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»Claas – ich darf Sie doch beim Vornamen nennen, oder? Wie sind Sie auf mich gekommen? Ich meine, die Idee mit dem anonymen Brief ist schon ungewöhnlich.«

Sie saßen in der hinteren Ecke des Cafés an einem kleinen runden Bistrotisch. Niemand war in Reichweite, und sie konnten ungestört reden. Der junge Mann spielte nervös mit einer Serviette, die auf dem Tisch lag.

»Wissen Sie, Ihren Namen habe ich oft von meinem Großvater gehört. Er ist schon alt, und er erzählt mir immer viel von früher. Das stört mich nicht, ich habe das total gern«, versicherte er. »Er schwelgt gern in Erinnerungen, und manchmal verwechselt er auch einiges oder hat einen verklärten Blick. Ich nehme das nicht ganz so ernst. Aber wenn er von seiner Zeit als inoffizieller Mitarbeiter der Kripo erzählt, dann höre ich besonders gut zu.«

»Ihr Opa war für die Volkspolizei tätig? Als IKM? Das ist spannend. Ich habe damals mit einigen zusammengearbeitet, als ich noch Oberleutnant war.«

Die Bedienung kam, und Claas Saale bestellte einen Milchkaffee, Staufenberg ein Mineralwasser. Sie schwiegen sich an, bis die Bedienung das Bestellte brachte.

»Wissen Sie, unter welchem Namen Ihr Großvater für uns gearbeitet hat?«

Claas nickte. »Das durfte er mir eigentlich gar nicht verraten. Vielleicht hat er mir auch nicht die Wahrheit gesagt. Das klingt schon nach einem billigen Agentenfilm. ›Moschus‹ soll sein Deckname als IKM gewesen sein. Er hat mir erzählt, dass er maßgeblich dazu beigetragen hat, den Einbruch im Grassimuseum aufzuklären. Das hat ihm Spaß gemacht. Ich glaube, er wäre gern richtiger Kommissar geworden. So wie Sie.«

Staufenberg lachte. »Das ist schon sehr lange her. Der Einbruch im Museum muss 1974 gewesen sein. Eine halbe Ewigkeit, und jetzt bin ich fast am Ende meiner Berufstätigkeit angelangt. Noch bis zum Ende des Monats.«

»Oh, können Sie denn bis dahin den Todesengel fassen?«

»Haben Sie Beweise für Ihre Behauptung?«

»Nein, aber es kann nicht anders sein. Die Menschen waren gesund, und kurz nach ihrer Operation sind sie gestorben. Außer mir kommt das allerdings keinem seltsam vor. Es gibt keine Beweise, weil die Opfer alle verbrannt wurden. Da kann im Nachhinein keine Leiche mehr exhumiert werden. Aber wenn sich mein Verdacht bestätigt, sind Sie der richtige Mann. Mein Opa irrt sich nicht. Er hat immer gesagt, Sie waren der Einzige, dem man vertrauen konnte. Sie sind keiner, der vertuscht.«

»Das erzählt er? Na, dem darf man nicht zu viel Bedeutung schenken. Im Alter kommt einem vieles anders vor, und das Gedächtnis will nicht mehr richtig. Ich weiß, wovon ich rede. Aber versprochen, ich kümmere mich um Ihren Verdacht. Und sobald Ihnen etwas merkwürdig vorkommt, informieren Sie mich. Hier ist meine Karte.« Staufenberg schrieb auf der Rückseite der Visitenkarte noch eine Telefonnummer auf. »Da steht auch meine Privatnummer. Ich bin jederzeit für Sie erreichbar.«

Claas Saale strahlte über das ganze Gesicht. »Mein Opa hat recht. Sie sind der Beste.«