«S
ie werden es lieben», sagte Hekla, als sie am Eingang des Fontana Geothermalbads den Eintritt zahlte. Sie grinste fröhlich zu den kleinen Schneeflocken hinauf. Auf der Fahrt von der Lodge hierher hatte es leicht zu schneien begonnen.
«Mädelstag», fügte Elin seufzend hinzu. «Die perfekte Entspannung. Nichts tut so gut wie ein Tag in den heißen Quellen.» Sie blinzelte Lucy zu, die misstrauisch in den grauen Himmel schaute. Die Wettervoraussage hatte die beiden nicht von ihrem Trip hierher abgehalten.
Lucy hatte nichts gegen diese Überraschung einzuwenden gehabt. Hekla hatte ein bisschen Personalroulette gespielt, damit sie alle frei bekamen. Alex und Dagur übernahmen die Schicht an der Rezeption, auch wenn Alex die letzten Nächte praktisch keinen Schlaf bekommen hatte, und Gunnar half Freya beim Bettenwechsel und beim Putzen der Badezimmer, damit auch Elin und Brynja mitkommen konnten.
«Ich freu mich schon drauf», sagte Lucy, und sie meinte es auch so. Nach mehr als vierundzwanzig Stunden im Bett fühlte sie sich schon so viel besser, auch wenn sie Alex bereits vermisste. Sie hatte ihn seit gestern Mittag kaum gesehen, nur im Halbschlaf hatte sie mitbekommen, dass er ein paar Mal in der Nacht nach ihr gesehen hatte. Er hatte ihr einen Finger an die Wange gelegt, die
Haare aus ihrem Gesicht gestrichen und geflüstert: «Schlaf gut.»
Als Hekla den Ausflug vorgeschlagen hatte, hatte Lucys schmerzender Körper sofort ja gesagt, und Alex, der ihr das Frühstück gebracht hatte, hatte dem Vorschlag zögernd zugestimmt, unter der Bedingung, dass sie nichts anderes taten als sich zu entspannen.
Lucy schob sich die Tasche über ihre schmerzfreie Schulter und folgte den anderen zu den Umkleiden. Viele der Hotelgäste hatten ihr schon von den verschiedenen heißen Quellen und Bädern auf Island berichtet. Sie hatte schon längst eines besuchen wollen; und dieses Thermalbad sah wirklich sehr schick und trendy aus.
«Die Touristen kennen immer nur die Blaue Lagune
», erklärte Elin. «Aber dieses hier ist mein Lieblingsbad. Viel ruhiger und nicht so teuer.»
«Besonders jetzt, bevor die Busse ankommen», bemerkte Hekla mit leicht abfälligem Ton, sodass Lucy und Brynja sich ein Lachen nicht verkneifen konnten.
Hekla hob gutgelaunt die Schultern und lächelte. «Macht euch nur über mich lustig, aber ich habe die hier …» Aus ihrer Tasche holte sie einen Stapel der kuschelig weichen Bademäntel, die für die Luxus-Gästesuiten reserviert waren. «Ich habe sie für heute ausgeliehen.»
«Gute Idee», meinte Elin.
«Ich werde so tun, als hätte ich das gar nicht gesehen», sagte Lucy mit ernstem Ausdruck und nahm dankbar einen der Bademäntel an.
Die Umkleideräume waren geräumig. Einige Besucher zogen sich bereits um, und zu Lucys Entsetzen gab es nur
eine große Gemeinschaftsdusche. Bevor sie nach Einzelduschen fragen konnte, war es schon zu spät – Hekla, Brynja und Elin zogen sich fröhlich aus und schienen nicht die geringste Scham zu empfinden. Lucy schluckte. Das lag eindeutig außerhalb ihrer Komfortzone! Einen Augenblick lang zögerte sie. Doch die anderen marschierten so unbesorgt hinüber in die Duschen, dass sie unmöglich hierbleiben konnte.
«Kennt ihr schon mein Muttermal?» Hekla deutete auf einen Leberfleck auf ihrer Brust, während sie einen Arm unter das strömende Wasser hob und ihre Achseln einseifte.
«Wow, ist das echt? Sieht aus wie der Hekla Vulkan», staunte Brynja. «Bist du etwa ein Elfenkind?»
