ACHT

Statt die Daten und den Speicher des Smartphones von Marisa Tauber-Schwan selbst anzuschauen, hatte Karin Krafft es direkt an die Spurensicherung weitergereicht. Heierbeck freute sich nicht gerade, er sah sogar ein bisschen verzweifelt aus. Schließlich hatten sie Arbeit im Übermaß. Er delegierte.

Sein junger Kollege, der sich auf die Auswertung von Kommunikationstechnik spezialisiert hatte und dem die Daten der letzten Auswertung noch vorlagen, stöhnte auf. Fast zweifelte er an seinen Fähigkeiten, aber eben nur fast, und rief im K1 an.

»Also vielleicht gibt es ein neues Programm, mit dem Gespräche unwiderruflich und nicht wiederherstellbar gelöscht werden, dann kenne ich dies noch nicht. Aber kriminaltechnisch ist immer etwas in Bewegung. Oder, und das ist die wahrscheinliche These: Mit diesem Smartphone ist zu der von Ihnen genannten Zeit gar nicht telefoniert worden. Wie schätzen Sie die Besitzerin ein, ist sie ein versierter Technik-Freak und auf dem aktuellen Stand, so eine Art Nerd? Sozial isoliert, technikfixiert?«

»Sie wirkt jedenfalls nicht so«, sagte Karin. »Nein, eher nicht. Kann es denn nicht sein, dass die Daten von Telefonaten auch von Laien völlig gelöscht werden können?«

»Für den Laien wirkt es zwar ziemlich einfach. Man löscht die Telefonliste und ist auf der sicheren Seite. Das denkt man jedenfalls. Aber dann gibt es noch die Verbindungsnachweise vom Anbieter. Bei dieser Nummer hier ist weder beim Anbieter noch auf der existierenden Liste ein Kontakt vermerkt. Keiner hat sie angerufen, sie hat niemanden angewählt.«

»Und was ist mit den anderen Möglichkeiten? In den unterschiedlichen Social-Media-Apps kann man auch telefonieren. Oft ist die Qualität fragwürdig, aber es geht. Mit und ohne Video.«

Er fühlte sich fast brüskiert. »Das habe ich doch alles gecheckt, auch Sprachnachrichten oder Tonaufnahmen, da war nichts. Zwei Gespräche gab es heute, mit der Wache und mit dem Anschluss Tauber.«

»Das ist ja merkwürdig.«

»Die Lösung ist ganz einfach. Jemand war bei ihr und hat ihr aus irgendeinem Grund sein Smartphone geliehen. Freundlicherweise, weil angeblich der Akku fast leer war oder sie ihres verlegt hatte.«

Karin überlegte kurz. Natürlich konnte sich Marisa für ein Gespräch das Telefon ihres Vaters ausgeliehen haben. Für ein Gespräch, von dem niemand wissen sollte, wäre es aber sicherer gewesen, ungestört mit einem eigenen Handy zu telefonieren. Das wollte sie nicht mit dem Kollegen weiter erörtern. »Danke. Ich hole das Handy nachher ab.«

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, ging sie rüber zu von Aha. »Du, sag mal, Marisa hat sich richtiggehend versteckt zum Telefonieren, oder?«

»So würde ich es sehen, ja, genauso kam es mir vor.«

»Und sie hat doch auch telefoniert?«

»Sie kann natürlich auch eine Sprachnachricht gesendet haben. Wieso fragst du?«

Karin erklärte, dass der Fachmann nur zwei Verbindungen gefunden hatte. »Sie hat heute Morgen mit der Wache telefoniert und mit ihrem Vater. Da ist keine andere Kommunikation gelaufen. Weißt du, was ich langsam glaube?«

Dieses Mal ließ sie von Aha zappeln und dehnte ihre rhetorische Pause in die Länge, bis er die Antwort einforderte. »Jetzt sag’s, oder ist dein Gedanke noch nicht fertig?«

