Selbst noch in den 1980er Jahren wurde der Anblick eines schwarzen Mannes mit einer weißen Frau in manchen Gegenden von einer vorurteilsbehafteten Gesellschaft mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert, was der Verbindung zwischen Anthony Hamilton und Carmen Larbalestier kaum zuträglich war. Fairerweise muss man sagen, dass die Ansichten in London, vielleicht wegen des hohen schwarzen Bevölkerungsanteils in Gegenden wie Brixton und Notting Hill, wesentlich fortschrittlicher und liberaler waren.
Umso schwieriger war es zu verstehen, warum Anthony und Carmen beschlossen, ihr Leben nicht in der Hauptstadt zu verbringen, sondern sich für Stevenage entschieden, eine Stadt, die, wie wir bereits wissen, auch 2007 nur einen kleinen schwarzen Bevölkerungsanteil hatte. Dennoch ließ sich das Paar in einem Reihenendhaus am Peartree Way 57 in der Shephall-Gemeindewohnsiedlung nieder. Das Paar hatte am 5. Mai 1979 in der katholischen St. Hilda Kirche von Stevenage geheiratet, als Anthony 18 Jahre und Carmen 23 Jahre alt war. Anthony arbeitete immer noch für die Eisenbahn, und das Geld war knapp; Carmen, die meilenweit entfernt in Birmingham geboren wurde und deren Vater Maurice Bauzeichner war, hatte in einer Fabrik am Fließband gearbeitet. Es waren schwierige und bescheidene Verhältnisse, in die Lewis Carl Davidson Hamilton am 7. Januar 1985 im Lister Hospital von Stevenage hineingeboren wurde. Das Weihnachtsfest vor der Geburt des Jungen war nicht einfach gewesen – Geldmangel, eine schwächliche Carmen und ein gestresster Anthony hatten dafür gesorgt. Aber an diesem kalten Wintertag schoben die beiden ihre Probleme beiseite und starrten nur noch auf ihren hübschen Sohn. Sie hatten lange genug darauf gewartet, ihn zur Welt zu bringen und sich manchmal gefragt, ob ihnen das Kind verweigert werden sollte, das sie sich so sehr wünschten. Carmen gab zu: „Lewis ist etwas ganz Besonderes für mich, weil wir lange versucht haben, ihn zu bekommen. Ich hatte nicht mehr daran geglaubt, dass es klappt.“ Lewis war ihr drittes Kind – er hat zwei ältere Halbschwestern, Nicola und Samantha.
Es war Anthonys Idee, ihren langerwarteten Sohn nach dem amerikanischen Athleten Carl Lewis zu benennen, der olympisches Gold gewonnen hatte. Nach seiner bemerkenswerten Leistung bei den Olympischen Spielen des vorangegangenen Sommers in Los Angeles war er für ihn ein Held. Carl Lewis hatte erstaunliche vier Goldmedaillen gewonnen – im 100- und 200-Meter-Lauf, im Weitsprung und in der 4 x 100-Meter-Staffel. In letzter Minute fügte Anthony zu Ehren seines eigenen Vaters auch den Namen Davidson hinzu.
Aber Carmen hatte auch noch ein Wort mitzureden und bestand darauf, dass die Vornamen ihres neugeborenen Sohnes umgedreht werden, damit er Lewis Carl heißt. Das war das letzte Mal, dass das Wort „umdrehen“ verwendet wurde, wenn über Lewis Carl Hamilton gesprochen wurde – von nun an hieß es immer „schnell voran“ …
Carmen erklärte gegenüber dem Daily Express, dass ihr Sohn von Anfang an ein Rennsportler gewesen sei: „Lewis hatte eine Vorliebe für Geschwindigkeit, sobald er seine ersten Erfahrungen damit gemacht hatte. An seinem ersten Geburtstag bekam er ein Spielzeuglenkrad für seinen Kinderwagen. Es war so ein großes aus Plastik, das man am Buggy befestigen konnte. Seit diesem Tag hat er ein Lenkrad in der Hand.“
Aber die Freude des Paares war nur von kurzer Dauer. Innerhalb weniger Monate war klar, dass ihre Ehe nicht mehr funktionierte, und als Lewis zwei Jahre alt war, trennten sich Anthony und Carmen. Anthony zog aus dem Haus am Peartree Way aus, und Carmens neuer Freund Raymond Lockhart zog ein. Carmen heiratete Raymond später, und sie sind bis heute glücklich verheiratet. Damals war Lewis glücklich damit, mit seiner Mutter und dem Mann zusammenzuleben, der sein Stiefvater geworden war. Er war ein guter Junge, der viel Zeit damit verbrachte, zu lesen und mit seinen Freunden auf den Straßen der Gemeindesiedlung Fußball zu spielen. Er war umgänglich und hatte immer ein Lächeln im Gesicht. Lewis war in Shephall sehr beliebt.
