Doppelt gemoppelt
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Coco war vor einer halben Stunde durch den Laden gestürmt, ohne ihrem Onkel weitere Beachtung zu schenken. Phileas hatte sich angeboten, sein Patenkind zu vertreten, während Coco ins Krankenhaus fuhr, um sich untersuchen zu lassen. Da sie den Termin vereinbart hatte, bevor sie sich mit Beau versöhnt hatte, war es ihm nicht möglich gewesen, sie zu begleiten.
Nun hatte sie sich in ihrem Zimmer verbarrikadiert und lag weinend auf ihrem Bett. So vollkommen aufgelöst hatte Phileas sie noch niemals erlebt. Er machte sich große Sorgen, dass das Untersuchungsergebnis etwas Schlimmes bedeuten könnte. Er freute sich doch schon darauf, Großonkel zu werden.
„Coco, Liebes … möchtest du nicht die Tür aufmachen und eine Tasse Tee mit mir trinken?“
Phileas hatte behutsam an das Türblatt geklopft, nachdem er festgestellt hatte, dass Coco abgeschlossen hatte. Er konnte sie unterdrückt schluchzen hören, obwohl das Holz massiv war. Es würden sich schon zehn Männer gleichzeitig dagegen werfen müssen, um die Tür zum Nachgeben zu bringen. Den Gedanken, diese aufzubrechen, verwarf er also gleich wieder.
„NEIN!“
Ein lauter Ausruf, der klang, als wäre es von einem verwundeten Tier ausgestoßen worden.
„Ich möchte … ALLEIN sein!“
Danach hörte Phileas nur noch immer wieder „Non! Non! Pas … possible … Non! “, was seine Besorgnis in ungeahnte Höhen trieb.
„Vielleicht später. Ich warte in der Küche auf dich, kleine Spitzmaus.“, rief er seinem Patenkind zu, die daraufhin nur noch lauter schluchzte.
Phileas zückte sein Telefon und tippte geschickt eine Nachricht an den werdenden Vater, dessen Arbeitszeit gerade zu Ende gegangen sein musste. Die letzten Tage war alles eitel Sonnenschein gewesen. Coco wirkte glücklich und zufrieden, nicht mehr so getrieben. Insgeheim hatte sich ihre Familie schon lange gewünscht, dass sie einen Ort fand, an dem sie Wurzeln schlagen konnte. Es musste nicht Frankreich sein. Es ging schließlich nicht um Prestige, sondern um innere Zufriedenheit.
Dass sich sein Patenkind so gut in Rosevale einleben würde, hätte Phileas auch nie vermutet. Dabei war sie in einer kleinen Gemeinde in Kanada groß geworden und er hatte nie ein glücklicheres Kind als Coco erlebt. Genau das wünschte er sich auch für die erwachsene Frau, deren Reifung er mit Stolz und Zuneigung verfolgt hatte.
Eine weitere halbe Stunde später wurde Beau Dawson vom Pfleger in die Wohnung gelassen und zu Phileas in die Küche geführt. Von Coco noch keine Spur. Er hatte inzwischen die zweite Kanne Tee aufgesetzt, dessen aromatischer Duft in der Luft lag.
„Guten Abend, Onkel Phil.“
„Guten Abend, Beau. Schön, dass du so schnell kommen konntest. Coco ist noch nicht aus ihrem Zimmer gekommen. Ich dachte mir, du würdet vielleicht mehr Glück damit haben, sie dort herauszulocken. Ich weiß nur, dass sie im Krankenhaus einen Termin zur Ultraschalluntersuchung gemacht hat. Sie ist danach sofort nach oben gestürmt und hat sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Dieses Mal kann die ganze Aufregung aber nicht an dir liegen.“
Phileas schenkte dem jungen Mann ein liebenswürdiges Lächeln. Die Neckerei war auch nicht ernst gemeint. Junge Liebe war nun einmal stürmisch, ganz besonders wenn jemand so leidenschaftliches wie Cosette ihr Herz verschenkte. Jemand wie Beau Dawson, der bodenständig war und einen Gleichmut besaß, den er auch nötig haben würde, war genau der Richtige, um an der Seite seiner Patentochter zu bestehen. Sie brauchte Freiheit, aber auch eine starke Schulter zum Anlehnen, selbst wenn sie so tat, als wäre sie unzerstörbar.
„Sind Sie sicher?“
Beau rutschte das Herz förmlich in die Hose und spielte binnen Sekunden sämtliche Szenarien durch, die sich ohne sein Beisein ereignet hätten können. Er hätte Coco gern ins Krankenhaus begleitet, jedoch hatte kein Kollege zur Vertretung einspringen können. Um ihren Onkel jedoch nicht weiter zu beunruhigen, setzte Beau eine tapfere Miene auf. Noch wussten sie ja nicht, was überhaupt los war.
„Ich sehe dann mal nach ihr und versuche, das Mysterium zu ergründen.“
„Ich kümmere mich so lange um das Abendessen. Coco sollte besser keine Mahlzeit auslassen. Du bleibst doch zum Essen, Junge?“
„Ja, sehr gern. Danke.“ Beau lächelte den älteren Herrn zustimmend an.
