Kapitel 19
Red Bull – die volle Ladung
Nachdem er Ende 2008 seinen ersten Titelgewinn beim Grand Prix von Brasilien gefeiert hatte, war man sich in der Formel 1 einig, dass Lewis Hamilton den Sport nun für viele Jahre dominieren werde. Der 23-Jährige hatte sich den Herausforderungen der erfahrenen Profis wie seinem McLaren-Teamkollegen Fernando Alonso und jüngeren Anfängern wie dem sich ständig verbessernden deutschen Duo Sebastian Vettel und Nico Rosberg bereits gestellt. Lewis’ klare Dominanz im Feld schien darauf hinzudeuten, dass er dabei war, seine eigene Heldensage mit Formel-1-Triumphen aufzubauen, dass niemand gut genug war, um ihn zu schlagen und dass er sowieso das beste Auto hatte: das schnellste Auto in der ganzen Formel 1.
Aber alle Spekulationen über eine von Hamilton dominierte Ära erwiesen sich als fehl am Platz. Zwar war Lewis im Jahr 2008 die unumstrittene Nummer eins der Welt, aber die darauffolgenden vier Jahre waren von vielen Misserfolgen geprägt. Vier Jahre, in denen jeder versuchte, herauszufinden, wo und was alles schiefgelaufen war. Wie und warum ein junger Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes die ganze Welt in seinen Händen gehalten hatte, zum Mitläufer wurde, blieb ein Rätsel. Die Wahrheit war, dass McLaren von 2009 bis 2013 an Schärfe verlor und Lewis’ Entscheidung, seine Arbeitsbeziehung mit seinem Vater zu beenden, nach hinten losging.
Nachdem der McLaren 2008 das schnellste Auto in der Startaufstellung war, hatte er nun Mühe, mit der aufstrebenden Kraft des Red-Bull-Rennteams Schritt zu halten. Und Lewis löste sich von seinem Vater Anthony, der seine Rennkarriere mit seiner Umsicht beeinflusst hatte. Lewis entließ Anthony Anfang 2010, aber ohne ihn hatte er dann Schwierigkeiten, an die Erfolge von 2008 anzuknüpfen. Einige Experten stellten damals die Weisheit dieser Entscheidung in Frage und warnten, dass Lewis den Pfad zu dauerhaftem Scheitern eingeschlagen habe, während er darum kämpfte, ein eigenständiger Mann zu werden. Andere äußerten die Befürchtung, dass Lewis zu groß für seine Schuhe werde und sein Leben als Berühmtheit auslebe ohne Anthonys ruhige, führende Hand.
In den Anschuldigungen steckte etwas Wahres. Ich würde zustimmen, dass Lewis tatsächlich versuchte, seinen eigenen individuellen Weg einzuschlagen, und er hatte auch viel Geld zum Ausgeben. Aber er war kein Playboy. Er setzte seine starke, liebevolle Beziehung zu Nicole Scherzinger fort, dem Popstar, mit dem er seit 2007 zusammenlebte, und war weit entfernt von dem verschwenderischen Typ, für den ihn einige Experten hielten. Natürlich kaufte er sich schöne Autos, ein schönes Haus und schicke Klamotten, wie viele erfolgreiche junge Sportler. Er prahlte jedoch nie mit seiner privilegierten Existenz – sicherlich war er kein verwöhntes Balg wie einige gleichaltrige Fußballstars der ersten Liga. Und doch schien er die Unterstützung und Weisheit seines Vaters zu vermissen.
Es wurde für Lewis auch bei McLaren schwieriger, als sein langjähriger Mentor im April 2009 das Rennteam verließ. Ron Dennis war wohl die einflussreichste Figur bei Lewis’ Aufstieg an die Weltspitze, denn er hatte ihn schon in jungen Jahren in sein Team aufgenommen. Als Dennis ging, um sich auf McLarens neues Sportwagenprojekt zu konzentrieren, verlor Lewis seinen engsten Vertrauten in der Boxengasse.