Seine erste Schule war nur 200 Meter von zu Hause entfernt, und er fügte sich problemlos in die Peartree Infants School ein, obwohl er der einzige schwarze Junge in seiner Klasse war. Die stellvertretende Schulleiterin, Carol Hopkins, bestätigte, dass er ein beliebter Junge war, sagte jedoch, dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht den nötigen Kampfgeist bewiesen habe, der ihn letztendlich als einen künftigen Star im Rennsport auszeichnen würde: „Ich erinnere mich an sein strahlendes Lächeln und seine guten Manieren. Die Schule hat ihm sichtlich Spaß gemacht, aber in jenen frühen Jahren war er nicht der wetteifernde kleine Kerl, er war einfach nur sehr fröhlich. Ein heller kleiner Knopf, aber ansonsten völlig unauffällig.“
Natürlich ist er jetzt der Held der Schule. Die jungen Schüler richteten während der Saison 2007 eigens eine „Lewis-Hamilton-Ecke“ ein, in der sie Zeitungsausschnitte aufhängten und seine Rennsiege dokumentierten. „Er ist jemand, zu dem sie aufschauen können“, sagte Carol Hopkins, „er ist ihr Held.“
Im Alter von fünf Jahren hat Lewis bereits Interesse an Autos gezeigt – Carmen erzählte, er habe stundenlang mit seinen Spielzeugautos gespielt, die alle auf dem Boden seines Zimmers verstreut waren, und es habe immer damit geendet, dass er sie in Rennen mit aufwendigen Siegeszeremonien für die Gewinner gegeneinander antreten ließ. Auch begann er, auf Rummelplätzen Autoscooter zu fahren, und damals erkannte sein Vater Anthony – der sein erster Manager werden sollte – auch die bemerkenswerte Hand-Auge-Koordination, die sein Sohn besaß.
Als er sechs Jahre alt war, hatte nicht nur seine Mutter seine Liebe zu Autos bemerkt: Freunde und Nachbarn schüttelten den Kopf und lächelten, als er aufgeregt auf der Straße mit dem ferngesteuerten Auto spielte, das er zu Weihnachten bekommen hatte, während andere Jungen ihre Fußbälle durch die Gegend kickten. Seinen ersten Sieg in einem Autorennen erkämpfte er sich, ebenfalls im Alter von sechs Jahren, als er mit seinem ferngesteuerten Auto in einem Wettbewerb in der Kinderfernsehshow Blue Peter gegen andere Jugendliche antrat.
Anthony, inzwischen ein Motorsportfan, besuchte ihn regelmäßig und bemerkte, dass auch sein Sohn von Autos fasziniert war. Als Lewis in die Junior School kam, förderte Anthony das Hobby seines Sohnes, indem er ihn bei einigen seiner Besuche auf eine Kartbahn mitnahm.
Lewis absolvierte seine erste Fahrt in einem Go-Kart während eines Ferienaufenthalts in Spanien. Kurz darauf gelang es Anthony, 1000 Pfund zusammenzukratzen, um ihm sein eigenes zu kaufen. Carmen erinnerte sich: „Als sein Vater ihm vor seinem achten Geburtstag zu Weihnachten ein Go-Kart kaufte, dachte ich ‚du lieber Himmel!‘ Er kaufte ihm die ganze Ausrüstung – den Anzug, den Helm – und steckte ihn hinein. Die Straße runter, und weg war er. Er wechselte von Modellautos zu Go-Karts und schließlich zur Formel 1.“
Sie sagte, dass Lewis im Alter von acht Jahren begonnen habe, sich für die Formel 1 zu interessieren. Sein Held war Ayrton Senna, der 1994 tödlich verunglückte, als sein junger Fan neun Jahre alt war. Carmen meinte später: „An dem Wochenende, als Ayrton Senna starb, war Lewis bei einem Kartrennen. Die Nachricht kam, und er war wirklich verzweifelt; Gott segne ihn, aber Sennas Tod hat ihn nicht davon abgebracht, Rennen zu fahren. Ich wusste schon früh, dass seine Leidenschaft so groß war, dass ihn nichts aufhalten würde.“
Lewis erinnert sich an dieses Wochenende und gibt zu, dass der Tod Sennas einen großen Einfluss auf ihn hatte: „Ja, ich war neun, als Ayrton Senna starb, er war mein Held. Ich erinnere mich an dieses Wochenende in Hoddesdon. Mein Vater hatte einen kleinen Vauxhall Cavalier mit einem Anhänger hinten. Wir saßen im Cavalier und warteten darauf, dass ich an die Reihe käme. Und an diesem Tag wurde mir gesagt, Senna sei gerade gestorben. Das hat mich schwer getroffen, aber ich wollte vor meinem Vater keine Schwäche zeigen. Deshalb ging ich hinter den Trailer und weinte. Das war der Wendepunkt meines Lebens: Wenn du so jung bist, glaubst du, dass Menschen wie Senna unbesiegbar sind. Und dann merkt man, dass auch sie sterblich sind. Da habe ich verstanden, dass ich aus meinem Talent wirklich etwas machen muss.“
Als Lewis zehn Jahre alt war, änderten sich sein Leben und das seines Vaters für immer, nachdem Anthony ihn auf die Kartbahn von Rye House gebracht hatte, einige Meilen südlich von Stevenage. Lewis hatte seinen Vater bereits überrundet, als sie bei Kartrennen auf anderen Bahnen gegeneinander fuhren, und dort sagte er ihm nun, dass er Profi-Rennfahrer werden wolle.
Tony Delahunty war am selben Tag mit seinem Sohn Andrew, der ein paar Jahre älter war als Lewis, auf dem Rye House Kart Circuit. Delahunty, ein Kartsport-Kommentator für British Eurosport, sagte: „Anthony erzählte mir, dass Lewis zuvor ein Experte für Modellautorennen gewesen sei – wissen Sie, das ferngesteuerte Zeug – und alles gewonnen habe, aber die meisten Leute, gegen die er antrat, seien Erwachsene gewesen. Also suchten sie nun nach etwas Passenderem für einen Jugendlichen.“ Delahunty war von dem jungen Lewis mächtig beeindruckt – so sehr, dass „ich innerhalb eines Jahres Pressemitteilungen für ihn machte.“
Anthony wusste, dass sein Sohn es ernst meinte und das Zeug dazu hatte. Er selbst war ein starker, entschlossener Mann, der seit seiner Trennung von Carmen acht Jahre zuvor Fortschritte in seinem eigenen Leben gemacht hatte, Computerexperte geworden war und dann zum IT-Manager aufstieg.