«Ich weiß, cool, oder? Wer braucht ein Tattoo, wenn man so ein Muttermal hat?»
«Ich will unbedingt ein Tattoo», meinte Brynja. «Das da finde ich cool.» Sie deutete auf den Schmetterling, der über Elins Bauchnabel flatterte.
«Ja», grinste Elin. «Besonders wenn mein Freund Roger ihn küsst und sich von dort nach unten arbeitet. Oh, yes, baby.»
Brynja schüttelte ihre dunklen Haare, während ihr das Wasser über ihre breiten Schultern lief. «Gunnar ist in der Hinsicht ja etwas schüchtern.»
«Versuch’s mal mit Honig. Du musst ihm eine Spur legen», meine Elin. «Das klappt immer.» Sie zwinkerte ihr fröhlich zu.
Lucy kleidete sich komplett aus, holte tief Luft und zog ihre Schultern herunter. Sie würde das schaffen. Sie setzte
ein strahlendes Lächeln auf, hob das Kinn und marschierte locker in die Dusche, auch wenn sie sich innerlich mehr als angespannte.
«Hey, Lucy.» Brynja machte Platz, während sie ihre dunklen Schamhaare einseifte. Sie drehte sich wieder zu Elin. «Meinst du, Brennivin oder Wodka statt Honig gehen auch?»
«Oder du malst dir einen Pfeil auf den Bauch, der in Richtung Honigtopf zeigt», schlug Hekla vor.
«Hey, du könntest dir auch die Gebrauchsanweisung tätowieren lassen», meinte Elin grinsend.
Sie lachten laut, Lucy nahm etwas vom Duschgel und hob ihren Arm.
«Ich muss erst noch jemanden finden, der sich meines Honigtopfes annimmt», sagte Hekla traurig, während sie ihre langen, schmalen Beine einseifte. «Das ist schon viel zu lange her.»
«Was ist denn mit diesem heißen Typen passiert, diesem Dänen?», fragte Elin. Sie legte den Kopf zurück und ließ sich das Wasser durch die kurzgeschnittenen blonden Haare laufen.
«Er ist zurück in Dänemark. War nur im Urlaub hier.»
«Das ist echt schade», sagte Lucy in dem Versuch, sich an der Unterhaltung zu beteiligen, während sie sich die Achseln einseifte. Nach den bildhaften Anweisungen, was man alles zu tun hatte, bevor man die heißen Becken betrat, hatte sie noch einiges zu tun.
Hekla lachte. «Ach, in zwei Tagen kann man ja eine Menge machen. Er war … wie heißt das … ziemlich gut bestückt.»
«Zwei Tage?» Lucy versuchte ihre Überraschung zu verbergen.
«Keine Sorge, er war kein Gast. Ich habe ihn in Reykjavik getroffen.» Hekla lächelte.
«Kennt ihr schon diese neue Bar in Reykjavik?», mischte sich Elin ein, während sie sich eine Hand zwischen ihre Beine schob. «Die mit der blauen Beleuchtung. Die ist so cool. Da sollten wir mal hingehen.»
«Wisst ihr noch? Die Nacht im …» Brynja nannten einen isländischen Namen, der klang wie eine Anhäufung von Konsonanten. Ein Chor von begeisterten Stimmen erklang.
«Sie sprechen alle so gut Englisch …», sagte Lucy. Es war wirklich unglaublich, wie gut sie die Fremdsprache beherrschten. «Ich fühle mich ganz schlecht – wenn Sie sich lieber in Ihrer eigenen Sprache unterhalten wollen …» Sie holte tief Luft und fing an, sich zwischen den Beinen abzuseifen. Niemand interessierte sich dafür. Natürlich nicht. Das war hier ganz normal.
«Nein, alles gut», sagte Brynja. «Wir sind daran gewöhnt. Ich habe eine Weile in den Staaten gewohnt, Elin war als Kind vier Jahre in Kanada, und Hekla, wo hast du noch mal gelebt?»
«London, Washington D.C., Auckland. Mein Vater war Botschafter.» Hekla zuckte die Schultern. «Englisch zu sprechen, ist ganz normal für uns.» Sie trat aus der Dusche und ging zur Bank, auf der sie ihre Taschen abgestellt hatten.
