Kapitel 12
In Amerika wird ein Idol geboren

War dieser Sieg ein Einzelfall, oder hatte Lewis Hamilton jetzt Blut geleckt? Diese Frage ging überall um, als er Mitte Juni 2007 zu seinem US-Formel-1-Debüt auf dem Brickyard ankam. Der Sieg in Montreal hatte ihn offensichtlich selbstbewusster gemacht. Aber jetzt gehörte er zu den großen Jungs und konnte sich nicht mehr hinter dem „Anfänger-Label“ verstecken; als ein solcher konnte er sich wahrlich nicht mehr bezeichnen. Auf dem Weg zu seinem siebten Formel-1-Rennen seiner noch jungen Karriere war er zum heißesten Favoriten geworden. Das Geheimnis war gelüftet; ein Geheimnis, das jeder, der in den vorangegangenen zehn Jahren seine Karriere verfolgt hatte, hätte erahnen können, etwas, das jeder, der seine fabelhafte Saison in der Formel 2 im Vorjahr gesehen hatte, hätte erkennen können: Lewis war ein Naturtalent und würde die Formel 1 im Sturm erobern.

Er kam am Donnerstag vor dem Rennen in den Staaten an, um sich nach seinem kanadischen Triumph zu akklimatisieren. In Wahrheit hatte er nicht so viel Zeit, wie er es sich gewünscht hätte, vor allem, da dies eine weitere Rennstrecke war, die er noch nie besucht, geschweige denn befahren hatte. Aber was sein muss, muss sein. Nach seinem Sieg in Montreal war er sehr gefragt. Er erklärte seine verspätete Ankunft so: „Ich war ein paar Tage in New York – ich hatte einen Auftritt für Mercedes. Dann bin ich gestern nach Washington zu einem weiteren Auftritt für Exxon-Mobil geflogen, und der Rückflug wurde erst von vier Uhr auf acht Uhr verschoben, dann schließlich um neun annulliert. Also blieben wir in einem Hotel, und zum Glück sind wir heute Morgen geflogen.“

Nicht gerade ideal für einen Mann, der, wie bereits erwähnt, sehr auf Details achtet und sich auf ein Rennen sowohl mental als auch physisch in seinem eigenen Tempo richtig vorbereiten möchte. Aber er war auch reif genug, um zu akzeptieren, dass das Leben nach diesem aufregenden Triumph in Kanada nie wieder dasselbe sein würde. „Ich weiß, dass ich nach dem Rennen die Titelseiten in Großbritannien hatte, was großartig ist. Ich habe ungefähr 200 SMS von Freunden bekommen, und es ist fast unmöglich, sie alle zu beantworten, aber ich versuche es. Es ist ein großes Sprungbrett für meine Karriere und für mein Leben. Es war ein tolles Gefühl, den ersten Sieg zu holen, und ich hatte definitiv nicht damit gerechnet, als ich in meinen sechsten Grand Prix starte, vor allem nicht in Kanada, dessen Strecke nicht zu meinen stärksten gehörte. Ich denke, Fernando [Alonso] war dort wahrscheinlich schneller als ich, aber ich habe einen soliden Job gemacht. Das ist natürlich sehr positiv für das Team – wir haben unseren Vorsprung in der Konstrukteurswertung ausgebaut. Die Meisterschaft … Tolle Punkte für mich… und hier müssen wir diese Leistung fortsetzen.“

Sein erster Eindruck vom Indianapolis Motor Speedway, auch Brickyard genannt, war gut. Er gab zu, dass ihm ein Schauer der Erwartung über den Rücken gelaufen sei, als er die Strecke überblickt habe: ein Hochgeschwindigkeits-Oval mit engen Windungen und Kurven und einer langen Geraden zum Durchdrücken des Gaspedals. Die Heimat des American Motor Speedway und des weltberühmten Indy 500 schimmerte in der Sonne, als er am Freitag vor dem großen Rennen seinen Helm für das Training aufsetzte. Schon damals hatte er ein Bauchgefühl: Das war ein Rennen, das er gewinnen konnte; er könnte nach den 73 Runden am Sonntag der neue König von Amerika sein, keine Frage!

