DIEGO AUF BRAUTSCHAU
Don Diego trank seinen Wein in kleinen Schlucken und sah hinaus über die Ebene. Don Carlos blickte ihn verwundert an, da er bemerkte, dass dieser noch etwas auf dem Herzen hatte, nur was konnte es sein?
»Ich habe diesen Ritt durch die Gluthitze und den verfluchten Staub nicht auf mich genommen, nur um mit Euch über diesen Senor Zorro oder sonst einen Banditen zu sprechen«, erklärte Don Diego nach einiger Zeit.
»Was auch immer Eure Mission ist, ich schätze mich glücklich, ein Mitglied Eurer Familie willkommen zu heißen«, erwiderte Don Carlos.
»Gestern Morgen hatte ich eine lange Unterredung mit meinem Vater«, fuhr Don Diego fort. »Er ließ mich wissen, dass ich mich dem Alter von fünfundzwanzig Jahren nähere und er der Ansicht sei, ich würde meinen Pflichten und Verantwortlichkeiten nicht auf die angemessene Art und Weise nachkommen.«
»Aber gewiss —«
»Ach, er wird zweifellos recht haben. Mein Vater ist ein weiser Mann.«
»Was niemand in Abrede stellen kann, Don Diego.«
»Er legte mir dringend nahe, aufzuwachen und zu tun, was von mir verlangt wird. Ich habe wohl geträumt, wie es aussieht. Ein Mann von meinem Wohlstand und meiner Stellung — verzeiht, wenn ich davon spreche - muss gewisse Dinge einfach tun.«
»Der Fluch der besseren Kreise, Senor.«
»Stirbt mein Vater, so fällt sein Vermögen natürlicherweise mir zu, da ich sein einziges Kind bin. Dieser Teil geht in Ordnung. Doch was, wenn ich sterbe? Das ist es, was mein Vater fragt.«
»Ich verstehe.«
»Ein Mann meines Alters, sagte er mir, sollte eine Frau haben, eine Gebieterin über seinen Haushalt, und er sollte — ähm - Nachkommen haben, die den erlauchten Namen erben und erhalten.«
»Was könnte wahrer sein?«, meinte Don Carlos.
»Daher habe ich beschlossen, mir eine Frau zu nehmen.«
»Ah! Jeder Mann sollte das tun, Don Diego. Gut erinnere ich mich noch an die Tage, da ich Dona Catalina freite. Wir waren verrückt danach, uns in die Arme zu sinken, aber eine ganze Weile hielt ihr Vater sie fern von mir. Ich war allerdings auch erst siebzehn, womöglich tat er also sogar das Richtige. Doch Ihr seid schon beinahe fünfundzwanzig. Nehmt Euch eine Braut, um Himmels willen.«
»Und so bin ich hierhergekommen, um Euch in dieser Sache zu konsultieren«, erklärte Don Diego.
»Um mich zu konsultieren«, wiederholte Don Carlos mit großen Augen, und ein klein wenig Furcht und ein Übermaß an Hoffnung keimten in seiner Brust.
»Es wird wohl recht ermüdend werden, nehme ich an. Liebe und Vermählung und all diese Dinge sind auf ihre Art sicherlich notwendige Übel. Allein schon die Vorstellung, dass ein Mann, der seine Sinne beieinander hat, einer Frau hinterherläuft, für sie auf der Gitarre zupft, ihr wie ein Narr etwas vorspielt, wo doch ein jeder seine Absichten kennt! Und dann erst die Feierlichkeiten! Da ich ein vermögender Mann von einigem Rang bin, wird die Hochzeit ausladend sein müssen, nehme ich an, die Indianer werden bewirtet sein wollen, und all das bloß, weil ein Mann seine Braut zur Gebieterin über seinen Haushalt macht.«
»Den meisten jungen Männern«, merkte Don Carlos an, »bereitet es das größte Vergnügen, eine Frau für sich zu gewinnen, und eine große und prunkvolle Hochzeit zu haben, erfüllt sie mit Stolz.«
»Ohne Frage. Aber es ist doch eine furchtbare Plage. Wie dem auch sei, ich werde mich dem unterziehen, Senor. Es ist meines Vaters Wunsch, wisst Ihr. Euch - wenn Ihr mir noch einmal verzeihen wollt — ist ein schweres Schicksal beschieden. Das ist natürlich eine Frage der Politik. Aber Ihr seid von hervorragendem Geblüt, Senor, dem besten im ganzen Land.«
»Ich danke Euch, dass Ihr diese Tatsache nicht vergessen habt«, sagte Don Carlos, der sich gerade lange genug erhob, um die Hand auf sein Herz zu legen und sich zu verneigen.