Er fällte eine gewagte Entscheidung und investierte alles, was er verdient hatte, in die Zukunft seines Sohnes. Er kündigte seinen Job, damit er mit Lewis in dessen Entwicklungsphase zusammen sein konnte. Er nahm Gelegenheitsarbeiten an, einmal hatte er sogar drei Jobs gleichzeitig, um über die Runden zu kommen – und er stellte sogar einmal Schilder für Immobilienmakler auf. Lewis sagte später: „Ich glaube nicht, dass er jemals Schulden gemacht hat, aber er hatte einige Jobs am Laufen. Er hatte einen Hauptjob, aber ich erinnere mich auch, dass er ‚Zu verkaufen‘-Schilder aufstellte – er bekam 15 Pfund pro Schild.“
Dies war eine bemerkenswerte Demonstration dessen, wie sehr er an seinen Sohn glaubte und wie sehr er sich engagierte. Anthony Hamilton war ein Gewinner, die Computerfirma, die er gründete, während er sein Leben seinem Sohn widmete, wurde schließlich so groß, dass er 2007 ganze 20 Mitarbeiter beschäftigte. Der 47-Jährige betonte jedoch, dass Lewis, den er damals managte, stets oberste Priorität haben werde.
Damals fuhr er Lewis im Rahmen seiner Aufgaben auch zu Rennen im ganzen Land und begleitete ihn sogar nach Übersee. Anthony erklärte, er habe mit Lewis eine Vereinbarung getroffen. Er werde nur an seiner Seite bleiben, wenn Lewis weiterhin gute schulische Leistungen erziele und sich dem Rennsport ernsthaft widme: „Von Anfang an versuchte ich, sicherzustellen, dass Lewis auf sich achtet und nie in Gefahr ist, durch zu viel Partymachen und lange Nächte vom Weg abzukommen; all die Versuchungen eben, denen Jugendliche gern nachgeben. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass Offenheit und Vertrauen in unserer Beziehung eine große Rolle spielten, als Lewis begann, Karriere zu machen. Ich denke, wir haben immer versucht, Lewis dazu zu bringen, die Dinge richtig zu machen und zu begreifen, dass positive Konsequenzen daraus resultieren, wenn wir ehrlich miteinander umgehen, egal, ob wir über ein Kartrennen oder seine schulischen Leistungen sprachen. Ich sagte ihm, wenn er irgendwelche Zweifel habe, solle er es lassen. Aber ich war auch zuversichtlich, dass in ein paar Jahren, wenn er meinen Rat befolgte und auf das hörte, was ich ihm sagte, für ihn alles so laufen würde, wie er es wollte. Man könnte meinen, dass es sehr verlockend gewesen wäre, ihn mit Zuckerbrot und Peitsche dazu zu bringen, für die Schule zu lernen, indem ich ihm sagte: ‚Gut, dann gehst du auch nicht zum nächsten Rennen‘, aber, um ehrlich zu sein, war Lewis zu gut, um ihn auf diese Art zu bestrafen.“
Die Entscheidung, Lewis weiterzubringen, bedeutete auch eine Änderung der Lebensumstände. Nach acht Jahren bei seiner Mutter zog der Zehnjährige nun zu Anthony, seiner Stiefmutter Linda und seinem Stiefbruder Nicolas. Carmen und Stiefvater Raymond entschieden sich ebenfalls für einen Richtungswechsel und kündigten an, dass sie beschlossen hätten, zu heiraten und sich in London niederzulassen.
Verständlicherweise war Carmen traurig, dass sie jetzt von dem Jungen getrennt sein würde, den sie geliebt und großgezogen hatte, aber sie hielt es trotzdem für das Beste, wenn Anthony alles in seiner Macht Stehende tun würde, damit ihr Sohn ganz oben kam. Als sie auf die anfängliche Trennung von Anthony zurückblickte, als Lewis zwei Jahre alt war, sagte sie: „Es hat Lewis nicht geschadet. Es war für ihn vermutlich besser so, als mit der unglücklichen Ehe seiner Eltern aufzuwachsen. Tony wollte jemand sein, und das hat er erreicht. Ich wollte ein eher ruhiges Leben, und das trieb einen Keil zwischen uns. Ich sah mich nicht in diesen geschäftigen, hektischen Lebensverhältnissen, aber ich habe ihn nicht davon abgehalten, dafür zu sorgen, dass Lewis bekam, was er wollte.“
Und als sie von der Zeit sprach, als Lewis sie im Alter von zehn Jahren verließ, äußerte sie in gewohnter Offenheit und nicht ohne Stolz, wobei sie ihrem Exmann erheblichen Respekt zollte: „Es war herzzerreißend … aber ich musste ihn gehen und mit seinem Vater leben lassen, damit er ein Star werden konnte. Sein Vater hat sehr hart gearbeitet, um das Geld für Lewis’ Karriere aufzubringen. Ohne die unaufhörliche Arbeit seines Vaters hätte er nicht weitermachen können, denn dies ist ein sehr teurer Sport. Es kostet Millionen, und die Eltern vieler Kinder sind Millionäre. Diese Eltern können nicht begreifen, dass Lewis gewinnt und ihre Söhne nicht. Es geht letztlich nicht nur um Geld, es geht um Talent.“
Carmen war offensichtlich nicht glücklich darüber, in der Presse als jemand dargestellt zu werden, den Lewis zurückgelassen hat. Sie selbst hat alle Unterstellungen öffentlich zurückgewiesen, sie würde sich fühlen, als hätte sie „den Zug verpasst“, als der Stern ihres Sohnes unaufhaltsam aufging. Sie zog mit ihrem Ehemann Raymond in ein Reihenhaus in Letchworth Garden City, Hertfordshire. Sie kauften die Immobilie im Juni 2006 für 197.000 Pfund. Die Gartenstadt wird vom Beratungsunternehmen Experian im Rahmen seines Nachbarschaftsklassifizierungssystems Mosaic als Region der „Handwerksbetriebe und Lieferwagen-Kultur“ bezeichnet.