Beinahe könnte man sie beide schon als Freunde bezeichnen. Phileas hatte sich sehr über die Besuche von Beau im Krankenhaus gefreut. Ein feiner, wohlerzogener junger Mann, wie man sie nicht alle Tage fand. Er passte gut in die Familie. Und die war das Wichtigste überhaupt.
Wenige Augenblicke stand Beau vor Cocos verschlossener Zimmertür. Wie zuvor ihr Onkel klopfte er zunächst behutsam an. Als die Reaktion darauf aber ausblieb, versuchte er es mit etwas mehr Nachdruck.
„Frenchy? – Ich bin es, Beau. Machst du mir auf?“
Angestrengt lauschend verharrte er auf dem Flur. Noch immer tat sich nichts. Beau runzelte die Stirn und hob die Hand, um wiederholt zu klopfen, falls sie schlief und ihn nicht gehört hatte.
„Ich würde gern mit dir reden … und Phil macht sich Sorgen um dich … War irgendwas im … Krankenhaus?“
Allein der Gedanke daran machte ihn so nervös, dass er am liebsten schnurstracks in die gemütliche Küche zurückgekehrt wäre, um dort auf Coco zu warten. So ganz ohne Beistand fühlte er sich in diesem Moment doch ein wenig hilflos. Allerdings half es, sich vor Augen zu halten, dass seine Freundin die heute anberaumte Untersuchung auch allein hatte durchstehen müssen.
„Mach bitte die Tür auf, Cosette … oder ich rufe Colton an und er erledigt das.“
„Das wird nicht nötig sein.“, sagte plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihm und dann legte sich Beau eine schwere Pranke auf die Schulter.
„Wer … Wie sind Sie hier reingekommen? – PHIL?!“
Der Schreck, der dem jungen Mann spürbar in die Glieder fuhr, ließ die Mundwinkel des großgewachsenen Mannes hinter ihm amüsiert zucken. Da packte er richtig zu, wirbelte Beau zu sich herum und hob gleichzeitig den ausgestreckten Finger an den Mund. Eine kleine Warnung, dass er nicht das ganze Haus zusammenschreien sollte.
„Was zum Teufel ...“, entfuhr es Cocos Freund trotzdem, weil er sich Auge in Auge mit dem Einbrecher glaubte, den sie vor Wochen selbst überrascht hatten.
Allerdings war derjenige maskiert gewesen, wenn er den vorbeieilenden Schatten von damals noch richtig im Kopf hatte und er hatte kaum eine so massive Statur besessen wie sein jetziges Gegenüber.
Vor Beau stand ein Bär von einem Mann, dessen Oberkörper in eine schicke Weste gehüllt war, unter der er ein Hemd mit lässig offenem Kragen und aufgekrempelten Ärmeln trug. Seine Unterarme waren von kunstvoll colorierten Tattoos überzogen, die sich vermutlich auf seinem ganzen Körper fortsetzten. Sogar seitlich am Hals konnte man die Ausläufer von schwarzen Tribals erkennen.
„Wer sind Sie und wer hat Sie hier reingelassen? Sind Sie ein Freund von Phil? Sonst gnade Ihnen Gott. Ich bin nicht so wehrlos, wie ich aussehe.“
Nachdem Beau binnen weniger Sekunden zu dem Schluss gekommen war, dass dies nicht der Einbrecher sein konnte, zumal der sicher nie sein Gesicht offenbart hätte, wurde er sogleich mutiger.
„Nur ruhig, Beau. Du bist doch Beau?“
Die ausdrucksstarken Brauen des Mannes zuckten und um seinen Mund lag ein spöttischer Zug, den man zuweilen auch in Coco erkannte.
Allerdings würde die Ähnlichkeit nur Menschen auffallen, die genau hinsahen. Der Mann trug nämlich einen Bart, der zum größten Teil von Weiß durchzogen war, der Bereich über dem Mund verriet aber seine frühere Haarfarbe, die genauso dunkel wie seine Augen gewesen war. Um diese lagen feine Linien, die nur hervortraten, wenn er breit lächelte, ansonsten wirkte er wie ein Mann in den besten Jahren und nicht wie jemand, der bereits im Rentenalter war.
„Ja, ich bin Beauford Dawson. Und wer sind Sie?“
„Ich hoffte, dich unter angenehmeren Zuständen kennenzulernen. Aber man muss das Leben nehmen, wie es kommt. Ich bin Cocos Vater. Valérien LaFlamme. Phileas hat mich vor ein paar Tagen in weiser Voraussicht gebeten, nach meiner Tochter zu sehen. Und hier bin ich.“
„Oh ...“
Nun erst recht überrascht wie schockiert nahm Beau einen tiefen Atemzug und taumelte gegen die Wand, als Valérian ihn losließ und damit den Widerstand raubte, gegen den er sich bisher hatte stemmen können.
„Dann … dann freut es mich natürlich sehr, Sie endlich kennenzulernen, Sir.“, stammelte er, nachdem der nächste Schreck verdaut war.