»Jedermann weiß das, Senor. Und ein Vega muss natürlich, wenn er sich nach einer Gefährtin umsieht, eine Frau von erstklassigem Blut erwählen.«
»Ohne den geringsten Zweifel!«, rief Don Carlos aus.
»Ihr habt eine einzige Tochter, Senorita Lolita.«
»Ach! In der Tat, Senor. Lolita ist jetzt achtzehn und ein schönes Mädchen, das über vollendete Gaben verfügt, wenn es einem Vater gestattet ist, das zu sagen.«
»Ich beobachtete sie in der Missionsstation und im Ort«, erklärte Don Diego. »Schön ist sie in der Tat, und ich hörte, sie sei eine wahre Dame. Ihre Geburt und Erziehung sind über jeden Zweifel erhaben. Ich denke, sie wäre die geeignete Frau, meinem Haushalt vorzustehen.«
»Senor?«
»Das ist der Zweck meines heutigen Besuches, Senor.«
»Ihr — Ihr bittet um die Erlaubnis, meiner geliebten Tochter den Hof machen zu dürfen?«
»Eben jenes, Senor.«
Don Carlos strahlte über das ganze Gesicht, und wieder sprang er von seinem Stuhl auf, diesmal, um nach Don Diegos Hand zu greifen.
»Sie ist eine zarte Blüte«, sagte der Vater. »Ich wäre überglücklich, sie verheiratet zu sehen, und ich stand dessenthalben nicht wenige Ängste aus, denn ich wünschte nicht, sie in eine Familie einheiraten zu sehen, die von geringerem Stande ist als die meine. Aber das ist keine Frage, wenn es um einen Vega geht. Ihr habt meine Erlaubnis, Senor.«
Don Carlos war entzückt. Eine Verbindung zwischen seiner Tochter und Don Diego Vega! Sein Vermögen wäre im Augenblick der Vermählung wiedererlangt. Einfluss und Macht wären wiederhergestellt!
Er rief nach einem Indianer und ließ nach seiner Frau schicken, und wenige Augenblicke später erschien Dona Catalina mit strahlendem Gesicht auf der Veranda, um den Besucher zu begrüßen, denn sie hatte gelauscht.
»Don Diego erwies uns die Ehre, die Erlaubnis zu erbitten, unserer Tochter seine Aufwartung machen zu dürfen«, erläuterte Don Carlos.
»Du hast sie ihm erteilt?«, fragte Dona Catalina; denn es wäre natürlich nicht angegangen, sich dem Mann an den Hals zu werfen.
»Ich habe sie ihm erteilt«, erwiderte Don Carlos.
Dona Catalina streckte die Hand aus, Don Diego bedachte sie mit einem matten Händedruck und ließ sie wieder fahren.
»Das wäre eine stolze Verbindung«, erklärte Dona Catalina. »Ich hoffe, Ihr könnt ihr Herz für Euch gewinnen, Senor.«
»Was das angeht«, sagte Don Diego, »wage ich zu hoffen, dass kein unnötiger Firlefanz vonnöten sein wird. Entweder die Dame will und bekommt mich, oder sie will nicht. Ändert sie denn ihre Meinung, wenn ich unter ihrem Fenster Gitarre spiele oder ihre Hand halte, wo ich nur kann, oder mir die Hand auf die Brust lege und seufze? Ich will sie zur Frau, andernfalls wäre ich ja nicht hierhergeritten, um ihren Vater um ihre Hand zu bitten.«
»Ich - ich … selbstverständlich«, sagte Don Carlos.
