»MAISBREI UND ZIEGENMILCH!«
Alle drängten sich vor — Soldaten, Indianer, caballeros — und umringten Don Diego Vega und die Senorita, die seinen Arm umfasst hielt und aus stolzen, leuchtenden Augen zu ihm aufsah.
»Erzählt! Erzählt!«, riefen sie.
»Angefangen hat es vor zehn Jahren, als ich noch ein Knabe war«, sagte er. »Ich hörte Geschichten von Verfolgung und Unterdrückung. Ich sah, wie meine Freunde, die frailes, entehrt und bestohlen wurden. Ich sah Soldaten einen alten Indianer, der mein Freund war, verprügeln. Und dann beschloss ich, dieses Spiel zu spielen.
Ich wusste, dass es kein leichtes Spiel würde. Und so gab ich vor, mich kaum für das Leben zu interessieren, auf dass niemand je meinen Namen mit dem des Banditen, der ich werden wollte, in Verbindung bringen würde. Heimlich lernte ich reiten und den Umgang mit dem Degen -«
»Bei allen Heiligen, das hat er wirklich«, brummte Sargento Gonzales.
»Zur Hälfte war ich der träge Don Diego, den ihr alle kanntet, die andere Hälfte aber war der Fluch von Capistrano, der ich einmal sein wollte. Und schließlich kam der Tag, und ich machte mich ans Werk. Es ist schwer zu erklären, Senores. In dem Moment, in dem ich Mantel und Maske anlegte, fiel Don Diego von mir ab. Mein Körper straffte sich, frisches Blut schien mir durch jede Ader zu strömen, die Stimme wurde stark und fest, Feuer loderte in mir! Kaum aber legte ich Mantel und Maske ab, wurde ich wieder der träge Don Diego. Ist das nicht seltsam? Ich freundete mich mit dem dicken Sargento Gonzales hier an, und das nicht ohne Grund.«
»Ha! Den Grund kann ich mir schon denken, caballeros!«, rief Gonzales. »Abgewunken habt Ihr jedes Mal, wenn von Senor Zorro die Rede war, nichts wolltet Ihr hören von Blutvergießen und Gewalt, aber jedes Mal habt Ihr mich gefragt, in welche Richtung ich denn mit meinen Leuten reiten würde -und dann seid Ihr in die entgegengesetzte Richtung gezogen, um dort Eurem verfluchten Handwerk nachzugehen.«
»Ihr seid ein hervorragender Denker«, sagte Don Diego und lachte wie alle anderen um ihn herum. »Ich habe mich sogar mit Euch geschlagen, nur damit Ihr nicht erraten würdet, dass ich Senor Zorro bin. Erinnert Ihr Euch noch an die Regennacht in der Taverne? Ich hörte mir Eure Prahlerei an, ging davon, um Maske und Mantel anzulegen, kehrte zurück, kämpfte mit Euch, floh, legte Mantel und Maske wieder ab und kehrte abermals zurück, um Euch aufzuziehen.«
»Ha!«
»Ich besuchte als Don Diego die Hacienda Pulido und kehrte kurz darauf als Senor Zorro zurück, um mich dort mit der Senorita zu unterhalten. Ihr hättet mich beinahe geschnappt, Sargento, in jener Nacht, bei Fray Felipe - in der ersten Nacht, meine ich.«
»Ha! Und mir habt Ihr dort erzählt, Ihr hättet Senor Zorro nicht gesehen.«
»Was ja auch stimmte. Der fray hat keinen Spiegel, er hält es für eitel Blendwerk. Der Rest ist natürlich nicht mehr sonderlich geheimnisvoll. Ihr werdet leicht verstehen, wie es mir möglich war, als Senor Zorro in meinem eigenen Haus in der Stadt aufzutauchen, als der Kommandant die Ehre der Senorita beleidigte. Und Senorita mag mir die Täuschung verzeihen. Ich machte ihr als Don Diego den Hof, und sie wollte nichts von mir wissen. Dann versuchte ich es als Senor Zorro, und die Heiligen waren gnädig. Denn sie kehrte dem Reichtum Don Diegos den Rücken zugunsten des Mannes, den sie liebte und von dem sie doch damals dachte, er sei ein Ausgestoßener, ein Geächteter. Sie zeigte mir ihr wahres Herz, und dafür bin ich ihr zutiefst dankbar. Exzellenz, diese Senorita wird meine Frau werden, und ich gehe davon aus, dass Ihr es Euch zweimal überlegt, bevor Ihr ihrer Familie weiterhin nachstellt.«
Seine Exzellenz stieß die Hände in einer Geste der Resignation himmelwärts.
»Es war nicht leicht, euch alle zu narren, aber es ging«, fuhr Don Diego fort. »Nunmehr aber wird Senor Zorro nicht mehr reiten, denn es wird nicht mehr nötig sein. Außerdem sollte ein verheirateter Mann ja auch auf sein Leben achtgeben.«
»Und welchen von beiden werde ich nun zum Mann nehmen?«, fragte Senorita Lolita, und sie errötete, da sie die Worte für jedermann deutlich hörbar gesprochen hatte.
»Welchen liebst du denn?«
»Mir war, als liebte ich Senor Zorro, doch jetzt wird mir klar, dass meine Liebe allen beiden gehört«, sagte sie. »Ist das nicht schamlos? Aber Senor Zorro wäre mir lieber als der Don Diego, den ich kannte.«
»Wir werden versuchen, einen Mittelweg zu finden«, erwiderte er und lachte noch einmal. »Ich werde meine träge Art ablegen und mich langsam in den Mann verwandeln, der dir vorschwebt. Die Leute sollen sagen, dass die Ehe mich zum Mann gemacht hat.«
Er zog sie zu sich heran und küsste sie vor allen Leuten.
»Maisbrei und Ziegenmilch!«, fluchte Gonzales.