Formel-1-Rennen in Monaco aus der ersten Reihe zu starten, ist großartig, und für das Team ist es einfach fantastisch, von Platz eins und zwei zu beginnen. Ich habe mein Wochenende wirklich genossen, und das Qualifying war da keine Ausnahme. Es ist schwer zu erklären, aber auf dieser Strecke ist man ständig am Limit. Meine letzte fliegende Runde war vom Verkehr betroffen, und ich habe viel Zeit verloren, aber das ist eben die Herausforderung hier. Ich war drei Zehntel besser als meine vorherige Bestzeit, wurde aber von Webber aufgehalten. Ich weiß nicht, ob er mich gesehen hat. Ich habe eine halbe Sekunde hinter ihm verloren, konnte aber auf ein Zehntel aufholen, doch danach waren die Reifen hinüber. Das Auto fühlte sich großartig an. Es war genau die gleiche Zeit, die ich mit vollem Tank erreicht habe. Wir haben einen guten Job gemacht, und ich bin damit zufrieden. Ich bin gespannt darauf, was morgen passiert. Wir wollen das Rennen innerhalb der Punktwertung beenden und so weitermachen wie in dieser Saison. Das Auto war die ganze Zeit über super, und ich glaube, wir haben eine starke Strategie. Ich denke, es wird ein tolles Rennen, und hoffentlich können Fernando und ich dem Team ein 1-2-Finish bescheren.“
Alonso freute sich mehr als sonst über seine Pole Position – er war nun in der unerwarteten Position, mit Lewis um den Titel kämpfen zu müssen, der in der Gesamtwertung vorn lag, aber er war wild entschlossen, seinen jungen Rivalen zu jagen und zu besiegen. Er gab zu: „Diese Pole ist sehr wichtig. Es ist alles Mögliche los gewesen. Wir hatten am Start mit Regen gerechnet, aber das betraf nur eine Runde, und dann lief es wie gewohnt mit normaler Geschwindigkeit. Monaco ist für alle sehr stressig. Das ganze Wochenende war gut für uns, und das Auto scheint sehr konkurrenzfähig zu sein, aber Monaco ist ein ganz besonderes Pflaster. Es könnte sehr schwierig werden. Von der Pole Position zu starten ist gut, aber es ist ein sehr langes Rennen. Und das Wetter ändert sich ständig. Mit der Pole hat man natürlich den bestmöglichen Start ins Rennen, aber es geht über 78 Runden, und wir sind in Monaco, da kann alles passieren.“ Der Weltmeister spürte den Druck ganz eindeutig. Er brauchte einen Sieg, wenn er Hamilton einholen wollte; sogar das Wetter begann ihn zu beunruhigen.
Sonntagnacht fühlte sich der Spanier wohler, weil er die Fahrerwertung erneut anführte. Sowohl er als auch Lewis lagen nun bei 38 Punkten, nachdem Alonso seinen zweiten Grand Prix von Monaco in Folge gewonnen und gleichzeitig den 150. Erfolg für McLaren eingefahren hatte. Er übernahm die Führung in der Gesamtwertung dank zweier Siege in der bisherigen Saison, die er im Gegensatz zu Lewis für sich verbuchen konnte.
Es war das 14. Mal, dass das Team in Monte Carlo gewann, und McLarens erste 1-2-Platzierung bei diesem Rennen seit 1989, der Blütezeit von Ayrton Senna, der in jenem Jahr gewann, und von Alain Prost, der Zweiter wurde. Die nackten Tatsachen vom Mai 2007 zeigen, dass Alonso Lewis auf den zweiten Platz verbannte. Lewis fand Trost darin, dass er in seiner ersten Saison zum vierten Mal in Folge den zweiten Platz belegte und Massa auf den dritten Platz verwies. Der Youngster war jedoch sichtlich verärgert, dass McLarens ungewöhnliche strategische Anweisung – die Aufforderung an die Fahrer, ihre Positionen zu behalten, um sich auf der notorisch anspruchsvollen und gefährlichen Strecke nicht zu gefährden – dazu geführt hatten, dass Alonso den ersten Platz belegte.
