Kapitel 23
Der dreifache Weltmeister
Barcelona im Frühjahr: Mai 2015. Sonnenschein, Sangría und gute Laune. Vielleicht lockte nicht so sehr die Sangría, aber Lewis war sicherlich in der Stimmung für Tango, als er in Katalonien ankam. Er hatte die Hoffnung, nicht nur seine Führung in der Weltmeisterschaft zu festigen, sondern sie auch gegenüber Rosberg und Vettel weiter auszubauen. Er hatte Reportern gegenüber gesagt, er plane, es in der Pause zwischen den Langstrecken-Grands-Prix und der Rückkehr nach Europa „langsam angehen“ zu lassen. Aber es hatte nicht ganz so gut geklappt. Typisch für Lewis beschäftigte er sich abseits der Rennstrecke anderweitig, wenn er während der Auszeiten gelangweilt war.
Das britische Ass flog sogar von seiner Heimat Monaco für eine Gastrolle – als er selbst – nach Rom für den neuen Zoolander-Film! Er machte auch ein wenig Promotion für das Mercedes-Team und schloss sich dann mit dem Modemogul Sir Philip Green für eine Reise nach Las Vegas zusammen, um zu sehen, wie Floyd Mayweather Manny Pacquiao besiegte. Dann eilte das Duo zu einem Wohltätigkeitsball nach New York. Und zwischendurch hat Lewis es noch geschafft, mit Bruder Nic einen Los-Angeles-Urlaub einzuplanen!
Zweifellos wäre dies nicht der Zeitplan gewesen, den der gesetztere Sir Jackie Stewart – der große Brite, dessen dreifachen Titelrekord Lewis zu erreichen hoffte – in seiner Blütezeit verfolgt hätte. Aber die Zeiten ändern sich, und Lewis war sowohl Mode-Ikone und Berühmtheit als auch der amtierende Formel-1-Weltmeister, und er schien mühelos alles zu meistern, was sowohl abseits der Rennstrecke als auch auf der Rennstrecke auf ihn zukam. Er verkörpert die moderne Sportlegende – ähnlich wie die Mode- und Promi-Ikone des Fußballs: David Beckham.
Und Lewis war absolut auf den Sieg konzentriert, als das Training und das Qualifying in Barcelona begannen. Er hatte hier im Vorjahr gewonnen und hoffte, darauf aufbauen zu können und auf seine sich verbessernde Beziehung zu den spanischen Formel-1-Fans, die ihm applaudiert hatten, als er die Ziellinie überquerte. Das war ganz etwas anderes als zu den Zeiten, in denen sie ihn ausgebuht hatten, als er Teamkollege – und Rivale – des Lokalmatadors Fernando Alonso in ihren McLaren-Tagen gewesen war.
Ungeachtet seiner Popularität in Katalonien erwartete Lewis aber ein Schock – eigentlich zwei –, als Erzrivale Rosberg in Barcelona und im darauffolgenden Rennen in Monaco siegte. Lewis wurde in Barça Zweiter, konnte in Monte Carlo aber nur den dritten Platz erreichen. Letzteres war dem Team zu verdanken, das Lewis, nach einem Einsatz des Safety Cars aufgrund eines Crashs, an die Box beorderte. Er lag in Führung, verlor dann aber seine Position, als Rosberg und Vettel den Vorteil nutzten und auf der Strecke blieben und Lewis überholten, bevor er wieder rauskam.
Lewis war eindeutig verärgert, dennoch gratulierte er Rosberg, der seinen Vorsprung in der Fahrerwertung auf nur noch zehn Punkte verkürzt hatte. Mercedes entschuldigte sich öffentlich bei Lewis für den Fehler, ihn an die Box beordert und damit die Punkte an Rosberg und Vettel „verschenkt“ zu haben. Toto Wolff sagte: „Wir haben uns verkalkuliert. Das geht auf die Kappe des Teams, und ich entschuldige mich bei Lewis. Er ist ein großartiger Fahrer, und ich bin sicher, er wird verstehen, dass auch wir manchmal Fehler machen.“
Der nicht geschäftsführende Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda war weniger diplomatisch als Wolff und sagte: „Ein Spitzenteam sollte solche Fehler nicht machen. Ich bin wirklich sauer, weil es unnötig war. Es war die falsche Entscheidung, ihn reinzuholen. Das ist offensichtlich. Sie hätten ihn ohne Risiko draußen lassen können. Es war herzzerreißend für Lewis, für mich und alle im Team. Lewis sagte zwar, dass er mit den Reifen nicht zufrieden sei, aber dann haben wir überreagiert, indem wir ihn reingeholt haben. Es war völlig unnötig, ein großer Fehler, denn das ist Monaco, wo man nicht überholen kann. Ich habe mich bei ihm und seinem Team entschuldigt, weil wir sein Rennen zerstört haben.“
Nach Monaco hat die Saison dann ihre traditionelle Wendung auf die mitteleuropäische Bühne genommen … indem es nach Montreal ging! Der kanadische Grand Prix stellt immer einen Bruch im europäischen Teil der Saison dar, aber Lewis war der Letzte, der sich angesichts seiner dortigen Erfolgsquote darüber beschwerte. 2015 gelang ihm als Führender vom Start bis ins Ziel der vierte (!) Sieg auf dem Circuit Gilles Villeneuve, Rosberg belegte den zweiten Platz. Lewis konnte damit seinen Vorsprung in der Fahrerwertung auf 17 Punkte ausbauen und beendete alle Hoffnungen Rosbergs, den Briten trotz seiner temperamentvollen Auftritte in Spanien und Monte Carlo schlagen zu können.