»Doch, klar, ich finde ihn nur ungeheuerlich. Marisa Tauber-Schwan hat aller Wahrscheinlichkeit nach auch ein zweites Smartphone. Die hatten beide etwas voreinander zu verbergen.«

»Was? Traust du ihr das ernsthaft zu?«

»Eben nicht, das macht mich ja gerade so fassungslos. Seit der ersten Begegnung in Marienbaum ist sie für mich die trauernde junge Witwe, die schuldlos in ein Dilemma geraten ist und um ihre Existenzgrundlage kämpft. Eine Frau, die ein bisschen naiv erscheint, aber mit genügend Energie und Unterstützung von Freunden die Dinge für sich regelt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie etwas verbirgt, und sei es nur ein blödes Smartphone.«

Von Aha bot an, für beide einen Kaffee zu machen, Karin nickte, war gedanklich noch bei Marisa. War sie zu blauäugig gewesen? Hatten Marisas Betroffenheit und Hilflosigkeit sich auf sie übertragen?

Von Aha erschien mit zwei Delfter Tassen, modern, mit flotten Fietsmotiven, Karin nahm daraus einen ersten kleinen Schluck. Ihr Gesicht entspannte sich. »Köstlich, wie immer.«

Von Aha stellte seinen Becher ab und schaute sie an. »Und jetzt rück mal mit den Gedanken raus, die dir noch durch den Kopf schwirren.«

»Du, das ist nicht einfach. Über den bereits sortierten Teil kann ich sprechen. Gero, ich habe mich von Marisas Schicksal einlullen lassen. Die steht bei mir gar nicht auf der Liste derer, die ich näher beleuchten wollte. Sie ist diejenige, die das Haus mit ungeklärtem Eigentumsrecht am Hals hat, die ihren Job gekündigt hat, um in das Restaurant einzusteigen, die von ihrem Vater belabert und von der Stiefmutter belagert wird, der nur das Cabrio gehört. Eine traurige junge Frau, sonst nichts.«

»Und dann beobachten wir gemeinsam zum gleichen Zeitpunkt und von einem Standort aus, beides rein zufällig, dass diese unschuldige junge Frau sich hinter Strauchwerk verbirgt, um zu telefonieren. Sich ein bestens getarntes Plätzchen aussucht.«

»Genau.«

»Und jetzt bricht dein Bild von dieser heiligen Jeanne d’Arc zusammen?«

»Richtig. Können wir hingehen und ihr sagen, dass wir sie beobachtet haben und sie das zweite Handy rausgeben soll?«

Von Aha antwortete nicht sofort, schien abzuwägen. »Das könnten wir tun. Und wenn sie alles abstreitet, haben wir nichts in der Hand, um die Wohnung erneut zu durchsuchen.«

»Wir werden schon einen Grund finden. Was spricht dagegen? Ey, die verarscht uns doch.«

Gero von Aha war mit dem letzten Tröpfchen Kaffee aus seinem Becher beschäftigt, hob plötzlich die Hand. Stopp.

»Dagegen spricht, wen immer sie am Telefon hatte, dass sie in diesem Augenblick gewarnt wäre. Nein, ich bin für Observation. Lass sie unbehelligt weiter ihre Rolle mimen und taste den Status der jungen Witwe nicht an. Sei wie immer. Wenn sie jetzt schon vor Ungeduld oder Sehnsucht heimlich telefoniert, dann wird das öfter geschehen, immer wenn sie sich in Sicherheit wiegt. Protokolliere deine Gedanken und unser Gespräch, das könnte von Nutzen sein.«

Wenig später erschien Tom, hielt seine schusssichere Weste umklammert, grüßte die beiden durch die offene Tür. »Ich bringe die eben weg und schließe meine Waffe ein, bin gleich da. Gibt’s Kaffee, Gero?«

»Für dich immer.«

Selten hatte Karin ihn so erfolgsbeseelt erlebt, minutiös berichtete er von der Großaktion in Hiesfeld, die erst ein Ende fand, als auch die Wohnungen aller Festgenommenen und selbst die Bleibe der Frau, bei der Mercuri die Nacht verbracht hatte, durchsucht waren. Es sprudelte nur so aus ihm hervor.