Lucy trat aus der Dusche und stand splitternackt vor den anderen drei Frauen, die sich angeregt unterhielten,
während sie ihre Badesachen aus den Taschen holten; niemand beachtete sie.
«Hier, Lucy, der wird Ihnen gut passen.» Elin reichte ihr den kleinsten Bikini, den sie je gesehen hatte. Als sie ihn angezogen hatte, zupfte sie an den winzigen Dreiecken, damit der Stoff etwas mehr von ihrem Körper verdeckte – was irgendwie albern war, wo sie eben noch mit ihnen allen nackt in der Dusche gestanden hatte.
«Hey», sagte Elin. «Sofort aufhören. Sie haben eine tolle Figur. Sie sollten ruhig damit angeben.»
«Ja», meinte Brynja. «Sie haben sie ganz schön versteckt.»
«Ehrlich», stimmte Hekla zu. «Das habe ich auch schon bemerkt, Lucy Smart. Wieso tun Sie das bloß?»
Lucy zuckte unter ihren Blicken beschämt die Schultern.
«Ich bin vielleicht … einfach schüchtern.»
«Na, dazu gibt es wirklich keinen Grund. Sie sehen super aus.» Hekla grinste sie an. «Auch wenn ich annehme, dass Alex das schon herausgefunden hat.»
Mit hochrotem Gesicht folgte Lucy den anderen zum Poolbereich. «Äh, nein. Er … ist nur die Nacht geblieben.» Oh Gott, das klang nicht so, als wäre da nichts gewesen.
«Wenn ein Mann die Nacht bei Ihnen verbringt, dann wollen wir natürlich auch Einzelheiten wissen», meinte Elin und schlug leicht nach Lucys Hand, die wieder versuchte, das winzige Dreieck über ihren Brustwarzen auseinanderzuziehen.
In der nun folgenden Diskussion, ob sie zuerst in die Sauna, ins heiße Becken, in den Dampfraum oder in eines
der Schwimmbecken gehen sollten, hoffte Lucy, die anderen würden das Thema Alex vergessen, doch damit lag sie falsch. Sobald sie es sich in einem der heißen Becken bequem gemacht hatten, kam Hekla darauf zurück.
«Also los, erzählen Sie. Was läuft? Kümmert er sich gut um Sie?» Hekla strich ihr über den Arm. «Denn das haben Sie wirklich nötig.» Sie schob Lucy nach vorn und fuhr mit dem Finger um den großen blauen Fleck auf ihrem Schulterblatt.
«Mir geht es schon viel besser. Dank der Wikingersalbe.» Und natürlich nicht wegen Alex’ sanfter Behandlung.
«Das meinte ich nicht.» Hekla schenkte ihr einen bedeutungsvollen Blick. «Als Sie hier ankamen, wirkten Sie ein bisschen ramponiert.»
Die beiden anderen Frauen nickten.
Lucy stöhnte und rutschte mit den Schultern tiefer ins Wasser. Am liebsten hätte sie auch noch den Kopf unter Wasser getaucht. «Oh, Gott, war das so offensichtlich?»
«Nur für uns, weil es jetzt nicht mehr so ist», meinte Elin und breitete ihre langen, eleganten Arme zu beiden Seiten aus. «Aber immer, wenn Sie dachten, wir schauen nicht hin, wirkten Sie so verletzt und ängstlich. Wir wollten eigentlich ein bisschen mehr auf Sie aufpassen, aber an dem Abend, als Erik sich das Bein gebrochen hatte, da hat Hekla uns berichtet, wie superorganisiert Sie waren und», sie grinste Lucy an, «und superbossy. Und dann dachten wir, vielleicht brauchen Sie uns doch nicht.»
Lucys Herz setzte einen Schlag aus. «Nun, um ehrlich zu sein, hatte ich wirklich ein paar Themen.» Sie trat ein bisschen Wasser, dann holte sie tief Luft. Und erzählte
ihnen alles. Nachdem sie es mit Alex geschafft hatte und der Geschichte sogar ihre komischen Seiten hatte abgewinnen können, fiel es ihr nicht mehr ganz so schwer. Doch dann stieg Hekla aus dem Becken und holte ihr Handy, um auf YouTube nach dem Video zu suchen.