Lewis sagte: „Ich liebe Montreal. Ich liebe diesen Track. Ich liebe diese Stadt. Wirklich, einfach ein fantastisches Wochenende, großartig, wieder auf dem obersten Treppchen zu stehen. Ich hatte nicht das Gefühl, die beste Balance zu haben – ich hatte ein bisschen zu viel Untersteuerung. Nico war schnell, aber ich fühlte mich nicht unter Druck. Ich hatte das Gefühl, dass ich abziehen könnte, wenn ich es bräuchte. Brauchte ich diesen Sieg? Ich glaube schon.“
14 Tage später, am 21. Juni, kehrten die Rennfahrer nach der Mini-Pause in Kanada nach Europa zurück, und Lewis war sehr daran gelegen, den Abstand an der Spitze zwischen sich und seinem Teamkollegen weiter zu vergrößern. Er fühlte den Sieg, und eine überzeugende Vorstellung im Mercedes würde ihn auch gut vorbereiten für das, was er als „das Große“ bezeichnete – das folgende Rennen in seiner Heimat in Silverstone. Leider konnte Lewis den Zuversicht spendenden Sieg auf der Strecke in Spielberg nicht einfahren. Nach seinem schlechten Start zog Rosberg an ihm vorbei und hatte für den Rest des Rennens die Nase vorn. Lewis behauptete, ein Fehler am Auto habe sein Rennen sabotiert, als er Rosberg in der ersten Kurve vorbeisausen ließ, nachdem er von der Pole Position gestartet war. Er sagte, seine Kupplung habe nicht richtig reagiert und deshalb habe er den Deutschen nicht in Schach halten können: „Ich hatte einen schlechten Start wegen der Kupplung, und das ist nicht das erste Mal, dass dies passiert. Ich hatte ein Problem mit der Drehzahl. Ich nahm meinen Fuß vom Gas, und sie war immer noch oben, und dann ließ ich die Kupplung los, und die Räder drehten durch. Nico hatte auch schon schlechte Starts, und sie haben alles verändert, und jetzt hat er gute Starts, und ich habe eben schlechte. Es ist, wie es ist, aber es ist enttäuschend, wenn das Auto einfach nicht schnell genug von der Linie wegkommt. Da kann man nicht viel machen auf einer Strecke wie dieser, auf der man nur überholen kann, wenn man wesentlich schneller ist.“
Also hieß es: die alten Wunden lecken und ab nach Hause. Ja, Lewis kehrte nach England und seinem jährlichen Wiedersehen mit Silverstone zurück, in seiner Ehre verletzt, aber immer noch entschlossen zu beweisen, dass er die Nummer eins aller Rennfahrer dieser Welt war. Und wo geht das besser als in der Heimat des Motorsports? Er strebte seinen dritten britischen Grand-Prix-Sieg an und hatte immer zugegeben, dass der Sieg in seiner Heimat für ihn mehr bedeute als auf jeder anderen Rennstrecke des Formel-1-Zirkus.
Die Zeichen standen gut. Er hatte ein gutes Training und fuhr im Qualifying die Pole Position heraus, und damit war er für den Showdown am Sonntag mit Rosberg gut aufgestellt. Nach Nicos Sieg in Österreich war es wichtig, dass Lewis wieder in die Spur kam und ihm zeigte, wer der Boss war. Es wäre gut, die Führung an der Spitze der Fahrerwertung wieder auszubauen, um seinen britischen Fans seine Wertschätzung zu zeigen, die er als „fantastisch, wunderbar und die Menschen, für die ich versuche, weitere Titel zu gewinnen“ bezeichnete.