Durch die persönlichen und beruflichen Veränderungen in seinem Leben und die Herausforderungen von Red Bull mit ihrem schnelleren Auto war es vielleicht unvermeidlich, dass Lewis Hamilton diese Zeit der Enttäuschung und Frustration durchlebte. Dennoch war es immer noch eine Überraschung: Nur wenige Leute hatten erwartetet, dass er in den darauffolgenden vier Saisonen Mittelmaß wurde. Von 2009 bis 2013 war er der „König ohne Krone“ der Formel 1: Der Ruhm des Mannes, von dem wir geglaubt hatten, dass er immer stärker werde, wurde von Sebastian Vettel, dem Neuling auf der Piste, vereitelt.
Nachdem er 2008 den Titel gewonnen hatte, sahen die Ergebnisse von Lewis in den darauffolgenden vier Jahren folgendermaßen aus: 2009 Fünfter, 2010 Vierter, 2011 Fünfter und 2012 Vierter. Er konnte an die Leistung von 2008 nicht mehr anknüpfen, wie die Fakten belegten: Sie zeigten einen Fahrer, der in einem Team kämpfte, das selbst zu kämpfen hatte. Auch in seiner ersten Saison bei Mercedes 2013 wurde er erneut Vierter. Aber er hatte allen Grund zu hoffen: Er wusste, dass angesichts der Investitionen und der Entwicklungskompetenz des deutschen Rennstalls bessere Zeiten vor der Tür standen.
Bei McLaren herrschte von 2009 bis 2013 Flaute. Das spiegelte sich auch in den Ergebnissen von Lewis’ Teamkollegen in diesen Jahren wider. Die meiste Zeit fehlte es ihnen an Erfolg; nur Jenson Button würde 2011 mit einigen fantastischen Fahrten den Fluch brechen. Ansonsten waren die Ergebnisse der Co-Piloten noch schlechter als die von Lewis 2009. Heikki Kovalainen erzielte nur 22 Punkte, während Lewis 49 einfuhr, 2010 schaffte Button 214 und Lewis 240 Punkte, und 2012 erreichte Button 188 Punkte und Lewis 190. Nur 2011 wurde Lewis von einem Teamkollegen im Laufe der Saison geschlagen – Button schaffte 270 Punkte und Hamilton nur 227.
Selbst diese Punktzahl aber reichte nicht aus, um den Titel für McLaren zurückzuholen, Button wurde Zweiter hinter dem dominierenden Vettel in seinem Red Bull.
Nachdem Lewis 2008 den Fahrertitel gewonnen hatte, gewann Button ihn ein Jahr später mit einigen fabelhaften Ergebnissen in seinem Brawn-Mercedes. Dann, als Lewis weiter schmachtete, stahl ihm Vettel das Rampenlicht und die Meisterschaft – und erhob seinen Anspruch auf Unsterblichkeit, indem er den Titel 2010, 2011, 2012 und 2013 viermal in Folge gewann (letzteren, als Lewis noch dabei war, mit einem neuen Auto und einem neuen Team bei Mercedes klarzukommen).
Es war schwer für einen so harten Konkurrenten – und geborenen Sieger – wie Lewis, die vier Siege des jungen deutschen Superstars zu verkraften. Zumal Vettel auch Lewis’ Rekord als jüngster Champion in der Geschichte des Sports im Jahr 2010 einstellte. Er war sechs Monate jünger als Lewis, als der zwei Jahre davor seinen ersten Titel geholt hatte. Die von uns erwartete Lewis-Hamilton-Ära, die angebrochen war, als er 2008 seinen aufregenden Debüt-Titel gewann, löste sich plötzlich in Luft auf – und Vettel war der Mann der Stunde, der selbstbewusst diese Leere füllte. Der junge deutsche Superstar holte im Galopp vier Titel, während Lewis in einem Auto um Konstanz und Geschwindigkeit kämpfte, welches eindeutig nicht in der gleichen Liga spielte wie die neuen, dominierenden Red-Bull-Kampfmaschinen, in denen Vettel und dessen Teamkollege Mark Webber fuhren.