»Den Mercuri hättet ihr sehen sollen. Der hat nicht damit gerechnet, dass er ausgerechnet in Hiesfeld verhaftet wird. Dabei hätte er Lunte riechen können, nachdem er am Vortag eine Drohne über dem Gelände gesehen hat. Unser Pilot war aber auch fit, der hat das Ding dermaßen schnell hochgezogen, dass Mercuri nicht ahnen konnte, was es alles aufgenommen hat. Es scheint, als habe Mercuri heute das Geld aus dem Safe holen wollen.«

Karin betrachtete ihren Kollegen zufrieden, der immer weiterredete.

»Reibungslose Abläufe in großem Umfang, keiner zu früh, niemand zu spät, das Ergebnis einer lückenlosen Ermittlung, und der Einsatz kam nur zustande, weil Burmeester die Idee mit der Drohne hatte und Alice Karun den Hintergrund kannte. Wir waren zum richtigen Zeitpunkt in dem Gewerbegebiet. Ich werde das gleich mal protokollieren.«

»Mach das.«

Von Aha grinste. »Wann hast du zum letzten Mal mit solcher Begeisterung gearbeitet?«

»Keine Ahnung, was du meinst.«

Karin fragte nach, ob sie Waffen gefunden hätten. Das Thema hatten sie bisher vernachlässigt, das war nicht gut.

»Ach ja, zwei Sportgewehre, sogenannte Selbstladebüchsen von Haenel, lagen bei einem Fahrer von Rolando Mercuri in einer Kiste im Keller. Ich kannte die noch nicht. Die Leute von Alice haben sie mitgenommen, sie werden auf Schmauchspuren untersucht, und die Ergebnisse aus dem Vergleichsbeschuss wird sie uns senden, sobald sie vorliegen.«

Karin meinte, dass Burmeesters Idee unter seinem Namen ins Protokoll gehörte. »Mach aus der letzten Besprechung eine Telefonkonferenz unter Kollegen.«

Tom stimmte zu. Von Aha erinnerte an Heierbecks Erkenntnis, dass die Kugeln auf die Scheiben des »Schwan« von einem Boot aus abgefeuert worden seien. Er fragte nach und dachte sofort an eine Verbindung zu Mercuri.

»Wir sollten zusätzlich in den umliegenden Marinas nachfragen, ob er dort ein Boot liegen hat. Er selber kann es nicht gewesen sein, er war bei dieser Frau und ist die ganze Zeit über beschattet worden. Der zweite Fahrer auch nicht, ich gehe aber davon aus, dass es noch andere Helfer gibt, die uns nicht bekannt sind. Schließlich arbeiten die nicht nur am Niederrhein, sondern quer durch die Republik und in mehreren europäischen Ländern.«

Um die Marinas würden sie sich am Montag kümmern. Karin bedankte sich für die gute Arbeit und stand mit nachdenklicher Miene auf.

»Sorgt dafür, dass der ›Schwan‹ bewacht wird. Es dürfte kein Problem sein, das zu organisieren, da ist immer noch Gefahr im Verzug. Ich hole Marisas Smartphone bei der Spurensicherung ab und werde es zurückbringen. Mal sehen, ob sie heute öffnen oder eine Pause einlegen müssen. Und danach fahre ich heim und schaue, ob mich meine Familie wieder aufnimmt, nachdem ich sie heute sitzen lassen musste.«

Nachdem sie gegangen war, fragte Tom, was mit ihr los sei.