Cocos Vater klopfte Beau mit beiden Händen fest auf die Schultern, bevor er ihn typisch Französisch mit Küsschen begrüßte, um ihn dann zur Seite zu schieben. Aus der hinteren Hosentasche zog er ein schickes Lederetui. Valérian LaFlamme entnahm daraus etwas, das an eine Haarnadel erinnerte und trat an die Tür heran. Zwei Sekunden später, konnte er den Knauf drehen und die Tür aufgleiten lassen.
Im Zimmer war es dämmrig geworden, aber man konnte gut die Gestalt ausmachen, die quer über dem weißbezogenen Bett lag und das Gesicht in ihr Kissen vergraben hatte. Ihr Kopf ruckte hoch, als Valérian sich vernehmlich räusperte.
„Papa …?!“
Coco war so schnell von der Matratze in seine Arme gesprungen, dass es einen geringeren Mann von den Füßen gefegt hätte. Sie klammerte sich an ihren Vater und schluchzte von neuem los, obwohl sie sich geschworen hatte, nicht mehr zu heulen.
Valérien presste seine Tochter fest an sich und strich ihr begütigend über den Rücken.
„Na, na, na.“
Er drückte einen Kuss in ihren zerwühlten Schopf und schnalzte leise mit der Zunge.
„Was ist denn los, Liebes? Es besteht doch eigentlich Grund zur Freude. Ungeplante Überraschungen sind doch immer die schönsten, hein ?“
Coco gab ein gedämpftes Aufstöhnen von sich, weil sie ihr Gesicht in der Brust ihres Vaters vergraben hatte.
Tonton hätte es gleich der ganzen Welt erzählen sollen!“, protestierte sie verschnupft.
Tonton hat es bereits der ganzen Welt erzählt , dachte Beau für sich, der sich in diesem Moment zwischen Vater und Tochter lieber im Hintergrund hielt.
„Ah, Coco. Das ist nichts, was man für sich behält. Schon gar nicht in unserem Metier. Er hat absolut richtig gehandelt. Und du weißt das auch. Alors , was ist los? Raus damit. Dein Beau sieht schon so aus, als würde sich vor Sorgen gleich auf den Boden übergeben.”
Es machte nicht viel Sinn, Coco mit dem überbesorgten Vater zu kommen. Das würde sie nur fuchsteufelswild machen.
„Beau?!“
Coco hob das tränenverschmierte Gesicht und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
„Hey Frenchy, ich wollte gerade Colton holen, weil du weder Phil noch mir die Tür aufmachen wolltest, doch dann ist dein Vater zum Glück vorbeigekommen und hat das Problem auf angenehmere Weise gelöst, als wir es getan hätten.“
Beau lächelte grimmig und ließ sie die Sorge um sie von seinem Gesicht ablesen. Er würde sich natürlich nicht übergeben, aber alles andere stimmte. Beau war nervös und er wollte mehr denn je wissen, was bei der Untersuchung herausgekommen war.
Coco blinzelte hektisch, gab den Hals ihres Vaters frei und wischte sich die Feuchtigkeit von den glühenden Wangen. Beim Arzt vorhin wäre sie beinahe umgekippt, als er ihr mitgeteilt hatte, was er auf dem flimmernden Bildschirm erkennen konnte. Coco hatte nur Schatten und Licht gesehen, aber dafür waren die Soundeffekte umwerfend gewesen.
Sie senkte den Kopf und murmelte etwas Leises auf Französisch, das ihrem Vater ein geplättetes „Mon Dieu! “ entlockte.
Valérien räusperte sich und zog Coco in eine feste Umarmung, bevor er sich losmachte und Beau im Vorbeigehen auf die Schulter klopfte.
„Ich warte bei Phileas in der Küche. Ich denke, ihr braucht grad ein paar Momente für euch allein.“
Mon Dieu ... was?“, platzte es aus Beau heraus, nachdem Valérian die Tür hinter sich geschlossen hatte.
So viel Französisch konnte er schon, um zu wissen, dass dieser Ausdruck zumeist nichts Gutes bedeutete. Sein Magen schlug nervöse Purzelbäume. Er machte ein paar Schritte auf Coco zu, so dass sie einander gegenüberstanden und er seine Arme um sie schlingen konnte. Egal, welche Sorgen sie auch belasten mochten, er war hier, um alles mit ihr zu teilen.
„Was hast du gerade zu deinem Vater gesagt? Ist was passiert, Coco? Mit dir oder dem Baby?“
Coco biss sich auf die Unterlippe und hob den Blick zu Beau an, in dem sich selten ein solcher Anflug von Unsicherheit gezeigt hatte. Sonst konnte sie so nichts so leicht aus der Ruhe bringen. Sie seufzte schwer.
„Ich … Ach, verdammt! Es hilft nicht, um den heißen Brei herumzureden. Der Arzt hat vorhin festgestellt …“
Ein paar blumige Flüche folgten, dann straffte Coco sich und sah Beau mit wilder Entschlossenheit in die Augen.
„Es werden Zwillinge. Kein Zweifel möglich. Die Herzschläge wurden in Stereo übertragen.“
„Ist nicht dein Ernst.“
Beau schlug sich zunächst völlig schockiert von dieser Nachricht eine Hand vor den Mund.