Am Renntag regnete es, als das Rennen seinen spannenden Höhepunkt erreichte, aber es gab keinen Grund zur Sorge – Lewis war als Regenspezialist der Formel 1 bekannt. Doch er hatte nicht den besten Start; tatsächlich rutschte er von der Pole Position auf den dritten Platz ab, bevor er die Kurve kriegte. Als in den letzten Phasen der Regen fiel, zeigte Lewis sein Talent, die großen Entscheidungen richtig zu treffen, indem auf Intermediate-Reifen wechselte, sobald es zu regnen begann. Dieser Wechsel half ihm, die Führung zu übernehmen und den Sieg einzufahren. Rosberg landete auf dem zweiten und Vettel auf dem dritten Platz.
Der Sieg brachte Lewis auch einen neuen Eintrag in die Rekordbücher ein, da er erst der dritte britische Fahrer war, der einen Hattrick bei seinem Heimat-Grand-Prix erzielte. Er schloss sich Jim Clark an, der fünf gewann, und Nigel Mansell, der vier britische Grand-Prix-Siege für sich verbuchen konnte. Danach sagte ein freudiger Lewis seinen begeisterten Fans, die sich ins Fahrerlager drängten: „Ich bin so glücklich über diesen Sieg. Vielen Dank an alle Unterstützer, die gekommen sind. Das war für euch. Das ist für mich ein ganz besonderes Wochenende. Ich fuhr in diese letzte Runde. Ich bin die ganze Zeit durchgebrettert. Ich werde alles geben, um diese Meisterschaft für euch zu gewinnen. Das Rennen war sehr hart. Wir hatten beide einen sehr schlechten Start, aber wenn ich ehrlich bin, wurde es dadurch spannender. Zum ersten Mal in meiner Karriere habe ich bei Regen und in der Box [zum Reifenwechsel] die perfekte Wahl getroffen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich den Regen zum ersten Mal richtig eingeschätzt habe. Danach, in Kurve sieben und in der letzten Kurve, konnte ich sehen, wie die Menge mich jedes Mal anfeuerte, wenn ich vorbeikam, und das spornte mich enorm an. Ich wollte sie nicht enttäuschen. Ich fühle mich wirklich geehrt, hier die Briten zu repräsentieren, die britische Flagge hochzuhalten.“
Eine starke Ansprache. Der Plan war jetzt klar: Das Adrenalinniveau und den Schwung bis Ungarn, drei Wochen später, beizubehalten. Genau das ist ihm dann auch gelungen, aber kaum unter den Umständen, die er sich vorgestellt hatte. Die Glücksfee war ihm hold, obwohl er nach einer fehlerbehafteten Leistung nur Sechster wurde. Er hatte das Training dominiert und sich im Qualifying auf dem Hungaroring erneut die Pole Position geholt. Aber im Rennen selbst startete er schlecht, ließ Rosberg und Vettel vorbeiziehen und fuhr dann in Kurve sechs ins Kiesbett. Es bedeutete harte Arbeit für ihn, um überhaupt in die Punktewertung zu kommen, nachdem er sich an zehnter Stelle wiederfand.
In der 26. Runde kam jedoch das Safety Car zum Einsatz, wodurch er die Lücke schließen konnte. Trotzdem schaffte er es, sich das Leben schwerzumachen, indem er sich nach einem Zusammenstoß mit Daniel Ricciardo seinen Frontflügel beschädigte, was bedeutete, dass er an die Box musste, um ihn reparieren zu lassen. Als Lewis wieder ins Rennen einstieg, lag er auf Position zwölf, und Rosberg war dabei, seinen Vorsprung in der Fahrerwertung erneut zu beschneiden, zumal Lewis wegen des Zusammenstoßes mit Ricciardo eine Durchfahrtsstrafe erdulden musste. Der Deutsche war nun Zweiter und drängte auf den Sieg, doch nun bekam auch er Ärger – und wieder war es mit dem glücklosen Ricciardo. Ihr Zusammenprall hinterließ bei Rosberg einen Reifenschaden, was bedeutete, dass auch er an die Box musste – und am Ende Achter wurde, zwei Plätze hinter Lewis.