Die Saison 2009 begann Ende Januar in Melbourne und lieferte wichtige Hinweise darauf, wie sich die Dinge in den darauffolgenden zehn Monaten entwickeln würden, und, was noch wichtiger ist, wie Lewis ein Jahr später den Wunderkind-Staffelstab an die ständige Bedrohung Vettel übergab. Für Lewis gab es keinen zweiten Titel in Folge, denn Jenson Button holte ihn mit einer brillanten Kampagne im Brawn GP-Formelwagen. Buttons Gehirn und Brawns, nun ja, Muskelkraft vereinten sich, um dem Somerset-Piloten den Titel zu schenken, nach dem er sich so gesehnt hatte und den er sich jetzt so überragend verdient hatte.
Buttons Vorsprung war so groß, dass er und Brawn GP bereits in Brasilien ein Rennen vor Saisonende in der Fahrer- und in der Konstrukteurswertung den Titel holten. Es war Jensons erster Titel und das zehnte Mal, dass ein britischer Fahrer ihn gewann. Auch wurde der Titel erstmals von zwei britischen Formel-Eins-Piloten in Folge gewonnen.
Es war bezeichnend, dass Vettel der Zweitplatzierte nach Button war, der in jener Saison den von David Coulthard geräumten Platz bei Red Bull eingenommen hatte. Für Lewis war es eine ernüchternde Saison, da McLaren Mühe hatte, mit den Formelautos von Red Bull und Brawn GP Schritt zu halten. Die Weiterentwicklung der Autos – in der Absicht, den Sport durch mehr Überholmanöver attraktiver zu machen – spielten eine wichtige Rolle für die Vormachtstellung, die Red Bull und Brawn genossen. Die offizielle Formel-1-Website fasste die ziemlich komplexen technischen Entwicklungen am besten zusammen, die zu Lewis’ Untergang beitrugen. Die Website erklärte die Änderungen in bemerkenswert einfachen Worten: „Slick-Reifen waren zurück. Kinetische Energierückgewinnungssysteme (KERS) waren optional und versprachen … einen möglichen Gewinn von 0,6 Sekunden an Rundenzeit. Und aerodynamische Änderungen, die das Überholen verbessern sollten, bedeuteten weniger Karosserie-Aufbauten. Es war die neue Aerodynamik, verbunden mit der neuen Regel, die das Testen während der Saison verbietet, die für die Hauptgesprächsthemen sorgen sollten … denn Brawn, Toyota und Williams kamen alle auf die Idee, einen Doppeldiffusor zu verwenden.“
Entscheidend war auch, dass das Testverbot es den Teams ohne Doppeldiffusor schwermachte, Schritt zu halten – obwohl sie es nach „vier bis fünf Rennen“ taten. Aber bis dahin hatte Button einen souveränen Vorsprung in der Fahrerwertung aufgebaut. Tatsächlich gewann der große Brite sechs der ersten sieben Rennen und verlor nur in China gegen Vettel.
Jenson hatte das Glück, dass er einen so fantastischen Start hatte, denn Vettel war der überlegene Mann, der in der zweiten Hälfte der Saison 2009 drei Grands Prix gewann, darunter den letzten der Saison in Abu Dhabi, in denen Button nicht triumphieren konnte. Buttons Siegesparade zu Beginn der Saison brachte ihm den Titel ein, aber Vettel würde in der folgenden Saison definitiv schwer zu schlagen sein, wenn er so startete, wie er hier geendet hatte.
Zu Lewis Ehrenrettung muss gesagt werden, dass er in der zweiten Saisonhälfte in seinem McLaren zwei Grands Prix gewann – er holte sich den Sieg in Ungarn und Singapur. Es zeigte, wie brillant er als Fahrer blieb, aber sein Auto war einfach nicht gut genug, wie die Tatsache zeigt, dass Brawn mit 172 Punkten an der Spitze der Konstrukteurswertung lag, im Gegensatz dazu hatte McLaren nur 71 Punkte. Es gab einen gewaltigen Unterschied von 101 Punkten – eine Lücke, die die Probleme unterstreicht, mit denen Lewis konfrontiert war und auch im Jahr 2010 konfrontiert sein würde.