Lewis, Anthony, Linda und sein Bruder Nicolas wohnten inzwischen in einem freistehenden Herrenhaus in Tewin Wood, Hertfordshire, im Wert von über einer Million Pfund. Lewis hatte damals auch schon sein eigenes Luxusapartment für 250.000 Pfund in der Nähe des McLaren-Hauptquartiers in Woking, Surrey.
Das Ausmaß von Anthonys eigenem Erfolg mit seiner Computerfirma zeigte sich darin, dass er bereits im März 2001, lange vor Lewis’ Erfolg in der Formel 1, mal eben 630.000 Pfund für das Haus bezahlt hatte. Die Gegend gilt als sehr begehrt und ist bevölkert von Firmenvorständen, in der Regel sehr wohlhabende Menschen, die teure Autos besitzen und sich den exotischsten Freizeitbeschäftigungen hingeben.
Zu Beginn der Formel-1-Saison 2007 wurde bekannt, dass Carmen Lockhart an einem Fernsehwettbewerb teilgenommen hatte, um eine Reise nach Sydney zu gewinnen und Lewis bei seinem Debüt beim Grand Prix von Australien in Melbourne zu sehen. Die Folgerung daraus war natürlich, dass sie sich die Reise nicht leisten konnte und dass ihr Sohn sie weder nach Australien eingeladen noch angeboten hatte, die Reise für sie zu bezahlen.
Ein Freund der Familie versuchte, die ganze Situation mir gegenüber mit den folgenden Worten ins rechte Licht zu rücken: „Als Lewis mit zehn Jahren zu seinem Vater zog, vermisste Carmen ihn wirklich, wusste aber, dass sie nicht den gleichen Beitrag zu seiner Kart-Karriere leisten konnte wie Tony. Es war schwer, aber beide Seiten haben hart gearbeitet, um die familiären Bindungen aufrechtzuerhalten. Es gibt jedoch Zeiten, in denen Carmen sich ausgeschlossen fühlt, und ich denke, verständlicherweise auch ein wenig eifersüchtig ist auf seine Nähe zu Tony. Es ist nur natürlich, und wie jede Mutter in dieser Situation steht sie der Presse ein wenig misstrauisch gegenüber, die ihr unterstellt, dass sie nicht für ihn da gewesen sei, weil er mit seinem Vater zusammenlebte. Die Wahrheit ist in der Tat, dass sie ihn gehen ließ, um der Champion zu werden, der er heute ist. Es war tatsächlich ein wahrer Akt der Selbstlosigkeit.“
Für mich scheint dies eine faire Sicht auf die Situation zu sein, und andere, die die Familie kennen, versicherten mir, dass dies in die richtige Richtung gehe. Sowohl Carmen als auch Anthony waren anwesend, als Lewis seinen Formel-1-Vertrag mit McLaren in einem Londoner Nachtclub unterschrieb. Und im Verlauf der Formel-1-Saison 2007 war von Streitigkeiten zwischen den Eltern nichts zu merken, im Gegenteil, sie schienen gute Freunde zu sein und besuchten die Rennen gemeinsam. Es war sogar die Rede davon, dass sie gemeinsam mit ihren neuen Partnern in den Urlaub fahren würden. Lewis selbst äußerte zudem, dass er es liebe, mit Carmen regelmäßig zum Bowling zu gehen. Sie gingen mindestens einmal im Monat und hätten dabei „großen Spaß, obwohl sie mich normalerweise schlägt!“
Carmen bestätigte, dass sich die Wogen geglättet hätten und dass sie nun eine gute Zeit mit Lewis verlebe: „Ich bin sein größter Fan. Ich bin so stolz auf ihn – wie könnte ich nicht stolz auf ihn sein? Lewis hat wirklich Charisma. Seine Persönlichkeit ist herausragend, und er bringt die Leute dazu, sich zu verstehen. Jeder im Rennsport hält uns für einen ungewöhnlichen Haufen. Alle sind ziemlich erstaunt, wenn sie uns die Boxengasse runterkommen sehen. Lewis hat jetzt sein Rennleben mit seinem Vater und sein normales Leben, wenn er zu mir nach Hause kommt. Für alles, was Lewis besitzt, hat er wirklich hart gearbeitet. Er wurde nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren. Lewis hat alles – er hat die Persönlichkeit, das Aussehen, den Körperbau und das Charisma, um ein großer, wirklich großer Star zu werden. Ich möchte, dass die Leute nicht nur die Hautfarbe sehen. Die Tatsache, dass er der erste schwarze Fahrer ist, wird das Sahnehäubchen sein.“
Wie jede besorgte Mutter gab sie zu, dass sie in der Nähe ihres Jungen ein wachsames Auge auf „Goldgräberinnen“ habe. Sie dachte, er würde bei seiner College-Freundin Jodia Ma, damals 21, bleiben, als sie sagte: „Sie ist die Art von Mädchen, die ihm helfen wird, seine Füße auf dem Boden zu halten. Sie macht sich nichts aus diesem Schickimicki-Kram. Ich denke, er ist lieber mit jemandem zusammen, der ihm vertraut ist, als mit einem dieser Formel-1-Püppchen. Man weiß nie, worauf sie aus sind. Jenson Button hatte eine reizende Freundin, und plötzlich alles war zu Ende. Vielleicht wünscht er sich jetzt, er wäre bei ihr geblieben.“ Es stellte sich dann heraus, dass Carmen in dieser Sache falsch lag: Im September 2007 hatten sich Lewis und Jodia Ma bereits getrennt.