„Es gibt zwei Herzschläge?“
Coco nickte. Es kam ihr so vor, als würde sie diese gerade wieder im Ohr haben. Laut und durchdringend. In einer Geschwindigkeit, die einen schwindeln machen konnte.
Zwei Herzschläge. Zwei Babys. Gleichzeitig.
Coco wollte es eigentlich immer noch nicht glauben. Leider gab es in der Familie ihrer Mutter mehrere Zwillingsgeburten. Nur hätte sie nie gedacht, dass sie selbst einmal davon betroffen sein würde. Die ungeplante Schwangerschaft war doch schon schlimm genug. Das hier konnte man eigentlich nur als Alptraum bezeichnen.
„Das ist doch … wundervoll.“
Beau schluckte all die Ängste, die ihn prompt überfallen hatten, hinunter und zog Coco nah an sich heran, um diesen Moment ganz bewusst mit ihr zu teilen.
„Zwillinge …“, murmelte sie und schmiegte sich enger an seine Brust.
In absehbarer Zukunft würden sie zu viert sein. Das war überwältigend. Eine riesengroße Verantwortung, vor der sie nicht davonlaufen können würde. Sie hatte noch nie in ihrem Leben so viel Angst gehabt. Sonst ging es immer nur um sie selbst, aber nun ging es auch um Kinder und um Beau.
„Jep. Wir werden alle Hände voll zu tun bekommen, Frenchy.“, erwiderte Beau leise und fühlte sich genau wie sie noch nicht für diese Aufgabe gewappnet, doch er würde ganz bestimmt sein Bestes geben.
„Das waren nicht unbedingt die Neuigkeiten, die ich verkünden wollte.“
Coco hatte den Kopf gehoben und schenkte Beau ein schiefes Lächeln, um dann die Hand zu heben und zärtlich über seine Wange zu streicheln.
„Warum nicht? Es sind doch gute Neuigkeiten, Coco.“
Beau fing ihre Hand ein und hauchte einen sanften Kuss auf deren Innenfläche.
„Wirklich. Ich freue mich und bin nur froh, dass mit dir sonst alles in Ordnung ist.“
„Ich bin vorhin beinahe umgekippt.“
Coco seufzte und verzog ihr Gesicht dann zu einer Grimasse, weil es sonst kaum ihre Art war.
„Ja, kann ich mir vorstellen. ‒ Es tut mir leid, dass ich in dem Moment nicht bei dir sein konnte. Dann hätten wir immerhin zu zweit in Ohnmacht fallen können.“
Beau lächelte und entlockte Coco mit diesem Kommentar immerhin ein kleines Lachen, bevor sie eine wegwerfende Geste machte. Irgendwie würden sie das Kind schon schaukeln. Im wahrsten Sinne des Wortes eben. Sie hatten ja einander und er würde sie so gut wie möglich unterstützen.
„Wollen wir jetzt endlich deinen Onkel erlösen? Er hat sich ehrlich schreckliche Sorgen um dich gemacht.“
„Bin gleich wieder da, ich möchte mich nur eben kurz frischmachen. Wir haben ja anscheinend hohen Besuch zum Abendessen.“
„Ah ja, dein Vater ... Er hat sich vorhin von hinten angeschlichen und mir den Schreck meines Lebens verpasst. Offensichtlich habt ihr so einiges gemeinsam, Frenchy.“
Beau, der den Mann im Nachhinein doch sehr sympathisch gefunden hatte, grinste nun vom Bett aus verschmitzt zu ihr auf.
Coco rollte mit den Augen und begab sich in ihr Bad, wo sie sich das Gesicht wusch und die Haare wieder in Ordnung brachte. Zum Glück sah sie nicht verheult aus. Auf ihren Wangen lag ein rosa Hauch, der jegliches Make-up überflüssig machte. Ein paar Minuten später betrat sie die Küche ihres Onkels Hand in Hand mit Beau. Ihr Vater grinste ihnen entgegen.
„Phileas hat schon mal den Champagner bereitgestellt. Es gibt schließlich etwas zu feiern.“, meinte Valérien mit einem Augenzwinkern.
Coco wurde von ihrem Patenonkel in die Arme genommen und sanft gedrückt. Er flüsterte einen hebräischen Segen und trieb ihr damit die Tränen in die Augen, bevor er Beau ebenfalls von Herzen gratulierte.
Der war einmal mehr froh über den Rückhalt der Familie, in der man ihn zu seinem Glück bereitwillig aufgenommen zu haben schien. Von Cocos Vater hatte er insgeheim eine Prüfung auf Herz und Nieren erwartet, doch das konnte ja noch kommen oder Onkel Phil hatte diese Aufgabe längst hinter Beaus Rücken erledigt. Im Grunde spielte sowieso nur Cocos Glück eine entscheidende Rolle und gerade jetzt strahlte sie förmlich von innen heraus, was Beau dann ebenfalls sehr glücklich machte.