»Sie zweifelt an der Rechtschaffenheit von Marisa Tauber-Schwan, wir haben sie per Zufall dabei beobachtet, wie sie sich zum Telefonieren hinter dem Oleander versteckte«, berichtete von Aha. »Auf ihrem Smartphone war jedoch kein Kontakt zu finden in der Zeit, in der wir sie gesehen haben. Und jetzt spult es in Karins Kopf, und sie fragt sich, ob sie die Frau vielleicht falsch eingeschätzt hat.«

Tom schüttelte den Kopf. »Karin doch nicht, auf deren feines Gespür kann man sich verlassen.«

Von Aha stimmte zu. »Meist früher und hin und wieder später.«

***

Trixi Tauber wollte an der Haustür verhindern, dass die Hauptkommissarin Marisa traf, bot an, ihr das Smartphone zu bringen. »Die Arme braucht Ruhe, das können Sie sich denken. Ich und mein Mann, wir bleiben heute hier. Die Polizei kann sie nicht schützen, das hat sie gestern bewiesen …«

Oben stand Marisa an der Tür und unterbrach sie barsch. »Du lässt gefälligst meinen Besuch durch, was soll das denn jetzt! Frau Krafft, kommen Sie rauf, ich bin so froh, dass ich mein Handy wiederhabe. Und Papa, du packst jetzt diese Frau in dein Auto und fährst mit ihr zusammen nach Hause, ich habe genug von euch.«

Trixi lief an Karin vorbei. »Aber Marisa, du hast gestern um Hilfe gebeten, und wir sind sofort da gewesen. Am Morgen hast du uns wieder hergeholt, und jetzt schickst du uns fort? Das ist undankbar.«

»Ich bin euch sehr dankbar, aber du verstehst einfach nicht, wann es genug ist. Ich kann gut auf mich selber aufpassen. Außerdem kommt bald die Mannschaft, zu siebzehn Uhr öffnen wir, da bin ich sowieso wieder unten. Dann sind genügend Leute im Haus.«

Karin war verdattert. »Was ist mit den beschädigten Scheiben? Sind Sie sicher, dass die nicht mit dem nächsten Windstoß Ihren Gästen auf Köpfe und Teller fallen?«

»Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen, wie es unten aussieht.« Marisa nahm Karin am Arm und kehrte den anderen den Rücken zu, rief über die Schulter: »Wenn ich wieder raufkomme, seid ihr zwei verschwunden.«

Im Gastraum zeigte sie auf die Scheiben. Die Löcher waren mit kleinen durchsichtigen Quadraten aus Plexiglas gesichert. »Ich habe Adrian gefragt, und der kannte einen Glaser, den die Frau meines Vaters noch nicht beleidigt und vergrault hat, der kam vor einer Stunde und hat das Okay gegeben. Wir können jetzt nicht schlappmachen.«

Alles wieder gerichtet, selbst die Löcher im Holz in der Täfelung hatte er zugekittet, Karin nickte anerkennend.

»Ich habe drei gute Nachrichten für Sie. Erstens, Ihr Smartphone ist gesichert. Und zweitens gehen wir davon aus, dass die Urheber der Anschläge auf den ›Schwan‹ durch Beamte des Landeskriminalamtes festgenommen wurden. Aber noch können wir ihnen nichts nachweisen und warten auf die Auswertung der Spuren.«

»Die Festnahme ist die beste Nachricht, da fällt mir ein Stein vom Herzen. Das ging aber schnell. Um wen handelt es sich?«

»Das hängt zusammen mit dem Lebensmitteltransport, den Ihr Koch und Sie am Mittwoch abgelehnt haben. Bei den Lieferungen handelt es sich um organisierte Kriminalität, und in solchen Fällen schrecken die Täter vor nichts zurück.«

Marisa rückte zwei Stühle zurecht, schaute Karin ernst an. »Was ist da los, wie kann das alles passieren? Und kann es sein, dass die auch Jojo … ich meine, haben die das getan?«

»Das können wir noch nicht sagen.« Karin verschwieg, dass ab jetzt jemand rund um die Uhr ein Auge auf das Restaurant halten würde. Marisa sollte sich in Sicherheit wiegen.