Er wusste auch, dass er bei einem Sieg zusammen mit Graham Hill und Dan Wheldon als britische Sieger auf dieser Strecke in die Geschichtsbücher eingehen würde. Hill, ein legendärer Formel-1-Pilot, hatte 1966 als Rookie den Indy 500 gewonnen, und Wheldon eiferte ihm in seinem glorreichen Rennen von 2005 nach; der erste Brite, der in den 39 Jahren seit Hills Triumph auf dem Brickyard gewonnen hatte. Lewis sagte: „Ich freue mich sehr auf das Rennen. Es ist eine großartige Chance für jeden Fahrer, hierherzukommen und an Wettkämpfen teilzunehmen. Die Indy 500 im Laufe der Jahre zu verfolgen – es ist ein großartiges Rennen, und ich wollte schon immer einmal kommen und mir das Rennen als Zuschauer ansehen. Nun hier zu sein und auf der Rennstrecke zu fahren, ist ziemlich cool. Beim Überfliegen konnte ich die Strecke sehen. Es ist ein recht netter Komplex.“

Die Erwartungshaltung war jetzt ungleich größer. Könnte er das wegstecken? Könnte seine Leistung auf dem Brickyard beeinträchtigt werden? „Um ehrlich zu sein, versuche ich, mich nicht darauf zu konzentrieren“, sagte er und kratzte sich am Kopf. „Ich bin sehr aufgeschlossen in die Saison gegangen und habe realistisch gesehen, dass ich ein Rookie bin und viel zu lernen habe, es ist immer noch eine sehr steile Lernkurve. Und ja, ich habe eine große Chance, da ich im besten Team bin und einen der besten Fahrer habe, mit dem ich mich vergleichen kann. Aber ich habe immer noch das Gefühl, dass es während der Saison neben den Hochs auch Tiefs geben wird, und ich denke, es ist viel zu früh, um über die Meisterschaft zu sprechen. Es stehen noch elf Rennen aus, und ich muss einfach jedes Rennen genauso angehen wie immer und versuchen, einen soliden Job zu machen. Jedes Mal, wenn ich fahre, lerne ich etwas Neues. Ich fühle mich immer wohler im Auto, mit dem Team, mit den Kontrollen und mit den Regeln und Reglements und einfach mit dem ganzen Rennen. Ich lerne Stück für Stück dazu und werde die ganze Saison über so weitermachen …“

Es war diese Besonnenheit, die viele davon überzeugte, dass der Kampf um den Fahrertitel zwischen ihm, Alonso und Räikkönen erst am Ende entschieden werden würde. Vielleicht ein Klischee, aber für einen so jungen Mann war Lewis sehr abgeklärt und vernünftig.

Der erste Tag des Trainings in Indianapolis wurde damit verbracht, die Strecke mit ihren Unebenheiten und Kurven zu studieren und zu lernen, wie man ihre Fallstricke umgeht. Fernando Alonso fuhr in der ersten Trainingseinheit die schnellste Runde, Lewis war sieben Zehntelsekunden hinter ihm. Auch in der Nachmittagseinheit war der Spanier mit einer Bestzeit von 1:12,156 Minuten Platzhirsch. Doch dann kam ihm Hamilton bedrohlich nahe: Als er die Strecke in den Griff bekam, näherte er sich seinem Teamkollegen immer mehr. Am Ende des Tages betrug der Rückstand nur noch etwas mehr als eine Zehntelsekunde.

Er wusste, dass er wieder einmal vor etwas Großem stand: „Da ich zum ersten Mal hier gefahren bin, habe ich einige Zeit damit verbracht, die Strecke kennenzulernen. Der wirklich knifflige Teil ist der Mittelteil, da er sehr eng und kurvig ist. Wir verbrachten unsere Zeit damit, das Set-up zu verfeinern und die beiden verschiedenen Reifenoptionen zu bewerten, die wir von Bridge­stone für dieses Wochenende haben. Im ersten Teil der zweiten Einheit bin ich ein wenig von Kurs abgekommen und habe einige kleinere Schäden an den aerodynamischen Gittern angerichtet, die von den Jungs erst wieder repariert werden mussten. Wir haben eine ziemlich gute Vorstellung davon, wohin die Reise geht, und es sieht so aus, als ob wir konkurrenzfähig sein sollten, aber wie immer ist Freitag erst der Beginn des Wochenendes – der Weg ist noch lang.“