Lewis fand sich bald in sein neues Leben ein, während er mit seinem Vater zusammenlebte. Er und Anthony bildeten ein gutes Team, als sie auf seinen Ruhm in der Kartwelt hinarbeiteten. Das war der erste Schritt auf dem Weg zu ihrem gemeinsamen Ziel, die Formel 1 zu erobern. Lewis erwies sich schnell als Sensation. Als Anfänger im Kartsport mit schwarzen Nummernschildern konkurrierte er sofort mit den Schnellsten. Sein offensichtliches Talent erregte bald die Aufmerksamkeit der Enthusiasten. Martin Hines war einer dieser frühen Fans. Seine Kart-Produktionsfirma Zipkart befand sich in der Nähe der Rye-House-Bahn, und er bot Vater und Sohn seine Unterstützung an.
Martin erinnerte sich im Guardian: „Ich ging immer rüber, um die Kartrennen zu sehen. Als Anfänger muss man in den ersten sechs Rennen ein schwarzes Nummernschild haben. Normalerweise bedeutet das, dass sich alle Neulinge am Ende des Feldes befinden, weil sie nicht über genügend Erfahrung verfügen, um durch das Feld zu kommen. Aber eines Tages sah ich Lewis Hamilton mit seinem schwarzen Nummernschild ganz vorn bei den Besten. Jemand von der Straße hätte den Unterschied nicht bemerkt, aber ich wusste es sofort – er war überdurchschnittlich. Ich stellte mich Lewis und seinem Vater vor und bot ihnen an, sie mit Kart-Chassis zu versorgen. Im Motorsport ist es normalerweise so, dass Sie nur so schnell fahren können, wie das Geld reicht. Die Hamiltons waren nicht reich, ich wollte helfen.“
Das war der Beginn einer fünfjährigen Zusammenarbeit. Martin ist froh, in einer so wichtigen Zeit zu Lewis’ aufstrebender Karriere beigetragen zu haben, aber auch ihn und Anthony als Freunde zu haben. Lewis wiederum hat das ihm entgegengebrachte Vertrauen nie vergessen. Auch Anthony ist bis heute dankbar und sagt: „In jenen frühen Tagen hatten wir großes Glück, einige Ehrenmänner im Kartsport kennenzulernen, die uns wirklich geholfen haben, als das Geld zu Beginn seiner Karriere knapp war. Wir hatten Martin Hines, der uns beim Chassis half, John Davies und John Button [Jensons Vater], die uns beim Motor halfen, und einen alten Freund, Martin Howells, der uns mit Reifen versorgte. Ohne diese Leute hätte Lewis die unterste Sprosse der Kart-Leiter wohl nie verlassen.“
Bill Sisley, Chef der Buckmore-Park-Rennstrecke in der Nähe von Chatham in Kent, wo Lewis von Beginn seiner Kart-Karriere an die Rennen dominierte und mit Blick auf die er später zugab, dass es seine Lieblingsstrecke sei, erkannte sein Genie ebenfalls: „Ich habe über 35 Jahre lang Talente entdeckt. Ich sage immer, ich kann innerhalb von zwei Runden feststellen, ob ein junger Fahrer das Zeug zum Kartfahren hat, aber das Talent, das ausreicht, um bis in die Formel 1 zu kommen, ist selten. Tatsächlich gibt es in jeder Generation nur ein oder zwei, die so gut sind. Lewis war sicherlich einer von ihnen, und man sah es; sein Talent war herausragend.“
Sisley erinnerte sich daran, dass Lewis einfach alles richtig gemacht hatte: „Der Junge war schnell, bremste zur richtigen Zeit, überholte zur richtigen Zeit, nahm instinktiv die richtige Kurvenlinie und, was wichtig war, er hatte keinen Unfall. Schon in diesen jungen Jahren war sein Wunsch zu gewinnen offensichtlich. Es gab andere Fahrer, die auch von Natur aus talentiert waren, ihnen fehlte jedoch diese Aggression und Leidenschaft, um zuerst die Zielflagge zu passieren.“
Anthony hatte Lewis auf diese Rennstrecke mitgenommen, wohlwissend, dass Bill ein berühmter Talentsucher ist. Sisley war schnell überwältigt: „Lewis war ein Talent, das es nur einmal in jeder Generation gab, und nur sehr wenige, wenn überhaupt, werden seinen Leistungen entsprechen – und das Interesse, das er in kurzer Zeit geweckt hat, ist fantastisch. Er hatte die drei Ingredienzien, die das perfekte Paket eines großartigen Rennfahrers ausmachen: Er war von Natur aus sehr talentiert, er genoss anschließend die finanzielle Unterstützung der McLaren-Organisation, und er besaß die nötige Professionalität und Entschlossenheit. Lewis hatte auch eine sehr nette, ihn unterstützende Familie, und wenn man das zu der Mischung hinzufügt, bekommt man den äußerst sympathischen und total fokussierten jungen Mann, der Lewis Hamilton ist.“