„Nehmt doch Platz. Es freut mich, dass dies nun ein feierliches Familienessen geworden ist. Du bist doch hoffentlich nicht böse, dass ich deinen Papa hergebeten habe, Coco?“
Phileas schenkte den Champagner aus, wobei er Cocos Glas nur mit einem winzigen Schluck füllte, damit sie mitanstoßen konnte. Das Trinken würde den Herren überlassen bleiben.
Non … sein Gesicht zu sehen, war Gold wert.“
Coco zog ihrem Vater einer Grimasse.
Valérien lachte gutmütig. „Ah, die Retourkutsche musste kommen. Ich bin aus allen Wolken gefallen, als meine Frau mir damals eröffnet hat, dass ich erneut Vater werde und das gleich doppelt. Und das in meinem Alter. Es ist klüger, sich diese Art von Plage in jüngeren Jahren ins Haus zu holen.“
Beau, der ja jeden Tag mit kleinen Kindern zu tun hatte, konnte darüber nur lachen. Die Kleinen waren ganz bestimmt wunderbar, aber eben in jedem Alter anstrengend. Außerdem wirkte Valérian keineswegs wie der angestrengte Opa-Typ. Eher wie das komplette Gegenteil. Coco nahm ihm somit das Wort aus dem Mund.
„Weil du ja so alt und klapprig bist.“ Coco lächelte maliziös.
„Was meinst du, Beau, ob wir Papa beim nächsten Training am Dienstag auflaufen lassen? Wenn ich schon aussitzen muss, will ich wenigstens ein bisschen Spaß beim Zusehen haben.“
„Ah, gute Idee. Lass uns herausfinden, ob unser Pate sich seines zukünftigen Amtes auch wirklich würdig erweist.“
Ein gemeines Lächeln huschte über Beaus Züge. Allein schon die Vorstellung wie Valérian LaFlamme Colton auf die Matte knallen würde, bereitete ihm großes Vergnügen. Jedoch nur für einen Augenblick, denn in der Realität wäre es wohl eher nicht so lustig, wenn die beiden Master aufeinanderprallten. Außerdem hegte Beau keine Rachegedanken bezüglich der Prügelei neulich. Colton hatte ihm bloß ein bisschen den Kopf gewaschen. Die blauen Flecken waren schon nach zwei Tagen völlig vergessen gewesen.
„Wer könnte ihn denn besser auf Herz und Nieren prüfen als ein anderer Meister?“
Coco würde für keinen der Männer die Hand ins Feuer legen. Sie kämpften in der derselben Gewichtsklasse. Es würde in jedem Fall interessant werden.
„Spaß beiseite, Frenchy. Das Risiko ist groß, dass einer der beiden im Krankenhaus landet, wenn sie das Training plötzlich zu ernst nehmen.“
„Ach. Ein kleines Kräftemessen hat noch nie jemandem geschadet. Es gibt ja Schutzkleidung.“
Valérien war höchst amüsiert über den Vorschlag seiner Tochter, deren Glauben in seine Fähigkeiten höchst schmeichelhaft für einen Mann seines Alters war.
„Trotzdem sollte das Ganze nicht ausufern.“, erwiderte Beau bestimmt.
Stattdessen sollten sie lieber alle gemeinsam zu seinen Eltern gehen. Für den kommenden Samstag war ein großes Familientreffen bei den Dawsons anberaumt, wo Beau seine Freundin offiziell vorstellen und die Nachricht ihrer Schwangerschaft überbringen wollte.
Seine Eltern und sein kleiner Bruder hatten die junge Kanadierin bereits kennengelernt und waren entzückt gewesen. Dass sie ein Baby bekam, wussten sie auch und obwohl ihm seine Mutter dafür, nicht vorsichtig gewesen zu sein, die Ohren langgezogen hatte, freuten sich auch Mr. und Mrs. Dawson darauf, Großeltern zu werden. Wie es ankam, wenn sich die Freude verdoppelte, würde man dann demnächst herausfinden.
„Es wird ein vorgezogenes Thanksgiving Dinner und wir würden uns sehr freuen, wenn Sie auch kommen würden, Mr. LaFlamme. – Falls Sie solange in den Staaten bleiben, heißt das.“
Beau griff unterm Tisch nach Cocos Hand und drückte sanft ihre Finger, während er ihr gleichzeitig einen verliebten Blick zukommen ließ.
„Da fällt mir ein ... Sollen wir versuchen, für Weihnachten Flüge zu bekommen? Es würde mir gefallen, das neue Jahr mit dir in Europa zu beginnen.“
„Das klingt nach einem vernünftigen Vorschlag. Ich bin sicher, dass meine Frau sich über die persönliche Überbringung der guten Neuigkeiten sehr freuen würde.“
Valérien hob das Glas in Beaus Richtung, um ihm dankend zuzuprosten.
„Wie? Maman weiß noch nicht Bescheid?“
Coco starrte ihren Vater und ihren Patenonkel perplex an.
Valérien lachte auf. „Das ist doch etwas, das du deiner Mutter besser Auge in Auge mitteilst. Außerdem können wir die zwei Terroristen grad nicht hier brauchen. Dein Onkel befindet sich noch in der Rekonvaleszenz. Die beiden wissen gar nicht, dass er im Krankenhaus lag.“
„Ah, verstehe.“
Coco verzog den Mund zu einem bedauernden Lächeln. Die Entscheidung, den Zwillingen nichts davon zu erzählen, war klug gewesen. Die beiden hätten keine Ruhe gegeben, bis sie ihren Onkel hätten besuchen dürfen. Und bei aller Liebe waren die beiden in ihrem Ungestüm doch ein bisschen viel auf einmal.