Alonso war am Samstagmorgen erneut Schnellster, Lewis Dritter, aber am Ende des Tages hatte sich das Blatt dramatisch gewendet. Es war nun Lewis, der seine zweite Pole Position in Folge holte, nachdem er eine Zeit von 1:12,331 Sekunden gefahren war und damit 0,169 Sekunden vor Alonso lag. Die Ferraris von Felipe Massa und Kimi Räikkönen würden die zweite Reihe bilden. Es war ein großartiges Ergebnis für Lewis, der zugab, in der Nacht zuvor nicht gut geschlafen zu haben. Einige Experten mutmaßten, dass dies auf Heuschnupfen zurückzuführen sein könnte, und Hamilton meinte dazu: „Nein, ich würde nicht sagen, dass ich Heuschnupfen habe. Ich habe in letzter Zeit nicht viel geschlafen, wahrscheinlich genieße ich es einfach zu sehr! Aber es stimmt, ich habe mich nicht ganz so gut gefühlt.“

Das kann sein, aber seine Freude über den Ausgang des Qualifyings konnte er dennoch nicht verbergen: „Ich bin ehrlich gesagt ziemlich überrascht. Vor dem Qualifying hatten wir noch nicht das optimale Set-up gefunden, und ich wusste, dass Fernando hier schnell ist. Innerhalb einer Woche wieder auf der Pole Position zu stehen ist fantastisch – ich mag Nordamerika! Die Fans hier waren so enthusiastisch und unterstützten das Team, und ich hoffe, es hat ihnen heute gefallen. Ich schrie unter meinem Helm, als ich vom Team die Bestätigung der Pole bekam. Es ist eine Herausforderung, zum ersten Mal auf einer Strecke zu fahren, und ich habe in jeder einzelnen Kurve und in jeder einzelnen Runde Neues gelernt. Ich wusste, dass ich in meinem zweiten Lauf im letzten Qualifying richtig Gas geben musste. Das Auto funktioniert gut, und das Team hat einen tollen Job gemacht.“

Am Renntag wurde es noch besser, als Lewis in 1 Stunde, 31 Minuten und 09,965 Sekunden als Erster ins Ziel fuhr, seinen zweiten Sieg in Folge holte und auf zehn Punkte Vorsprung auf Alonso erhöhte. Es war sein siebter Podestplatz in seinem siebten Formel-1-Rennen. Und er tat es mit Stil, war vorn von der Startaufstellung bis zur Zielflagge und ging mit den beiden Versuchen Alonsos, ihn zu überholen, gelassen um. Alonso, der Zweiter wurde, hatte beim Start versucht, an Lewis vorbeizukommen, aber es war der Junge aus Stevenage, der das Gerangel gewann. Sie gerieten dann erneut aneinander, nachdem beide ihre ersten Boxenstopps im Abstand von einer Runde absolviert hatten. Die beiden Autos fuhren gleichauf die Hauptgerade hinunter, aber wieder war es Lewis, der die Nase vorn hatte, als sie die erste Kurve erreichten. Danach blieb er bis zur Zielflagge unangefochten in Führung. Der Sieg bedeutete auch, dass Lewis als erst vierter Rookie neben Jacques Villeneuve, Nino Farina und Juan Manuel Fangio in die Rekordbücher einging, mit mindestens zwei Grand-Prix-Siegen in seiner Debütsaison.

Danach war er froh, der sengenden Hitze des Tages entkommen zu sein. Er freute sich, dass er von lokalen Fans unterstützt wurde, die ihn mit lauten Tröten anfeuerten, und war glücklich über die Anwesenheit des amerikanischen Rappers Pharrell Williams als VIP-Gast in seiner Boxengasse.

Lewis sah leicht benommen aus und gab zu: „Es wird immer besser – was für eine erstaunliche Woche das war! Ich kann nicht glauben, dass ich gewonnen habe. Auf zwei Rennstrecken [Montreal und Indianapolis] zu fahren, die ich nicht kannte und solche Fortschritte zu machen, ist einfachen sagenhaft, und auch, wie sich das Team entwickelt, ist toll. Die letzten 15 Runden dauerten eine gefühlte Ewigkeit, aber ich war in Führung – ich habe es geschafft und bin jetzt sehr aufgewühlt. Alles hat gepasst: Start, Boxenstopp, Strategie … und ich bin sehr zufrieden. Ich stand die ganze Zeit unter Druck durch Fernando, und wir haben beide alles herausgeholt. Ich hatte einen guten Start und konnte den Vorsprung halten, aber Fernando war dicht dran. Im zweiten Abschnitt, als meine Reifen zu körnen begannen, kam Fernando ganz nah heran, und am Ende der Geraden startete er einen Versuch zu überholen, aber ich konnte ihn hinter mir halten. Es war ein langer und heißer Tag, aber er hat mir Spaß gemacht, und ich habe die Unterstützung durch die Fans wirklich genossen.“