Dieser große Glücksfall bedeutete, dass Lewis seinen Vorsprung in der Fahrerwertung tatsächlich ausbauen konnte, aber er wusste, dass er einen schlechten Tag gehabt hatte und Rosberg leicht entscheidenden Boden hätte gutmachen können. Lewis sagte gegenüber BBC Sport: „Ich war komplett neben der Spur. Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, was passiert ist. Es wimmelte nur so von Fehlern. Ich weiß nicht, ob es Konzentrationsmangel oder was anderes war. Ich habe gepusht und es bis zur Ziellinie versucht, aber es gab so viele Hindernisse auf dem Weg. Es ist, als ob ich die Wahl hatte, zwei verschiedene Richtungen einzuschlagen, und jedes Mal, wenn ich mich entschied, war es die falsche. Ich kann heute viel mitnehmen, viel lernen und es mit Fassung tragen.“
Dann äußerte er gegenüber der Presse: „Verdiene ich Punkte? Ich denke, dass ich so gut gefahren bin, wie ich konnte, und ich hatte ein gutes Tempo, aber trotz allem, was passierte, denke ich, dass ich nun dank Gottes Gnade einige Punkte habe. Ich muss darüber hinwegkommen, eine Verschnaufpause einlegen und im nächsten Rennen stark zurückkommen.“
Lewis lag vor der Meute und war immer noch auf Kurs, den begehrten dritten WM-Titel zu gewinnen. Und jetzt hatte er auch Zeit zum Abschalten, Entspannen und Spaß haben, denn die jährliche fast einmonatige Sommerpause für die F1-Teams begann. Und Lewis hatte Spaß! Beim Quadfahren in Colorado, bei einem Festival in Barbados mit Sängerin Rihanna und beim Tanzen in New York mit Filmstar Jamie Foxx und Freunden sorgte Lewis dafür, dass er sich von der Strecke erholte. Außerdem hielt er sich im Fitnessstudio und beim Spazierengehen mit seinen Bulldoggen Roscoe und Coco fit, so dass er startklar war, als es Ende August wieder losging.
Als er zum Großen Preis von Belgien in Spa ankam, konnte man seine Veränderung deutlich spüren. Von dem sorglosen Jungen, der sogar eine Fotostrecke seiner Urlaubsaktivitäten auf YouTube gepostet hatte, war nichts mehr zu sehen: Stattdessen sah man einen engagierten Sportler mit einer einzigen Mission – den dritten Titel in die Hände zu bekommen. Okay, das Rennen in Ungarn vor der Sommerpause hatte schlecht geendet, aber Tatsache war, dass er immer noch 21 Punkte vor Rosberg lag und auf dem richtigen Weg schien, seinen Traum zu verwirklichen.
Und um zu beweisen, wie konzentriert er war, triumphierte Lewis nicht nur in Spa, sondern auch im darauffolgenden Rennen in Monza und sammelte damit die vollen 50 Punkte für zwei Siege. Unterdessen holte Rosberg 18 Punkte, als er in Spa Zweiter wurde, aber in Italien musste er in der 50. Runde mit Motorproblemen ausscheiden. Vettel war zwar Lewis’ schärfster Rivale, aber selbst er beendete das Rennen mit vollen 25 Sekunden Rückstand, als der große Brite stilvoll den Sieg nach Hause fuhr. Der einzige Wermutstropfen dieses großartigen Tages war, dass Lewis nach Kontroversen über seinen und Rosbergs Reifendruck mehr als zwei Stunden warten musste, bis sein Sieg bestätigt wurde – obwohl sie schließlich vom Vorwurf des zu niedrigen Reifendrucks freigesprochen wurden. Man war allerdings kein Risiko eingegangen, denn er wurde von seinem Team gewarnt, dass es eine Anfrage geben werde, und forderte ihn deshalb auf, mit Vollgas Richtung Ziel zu fahren, falls er eine Zeitstrafe wegen der Reifen erhalten sollte.
Danach sagte Lewis der Presse: „Ich dachte: Warum soll ich rasen? Ich habe 20 Sekunden Vorsprung, also muss ich nicht rasen … Ich habe es nicht verstanden. Ich dachte an all die verschiedenen Szenarien, wo das Problem liegen könnte. Sie sagten, irgendetwas sei mit meinem Reifendruck. Und ich fange an zu ‚rutschen‘. Und ich denke, bin ich in der Boxengasse zu schnell gefahren? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es nicht getan habe, sonst hätten sie mich mit einer Strafe belegt. Ich dachte an all diese Dinge, und dann sagte ich mir: Mache ich einfach, was sie von mir verlangen. Ich konnte mir nicht vorstellen, was der Grund sein könnte. Die letzten Runden waren deshalb nicht so toll.“
Egal, er blieb cool und holte seinen 7. Saisonsieg und seinen 40. in der Formel 1. Er steuere jetzt auf seinen dritten Titel zu, war zumindest die vorherrschende Meinung im Fahrerlager, zumal sein Vorsprung auf Rosberg nun satte 53 Punkte betrug.