»Ach, Senor, aber ein Mädchen sehnt sich danach, erobert zu werden«, warf Dona Catalina ein. »Das ist ihr Vorrecht, Senor. Die Stunden der Werbung behält sie ein Leben lang in Erinnerung. Sie erinnert sich an die Artigkeiten, die ihr Geliebter ihr sagte, an den ersten Kuss, als sie beieinander am Fluss standen und sich in die Augen schauten, und wie er plötzlich um sie bangte, als sie ausritten und ihr Pferd scheute — an solche Dinge, Senor. Es ist wie ein kleines Spiel, und es wird seit Anbeginn der Zeit gespielt. Närrisch, Senor? Vielleicht, wenn man es mit kaltem Verstand betrachtet. Und dennoch wundervoll.«
»Davon weiß ich nichts«, widersprach Don Diego. »Ich bin noch nie aufgescheucht herumgerannt, um einer Frau den Kopf zu verdrehen.«
»Die Frau, die Euch heiratet, wird das nicht stören, Senor.«
»Ihr denkt, es ist unbedingt notwendig, dass ich all diese Dinge tue?«
»Ach«, beschwichtigte Don Carlos, der Angst hatte, einen einflussreichen Schwiegersohn zu verlieren, »ein klein wenig wird nicht wehtun. Ein Mädchen liebt es einfach, wenn sie umworben wird, selbst, wenn sie sich insgeheim schon lange entschieden hat.«
»Ich habe einen Diener, der Unglaubliches auf der Gitarre vollbringt«, sagte Don Diego. »Ich werde ihm den Auftrag geben, heute Nacht hierherzukommen und unter dem Fenster der Senorita zu spielen.«
»Und selbst wollt Ihr gar nicht kommen?«, fragte Dona Catalina entsetzt.
»Und heute Nacht noch einmal hierherreiten, wenn die eisigen Winde vom Meer hereinziehen?«, schauderte Don Diego. »Das wäre mein Tod. Und der Indianer spielt wesentlich besser Gitarre als ich.«
»So etwas ist mir ja überhaupt noch nie untergekommen!« Dona Catalina, deren Gefühl für Anstand und Sitte aufs Tiefste verletzt war, war fassungslos.
»Lass Don Diego vorgehen, wie er es für richtig hält«, drängte Don Carlos.
»Ich hatte mir vorgestellt«, ergriff Don Diego wieder das Wort, »dass Ihr Euch um alles kümmert und mich dann wissen lasst, wenn es so weit ist. Ich werde natürlich mein Haus auf Vordermann bringen lassen und mehr Personal einstellen. Vielleicht sollte ich mir auch eine Kutsche zulegen und mit meiner Braut den ganzen Weg bis Santa Barbara fahren und dort ein paar Freunde besuchen. Wäre es denn nicht möglich, dass Ihr Euch um alles andere kümmert? Gebt mir einfach Bescheid, wann die Hochzeit stattfinden soll.«
Jetzt war auch Don Carlos Pulido ein wenig verärgert.
»Caballero«, sagte er, »als ich Dona Catalina freite, saß ich ihretwegen wie auf Kohlen. Einen Tag schenkte sie mir nichts als böse Blicke, den nächsten wieder das schönste Lächeln. Das war das Salz in der Suppe. Ich hätte es nicht anders haben wollen. Ihr werdet es bereuen, Senor, ihr nicht selbst den Hof gemacht zu haben. Wünscht Ihr, jetzt die Senorita zu sehen?«
»Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben«, seufzte Don Diego.
Dona Catalina warf den Kopf in den Nacken und ging ins Haus, um das Mädchen zu holen; und dann kam sie auch schon: ein zierliches, kleines Ding mit blitzenden schwarzen Augen und schwarzem Haar, das sie in einem großen Schwung um den Kopf geschlungen trug. Zierliche kleine Füße spitzten unter farbenprächtigen Röcken hervor.