Ron Dennis mimte wieder den Diplomaten, gratulierte beiden Fahrern zu ihrem ersten und zweiten Platz, wies aber auch darauf hin, dass er ihnen diesmal gesagt habe, sie sollten ihre Drehzahl reduzieren. Big Ron teilte mit: „Im mittleren Abschnitt preschte Fernando nach vorn und holte Lewis ein, was zu einigen positiven, aber angespannten Momenten an der Boxenmauer führte. Wir ließen sie natürlich fahren, mussten aber darauf achten, dass dieser Wettbewerb unsere ersten beiden Plätze nicht gefährdet. 15 Runden vor Schluss reduzierten beide Fahrer ihre Drehzahl, um die Motoren für den Grand Prix von Frankreich zu schonen, und fuhren das Rennen zu Ende. Ihr sportliches Verhalten, auf der Strecke und vor allem während des Feierns auf dem Podest, hat das Team stolz darauf gemacht, zwei so tolle Fahrer zu haben.“

Lewis wurde gesagt, es sei Vatertag, und gefragt, ob er eine besondere Nachricht für Anthony habe. Er meinte: „Ich wusste nicht einmal, dass Vatertag ist – ich war einfach so konzentriert. Ich erinnere mich, dass es mir jemand gesagt hat, aber ich wusste nicht, ob hier Vatertag oder zu Hause Vatertag ist. Ich weiß solche Daten nie, aber jetzt ist es natürlich noch besser. Ich habe ihm den letzten Sieg gewidmet, aber ich weiß nicht so recht, was ich mit diesem anfangen soll. Ich denke – ich hoffe –, es werden noch viele, viele kommen. Ich kann diesen Sieg einfach keinem anderen widmen … es gibt so viele Leute in meiner Familie! Wie gesagt, ich bin allen dankbar. Ich hoffe, er ist glücklich, und wünsche ihm alles Gute zum Vatertag.“

Ihm war allerdings nicht ganz klar, dass er zwischenzeitlich ein richtiger Star geworden war, bis er wieder zu Hause in England war. Er war Gesprächsthema in den Pubs und an den Arbeitsplätzen – er war zur nationalen Berühmtheit und zum nationalen Kulturgut geworden. Die Fans wollten ihm unbedingt ihre Glückwünsche übermitteln. Joe Neill aus London sagte: „Erstens, gut gemacht, Lewis! Deine beiden Siege in Kanada und Amerika sind fantastisch für die Formel 1! Außerdem gebührt McLaren volle Anerkennung dafür, dass der Rennstall einem britischen Fahrer eine Chance gegeben hat – und dafür, dass er es Alonso alles andere als leicht macht! Für mich sieht es so aus, als ob Lewis mehr als ebenbürtig ist! Es ist großartig zu sehen, wie ungeschliffene Talente eine Chance bekommen – hoffen wir, dass er das gut übersteht und dass er den Titel gewinnt.“

Ein anderer Rennsport-Enthusiast, Tim Leach aus Burnley, sagte, es sei an der Zeit, dass Alonso seinem Kollegen dort ein wenig Anerkennung zolle, wo es angebracht sei: „Ich habe den größten Respekt vor jedem, der ein Formel-1-Auto fährt, aber nach sieben Rennen hat Hamilton zehn Punkte Vorsprung vor Alonso. Sie sind gleichberechtigte Partner mit dem gleichen Back-up und den gleichen Ressourcen, was bedeutet, dass fahrerisches Können das Hauptkriterium ist, das die beiden Teamkollegen unterscheidet. Alonso muss die Tatsache akzeptieren, dass es auch so bleiben wird, und wenn nichts Schlimmes passiert, wird er es schwer haben, Hamilton einzuholen.“