Lewis wusste, dass er nun auch nur noch einen Sieg hinter seinem Helden Ayrton Senna lag: Für den Jungen aus Stevenage, der zum Top-Formel-1-Piloten der Welt geworden war, sollte dies eine wirklich denkwürdige, bahnbrechende Saison werden. Dieser Sieg war ein Wendepunkt: Lewis schien sich sicher, dass er den Titel gewinnen würde, als er das Rennen als „das Beste, das ich je gefahren bin“ beschrieb und sagte, es sei „das beste Wochenende aller Zeiten“ gewesen.
Unweigerlich, vielleicht angesichts der Euphorie, gab es 14 Tage später in Singapur ein unsanftes Erwachen – er musste aufgeben, und Rosberg holte mit einem vierten Platz zwölf Punkte. Lewis hatte in Runde 32 plötzlich ein Problem mit dem Antrieb seines Wagens. Einige Nachrichtenagenturen behaupteten, er sei wegen des Schadens wütend auf das Team gewesen und habe das Vertrauen in es verloren. Er wies diese Behauptungen eilig zurück und sagte, er sei falsch zitiert worden, als er nur eine Woche darauf zum japanischen Grand Prix in Suzuka auftauchte. Lewis meinte gegenüber SkySports News: „Ich habe volles Vertrauen in mein Team. Es gab viele Berichte, die mich falsch zitieren, ich habe nie das Vertrauen verloren. Und warum sollte ich? Wir hatten unglaubliche Erfolge.“
Und in der Tat vollbrachte das Team beispiellose Höchstleistungen, als es Lewis zum Ruhm führte. Siege in Suzuka und dann in Russland bedeuteten, dass er kurz vor seinem dritten Titel stand. Der Sieg in Russland war denkwürdig für ihn, weil er sich das Podest mit Präsident Wladimir Putin teilte – Putin verschwand allerdings blitzartig, als Lewis die Flasche entkorkte und anfing, den Champagner herumzuspritzen! Zuvor hatten sich die beiden Männer umarmt, auf Lewis’ Kopf prangte ein Kosakenhut. Bedeutsamer war jedoch Rosbergs vorzeitiges Ausscheiden aus dem Rennen in Sotschi wegen Problemen mit dem Gaspedal – dieser Umstand, zusammen mit seinem Sieg, bedeutete, dass Lewis im nächsten Rennen nur zwei Punkte vor Nico und neun vor Vettel brauchte, um erneut Weltmeister zu werden.
Am 25. Oktober 2015 lieferte unser Junge ab und holte in Austin, Texas, den Titel. Sein Sieg beim amerikanischen Grand Prix bedeutete, dass er sieben Punkte vor dem Zweitplatzierten Rosberg und zehn Punkte vor dem drittplatzierten Vettel lag. Er hatte den Titel vorzeitig gewonnen – drei Rennen waren noch zu fahren. Es war eine bemerkenswerte Leistung, nun konnte er es mit Sir Jackie Stewart aufnehmen und wurde der zweite britische Formel-Pilot, der drei WM-Titel holte. In den verbleibenden drei Rennen in Mexiko, Brasilien und Abu Dhabi wurde er jeweils Zweiter hinter Rosberg – aber diese Ergebnisse waren für die Fahrerwertung irrelevant. Lewis hatte den Job bereits erledigt, und diese drei Zweitplatzierungen waren nur das Sahnehäubchen für Mercedes, die damit auch in der Konstrukteurswertung an der Spitze standen und ließen Nico nicht so mutlos wie in Austin zurück.
„Ich fühle mich großartig“, sagte Lewis zu Sir Elton John auf dem Siegertreppchen, als er begann, seinen persönlichen amerikanischen Traum zu begreifen. „Ich finde nicht die richtigen Worte, ich liebe euch alle“, sagte er dann seiner Crew und seinen treuen Fans, als sie seinen Triumph feierten, „ich bin einfach überwältigt.“
Mit seinem dritten Titel hatte er mit seinem Helden Ayrton Senna gleichgezogen. Aber das war das Letzte, woran er in jenem Moment dachte. Vielmehr erinnerte er sich daran, wie er seinen Traum aus bescheidenen Anfängen heraus verwirklicht und welch große Rolle seine Familie, insbesondere sein Vater, dabei gespielt hatte. Lewis sagte: „Es ist einfach ein verrückter Gedanke, dass ich jetzt dreimaliger Champion bin. Ich verdanke alles meinem Vater und meiner Familie, die alles geopfert haben, um mich hier zu sehen.“