Es fühlte sich ziemlich unwirklich an, in einem heißen Becken zu sitzen und ihrem eigenen halbbetrunkenen Selbst zuzusehen, während der Schnee leise auf sie herabfiel. Besonders im Vergleich zu dem einzigen anderen Mal, als sie sich dieses Video angeschaut hatte, nämlich in einem abgedunkelten engen Büro.
«Sie können echt nicht singen, was?», meinte Brynja und kicherte. «Meine Katze klingt ja besser.»
Auch Elin lachte. «Das ist wirklich schlimm. Ich denke die ganze Zeit, gleich fallen Sie hin.»
«Ich glaube, das tue ich auch», meinte Lucy.
«Oh, schaut euch das an.» Elin lachte erneut und deutete auf den Bildschirm, als Lucy tatsächlich stolperte und ihr Hintern das ganze Bild ausfüllte. «Gut, dass Sie so einen hüschen Po haben.»
Lucy blinzelte. Die drei schienen das Video vor allem lustig zu finden und kein bisschen peinlich.
«Das war ja eine coole Bewegung, Lucy. Zeig noch mal, Brynja.» Hekla versuchte, ihr das Handy aus der Hand zu nehmen. Sie grinste. «Ich will sehen, wie sie sich den Slip auszieht.»
Es gab noch mehr Gelächter und Witze, aber keine der Frauen sah auch nur ein bisschen schockiert oder ablehnend aus. Als das Video zu Ende war, schaute Hekla Lucy an und meinte: «Kann ich mir das Outfit mal ausleihen?»
Lucy prustete bei dem Gedanken an Hekla in dem kleinen rot-weißen Outfit los. «Sie würden umwerfend darin aussehen», sagte sie und presste die Lippen zusammen. Hekla könnte es viel besser tragen, und mit ihrer lockeren Einstellung wäre es vermutlich auch etwas für die anderen beiden Frauen.
«Aber was für ein Mistkerl», sagte Elin. «Das war absolut privat. Ich verstehe, warum Sie sauer waren. Was haben Sie mit ihm gemacht? Ich hätte ihm ganz bestimmt gedroht, ihm den Schwanz mit der stumpfen Schere abzuschneiden und zu Hackfleisch zu machen.» Sie schlug mit der Handkante ins Wasser, und sie mussten alle lachen.
«Ich hätte mir sein Auto vorgenommen. Zucker im Tank. Olivenöl auf den Fenstern – das ist richtig schwer abzukriegen, und der Motor ist ruiniert», meinte Brynja.
«Ich hätte ihn total abgefüllt und gewartet, bis er schläft, und dann hätte ich mit Edding kúkalabbi
auf seine Stirn geschrieben», meinte Hekla und zeigte auf ihre Stirn, während die anderen beiden Frauen laut losprusteten.
«Das bedeutet Arschloch», erklärte Brynja, «aber die wörtliche Übersetzung ist ‹Scheiße auf zwei Beinen›.»
«Bitte sag mir, dass du das noch nie gemacht hast», meinte Elin zu Hekla, die weiterhin vor sich hin kicherte, sodass das Wasser um ihren Oberkörper Wellen schlug.
«Wer, ich?» Heklas unschuldig aufgerissene Augen sprachen Bände.
«Ich werde mir merken, mich nicht mit Ihnen anzulegen», sagte Lucy und schauderte gespielt.
«Also, was haben Sie mit ihm gemacht?», fragte Hekla. «Bitte sagen Sie, dass Sie irgendwas gemacht haben.»
Lucy nickte mit zuckendem Mundwinkel. «Allerdings war es nicht ganz so brutal.»
«Aber Sie haben etwas getan.»
Lucy nickte. Noch nicht einmal Daisy hatte sie von ihrer Rache erzählt. «Am Tag, bevor ich herkam, war er unterwegs, und ich musste noch ein paar Sachen aus unserer Wohnung holen. Ich …» Sie lächelte bei der Erinnerung. «Ich habe frische Krabben in den Saum unserer Vorhänge genäht.»
«Toll!», meinte Brynja.
«Und sehr geruchsintensiv», sagte Elin und rümpfte die Nase.