Für Alonso war es der 17. Karrieresieg, als er in einer Zeit von 1 Stunde, 40 Minuten und 29,329 Sekunden ins Ziel kam, vier Sekunden vor Lewis. Die Führung hatte zwischen den beiden McLaren-Männern in einem spannenden Wettbewerb vor einer geschätzten Menge von mehr als 120.000 Menschen hin und her gewechselt. Unter den Zuschauern waren auch die Hollywoodschauspieler Jude Law und Jonny Lee Miller, der tschechische Nationalspieler und Juventus-Starkicker Pavel Nedved sowie der legendäre Tennisstar und heutige Sportkommentator Boris Becker. In der 58. Runde, 20 Runden vor Schluss, wurde den beiden Männern gesagt, sie sollten ihre Ausrüstung schonen und sich mit McLarens zweitem Doppelsieg der Saison zufriedengeben.
Alonso fuhr in Runde 44 mit 1:15,284 die schnellste Runde und strahlte am Ende des Rennens, denn er war wieder die Hauptperson: „Es war ohne Zweifel ein fantastisches Wochenende, und diesen Hattrick aus Pole Position, schnellster Runde und Sieg zu erzielen, ist etwas ganz Besonderes, erst recht hier in Monaco. Ich habe das heutige Rennen sehr genossen, mit einem perfekten Auto während des gesamten Wettbewerbs. Es war so schön, 78 Runden lang so ein gutes Auto zu fahren und am Ende zu gewinnen. Dieser Sieg bedeutet mir sehr viel – ich habe noch nie die Erfahrung gemacht, mit mehr als einer Sekunde Vorsprung ins Ziel zu kommen, was diesen Sieg wahrscheinlich zu einem meiner besten macht. Trotz Pole Position bin ich nicht so toll von der Startlinie weggekommen, aber da die Strecke bis zur ersten Kurve so kurz ist, war ich mir ziemlich sicher, in Führung bleiben zu können. Da ich im ersten Abschnitt des Rennens Sprit sparen konnte, vermochte ich zwei Runden länger draußen zu bleiben als ursprünglich geplant. Danach war das Rennen ziemlich ruhig, nur die Backmarker machten ein paar Probleme, insbesondere kurz vor meinem zweiten Boxenstopp habe ich dadurch viel Zeit verloren. Ich werde diesen Sieg genießen und freue mich auf die Rennen in Nordamerika.“
Zumindest in der Öffentlichkeit ließ sich Lewis nichts anmerken und sagte: „Ich wusste, dass wir beide extrem schnell sind, also konnte ich nur Druck ausüben, aber er ist zweifacher Weltmeister und macht in der Regel keine Fehler. Ich habe versucht, ihn anzugreifen, und wollte gewinnen, wenn ich gekonnt hätte, aber ich muss akzeptieren, dass ich in meiner Rookie-Saison bin, und er die Nummer eins auf seinem Auto hat und ich die Nummer zwei. Ich bin der zweite Fahrer und muss das akzeptieren und für das Team respektieren. Ich hatte beim Start eine gute Beschleunigung, aber dann hatte ich mit Graining an meinen Vorderreifen zu kämpfen, was nicht hilfreich war. Es war ein spannendes Rennen, bei dem ich auch ein paar Mal die Leitplanken berührte, zum Glück, ohne das Fahrverhalten des Autos zu beeinflussen.“
Es waren stoische, resignierte Worte, die einen inneren Schmerz verbargen. Die Entscheidung von McLaren, ihn zurückzuhalten, löste in der Öffentlichkeit Empörung aus. Alonso profitierte dieses Mal davon, aber es bedeutete auch, dass man ihm diese Gelegenheit nicht noch mal gewähren würde. Die öffentliche Unruhe zeigte McLaren, dass sie einen groben Fehler begangen hatten, den sie nicht unbedingt wiederholen wollten. Ron Dennis, diplomatisch wie immer, versuchte die Gedanken an jegliche Ressentiments herunterzuspielen: „Sowohl Fernando als auch Lewis sind so gut gefahren und haben den Wunsch des Teams, beide Autos sicher nach Hause zu bringen, mit einem denkwürdigen Doppelsieg und unserem 14. Sieg im Fürstentum hervorragend umgesetzt. Es gibt jedoch eine gewisse Enttäuschung aufgrund der unterschiedlichen Strategien, die wir verfolgen mussten, um einen möglichen Einsatz des Safety Cars zu bewältigen – was in den letzten fünf Jahren viermal passiert ist. Folglich muss man quasi im Voraus entscheiden, welcher der beiden Fahrer des Teams als erster ins Ziel fährt.“