»Ich freue mich, Euch wiederzusehen, Don Diego«, sagte sie.
Er verbeugte sich über ihrer Hand und führte sie zu einem der Stühle.
»Ihr seid nicht weniger bezaubernd denn das letzte Mal, da ich Euch sah«, erklärte er.
»Man sagt einer Senorita immer, dass sie noch schöner ist als beim letzten Mal«, stöhnte Don Carlos. »Ach, wäre ich doch wieder jung und könnte mich selbst auf Freiersfüße machen!«
Er entschuldigte sich und zog sich ins Haus zurück. Dona Catalina ging ans andere Ende der Veranda, damit das Paar sich unbelauscht unterhalten konnte, hatte von dort aus aber alles im Blick, wie eine gute duena es muss.
»Senorita«, sagte Don Diego, »heute Vormittag hielt ich bei Eurem Vater um Eure Hand an.«
»Ach, Senor!«, verschlug es dem Mädchen die Sprache. »Seid Ihr der Ansicht, dass ich einen guten Gatten abgäbe?«
»Nun ja, ich - das heißt…«
»Sagt einfach nur das eine Wort, Senorita, und ich werde es meinem Vater berichten, und Eure Familie wird die Feierlichkeiten vorbereiten. Sie kann mir dann ja einfach einen Indianer vorbeischicken, wenn es so weit ist. Es ermüdet mich schrecklich, so weit auszureiten, wenn das in keinster Weise notwendig ist.«
Jetzt fingen Senorita Lolitas liebliche Augen an, warnende Signale auszusenden, die Don Diego aber ganz eindeutig nicht bemerkte, und so rannte er schnurstracks weiter in sein Verderben.
»Wollt Ihr Eure Zustimmung geben, meine Frau zu werden, Senorita?«, fragte er und beugte sich ein wenig zu ihr hinüber.
Senorita Lolitas Gesicht war feuerrot, und sie sprang von ihrem Stuhl auf, die Fäuste in die Hüften gestemmt.
»Don Diego Vega«, erwiderte sie, »Ihr entstammt einem edlen Geschlecht, habt große Besitztümer und werdet größere erben. Aber Ihr lebt nicht, Senor! Ist das etwa Eure Vorstellung von Liebe und Romantik? Ist es denn zu viel verlangt, vier Meilen weit auf einer befestigten Straße zu reiten, um das Mädchen zu sehen, das Ihr ehelichen wollt? Was für Blut fließt eigentlich in Euren Adern, Senor?«
Die von diesem Ausbruch aufgeschreckte Dona Catalina lief eilig über die Veranda auf die beiden zu, doch die beschwichtigenden Zeichen, die sie ihrer Tochter gab, übersah Senorita Lolita geflissentlich.
»Der Mann, der mich heiratet, muss um mich werben und sich meine Liebe verdienen«, fuhr das Mädchen fort. »Er muss in mein Herz dringen. Haltet Ihr mich für ein gemeines Weib, das sich dem ersten Mann, dem nach ihr verlangt, hingibt? Der Mann, der mich zur Frau bekommt, muss ein Mann sein, der Leben genug besitzt, um mich auch zu wollen. Einen Diener vorbeischicken, um unter meinem Fenster Gitarre zu spielen? O ja, ich habe es mitangehört, Senor! Schickt ihn nur, Senor, und ich werde ihm kochendes Wasser über den Kopf schütten und seine rote Haut damit bleichen! Buenos dias, Senor!«
Stolz warf sie den Kopf zurück, hob die seidenen Röcke beiseite und ging so an Don Diego vorbei in das Haus zurück, wobei sie ihre Mutter gleichermaßen ignorierte. Dona Catalina seufzte ihren verlorenen Hoffnungen einmal nach. Don Diego Vega sah der entschwindenden Senorita hinterher, kratzte sich nachdenklich am Kopf und blickte zu seinem Pferd hinüber.
»Ich fürchte, ich habe ihr Missfallen erregt«, sagte er zaghaft.