«Das ist eine gute Rache, finde ich», sagte Hekla mit breitem Grinsen. «Subtil und dauerhaft.»
Lucy stellte sich vor, wie Chris verzweifelt versuchte, den Geruch und dessen Quelle zu identifizieren. Sie musste kichern. Sie hatte sich nie gestattet, daran zu denken, was seither mit ihm passiert war.
Hekla hielt eine Hand hoch, Lucy tat es ihr gleich, und dann schlugen sie alle nacheinander Lucys Hand ab.
«Legt euch nicht mit Lucy an.» Elin nickte.
«Die kann wirklich mit der Nähnadel umgehen.» Lucy grinste.
«Aber Sie haben uns immer noch nichts von Alex erzählt», meinte Hekla ein paar Minuten später. Sie setzte sich dabei aufrechter hin, sodass ihre Schultern aus dem Wasser traten.
Verdammt. Lucy hatte gehofft, sie wäre dem Thema entkommen.
«Da gibt es nichts zu erzählen», sagte sie. «Er ist die Nacht geblieben, aber es war …» Sie dachte an die Küsse auf ihrem Rücken. «Es ist noch zu früh.»
«Ah, aber Ihrem Kopf geht es jetzt besser», sagte Brynja, die sie absichtlich missverstehen wollte.
«Ich … ich treffe mich heute Abend mit ihm.»
Schmetterlinge flatterten vorfreudig in ihrem Bauch, als sie an ihr kurzes Gespräch dachte, nachdem Hekla ihren Ausflug organisiert und dann abgezogen war, um zu packen.
«Du siehst besser aus», hatte er gesagt. «Lass uns doch heute Abend hier zusammen essen, wenn du zurück bist. Du solltest es nicht übertreiben. Ich sage Kristjan, dass er uns ein Tablett zurechtmacht.» Es war seltsam: Dafür, dass sie daran gewöhnt war, immer die Entscheidungen zu treffen, genoss sie es beinahe, wie er das übernahm. Als sie mit Chris zusammen war, hatte er meist keine Meinung gehabt – in welches Restaurant sie gehen, welchen Film sie sehen wollten –, sodass sie sich daran gewöhnt hatte, immer für sie beide zu entscheiden. Besonders wenn er dann auch noch schmollte, falls der Film oder das Essen dann doch nicht nach seinem Geschmack war.
«Sie sehen ihn also heute Abend.» Hekla rieb sich die Hände.
«Und welchen Teil von ihm sehen Sie heute Abend?», neckte Elin und bespritzte Lucy mit Wasser.
«Ja, der Typ sieht echt gut aus», sagte Hekla. «Ich wüsste ja, an welchen Teil von ihm ich Hand anlegen würde.»
Elin stieß sie in die Seite. «Du musst wirklich bald mal Sex haben.»
«Ich weiß. Spielzeug ist einfach nicht dasselbe wie ein echter Männerkörper. Und ich schaue so gern zu, wie ein Mann sich auszieht.» Hekla seufzte laut. «Das vermisse ich. Besonders wenn ich höre, wie Miss B hier nebenan mit ihrem Mann rummacht.»
«Ich besorge dir ein paar Ohrenstöpsel», meinte Brynja, die kein bisschen beschämt wirkte.
«Wir werden gar nicht …» Lucy protestierte schwach. Sie war dankbar, dass sie schon vom warmen Wasser rot geworden war.
«Wieso denn nicht, herrje?», fragte Hekla. «Er ist echt heiß. Er ist süß, und er ist ein netter Kerl. Ich wette, er gibt sich richtig Mühe im Bett. Nicht so ein selbstsüchtiger Typ, der nur an sich denkt.» Sie grinste Elin an. «Ich wette, er kennt den Weg zum Honigtopf.»
Lucy schluckte. Okay, bei dem Kuss und nachdem sie unabsichtlich ihre Beine geöffnet hatte, hatte sie sich durchaus ein paar Phantasien über Alex’ magische Hände hingegeben, aber die waren sehr privat und sicherlich nicht besonders weit gediehen. Sie rutschte tiefer ins Wasser, als könnte sie damit das Gefühl verbergen, wie unterlegen sie sich den anderen Frauen gegenüber fühlte.
Zu ihrem Entsetzen berichteten Elin und Hekla jetzt von den besten Techniken, die sie kannten.
