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Lu, Sunshine und ich stehen in der Raucherecke, die beiden rauchen aktiv, ich passiv. Lu lässt die Schultern hängen, seit vorgestern am See ist sie ein Häufchen Elend. Gestern hat sie sich kaum getraut, den Mund aufzumachen. Ich musste sie trösten und ihr Mut machen! Daraufhin hat sie ein noch größeres schlechtes Gewissen bekommen und wurde noch mutloser. Irgendwann hab ich ihr einfach die Gitarre in die Hand gedrückt und gesagt, sie soll was singen. Das hat geholfen. Für einen Moment war Lu beschäftigt und ich konnte mich in Ruhe mit Sunshine unterhalten. Jetzt, wo Linus als Nicht-Mörder entlastet ist, stehen wir wieder am Anfang.
»Ich hab nachgedacht«, sagt Lu jetzt plötzlich leise. »Nach dem Traum hattest du«, sie schaut mich an, »zuerst gedacht, jemand hätte uns Drogen untergejubelt. Weißt du noch, Charlie?«
Ich nicke. Worauf will sie hinaus?
»So. Jetzt kommt’s. Ich hab hier ein paar Zeitungsartikel kopiert und Texte aus dem Internet ausgedruckt.«
Lu verteilt an mich und Sunshine jeweils eine Mappe, sie hat ganze Passagen mit einem gelben Marker unterstrichen. Wir überfliegen die Stellen. Da ist von gemeinsamen Drogenexzessen die Rede, von LSD und Magic Mushrooms, Halluzinationen, Wahrnehmungsstörungen und so weiter. Ich blättere das zehnseitige Dossier staunend durch. Lu hat sich echt viel Arbeit gemacht. Sunshine und ich sind einigermaßen baff.
»Ähm, danke, aber …« Ich will Lus erstem engagierten Einsatz keinen Dämpfer verpassen, deshalb suche ich vorsichtig nach den geeigneten Worten. »Meinst du nicht, dass es eigentlich ganz offensichtlich ist, also Jakobs Prophezeiung und unsere?«
Lu schüttelt den Kopf.
»Und warum nicht?«, frage ich nach.
»Weil’s für alles ’ne logische Erklärung gibt«, sagt Lu mit fester Stimme.
»Ja … aber ich glaub nicht, dass …«
Sunshine knufft mich mit dem Ellenbogen unauffällig in die Seite: »Wir machen das. Ich hab noch nie Pilze genommen.«
»Echt? Dann findest du’s ’ne gute Idee?« Lu strahlt.
»Klar, Mann«, antwortet Sunshine. »Entweder passiert so was Abgefahrenes noch mal oder wir können danach immerhin ausschließen, dass es Drogen waren.«
Vorsichtig wirft Lu ein: »Bliebe natürlich trotzdem noch die Frage, wer uns Drogen gegeben hat und zu welchem Zweck.«
»Darüber reden wir danach, oder?«, sagt Sunshine. »Ich kümmer mich drum. Geht klar. Charlie?«
»Okay«, sage ich und denke, super, jetzt muss ich zu allem Übel auch noch auf einen Drogentrip. Ausgerechnet ich. Aber egal. Ich würde aber sowieso bei allem mitmachen. Hauptsache, es passiert endlich was. »Und wann?«
»Muss ein paar Leute checken, vielleicht sogar noch dieses Wochenende.«
Lu und ich tauschen einen Blick, der mich an früher erinnert.
»Ich meine, stellt euch mal vor, wie geil das wäre, wenn wir feststellen würden, dass wir alle nur total drauf waren«, sagt Sunshine.
»Du warst drauf«, korrigiere ich sie.
»Zwischen kiffen und ’nem richtigen Trip, da ist echt ’n Unterschied.«
Manchmal hat Sunshine was übel Belehrendes. Nur weil sie aus Berlin kommt, muss sie nicht gleich die erfahrene Spezialistin für jeden Scheiß sein. Aber ich hab mich trotzdem an sie gewöhnt. Sogar an ihr unvorteilhaftes Blech im Gesicht.
»Glaubst du echt, da könnte was dran sein?«, frage ich.
Sunshine zuckt mit den Schultern. »Warum nich?«
Mein Herz klopft vor Aufregung. Wenn es wirklich so wäre … Ich darf gar nicht dran denken, so sehr wünsche ich mir das.