Der frühere DJ von Radio 1, David „Kid“ Jensen, berichtete 1997 über das Kartrennen im Buckmore Park für Channel 4, als Lewis zum letzten Mal auf der Rennstrecke fuhr. Er fand ihn großartig und sagte: „Schon mit elf war es eine Freude, ihn zu interviewen, er war wirklich interessant und zugänglich. Lewis hatte eine Natürlichkeit an sich, die immer anziehend und niemals arrogant wirkte. Er war der Star der Show. Er macht seinem Vater alle Ehre.“
Jensen war voller Bewunderung für die Art und Weise, wie Lewis und sein Vater arbeiteten, und ihr enormer Respekt füreinander schien durch: „Ich habe einige schreckliche Dinge gesehen. Es war ein ganz normaler Anblick, dass sich ein 1,80 m großer Kerl über ein 90 cm großes Kind beugte und lautstark Beleidigungen brüllte.“ Anthony war die große Ausnahme, den der Kommentator nie ausrasten sah: „Er war keiner von denen, die ihre eigenen Frustrationen auslebten oder ihren Kindern etwas abverlangten, das sie selbst nicht erreicht hatten. Tatsächlich waren die beiden eine großartige Vater-Sohn-Kombination, was noch bemerkenswerter war, wenn man wusste, dass sich Lewis’ Eltern getrennt hatten.“
Rückblickend erinnert sich Lewis liebevoll an diese Kart-Tage. Er gibt zu, dass es die harte Arbeit in der Praxis und beim Testen war, die ihn davon abgehalten habe, auf der Strecke zu versagen: „Wenn ich es nicht geliebt hätte, wäre ich sicher nicht so gut wie heute, weil ich mich viel weniger angestrengt und nur die Rennen absolviert hätte. Ich denke, es gibt Fahrer, die sich nur auf ihre Rennfähigkeiten verlassen und die harten Vorbereitungen auslassen. Wenn du jung bist, verstehst du diese Philosophie nicht wirklich: Arbeite hart, und du siehst den Erfolg. Du denkst, die Mühe brauchst du dir jetzt nicht zu machen, hart zu arbeiten, und wenn du dort ankommst, hast du zu kämpfen und beschwerst dich. Aber wenn du dich wirklich anstrengst, siehst du das Ergebnis. Selbst wenn du es nicht gut machst, weißt du, dass du deine Arbeit erledigt hast, und kannst es beim nächsten Mal besser machen.“
Der Schulleiter der Peartree-Grundschule, John Seal, war ebenfalls der Meinung, dass es Lewis’ damaliger Zielstrebigkeit und Entschlossenheit zu verdanken sei, dass er heute ein brillanter Formel-1-Pilot ist: „Er hat sich in der Schule hervorgetan, und das nicht nur, weil er all diese Kart-Trophäen gewonnen hat. Er war beliebt, er war gelassen, wenn es darum ging, in der Öffentlichkeit zu sprechen, und er war konzentriert – außergewöhnlich angesichts dessen, dass er so jung war. Ich erinnere mich vor allem daran, wie viel Unterstützung er von seinem Vater bekommen hat. Sie waren eine ganz normale Familie, deren Basis aus harter Arbeit bestand. Deshalb freut es mich zu sehen, dass sich die Dinge so entwickelt haben, wie sie es taten.“
Lewis wurde schon bald im Alter von zehn Jahren zum jüngsten britischen Kart-Champion in der Schülerklasse gekürt. Bei der anschließenden Verleihung der Autosport Awards in London fand sein legendäres Treffen mit McLaren-Chef Ron Dennis statt. Er bat Big Ron um ein Autogramm. Der Formel-1-Supremo war sehr freundlich und sagte Lewis, er solle es „in neun Jahren bei ihm versuchen“, als der Junge meinte, er wolle, dass Ron ihn für McLaren fahren lasse. Aber es sollte dann nur drei Jahre dauern, bis sie sich wiedersehen würden. Lewis erinnert sich gern an diese erste Begegnung: „Wir konnten uns keinen Rennanzug leisten, und so hatte ich mir einen dunkelgrünen seidigen Anzug von diesem Typen geliehen, der im Jahr zuvor die Kart-Meisterschaft gewonnen hatte – ich habe sogar seine Schuhe bekommen. Ich ging zu Ron und sagte ihm, ich wolle für McLaren fahren und Weltmeister werden. Er schrieb in mein Autogrammbuch: ‚Versuch’s in neun Jahren noch mal.‘ Aber zwei oder drei Jahre später hat er mich schon angerufen.“
Lewis wechselte dann zur Sekundarschule und wurde Schüler der römisch-katholischen John-Henry-Newman-Schule in Stevenage, wo er sich auch bei anderen sportlichen Aktivitäten als talentiert erwies. Der Fußballsport etwa, den er Jahre zuvor ad acta hatte, um sich auf sein ferngesteuertes Auto zu konzentrieren, wurde wieder aktuell, als er in der Schule mit einem Jungen spielte, der später englischer U21-Spieler werden sollte. Auch der Karate-Unterricht, mit dem er einige Jahre zuvor begonnen hatte, erwies sich als äußerst nützliche Abschreckung gegen die unerwünschten Aufmerksamkeiten eines anderen Schülers.