Sogenannte „Stallordern“, die das Rennergebnis beeinträchtigen, waren im Oktober 2002 verboten worden. Dennis hatte sich aus Sicherheitsgründen dafür entschieden, Lewis hinter Fernando zu halten. „Nach dem ersten Boxenstopp haben wir Lewis von einer Ein-Stopp-Strategie auf die schnellere Zwei-Stopp-Strategie umgestellt und beide Autos verlangsamt, um die Bremsen zu schonen. Als Team würden wir gern heiß umkämpfte Rennen fahren, aber diese Strecke erfordert eine disziplinierte Herangehensweise, und so können wir Monte Carlo mit der maximalen Punktzahl verlassen.“
Massa würdigte das rasante Tempo von Alonso und Hamilton: „McLaren hat wirklich ein unglaubliches Tempo gezeigt – selbst mit einer um 150 Prozent höheren Beschleunigung hätte ich nichts daran ändern können. Nichts zu machen. Ich dachte nur darüber nach, Dritter zu werden und Punkte zu sammeln. Fünf Punkte [Rückstand] sind nichts in der Meisterschaft, also arbeiten wir hart für das nächste Rennen und versuchen, dort vorn zu liegen.“
Eine Menge schöner Worte und Lobeshymnen, aber es blieb Tatsache, dass Lewis enttäuscht war, dass er hinter Alonso hatte die zweite Geige spielen müssen. Am Ende des Rennens überreichte er seinen Pokal sogar seinem Bruder Nicolas. Auf die Frage, ob das eine Bedeutung habe – symbolisierte das vielleicht, dass es für ihn nur ein unwichtiger Preis war angesichts dessen, was hätte sein können? –, widersprach Lewis erneut der Behauptung, dass er sich ungerecht behandelt fühle, indem er sagte: „Mein Bruder unterstützt mich bei jedem Rennen, und es ist gut, ihn dabei zu haben. Er liebt es, ein Teil davon zu sein. Ich bin stolz, ihn bei mir zu haben, und es ist großartig, wenn er auftaucht und ich ihm die Trophäe geben kann, damit er sich wichtig fühlt – und um ihm einfach zu zeigen, dass er es auch wirklich ist.“
Die britische Öffentlichkeit war dennoch nicht überzeugt. Sie war der Meinung, dass Lewis und Alonso von nun an gleiche Rechte und gleiche Chancen gewährt werden sollten: „Uns wurde gesagt, dass sie beide das gleiche Auto hätten, also lasst den schnellsten Mann und den besseren Fahrer gewinnen! Dann wäre die Frage nach der Bevorzugung des einen gegenüber dem anderen hinfällig, oder nicht?“
Der Live-Moderator von Radio 5, David Croft, begann eine fieberhafte Debatte darüber, ob Rons Eingreifen richtig oder falsch gewesen sei, und sagte: „Jetzt weiß ich, wie sehr Fernando Alonso von Ron Dennis respektiert wird, und ich weiß, wie sehr er versucht, den Doppelweltmeister in seinem Team willkommen zu heißen.“ Aber Croft glaubte, dass diese Taktik „Hamilton zum einen demoralisiert und zum anderen einen Präzedenzfall schafft, aufgrund dessen Alonso erwarten könnte, dass er in Zukunft wiederholt wird … Hamilton war nach dem Rennen nicht glücklich, und das hatte ich auch nicht erwartet. Sein fliegender Start in der Formel 1 hat hohe Erwartungen geweckt – seine eigenen und die der Medien. Er wollte gewinnen, sich profilieren und der erste Rookie in Monte Carlo werden, der dies schaffte.“
Rennsportfan Paul Hurley aus Burton in Staffordshire äußerte, dass Dennis ganz schön daneben sei: „Es war einfach nicht fair. Wir alle wissen, dass er seine Investition schützen muss, aber er kann sicher erkennen, dass Lewis es verdient, losgelassen zu werden! Er hat Glück, dass Lewis ihm nicht die Meinung gegeigt hat, zehn Jahre lang Wunderkind hin oder her!“