Tom Bray aus Dublin würdigte Lewis’ coolen Stil: „Es ist wirklich befriedigend, dass Lewis diese beiden nordamerikanischen Rennen gewonnen hat. Seine beiden Siege von der Pole Position waren solide – eine äußerst hochwertige ruhige Umsetzung, trotz Chaos um ihn herum. Es freut mich zu sehen, dass er sich stark weiterentwickelt hat, wenn er die Meisterschaft dieses Jahr tatsächlich für sich entscheiden sollte. Eine Weile hatte ich Angst, dass wir mit diesem Punktesystem möglicherweise einen Champion haben, der keine Rennen mehr fahren muss. Aber nur die Besten schwimmen oben. Das war immer schon so!“ Bill Lowe aus Banbury lobte Hamiltons fahrerische Fähigkeiten unterdessen ähnlich überschwänglich: „Wie viel von der sich abzeichnenden Kluft zwischen McLaren und Ferrari basiert auf Hamiltons Fähigkeiten als Fahrer? Das Indy-Rennen, das ich persönlich gesehen habe, war eine meisterhafte Demonstration seines fahrerischen Könnens.“

Auch Ron Dennis und McLaren wurden für ihren Mut gewürdigt, den Youngster in so kurzer Zeit zu Weltruhm zu führen. Alan Davies aus Chester sagte: „Die Pole gewinnen, die eigene Linie halten, Gas geben, keine Fehler machen, den Sieg einfahren! Fünf wesentliche Zutaten, die einen hervorragenden Rennfahrer ausmachen – Lewis war gestern auf dem Brickyard hervorragend. Fernando muss seine Strategie und seinen Fahrstil neu anpassen, um wieder ins Rennen zu kommen. Es ist schön zu sehen, dass er sich entschieden hat, auf Nummer sicher zu gehen und die maximale Punktzahl nach Hause zu bringen. Der Star dieses Rennens ist jedoch nicht nur Lewis, sondern auch McLaren. Das Team hat sich in den letzten Jahren von einem Nebenschauplatz zu einem dominanten, Ferrari-fressenden Team entwickelt. Fünf Siege in sieben Rennen, drei Erst- und Zweitplatzierungen und jede Menge Podestplätze. In der Konstrukteurswertung laufen sie eindeutig allen davon; Jean Todt wird sich am Kopf kratzen und sich Schumi zurückwünschen. Was den Fahrertitel angeht, könnte McLaren 2008 zwei Weltmeister unter einem Dach haben! Eine traumhafte Kombination.“

Und Jody Smith aus Ipswich glaubte, dass Lewis nach seinen zwei Siegen in Nordamerika jetzt sicherlich Alonso den Titel wegschnappen werde: „Er war konstant, hat Podestplätze, Pole Positions und zwei Siege geholt. Hamilton hat seinen im Sessel sitzenden Kritikern gezeigt, dass er echt ist und heute die neue dominierende Kraft in der Formel 1. Aussichtslose Überholmanöver zu Beginn der Grand-Prix-Rennen kommen Alonso teuer zu stehen – er sollte besser lernen, mit Hamiltons Geschwindigkeit und Konstanz zu leben und sich steigern, sonst wird er als Doppelweltmeister hinter ihm bleiben. Ich persönlich glaube nicht, dass Alonso ihn noch einholen kann – Lewis ist zu konstant und wird sicherlich den Weltmeistertitel holen.“

Auch Jonathan McEvoy von der Daily Mail würdigte Lewis’ Auftritt in Amerika – wie andere bewunderte er die Art und Weise, wie gelassen und reif er mit allem, was auf ihn zukam, umging: „Nichts scheint den neuen Star aus der Fassung zu bringen. Er kam nach einer albtraumhaften Reise auf eine Strecke, die er noch nie gesehen hatte … Er verzauberte die Menge, indem er winkte, Autogramme gab und die richtigen Dinge sagte, wenn ihm ein Mikrofon unter die Nase gehalten wurde. Er ist ein Naturtalent. Ebenso sicher war er im Cockpit. Ja, Alonso hatte im Training und in den ersten beiden Einheiten des Qualifyings die Nase vorn, aber als es um die Pole ging, nagelte Hamilton am Samstagnachmittag die Bestzeit auf die Piste – und das bei hohen Temperaturen und mit Heuschnupfen. Er hat dieses Wochenende meisterhaft gemanagt.“