Ein Journalist berichtete: „Er hat mit Karate angefangen, nachdem er die Aufmerksamkeit des Schulmobbers auf sich gezogen hatte. Mit 12 Jahren hatte er den Schwarzen Gürtel. Lewis war auch ein mehr als nützlicher Fußballspieler in der John Henry Newman … und spielte dort in derselben Mannschaft wie Ashley Young, der Mittelfeldspieler, der im Januar für 9,65 Millionen Pfund von Watford zu Aston Villa wechselte.“
Lewis erzählte ihm: „Ich war schneller als Ashley Young, stärker als er – also das war schon ein Pluspunkt für mich. Aber er war sehr geschickt und konnte den Ball sehr gut um die Leute dribbeln. Ich war sehr stark im Team, ich war immer Mittelfeldspieler und in meiner Mannschaft war ich aufgrund meiner Rennen und meines Trainings bei weitem der Fitteste. Ich rannte ständig auf und ab, und wenn mir jemand den Ball abnahm, holte ich ihn mir zurück. Ich habe ihn immer zurückgeholt, weil ich nie aufgegeben habe, andere ließen es bis zum nächsten Spielzug auf sich beruhen. Ich ließ das niemals zu.“
In der Zwischenzeit brachte ihm die Karriere im Kartsport immer mehr Siege ein. 1996 gewann er die Kartserien Champions of the Future, Sky TV KartMasters und Five Nations und stieg ein Jahr später zu den Junioren bei Yamaha auf und gewann die Serien Champions of the Future und Super One. Der frühere Chef des Jaguar-Racing-Teams, Tony Purnell, war über Tonys Pi Research Company einer seiner Sponsoren. Auch er war überzeugt, die Zukunft des Motorsports gesehen zu haben, und sagte, Lewis’ Talent habe sich besonders bemerkbar gemacht, als McLaren ihn unter seine Fittiche nahm. „Zugegeben, seit er zwölf Jahre alt war und ich aufhörte, ihn zu sponsern, hatte er die beste Ausrüstung. Das liegt daran, dass er das wichtigste Kapital hatte, eine unendlich wohlhabende ‚Vaterfigur‘ – McLarens Ron Dennis. Aber es ist eine Sache, die beste Ausrüstung zu haben. Und es ist eine andere, begabt genug zu sein, um sie richtig zu nutzen. Zur Veranschaulichung sei gesagt, dass Lewis seine Teamkollegen immer gänzlich weggefegt hat. Beispielsweise seinen Teamkollegen in der Formel A [der besten Euro-Kart-Klasse]: Nico Rosberg. Ich habe Lewis in dieser Zeit in ein paar Rennen gesehen, und er war fantastisch. Nico? Nun, durchschnittlich, würde ich sagen. Kurz gesagt, Lewis fährt Rennen wie … Michael Schumacher. Der Junge ist ein Gewinner.“
An dieser Stelle lüften wir auch das Geheimnis um Lewis’ mittlerweile berühmten gelben Helm:
Der Grund, warum er ihn trägt, geht auf die Zeit zurück, als er Kartrennen fuhr. Sein Vater Anthony bestand darauf, dass Lewis einen gelben Helm trug, weil er sich dadurch von der Masse abhob. Außerdem würde er so augenblicklich wissen, ob sein Sohn in einen Unfall verwickelt war, wenn er den Helm einmal nicht entdecken sollte.
Es war 1998, als Lewis sich bei Dennis für das „McLaren und Mercedes-Benz Young Drivers“-Programm anmeldete. Er war 13 Jahre alt, noch an der John Henry Newman und der jüngste Fahrer, der jemals in ein Formel-1-Team aufgenommen wurde.
Sein Vater und Big Ron waren sich einig, dass McLaren, da Lewis so viel Zeit mit Tests und Rennen verbrachte, einen Privatlehrer bezahlen sollte, um seine Ausbildung zu ergänzen. Beide wollten, dass seine schulische Ausbildung nicht vernachlässigt wird.
Alle Rekorde waren bereits gebrochen, und Lewis setzte seinen rasanten Aufstieg fort, indem er in den darauffolgenden drei Jahren jedes Level in der Kartwelt dominierte.
In der Junior-Intercontinental-A-Kategorie war er 1998 Zweiter beim „McLaren Mercedes Champions of the Future“-Event und Vierter bei den Italian Open. In der Intercontinental-A-Kategorie wurde er 1999 Champion der italienischen „Industrials“, er war Vize-Europameister und gewann die „Trophy de Pomposa“. Er war zudem Vierter bei der Italian Open Championship in der Junior-Intercontinental-Kategorie. Zu Beginn des neuen Jahrtausends gewann Lewis alle vier Runden der Formel A und wurde Europameister; er gewann auch die Weltmeisterschaft und das Masters in Bercy. Das war das i-Tüpfelchen nach einer weiteren fabelhaften Saison, als er zum „Rising Star“ des British Racing Drivers’ Club ernannt wurde.