„Dann ist es also beschlossen. Wir verbringen die Weihnachtsferien in Frankreich.“
Beau nickte bekräftigend und hob sein Glas noch einmal in die Richtung von Cocos Vater und Onkel Phil.
Coco erwiderte den Druck von Beaus Hand und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Sehr gute Idee. Die Einzelheiten können wir ja beim Essen mit deinen Eltern besprechen. Du bleibst doch ein paar Tage, Papa?“
„Selbstverständlich. Dann können wir auch noch ein paar Dinge regeln.“, stimmte Valérien sofort zu.
Coco nickte zu dieser doch eher allgemein gehaltenen Aussage. Sie verstand sofort, worauf ihr Vater hinauswollte, aber in Anwesenheit von Beau würden sie nicht näher darauf eingehen. Es würde nur die Pferde unnötig scheu machen, ihm jetzt noch eine Erklärung zu geben.
Und Beau tat ihr zuliebe so, als hätte er nichts gehört, weil er sich zu gut an die letzte Auseinandersetzung darüber erinnerte, die beinahe böse geendet hätte.
Nach dem gemütlichen Abendessen hatte Coco Beau nach Hause begleitet, so konnte ihr Vater in ihrem Zimmer schlafen. Beau hatte sich wacker geschlagen und jede noch so direkte Frage von Monsieur LaFlamme beantwortet, aber sie hatte auch nichts anderes erwartet. Ihr Vater war nicht der Typ, der konservative Vorstellungen hegte und zwang seine Art zu leben auch niemandem auf.
Nun lag Coco in einem von Beaus T-Shirts eng an seine Seite geschmiegt und genoss die Nähe zu ihm. Diese verschmuste Seite hatte sie bisher immer nur mit Mitgliedern ihrer Familie ausgelebt. Dieses Gefühl mit Beau teilen zu können, war überraschend und überwältigend zugleich. Wie alles mit ihm.
„Hm …“
Sie stieß einen wohligen Laut aus und legte ihr rechtes Bein über seine, um ihm noch näher sein zu können.
„Ich habe überlegt … Wie wäre es, wenn wir uns recht bald nach einer anderen Wohnsituation umsehen würden? Die Aussicht, mit großem Bauch einen Umzug vollziehen zu müssen, behagt mir überhaupt nicht. Lieber mache ich das, solange ich noch fröhlich herumhüpfen kann. Am liebsten ein Haus mit Garten … Was meinst du?“
Coco kaute auf ihrer Unterlippe herum, weil sie ihm mit ihrem Vorschlag nicht zu nahe treten wollte. Wäre sie ihrer sonstigen Art gefolgt, hätte sie schon längst ein Haus gekauft und Beau vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie wollte ihn nicht schon wieder überrumpeln wie mit dem Anzug oder dem Buch, aber ihr standen nun einmal ganz andere Möglichkeiten offen. Für sie allein wäre die Wohnung durchaus genug, aber sie würden hier kaum mit zwei Babys leben können.
„Ganz ehrlich, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Als du sagtest, dass es zwei werden würden, wusste ich schon, dass eigentlich kein Weg daran vorbeigeht.“
Beau seufzte leise und drückte seine Frenchy noch fester an sich.
Coco wartete lieber ab, was da noch kommen würde, bevor sie ihn gleich mit Ideen überfiel. Sie war die letzten Tage nicht untätig gewesen.
„Du weißt, dass wir das von meinem Gehalt niemals stemmen könnten. Ich meine, ich bekomme vielleicht einen Kredit, aber bis ich genug Eigenkapital zusammen habe, machen die Zwillinge ihren Abschluss.“
Ihnen blieben nicht allzu viele Möglichkeiten, wenn sie diesen für ihre gemeinsame Zukunft notwendigen Plan in die Tat umsetzen wollten. Er könnte seine Eltern um Hilfe bitten, allerdings hatten diese gerade mal ihr Haus abbezahlt und würden in wenigen Jahren in Rente gehen. Er sah keinen Sinn darin, sie noch einmal zu belasten. Zumal er ja auch an seinen Bruder denken musste, der längst noch nicht aus dem Gröbsten heraus war.
„Es ist also okay für mich, wenn du in dem Punkt Nägel mit Köpfen machen möchtest. Ich weiß, du hast das Geld und du tust es für uns. – Vielleicht übernehme ich dafür bei den Zwillingen ein paar Nachtdienste mehr oder nehme sie mal mit in die Schule, damit du einen Vormittag lang deine Ruhe hast …“
Er lachte. Allein die Vorstellung, was seine Vorgesetzten oder die Kinder dazu sagen würden. Letztere wären wahrscheinlich überwiegend begeistert. Und er selbst hätte viel zu viel Schiss davor, als Vater zu versagen. Aber sich jetzt das Leben in einem Jahr vorzustellen, war utopisch. Sie konnten sich vorbereiten und ein paar Pläne machen, mehr auch nicht. Am Ende würde sowieso alles anders werden.