Zu allem Überfluss druckte der Daily Telegraph auch noch eine Gratulation ab, die Lewis’ US-Sieg noch das Sahnehäubchen verpasst hatte – sie war von seiner Cousine Michelle und lautete: „Hallo Lewis! Hier ist deine Cousine, Michelle Hamilton, die Tochter von Randolph Hamilton, dem Sohn des Bruders deines Großvaters (Onkel Davidson, du kennst ihn als Onkel Fleet). Herzlichen Glückwunsch zu deinem großen Sieg! Wir haben dich den ganzen Weg über von den Vereinigten Staaten aus beobachtet und sind so stolz auf dich! Tante Irva ist den Sommer über bei uns und hat dich die ganze Zeit angefeuert. Ich hoffe, dass die Zeitung diese Nachricht an dich weiterleitet. Wenn nicht, werden wir uns mit deiner Tante Vanessa in Verbindung setzen. Nochmals herzlichen Glückwunsch, und genieße deinen großen Sieg!“

Der Applaus hielt die ganze Woche über an, Lobpreisungen und Hommagen strömten en masse herein. Aber Lewis wusste, dass er das alles verdrängen musste; Selbstbeweihräucherung war nicht sein Ding. Nein, er hatte einen weiteren wichtigen Termin in seinem Kampf um die Weltmeisterschaft auf dem Schirm: Es waren keine zwei Wochen mehr bis zum Showdown mit Alonso & Co. am 1. Juli in Frankreich.

Die große Hitze in den USA war schnell vergessen, als sie zurück in das vom Regen gepeitschte Europa reisten, aber der unerbittliche Druck erreichte den Siedepunkt, als der Formel-1-Zirkus schließlich in Magny-Cours zur achten Etappe im Kampf um den Titel ankam. Alonso war aufgewühlt und verärgert, nachdem er in Nordamerika gegen seinen „Rookie“-Teamkollegen verloren hatte, und fest entschlossen, diese Niederlage in Europa zu rächen. Lewis wusste, dass er noch einmal alle Register ziehen musste, um den Mann, der immerhin zweifacher Weltmeister war, in Schach zu halten. Als sich die Ereignisse in Magny-Cours entwickelten, wurde klar, dass sich Lewis nun, ebenso wie Alonso, einem neuen Problem stellen musste, das ebenso wenig wie sein Teamkollege verschwinden würde. Es war die Wiedergeburt des sich aufbäumenden Pferdes … als Ferrari endlich seine Probleme vom Saisonbeginn hinter sich ließ und ein Wochenende mit umwerfenden Rennen präsentierte, um Lewis und Fernando aus dem Rampenlicht zu drängen.

Britische Fans, die auf einen Hattrick von Lewis Hamilton hofften, waren enttäuscht, als klar wurde, dass er den verjüngten Ferraris nicht Herr werden konnte. Kimi Räikkönen meinte es ernst, als er auf der französischen Rennstrecke ankam: Er war im ersten Training am Freitag Schnellster, und seine Dominanz hielt bis zum Ende des Rennens am Sonntagnachmittag an. Schon als er in Frankreich ankam, schien Lewis etwas desorientiert zu sein, behauptete, „die Strecke zu mögen“, und sagte: „Ich habe hier einige sehr interessante Erfahrungen gemacht“, bevor er hinzufügte: „Ich bin hier immer gern Rennen gefahren; wenn man die Leute über technische Strecken reden hört, gehört Magny-Cours definitiv dazu. Es ist wichtig, in den langsamen Kurven eine gute Geschwindigkeit zu haben, denn sie münden meist in lange Gerade. Du brauchst ein gutes mechanisches Set-up für die Kurven, und das gilt auch für die Traktion am Ende der Kurve. Meine Lieblingsabschnitte der Strecke sind die beiden Hochgeschwindigkeitsschikanen im hinteren Teil der Strecke. Wir durchfahren sie mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h, was für eine Schikane sehr schnell ist; nicht einfach zu durchfahren und einzigartig in der Formel 1.“