Sechs Jahre waren vergangen, seit er und Anthony ihren Pakt geschlossen hatten, um ihn an die Spitze der Rennwelt zu bringen. Lewis hatte in seinem Privatleben Höhen und Tiefen erlebt und war schließlich von seiner Mutter weggezogen, um bei seinem Vater zu leben. Auf dem Weg an die Spitze musste er viele Dinge opfern, die normale Kinder im Teenageralter für selbstverständlich halten: „Die Klassenkameraden in der Schule fragten: ‚Was machst du an diesem Wochenende?‘ Und ich erwiderte: ‚Oh, ich gehe Kartfahren.‘ Da meinten sie: ‚Dann sehe ich dich wahrscheinlich oben an der Straße‘, auf der örtlichen Kartbahn. Ich nickte nur, weil ich das wahre Ausmaß meines Rennalltags verschweigen wollte. Dadurch fühlte sich die Schule wie ein Zufluchtsort an, weil niemand wusste, was ich im Rennsport erreicht habe. Die Schule war meine Zeit, um herumzuspielen und ein Leben als Jugendlicher zu führen, um normal zu sein. Aber am Wochenende hatte ich nie die Gelegenheit, in einen dieser Clubs oder zu Partys unter 18 Jahren zu gehen. Das macht es nicht gerade einfach, feste Freundschaften zu schließen. Wenn du sagst: ‚Ich kann nicht ausgehen, weil ich dieses Wochenende Rennen fahre‘, denken deine Freunde, dass du nichts mit ihnen unternehmen willst. Selbst als ich gegen Ende den Leuten in der Schule sagte, dass ich für eine Woche nach Japan reise, um Rennen zu fahren, sahen sie mich verständnislos an. Sie haben’s einfach nicht kapiert.“
Seine Zeit an der Sekundarschule verlief weitgehend ohne Zwischenfälle – er war bei Mitschülern und Lehrern sehr beliebt. Ein ziemlich skurriler Vorfall verdient jedoch eine Erwähnung. In seinem letzten Jahr an der Schule, als er 16 war, wurde er aufgrund einer Verwechslung fälschlicherweise der Schule verwiesen, nachdem ein anderer Junge angegriffen worden war und im Krankenhaus behandelt werden musste.
Lewis war einer von sechs Jungen im Teenageralter, die 2001 der Schule verwiesen wurden, als der 15-jährige Klassenkamerad Sebastian Webber in den Toilettenräumen angegriffen wurde. Das Resultat waren zwei gebrochene Finger, mehrere Blutergüsse und ein verletzter Arm. Als Anthony Hamilton jedoch die Unschuld seines Sohnes beteuerte, wurde Lewis von jeglichem Fehlverhalten freigesprochen und zwei Monate später von einem Berufungsgremium der örtlichen Behörde wieder für die Schule zugelassen. Die Untersuchung ergab, dass er fälschlicherweise als Beteiligter identifiziert worden war, und er erhielt eine formelle Entschuldigung von der Schulbehörde. Vincent Hayward, Lewis’ damaliger Klassenlehrer, erinnerte sich: „Es geschah während der Mittagspause. Einige von ihnen haben diesen Jungen auf die Toilette gebracht und ihn ein wenig in die Mangel genommen.“
Die ehemalige Mitschülerin Michelle Vooght berichtete: „Ich erinnere mich an den Vorfall, und es waren andere Jungen, nicht Lewis. Er war ein netter Kerl, mit allen befreundet und aufrichtig. Er war selbstbewusst, aber er gab nie mit seinen Rennen an. Er wurde in einem Mercedes mit der Aufschrift ‚Lewis Hamilton‘ an der Seite zur Schule gebracht!“ Ein anderer ehemaliger Mitschüler, Sean Beahan, stimmte zu: „Die Namen vieler Leute waren in den Vorfall hineingezogen worden, und es wurde später festgestellt, dass Lewis und einige andere nichts falsch gemacht hatten.“
John Ryan, Sprecher des Hertfordshire County Council, sagte: „Nach einer unabhängigen Untersuchung wurde Lewis von allen Vorwürfen freigesprochen. Einer der Lehrer hatte ihn angezeigt. Im Grunde war es ein administrativer Fehler, der zu dieser Anzeige führte, es wurden einfach die Personen verwechselt.“
Es war fast unvermeidlich, dass Lewis’ bester Freund während dieser Teenagerjahre ein weiterer Rennfanatiker war: Nico Rosberg, der 2007 dann für Williams startete. Lewis sagte: „Wir waren zwei Saisonen lang Teamkollegen beim Karten in Italien und wetteiferten darum, wer von uns der jüngste Formel-1-Pilot der Geschichte werden würde. Nico war zuerst dort, weil er bereits eine Saison in der GP2-Serie absolviert hatte, während ich noch Formel 3 fuhr. GP2 ist immens wichtig, weil der Aufbau des Wagens dem eines Formel-1-Autos sehr ähnlich ist, und auf manchen Strecken hatten wir am Ende der Geraden dieselbe Geschwindigkeit. Er ist der wettkampfaffinste Mensch, den ich je gesehen habe, und er war wirklich tough – aber ich habe die Europameisterschaft gewonnen, und er wurde Zweiter. Wir haben uns dennoch ein Hotelzimmer geteilt und immer darüber geredet, wie toll es wäre, wenn wir beide eines Tages gegeneinander um die Formel-1-Weltmeisterschaft kämpfen würden.“
Lewis hatte zu diesem Zeitpunkt schon alles gewonnen, was es im Kartsport zu gewinnen gab. Er hatte sich einen Deal mit McLaren gesichert, wurde in ihr prestigeträchtiges Trainingsprogramm aufgenommen und war bereit, einen Gang höher zu schalten. Von Go-Karts zu Autos … die nächste Stufe auf seinem Weg zur Weltherrschaft war dabei, Gestalt anzunehmen.