Lucy fühlte, wie sie knallrot wurde.
«Die geben doch nur an», sagte Brynja leise zu ihr. «Hekla hätte so gern einen festen Freund und hofft, dass Kristjan sie endlich bemerkt. Und Elin himmelt ihren Freund Roger an. Aber auf Island reden wir einfach offener über Sex.»
«Das merke ich. Ich wünschte, ich könnte das auch … nach Chris … ich glaube, ich bin nicht besonders gut im Sex.»
Brynja lachte leise. «Niemand ist allein gut im Sex. Dazu braucht es nun mal zwei, und beide müssen sich anstrengen, damit es gut läuft. Dieser Chris scheint sich nicht wirklich dafür interessiert zu haben. Er hat Sie dazu gedrängt, Dinge zu machen, bei denen Sie sich nicht wohlfühlten. Seien Sie nett zu sich selbst. Wenn es mit Alex stimmt, dann müssen Sie nichts tun, was Sie nicht wollen. Wir sind doch alle unterschiedlich. Hekla ist stolz und selbstsicher genug, um ihren Körper mit jedem zu teilen, den sie sich aussucht. Und niemand schaut sie deshalb schräg an. Es ist eine großartige Haltung … wenn man sie leben kann. Frauen sollten sich nicht dafür schämen, Spaß am Sex zu haben. Damit sind wir aufgewachsen.» Sie lächelte.
«Bei uns ist das ganz anders», sagte Lucy. «Ich bin mit all diesen schlimmen Ausdrücken groß geworden, die natürlich alle nur für Frauen gelten: Schlampe, Nutte, leicht zu haben … Und meine Eltern haben nie auch nur über Sex gesprochen.» Lucy verzog das Gesicht. «Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sie mich überhaupt gezeugt haben. Ich glaube, ich habe noch nie gesehen, wie mein Dad meine Mum geküsst hat.»
«Das ist gut», meinte Brynja und verdrehte grinsend die Augen. «Eltern, die ihre Zuneigung sehr offen zeigen, können total peinlich sein, das kann ich Ihnen sagen.»
Sie lachten, dann sprang Hekla auf. «Kommt, lasst uns in die Sauna gehen.»
Den Rest des Vormittags schneite es heftiger. Es war ein merkwürdiges Gefühl, fand Lucy, das Gesicht den eisigen Flocken entgegenzuheben, während ihr restlicher Körper unter Wasser mollig warm war. Sie liefen barfuß über die eiskalten Planken in die Sauna und dann von Becken zu Becken, bis sie in den Dampfraum kamen. Lucy war etwas nervös, denn der Fußboden lag über einer heißen Quelle, die man blubbern und zischen hörte. Mittags schlüpften sie in ihre Bademäntel und gingen in das helle, luftige Restaurant. Sie aßen Roggenbrot aus dem heißen Lavaofen mit zartem geräuchertem Lachs – dem besten, den Lucy je gegessen hatte – und tranken dazu ein Glas Rotwein.
Lucy fühlte sich herrlich müde und entspannt. Was für ein Tag! Hierher würde sie auf jeden Fall noch einmal kommen.
«Das war wirklich toll, vielen Dank, dass Sie mich mitgenommen haben.» Lucy lächelte Hekla an. «Ich sollte mir wirklich mehr Zeit für solche Sachen nehmen. Mir mal die Nägel machen lassen und zum Friseur gehen.»
Hekla zückte ihr Handy. «Die beste Freundin meiner Schwester ist Friseurin in Hvolsvöllur.» Sie tippte bereits eine Nachricht. «Wir können doch alle auf dem Rückweg bei ihr vorbeischauen.»
Und bevor Lucy es sich anders überlegen konnte, hatte sie schon einen Termin.
«Danke», sagte sie und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. «Für alles heute. Ich fühle mich so entspannt, und meine blauen Flecken tun auch nicht mehr so weh. Meine Schultern waren vorher derartig verspannt.» Das war ihr besonders bewusst geworden, als Alex die harten Muskeln
dort bearbeitet hatte. «Dieses Wasserstrudeldings hat total gutgetan.» Sie hatten Ewigkeiten unter den Wasserfällen verbracht, die in eines der Becken strömten.