Dass er die Strecke möge, hat mich verwirrt, vor allem angesichts seiner Erfahrungen in der Formel 3 und der Formel 2. Vielleicht war es nur ein Tribut des immer reifer werdenden Lewis Hamilton, der seinen französischen Gastgebern eine diplomatische Show bot? Sein Rekord auf dieser Rennstrecke hat seine Fans bisher jedenfalls sicherlich nicht begeistert: Er hatte dort einen Unfall in der Formel 3 und eine ähnlich harte Lehrstunde, als er in der Saison 2006/07 zum Formel-2-Titel fuhr. Lewis räumte denn auch ein: „Der französische Lauf der Formel-2-Meisterschaft in der vergangenen Saison war nicht mein bestes Wochenende, da ich im ersten Rennen einen Zusammenstoß hatte, was dazu führte, dass ich in Rennen zwei von Platz 19 aus starten musste. Ich habe mich durch das Feld auf Platz fünf vorgekämpft, um einige Punkte zu holen, also ist es möglich, hier zu überholen. Natürlich möchte man immer auf der Pole stehen, aber kann man in Magny-Cours überholen, während die kurze Boxengasse mehr Strategieoptionen bietet.“

Schon im ersten Training schien der Fluch wieder zuzuschlagen – er war Sechstschnellster. Doch am Samstagabend schien sich sein Schicksal gewendet zu haben: Er hatte sich gut genug geschlagen, um vom zweiten Startplatz zu starten. Lewis fuhr eine Zeit von 1:15,104 Minuten und verpasste seine dritte Pole Position in Folge nur um sieben Hundertstelsekunden. Er hätte sie geholt, wenn er im letzten Abschnitt des Qualifyings nicht einen Bremsfehler gemacht hätte. Er gab zu: „Du kannst nicht immer perfekt sein. In meiner letzten Runde habe ich in Kurve 15 etwas spät gebremst und bin zu weit nach außen gekommen. Ohne diesen Fehler wäre heute die Pole Position möglich gewesen – ich war nah dran.“

War der Druck, die Weltmeisterschaft mit zehn Punkten anzuführen und von Alonso gejagt zu werden, vielleicht bei ihm angekommen? Lewis sagte: „Ich stehe nicht stärker unter Druck, ich für meinen Teil gehe jedes Wochenende gleich an. Es ist großartig, in Führung zu sein, aber es sind tatsächlich noch zehn Rennen zu fahren, und es ist viel zu früh, um über den Titelgewinn nachzudenken. Ich bin noch in meiner ersten Saison. Viele andere Fahrer wissen natürlich, dass ich noch ein Rookie bin, aber im Laufe der Saison sehen sie, dass du einen guten Job machst oder ernsthaft mit ihnen konkurrierst, und sie können sehen, dass du fair bist, und mit der Zeit respektieren sie dich immer mehr; der Respekt wächst. Aber ich denke immer noch, dass sie mich als Anfänger wahrnehmen, sie erwarten, dass ich irgendwann einen Fehler mache …“

Massa hatte die Pole Position herausgefahren, und Räikkönen war die Nummer drei der Startaufstellung. Alonso hatte im letzten Abschnitt des Qualifyings unter Getriebeproblemen zu leiden, was bedeutete, dass er von einem desaströsen zehnten Platz starten musste. Als er sich nach dem Qualifying etwas beruhigt hatte, war er in mürrischer Stimmung, brachte aber wenig später ein Lächeln zustande und sagte, er hoffe, dass sich der Himmel in Frankreich über Nacht auftue! „Ich werde heute Nacht um Regen beten. Wir wissen, dass nasse Bedingungen schwierig sind und gemischte Ergebnisse liefern. Aber wenn du bei Trockenheit schnell bist, kannst du zwei oder drei Zehntelsekunden schneller sein als der Vordermann. Wenn du bei Nässe schnell bist, sind es vielleicht zwei Sekunden, und du kannst Plätze viel, viel schneller gutmachen. Ich hoffe also sehr, dass es morgen nass ist, denn das könnte zu Unsicherheiten führen, von denen wir profitieren können. Vom zehnten Startplatz aus ist es ohne Zweifel schwierig für mich, den [Punkte-] Rückstand auf Lewis aufzuholen. Ich brauche Punkte, aber ich weiß auch, dass es vielleicht nicht möglich ist, besser als Fünfter zu werden, aber ich werde es versuchen.“

Auch lächelte er grimmig, als das Wort Ferrari fiel, und sagte, er selbst habe sie im Titelrennen nie abgeschrieben: „Nach drei Siegen in Monaco, Kanada und Indianapolis schienen die Leute Ferrari zu vergessen, aber ich nicht. Ich weiß, dass sie schnell sind, dass sie einen sehr guten Job machen können und immer stark sind. Ferrari zu schlagen ist immer schwer, und es wird schwierig bis zum letzten Rennen bleiben.“

In diesem Punkt hatte dieser rätselhafte, oft schwierige Mann ausnahmsweise recht. Ferrari konnte in dieser Saison endlich Boden gutmachen, als Kimi Räikkönen und Felipe Massa in Magny-Cours den ersten und zweiten Platz belegten und Lewis’ Siegesserie damit beendeten. Aber die Rakete aus Stevenage war im Kampf um den Titel immer noch dabei und baute mit Platz drei, seinem achten Podestplatz in Folge, seinen Vorsprung an der Spitze der Fahrerwertung auf 14 Punkte weiter aus.