„Ah, ich denke, dass uns dafür eine bessere Lösung einfällt.“
Coco fiel in sein Lachen mit ein und war erleichtert, dass er die Sache mit dem Geld nicht allzu persönlich nahm. Wäre er derjenige mit dem Trustfonds, würde er alles bezahlen. Gleiches Recht für alle, sie lebten schließlich im 21. Jahrhundert.
„Erst mal müssen wir eh ein Haus finden, das zu uns passt. Wo würdest du denn gerne wohnen wollen? Hast du schon überlegt, welcher Stadtteil dir am besten gefällt? – Vielleicht eine Villa in Woodford Heights? Die Zwillinge hätten dann jeder einen eigenen Flügel und wir beide wohnen in der Mitte des Hauses, bis wir alt und grau sind.“
Eine Idee, die Beau zum Lachen brachte. Das war ja nur ein bisschen herumgesponnen. An eine Immobilie in Woodford Heights kam man nicht einfach so und die kosteten ein ungeheures Vermögen, das sie lieber in die Zukunft ihrer Kinder investieren sollten. Gut möglich, dass sie in Beechwood bei seinen Eltern landeten. Dort standen auch gerade ein paar Häuser zum Verkauf. Die Frage war nur, ob sie der Vorstellung seiner Frau entsprachen.
Seiner Frau …?!
Beau richtete sich so abrupt im Bett auf, dass Coco beinahe unsanft auf der Matratze gelandet wäre, hätte er sie nicht festgehalten. Mit tief empfundener Bestürzung sah er sie an.
„Was ist los? So übel ist die Idee mit Woodford Heights nun nicht.“
Coco grinste in sich hinein. Beau würde hyperventilieren, sollte sie tatsächlich eine Villa in diesem Prachtviertel erwerben. Die Preise dort waren horrend.
„Ah, nur so ein Gedanke, Frenchy. Wie stehst du eigentlich wirklich dem Thema Hochzeit gegenüber? Du bist ja katholisch erzogen worden. Fällst du bei irgendwem in Ungnade, wenn die Kinder unehelich zur Welt kommen, oder sollte ich lieber gleich morgen zum Rathaus, um das Aufgebot zu bestellen? Kannst du dir überhaupt vorstellen, mich zu heiraten?“
Schließlich hatten sich die Ereignisse zwischen ihnen ziemlich überstürzt und er hätte durchaus Verständnis dafür, wenn sie in dem Punkt mehr Zeit brauchen sollte.
„Oh, Beau, du bist ja so niedlich!“, rief Coco lachend aus und drückte ihm einen dicken Schmatzer auf die Lippen, um dann sein Gesicht mit beiden Händen zu umfassen.
„Komm schon. Ich meine es ernst.“
Beau zog absichtlich einen Schmollmund, weil er wusste, dass sie darauf anspringen würde. Coco sollte nicht glauben, dass sie seine Bedenken jedes Mal mühelos zerstreuen konnte. Trotzdem machte er nur einen halbherzigen Versuch, sich aus ihren warmen Händen zu befreien. Eine Berührung von ihr reichte jedes Mal aus, um ihn halbwegs gefügig zu machen.
„Ich möchte nicht, dass irgendwer etwas Schlechtes über dich denkt.“
Eine Bemerkung, die Coco erst recht zum Lachen brachte.
„Die Einzigen, bei denen ich in Ungnade fallen könnte, wären meine Eltern und die sind nun nicht so borniert oder altmodisch, dass sie auf einer Hochzeit bestehen würden. Hm, also Papa vielleicht schon, aber nur weil es um seine Tochter geht. Wenn er so etwas wollte, hätte er dir vorhin die Pistole auf die Brust gesetzt. Aber wahrscheinlich tut er das eher bei mir. Kinder sollten schon geregelte Familienverhältnisse haben. Beeilen müssen wir uns aber nicht. Standesamtlich kann man ja beinahe jederzeit heiraten. Die Kirche kann man nachholen, wenn man das unbedingt möchte. Vielleicht mit der Taufe verbunden. Ich würde diese Tradition schon gern weitergeben, wenn du nichts dagegen hast. Dann kriegen die Zwillinge auch richtige Paten. So wie ich Tonton . Die müssen zum Glück nicht mehr katholisch sein.“
Coco küsste Beau zärtlich auf den Mund, dessen Besorgnis um ihren Ruf sie durchaus anrührte. Es war nicht nötig, aber süß. Sie musste auch noch etwas im Hinterkopf behalten und da wären geordnete Verhältnisse von großem Nutzen.
„Klingt, als hättest du darüber auch schon eine Weile länger nachgedacht.“
Beau seufzte ergeben. Die Sache mit der Hochzeit war also vorerst vom Tisch. Was nicht hieß, dass sich ihre zukünftigen Platzprobleme genauso in Luft auflösen würden.
