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Er hatte nicht lange Zeit. Gabi bestückte vor der Tür einen Rollwagen mit Mullbinden, Pflastern und anderen Verbandsmaterialien. Sie sollte laut husten, falls jemand kam, der nicht bemerken sollte, dass Claas am Computer saß. Er suchte nach Gemeinsamkeiten. In den letzten acht Wochen, seit er auf der Inneren Dienst tat, hatte es zwei Todesfälle von Patienten gegeben, von denen niemand erwartet hatte, dass sie starben. Zwar waren sie alle alt und krank gewesen, aber nicht sterbenskrank. Er glaubte, jemand würde nachhelfen. Nur die Beweise fehlten, und allein auf sein Gefühl wollte er sich nicht verlassen.

Koch und Münster. An die Patienten konnte er sich gut erinnern. Beide hatten einen Herzschrittmacher eingesetzt bekommen. Frau Koch und Herr Münster waren liebe alte Menschen gewesen, die jeder mochte. Bei jedem hatte Dr. Müller einen »natürlichen Tod« bescheinigt und den Leichnam zur Bestattung freigegeben. Genauso war es bei Brinkmann gewesen.

Es gab immer Phasen, in denen sich Todesfälle häuften. In Grippezeiten zum Beispiel. Aber hier war was faul. Es war auffällig, dass alle ein paar Stunden nach ihrer Verlegung von der Intensiv auf die Innere starben. Warum kam nur ihm das merkwürdig vor?

Er dachte an die Zeitungsartikel von Todesengeln in Krankenhäusern, die er gelesen hatte. Die Krankenschwester aus Österreich, die jahrelang Patienten getötet hatte. Aus Rache. Oder ein Fall aus Deutschland, wo eine Schwester aus Mitleid Todkranke erlöste, um ihnen die Schmerzen zu ersparen.

Keiner der Patienten war bösartig oder sterbenskrank gewesen. Alle hätten noch Jahre leben können. Claas wusste nicht, was er davon halten sollte. Ging seine Phantasie mit ihm durch? Bildete er sich alles nur ein? Was konnte er tun?

Seine Recherche im System brachte jedenfalls nicht viel. Er stand auf und fluchte, als ihm der Schmerz ins Knie fuhr. Vielleicht sollte er sich direkt an die Polizei wenden. Die wüssten, was zu tun wäre. Ein anonymer Brief würde vielleicht den Stein ins Rollen bringen, und er würde trotzdem seinen Job behalten. Sein Opa hatte ihm vor ein paar Wochen von einem Kommissar erzählt, den er in den siebziger Jahren kennengelernt hatte. Der war immer noch im Dienst. Das schien eine Möglichkeit.