Und Karen Pugh aus Birmingham war ähnlich bissig drauf: „Er verbringt all die Jahre damit, ihn durchzubringen. Nun hätte er beiden auch die gleichen Rechte einräumen sollen. Warum braucht Alonso Unterstützung, wenn es ihm so gut geht? Ich dachte, er sei der Mann, der behauptete, er habe vor nichts und niemandem Angst? Aber der kleine Lewis scheint ihn zu Tode zu erschrecken!“
Dave Butler aus Romford sprach für diejenigen, die glaubten, Big Ron habe die richtige Entscheidung getroffen, das Team an die erste Stelle zu setzen: „Sicher, Lewis hatte an diesem Wochenende eine Chance auf den Sieg, und er hat bewiesen, dass er genauso schnell ist wie Alonso, aber es wäre für das Team Selbstmord gewesen, sie bis zum Ende fahren und sich gegenseitig an die Grenzen bringen zu lassen. Die Presse hätte es vernichtet, wenn das Team das zugelassen und das Duo sich gegenseitig von der Strecke katapultiert hätte. In Monaco ist es nicht leicht zu überholen. Hätte Lewis versucht, in einem wagemutigen Akt Alonso zu überholen, wäre es sehr schwierig gewesen, das Auto auf der Strecke zu halten. Gut gemacht, RD und alle bei McLaren … Ein silbernes Auto sieht vorn besser aus als ein rotes.“
Rony, ein brasilianischer Formel-1-Fan, behauptete, der Aufruhr zeige, dass Lewis langsam größenwahnsinnig werde: „Euer wagemutiger Hamilton hat begonnen, ein paar neue Züge zu zeigen, nicht wahr? Er wollte nicht nur um den Sieg kämpfen, er fühlte sich auch berechtigt, über Funk zu schimpfen, als sein Team ihm sagte, er solle aufhören, dumm zu sein. Darüber hinaus führten seine Haltung und sein Aufruhr zu einer Untersuchung der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA), die seinem Team hätte teuer zu stehen kommen können. Und dann, als er gefragt wurde, ob er von Ferraris mangelhafter Leistung überrascht sei, lächelte er und sagte: ‚Nicht wirklich, nein.‘ Man konnte nicht umhin, in seiner Antwort einen Hauch von Arroganz zu spüren. Er beginnt an seinen eigenen Mythos zu glauben – Hochmut kommt vor dem Fall.“
Die Debatte tobte weiter, und die Formel-1-Bosse mischten sich ein. Sie waren ebenfalls nicht glücklich mit McLarens strategischer Entscheidung, Hamilton zurückzuhalten, und leiteten eine Untersuchung wegen eines möglichen Regelverstoßes ein, nachdem sie erfuhren, dass Ron Dennis zugegeben hatte, Lewis daran gehindert zu haben, Alonso nach ihren ersten Boxenstopps herauszufordern. Aber Dennis bestritt im Anschluss, Alonso zu bevorzugen, und die FIA bestätigte das Team anschließend mit folgenden Worten: „McLaren konnte eine optimale Teamstrategie verfolgen, weil sie gegenüber allen anderen Autos einen erheblichen Vorteil hatten. Sie haben nichts getan, was man als Störung des Rennergebnisses bezeichnen könnte. Die FIA hatte den Funkverkehr zwischen McLaren und seinen Fahrern, Daten des Teams und einen Bericht des offiziellen Beobachters ausgewertet.“
Big Ron atmete bei dem Urteil erleichtert auf und erklärte, die Sache sei damit für ihn erledigt. Er sagte: „Das gesamte Team war verständlicherweise enttäuscht, dass die herausragende Fahrleistung von Fernando und Lewis, die zu einem großartigen Doppelsieg und McLarens 150. Sieg überhaupt führten, vorübergehend getrübt wurde. Das effiziente Eingreifen und die anschließende Untersuchung der FIA zu den Vorwürfen der letzten drei Tage hat jeden Zweifel an der Art und Weise beseitigt, wie das Team seine Autos während des Grand Prix von Monaco 2007 gefahren hat.“
Er war froh, diesem unangenehmen Zwischenspiel den Rücken kehren zu können, und das einzige große Plus, das daraus resultierte, war, dass Lewis Hamilton hoffentlich nie wieder den Befehl bekommen würde, nur die zweite Geige zu spielen. Von nun an musste der Doppelweltmeister seinen Erzrivalen überzeugend besiegen, beginnend beim nächsten Rennen im Kalender … in Montreal am 10. Juni 2007.