Er beendete die Saison 2009 als Fünfter und schied nach 20 Runden in Abu Dhabi aus – gerade, als es schien, dass das Auto gut lief und nachdem er im Qualifying die schnellste Runde gefahren war, um sich die Pole Position zu sichern. Gegen Ende der Saison erläuterte Lewis seine Ansichten zu seiner Saison 2009 in einer Pressekonferenz nach dem brasilianischen Grand Prix. Er sagte den Reportern: „Es war ein fantastisches Jahr für mich. Es war manchmal sehr hart und anspruchsvoll, aber ich denke, ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch als noch vor einem Jahr – und das kommt direkt und indirekt davon, Weltmeister zu sein. Ich denke, dieses Jahr hat mir geholfen, die Herausforderung und den Nervenkitzel der Formel 1 besser zu verstehen und zu schätzen. Aufgrund meiner Saison würde ich gern glauben, dass ich ein reiferer Mensch bin, aber ich bin definitiv ein besserer Fahrer. In vielerlei Hinsicht bin ich jedoch immer noch derselbe. Ich bin immer noch ein Kämpfer und schätze es immer noch, meine Familie, meine Freunde und mein Team in meiner Nähe zu haben. Diesen Kampfgeist werde ich ins erste Rennen des nächsten Jahres mitnehmen – ich freue mich schon darauf. Es kann nicht früh genug losgehen. Ich bin von unseren Fortschritten ermutigt, weil ich weiß, dass alles in unsere Entwicklung für 2010 einfließt.“
Das waren optimistische Worte von einem Mann, der gerade den Titel, nach dem er sich so lange gesehnt hatte, seinem Landsmann Button übergeben hatte. Es würde sich auch als ziemlich ironisch erweisen, dass er davon sprach, seine „Familie und Freunde … in der Nähe zu haben“, weil er sich Anfang der Saison 2010 von seinem Vater Anthony trennte und ihn als seinen Manager entließ. Lewis ließ die Bombe am Vorabend des Großen Preises von Bahrain – dem Saisonauftakt Anfang März 2010 – platzen.
Lewis erklärte diesen Schritt auf der Pressekonferenz nach dem Rennen und sagte den Reportern: „Dad wird es vermissen, hier zu sein, die Trennung ging von mir aus. Er muss sich auf andere Dinge konzentrieren, deshalb möchte ich nicht mehr, dass mein Vater mein Manager ist. Ich werde irgendwann einen neuen Manager haben, aber ich habe keine Eile. Er kümmert sich immer noch um viele Dinge, aber er wird sich langsam zurückziehen. Er versuchte, es als Vater zu nehmen. Wir hatten uns in den letzten drei Jahren mit verschiedenen Managern zusammengesetzt, aber es hat nie richtig gepasst. Doch irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich einiges selbst in die Hand nehmen könnte. Dad hat begonnen, viele eigene Dinge zu übernehmen, und er möchte in seinem eigenen Leben auf andere Weise erfolgreich sein. Er ist fest entschlossen dazu.“
Lewis wurde gefragt, ob Anthony seine Reise nach Los Angeles für ein romantisches Wochenende mit seiner Freundin Nicole kurz vor dem Eröffnungsrennen der Saison genehmigt hätte. Er antwortete: „Man ist oft so streng mit sich selbst, will, dass man Dinge tut, die vielleicht besser für die körperliche Verfassung sind, aber möglicherweise nicht für die mentale. Ich war der Meinung, dass ich rundum besser vorbereitet wäre, wenn ich nach L.A. reisen würde. Und das tat ich. Es war genial, und ich hatte ein wirklich schönes Wochenende. Wir gingen aus, aßen gut und entspannten uns einfach. Ich denke, das ist der Schlüssel. Manchmal braucht man das. Ich hatte zwei hektische Test- und Medienwochen. Die Geschichte mit mir und meinem Dad brach über mich herein. Es war so viel passiert. Es war gut, abzuschalten, mein Handy auszuschalten. Es war für ein paar Tage wie ein anderes Leben, und jetzt bin ich hier und fühle ich mich besser denn je.“