«Das liegt daran, dass Sie zu viel Zeit am Computer verbringen.»
Lucy zuckte die Schultern. «Es gibt immer so viel zu tun.»
«Und Sie können sich da gut vor der Filmcrew verstecken.» Hekla zog wieder mal amüsiert die Augenbrauen hoch.
«Das stimmt.» Lucy versuchte, ganz locker zu klingen, doch es gelang ihr nicht. «Ich kann kaum erwarten, wenn sie endlich weg sind.»
«Nicht mehr lange. Nach unserem Isländischen Abend reisen sie ab.» Hekla grinste. «Und das wird ein Riesenerfolg. Halb Hvolsvöllur kommt, nachdem Sie den Bürgermeister eingeladen haben. Alle wollen dabei sein. Das wird ein sehr voller, wunderbarer Abend. Freya gibt die Märchentante.»
«Ja, und hoffentlich konzentriert sich die Kamera auf sie und nicht auf mich, während ich hin und her renne wie eine Irre.»
«Dieser Bob-Mann scheint Sie wirklich gern zu filmen», sagte Hekla nachdenklich.
«Ja», stimmte Elin zu. «Er beobachtet sie ständig. Und dieser Clive ist auch nervig. Er redet immer so übertrieben begeistert. Was für ein Angeber.»
«Aber nicht so gruselig wie Bob.» Brynja rümpfte die Nase. «Hat er Sie belästigt?», fragte sie Lucy scharfsinnig.
Lucy wollte die Sache schon mit einem Achselzucken
abtun, aber dann nickte sie grimmig. «Ja. Er weiß von dem Video. Er hat mir gedroht, den neuen Hotelbesitzern davon zu erzählen. Er hat vorgeschlagen, dass ich mit ihm einen Film drehe.»
«Wie ekelhaft», sagte Elin mit wütendem Blick.
Hekla machte eine Geste, als müsste sie sich übergeben.
«Ich habe es geschafft, ihm seitdem aus dem Weg zu gehen, und sie sind ja bald weg. Also, wer möchte einen Kaffee?» Lucy verschränkte die Arme über der Brust und stellte damit klar, dass das Thema beendet war.
Kameramann Bob drückte sich im Flur herum, als die Frauen ins Hotel zurückkehrten. Sie waren gerade mit ihren Taschen voller Badesachen und feuchten Bademänteln auf dem Weg zur Wäscherei und unterhielten sich dabei angeregt.
«Ich kümmere mich um die Wäsche», bot Lucy an und zog ihren Bademantel aus der Tasche, wobei sie Bob ausdrücklich ignorierte. «Vielen Dank fürs Organisieren, Hekla. Es war wirklich toll.»
«Hatten die Damen Spaß?», fragte Bob.
«Wir waren im Fontana Spa», sagte Elin mit dem höflichen Lächeln, das sie für schwierige Gäste reserviert hatte.
«Schön.» Er grinste. «Alle Single-Ladys zusammen.» Er wackelte in einer misslungenen Beyoncé-Imitation albern mit den Hüften.
«Oh Bob.» Elin senkte ihre Stimme und hauchte flüsternd: «Sie schlimmer Junge», wobei sie dem Mann auf den Jeans-Hintern schlug, und das so hart, dass es laut durch
den Flur knallte. Bob riss den Kopf hoch, und seine Augenbrauen tanzten wie Tausendfüßler auf Speed. Er schaute sie überrascht und unsicher an, dann merkte er, dass auch die anderen zwei jungen Frauen ihn umkreisten wie hungrige Hyänen und dass er irgendwie durch die Tür in die Wäscherei gedrängt wurde.
Elin marschierte mit großen Schritten um ihn herum, wobei sie die Füße übersetzte wie ein Model auf einem Hochseil, öffnete ihren Mantel und ließ ihn über die Schultern auf den Boden fallen.
«Was meint ihr, Mädels? Sollten wir uns dieses Pony nehmen und kräftig durchreiten?»
Bob riss die Augen auf, und Lucy musste beinahe laut losprusten, als sie merkte, dass Brynja ihr Handy rausgezogen hatte und alles filmte.