„Und was ist mit einem ... neuen ... Zuhause?“
Beau war gezwungen, die Frage zwischen mehreren zärtlichen Küssen von Coco zu stellen, was ihn atemlos machte und ihn fast davon abgebracht hätte, diese Frage zu stellen.
„Warte bitte!“, bat Coco an seinen Lippen und machte sich dann von ihm los, um aus dem Bett zu springen und die Treppen nach unten zu nehmen.
Dort schnappte sie sich seinen Laptop, mit dem sie zu Beau unter die Decke zurückschlüpfte und sich den mitgebrachten Computer auf den angezogenen Knien abstellte. Sie rief den Browser auf und anschließend ihre E-Mail-Adresse, an die ein ortsansässiger Immobilienmakler von ihr angeforderte Angebote an sie geschickt hatte.
„Oh Mann, Frenchy. Hast du etwa schon alles in trockenen Tüchern?“
Beau rieb sich mit der linken Hand über das Gesicht und ahnte, was da gleich kommen würde. Wieso überraschte es ihn überhaupt, dass Coco bereits alles unter Dach und Fach gebracht hatte, während er eigentlich immer noch dabei war, die doppelte Babynachricht zu verdauen? Frauen waren wirklich die überlegenere Spezies, wenn es um anständiges Planen ging.
„Ich hab mich nur ein bisschen schlaugemacht, was die Stadt betrifft. Mit Woodford Heights hatte ich auch geliebäugelt, aber das ist selbst mir ein bisschen zu abgehoben. Ich wollte da eher einen Kompromiss eingehen und etwas haben, das mich an mein altes Zuhause in Kanada erinnert. Etwas mit mehr Charakter und Geschichte. So wie das hier.“
Sie hatte eine Bilddatei angeklickt und nun öffnete sich ein Foto, das den gesamten Bildschirm einnahm. Eine altmodische viktorianische Villa fügte sich vor ihren Augen zusammen, bei deren ersten Anblick sie bereits einen freudigen Schauer verspürt hatte. Sie besaß sogar zwei Türme, die einander schräg gegenüberstanden. Einmal vorne auf der Südseite und dann hinten zum weitläufigen Garten hinaus. Das Grundstück war trotz seiner Größe überschaubar.
„Oh, hübsch. – Wo ist das?“
Mit ehrlichem Interesse für die Immobilie rückte Beau an Coco heran und neigte den Kopf so, dass er einen guten Ausblick auf das Bild auf dem Computer hatte.
„Die Villa befindet sich in Montclair in der Nähe des dortigen Parks. Da wärst du zwar nicht mehr einen Katzensprung von der Schule entfernt, aber mit dem Wagen dauert die Fahrt nicht lange. Ich würde mir das Haus die nächsten Tage gern ansehen. Wir können Papa mitnehmen, der hat ein gutes Auge für solche Dinge. Wir werden sicher ein bisschen renovieren müssen, aber das sollte kein Problem sein. Was hältst du davon?“
Coco warf Beau einen gespannten Blick zu. Von der gruseligen Legende, die das Haus umrankte, erzählte sie ihm lieber nichts. Sie selbst würde einen eigenen Hausgeist sogar begrüßen. Seine Eltern bestimmt auch. Es ging ja um keinen Massenmord, sondern um eine unglückliche Liebe, die darin gegipfelt hatte, dass eine junge Frau sich das Leben genommen hatte.
Das war schon über einhundert Jahre her, so dass man sich heute kaum darüber Gedanken machen müsste. Das Haus sollte auch Geheimgänge besitzen, die für Kinder sicherlich der reinste Abenteuerspielplatz werden würden. Es war nicht schwer, sich das Anwesen in frisch hergerichteter Pracht vorzustellen.
Beau behielt sich vor, einen Moment über die Sache nachzudenken, obwohl ihm das Haus vom Ansehen her schon gefiel. Natürlich musste man die Substanz auf Herz und Nieren prüfen, aber sollte alles gut sein, würden sie wohl zuschlagen müssen. Denn solche Häuser fielen in Rosevale ganz sicher nicht vom Himmel, und wie Coco schon gesagt hatte, drängte die Zeit bis zum Umzug mit zwei Babys in den Startlöchern ungemein.
„Also, wenn du damit einverstanden bist, dass ich Colton um Hilfe bitte und du uns all die schweren Sachen tragen und machen lässt, dann habe ich potenziell überhaupt nichts dagegen, nach Montclair zu ziehen ...“
Er tat seine Entscheidung in seiner besten Lehrerstimme kund. Am Schluss verzog sich sein Mund jedoch zu einem spitzbübischen Grinsen, weil er doch genau wusste, wie viel Mitspracherecht er hier hatte und dass es bei weitem schlimmere Aussichten für sie beide hätte geben können.
„Wir haken eine Sache nach der anderen ab und alles wird perfekt. Genau wie du, Frenchy. Du weißt genau, wie man das Herz eines Mannes aus dem Takt bringt und dafür mag ich dich jeden Tag mehr.“
„Und ich dich!“, flüsterte Coco an seinem Mund, nachdem sie den Laptop zugeklappt zur Seite gestellt hatte.
Die Sache war so gut wie erledigt und somit konnten sie sich erfreulicheren Dingen zuwenden.