Natürlich war es verständlich, dass ein Mann von 25 Jahren sein Leben selbst in die Hand nehmen wollte, aber es schien auch ein schrecklich trauriger Moment zu sein. Anthony hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um seinem Sohn zu helfen, den Gipfel des Motorsports zu erklimmen; er hatte Opfer gebracht und sein Leben einzig diesem Zweck gewidmet. Nun sollte er plötzlich nicht mehr als Manager weitermachen, während sein Sohn seine Karriere fortsetzte. Einige Kommentatoren behaupteten, Lewis durchlebe einen Höhenflug und sei in den Bann seiner Popstar-Freundin geraten. Aber Anthony bestätigte später, dass dies nicht der Fall sei. Im Jahr 2011 sagte er dem Daily Mirror: „Ich glaube nicht eine Minute lang, dass sie Lewis jemals sagte: ‚Feuere deinen Vater, triff deine eigenen Entscheidungen.‘ Ich bin sicher, dass sie ihn tatsächlich ermutigte, mich zu kontaktieren, nicht umgekehrt. Sie ist eine liebevolle, respektvolle, sehr familienorientierte Person. Wir kennen uns sehr gut. Sie war schon mehrmals hier und hat mit uns zu Abend gegessen. Sie hat eine starke Bindung zu ihrer Familie und ist Teil dieser Familie.“
Er gab jedoch zu, dass die Trennung schmerzhaft sei, und fügte hinzu: „Lewis hatte recht, seinen eigenen Weg zu gehen. War es richtig, wie es passiert ist? Wahrscheinlich nicht. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre es anders gemacht worden. Aber es ist, wie es ist … Und ich kann ehrlich sagen, dass wir beide deshalb bessere Menschen geworden sind. Es musste irgendwann passieren. Einer hätte zum anderen sagen müssen: ‚Ich verlasse dich.‘ Und ich wäre es nicht gewesen. Ich war so konzentriert. Ich konnte an nichts denken – außer an Lewis’ Karriere.“
Ohne Anthony an seiner Seite machte Lewis einige frustrierende Jahre durch – aber das konnte genauso gut daran liegen, dass Red Bull mit seinen Autos McLaren übertrumpfte, statt an der mangelnden elterlichen Anleitung. Trotzdem gewann Lewis in der Saison 2010 drei Rennen, nur eines weniger als der spätere Titelgewinner Vettel. Es lag auf der Hand, dass Lewis der beste Fahrer auf der Strecke war, aber er hatte einfach nicht das beste Auto. Er wurde im McLaren-Team vom amtierenden Weltmeister Button unterstützt, der unerklärlicherweise nicht übernommen wurde, als Mercedes Brawn aufkaufte. Das bedeutete, dass McLaren sowohl den aktuellen Weltmeister als auch seinen Vorgänger in seinen Reihen hatte.
Lewis’ erster Sieg im Jahr 2010 war Ende Mai in der Türkei, und 14 Tage später folgte ein weiterer Sieg in Kanada. Ende August triumphierte er dann im belgischen Spa und war bis zum letzten Saisonrennen in Abu Dhabi Mitte November im Rennen um den Titel. Letztlich triumphierte Vettel und besiegelte seinen ersten Titel, aber Lewis kämpfte bis zum Ende in einem Auto, das Vettels Red Bull nicht gewachsen war. Diese Ausdauer macht ihn zu einem brillanten Formel-1-Piloten, der mit Fug und Recht als eine Größe des Motorsports jeder Ära bezeichnet werden kann. Lewis wurde Zweiter in Abu Dhabi hinter Vettel, McLaren-Teamkollege Button komplettierte die Aufstellung auf dem Podest.