Räikkönen übernahm die Führung auf seinem Weg zum Sieg in einer Zeit von 1 Stunde, 30 Minuten, 54,200 Sekunden in Runde 47. Er hatte Lewis in der ersten Kurve überholt – das erste Mal, dass der Brite in der Formel 1 überholt wurde – und blieb in Führung, bis er über die Ziellinie fuhr, 2,414 Sekunden vor Massa und rund 32 Sekunden schneller als Hamilton. Alonso kämpfte sich bis auf den siebten Platz vor.

Lewis versuchte sich nach diesem Wochenende in Frankreich nichts anmerken zu lassen: „Ich bin mir sicher, dass wir beim nächsten Rennen ohne Zweifel wieder auf die Beine kommen werden. Mit dem Team, für das ich schon immer fahren wollte, in meinen ersten Großen Preis von Großbritannien zu gehen und die Fahrerwertung anzuführen, ist eines der größten Gefühle, die ein Fahrer haben kann. Solange wir unsere konstante Leistung beibehalten, gibt es keinen Grund, nicht weiter um den Sieg fahren können. Zu Beginn der Saison war so etwas unvorstellbar. Wie ich zuvor schon gesagt habe, hätte ich nie damit gerechnet, in meinem ersten Rennen auf dem Podium zu stehen, geschweige denn jetzt schon seit acht Rennen. Ich bin also sehr, sehr zufrieden mit meiner Arbeit und der Arbeit, die das Team geleistet hat. Auch nachdem ich zum ersten Mal in einem Rennen überholt wurde, bin ich nicht enttäuscht. Ich mag es nicht, überholt zu werden, niemandem gefällt das, aber es war unvermeidlich, dass es irgendwann passieren würde. Fakt ist aber, dass wir wieder auf dem Podium stehen. Wir sind das beständigste Team, und ich denke, wir machen den besseren Job. Natürlich kann man nicht jedes Rennen gewinnen, aber ich habe meine Führung in der Meisterschaft ausgebaut, also könnte ich nicht glücklicher sein.“

McLaren-Teamchef Ron Dennis gab zu, Lewis’ Strategie umgestellt zu haben, um den dritten Platz zu sichern, weil er erkannt habe, dass es unmöglich sei, die Ferraris zu überholen. Er versuchte auch, den Einfluss der Jungs in Rot herunterzuspielen und sagte: „Wir freuen uns natürlich, dass Kimi gegen Massa gewonnen hat (der nur einen Punkt hinter Alonso gelegen hätte, wenn er gewonnen hätte). Wir haben ihnen dieses Wochenende zu Rückenwind verholfen. Sie haben gute Arbeit geleistet und das Auto wahrscheinlich ein wenig verbessert, aber wir haben sie viel besser aussehen lassen, als sie waren. Hoffentlich werden wir das in Silverstone beweisen.“

Ah, Silverstone … Die nervenaufreibende Ausdauerprobe ging weiter. Lewis freute sich sicherlich auf die nächste Etappe seiner Prüfung: die Heimreise. Aber selbst er fühlte die Anspannung angesichts des Wissens, dass das sich aufbäumende Pferd gesund und munter war. Das hatten Räikkönen und Massa mit einem Ferrari-dominierten Wochenende in der Einöde Frankreichs ganz klar bewiesen.

Lewis war gerade dabei, herauszufinden, wie prestigeträchtig sein Name mittlerweile weltweit war, als er nach England zurückkehrte – und wie man von ihm als Vorbild für Schwarze sprach, die die Formel 1 noch nie als ihren Zuschauer- oder gar Teilnehmersport betrachtet hatten.

Bevor wir aber wieder in England landen, lassen Sie uns noch einen kleinen Umweg machen, um zu sehen, welche Wirkung Lewis Hamilton als erster schwarzer Fahrer auf die Formel 1 ausübte.