Elin, die um einiges größer war als Bob, schob ihre Brüste vor, presste sie gegen ihn und fuhr mit den Fingern über sein aufgedunsenes Gesicht; dann zwickte sie ihm fest ins Ohrläppchen und flüsterte ihm etwas zu. Er ließ eine Hand unter seinen Gürtel fallen, wie um sich zu schützen, und wurde blass.
«Ich habe gehört, Sie wollen ein Video drehen», sagte Elin laut.
Bob schluckte, und sein Blick huschte nervös im Zimmer herum auf der Suche nach einem Fluchtweg.
Mit einer einzigen Bewegung entledigte Elin sich ihres Shirts.
«Und jetzt du, Bob.»
Er starrte sie mit glasigem Blick an. Schweißperlen traten auf seine Stirn.
«Komm schon, mach mit», sagte Elin und zog an seinem T-Shirt. Langsam zog er es sich über den Kopf.
Hekla trat vor und zog sich ebenfalls obenrum aus. Ohne jede Scham stand sie in ihrem Balconette-BH
vor ihm.
Bob wusste gar nicht mehr, wohin er schauen sollte – sein Kopf flog zwischen Hekla und Elin hin und her.
«Jetzt bist du wieder dran, Bob.» Elin deutete mit dem Kopf auf seine Gürtelschnalle.
«Brauchst du Hilfe?», fragte sie und machte eine obszöne Geste.
Lucy presste die Lippen zusammen. Elin ignorierte die Angst, die sich in seinem Gesicht zeigte. Sie zog bereits an seinem Gürtel.
«Ich …» Bob schlug ihre Hand weg.
«Worauf wartest du?» Sie hatte den Gürtel bereits geöffnet und zog an seinem Reißverschluss.
«I-i-ich … ich glaube, das ist … keine so gute Idee.» Er wand sich aus ihrem Griff, hielt seine Hose fest und schaute entsetzt zu Brynja, die ihr Handy in die Höhe hielt, als wüsste er mit seinem Kameramann-Instinkt, wie lächerlich er gerade aussah. Zwei umwerfende blonde Schönheiten und ein kleiner dicker Mann.
«Das finden wir aber schon, Bob», sagte Elin. Sie legte eine Hand auf die Hüfte und schob ihm ihre Brüste unter die Nase.
«Ich glaube, ich möchte das nicht», meinte er jämmerlich.
«Ach, du möchtest nicht?» Elin drehte den Kopf zu den anderen, als wäre sie die Stammesanführerin, die ein Opfer verlangte.
«Nein, wirklich nicht.» Er griff hektisch nach seinem T-Shirt, und sein weicher, schlaffer Bauch wellte sich dabei über seinen Hosenbund. Elin war schneller und wedelte mit ihm wie ein Stierkämpfer vor seiner Nase herum. «Geben Sie mir das zurück.»
Lucy fühlte sich unbehaglich.
«Das reicht jetzt.» Sie schaute zu Brynja und nickte.
«Na dann, Bob.» Lucy trat vor. «Vielleicht haben Sie jetzt gemerkt, wie es ist, wenn man belästigt wird. Nicht so witzig, oder? Es macht irgendwie gar keinen Spaß, stimmt’s?»
Er wurde knallrot und zog sich hektisch sein T-Shirt an.
«Ich wollte nicht … ich hab … hab nur Spaß gemacht, dass ich ein Video drehen will. Sie müssen … das müssen Sie missverstanden haben.»
Hekla, Elin und Brynja hatten sich mit verschränkten Armen nebeneinander aufgestellt und sahen ihn mit eisigen Blicken an.
«Ach so, ich habe das missverstanden. Na, dann ist ja alles gut», sagte Lucy. «Ich denke, wir verstehen uns jetzt genau. Aber nur, damit wir uns wirklich ganz verstehen: Wenn Sie mein Video zeigen, dann zeige ich das von Ihnen.»
Bob schluckte, nickte und wich zur Tür, wobei sein Blick immer wieder zu Elin schoss, als wäre sie eine Kobra, die jeden Moment zuschnappen konnte.
Als er die Tür erreicht hatte, lächelte Elin ihn an und winkte ihm hinterher.
Vermutlich rannte Bob zu schnell den Flur entlang, um das laute Gelächter zu hören, das kurz nach seiner Flucht losbrach.