In Abu Dhabi waren vier Fahrer mit mathematischer Titelchance eingetroffen: Vettel, Lewis, Webber und Ferraris Fernando Alonso. Lewis fuhr in Runde 47 die schnellste Runde, konnte Vettel jedoch den Titel nicht abringen. Alonso wurde Zweiter in der Gesamtwertung, dank seines siebten Platzes in Abu Dhabi, und Webber verwies Lewis auf den dritten Platz, nachdem er im letzten Rennen der Saison den achten Platz belegte.
Aufgrund der Tatsache, dass Lewis während der gesamten Saison nicht das schnellste Auto in der Startaufstellung hatte, war seine Leistung nicht zu verachten. Seine Enttäuschung zeigte sich indes auf der Pressekonferenz nach dem Rennen, als er die Saison aus seiner Sicht zusammenfasste. Er sagte: „Es war nicht die spektakulärste Saison für uns. Aber herzliche Gratulation an Red Bull und an Sebastian. Sie haben das ganze Jahr über wirklich fantastische Arbeit geleistet, er hat es verdient. Ich denke, für uns war es ein tolles Saisonabschlussergebnis, für mich und Jenson. Ich denke, wir haben das ganze Jahr über sehr hart gepusht, also ein großes Dankeschön an alle Jungs daheim im Werk, dass sie nicht aufgegeben haben. Nächstes Jahr wird besser.“
Hat er das wirklich geglaubt – oder war es nur gespielte Zuversicht für die Medien? Es war schwer vorstellbar, dass Lewis die Red Bulls in den Schatten stellen könnte, nachdem er 2010 gegen sie verloren hatte. Ihre Autos wurden von Saison zu Saison konkurrenzfähiger – also würden sich Vettel und Webber 2011 sicherlich noch weiter von Lewis und ihren anderen engsten Rivalen absetzen. Es bestand kein Zweifel, dass sie Lewis verärgert hatten. Die Erwartung, dass er nach seinem Triumph von 2008 in eine Dominanzphase eintreten würde, war 2009 durch Buttons Sieg im Brawn zunichtegemacht worden, und nun schien die Ära Vettel bei Red Bull unmittelbar bevorzustehen.
Lewis versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und tat Red Bull als „nur ein Getränkeunternehmen“ ab, bevor die Saison 2011 in Melbourne begann. Er sagte, er sei zuversichtlich, dass McLaren die Initiative übernehme, Boden gutmache und die Red-Bull-Emporkömmlinge überhole, und sagte den Reportern in einer Pressekonferenz vor Melbourne: „Sie [Red Bull] sind noch nicht so lange da wie unsere Teams. Unsere Teams haben einen Status, den sie gern behalten möchten. Viele, viele Jahre waren es McLaren und Ferrari an der Spitze, und jetzt haben wir ein neues Team, das angetreten ist, um uns von der Spitze zu stoßen. Aber ich bin mir wirklich sicher, dass beide Teams absolut alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um an der Spitze zu bleiben. Red Bull ist kein Autohersteller, sondern ein Getränkeunternehmen; eine Getränkefirma gegen die McLaren/Ferrari-Geschichte. Ich weiß nicht, was ihr Plan ist. Unser Team baut darauf auf, ein größerer Hersteller als Ferrari zu werden, und ich weiß nur, dass unser Team schon sehr lange im Geschäft ist. Es ist ein erstklassiges Rennteam.“
Das waren starke Worte, aber konnten die Teams den Fehdehandschuh aufheben, den ihnen Red Bull bei diesem Eröffnungsrennen in Australien hingeworfen hatte? Oder hatten sich diese Worte für den „Bullen“ als rotes Tuch erwiesen, die diesem Team den nötigen Anreiz gab, Lewis Worte Lügen zu strafen?