»Und die dritte gute Nachricht? So etwas brauche ich jetzt, das tut so gut, Frau Krafft.«

»Am Montag können Sie Ihr Cabrio abholen. Ich habe es mir vorhin angesehen, der Spezialreiniger hat gute Arbeit geleistet.«

»Dann frage ich Mika nachher, ob sie mit mir zusammen zu dem Autohändler nach Xanten-Birten fährt.«

»Da ist noch etwas. Geblieben ist das Loch in der Karosserie, in dem das Geschoss steckte, der Fachmann beseitigt Spuren, aber keine Schäden.«

»Ja. Ein Grund mehr, dieses Auto wieder loszuwerden. Ich hätte auch ohne ein Loch im Blech keine Freude mehr daran.«

»Ich kenne den Händler und weiß, dass man mit dem schlecht handeln kann. Der wird den Schaden zum Anlass nehmen, Ihnen nicht das zu zahlen, was dieses Auto wert ist. Vielleicht schauen Sie sich doch nach einem anderen Abnehmer um und lassen sich etwas Zeit mit dem Verkauf.«

»Das geht leider nicht. Ich brauche Geld. Ich muss das Team bezahlen, die Lieferanten, die Raten für den Kredit, den Glaser. Ich muss schnell handeln, Versicherungen sind auch abzuschließen. So etwas wie mit den Scheiben darf nicht mehr passieren, das kann doch niemand bezahlen!«

Die weiß doch gar nicht, ob dieser Kasten ihr überhaupt gehört, dachte Karin spontan. Sie zwang sich zur Ruhe. Besonnen bleiben.

»Das kann ich verstehen, bloß sollte der Unterschied zwischen dem, was Ihr Wagen wert ist, und dem, was man Ihnen bietet, nicht zu groß sein. Der Händler, Markus Poot, kennt mich schon und weiß, dass ich keinen Spaß verstehe. Ich möchte Ihnen anbieten mitzukommen.«

Ein Lächeln überzog das Gesicht der jungen Frau. »Das ist total nett von Ihnen. Ich nehme das Angebot gerne an.«

»Gut, wir telefonieren am Montag. Dann wünsche ich Ihnen nette Gäste heute.«

Auf der Treppe war Gezeter zu hören, Marisa horchte auf. »Gute Wünsche, und zeitgleich reist das Trixi-Baby ab. Was will ich mehr von diesem Samstag?«

Sie breitete die Arme aus, drehte sich einmal um die eigene Achse und lachte auf. »Es geht aufwärts.«

Karin nickte und verabschiedete sich.

Draußen wollte sie die Nummer von Maarten wählen, doch ein Anruf von Ahas kam ihr zuvor.

»Ja?«

»Bist du noch beim ›Schwan‹?«

»Ja, ich stehe gerade am Parkplatz vor meinem Wagen.«

»Kannst du bis einundzwanzig Uhr dort bleiben? Es sind alle Leute eingeteilt, nur bis zu dieser Uhrzeit habe ich niemanden. Ich löse dich nachher ab und bleibe dann bis zum Morgen.«

Karin sagte zu, stieg ein und fuhr in Richtung Eisenbahnbrücke davon, bog ab auf den Parkplatz vor dem Welcome Hotel mit Blick auf den Anleger der »River Lady«, eines beliebten Ausflugsschiffs, das einem Raddampfer nachgebaut war, und wählte Maartens Nummer. Sie erklärte die Lage und merkte an seinen Reaktionen, dass er richtig sauer war.

»Tut mir echt leid.«

»Mir auch.«

»Kurz nach einundzwanzig Uhr bin ich da.«

»Okay.«

Er hatte einfach aufgelegt. Das war noch nie passiert. Minutenlang starrte sie auf das Display, er meldete sich nicht, sie wählte seine Nummer noch einmal.

»Ja? Willst du mir sagen, dass es noch später wird?«

»Nein, ich werde kurz nach einundzwanzig Uhr da sein. Und nichts wird mich vor Montagmorgen wieder über diese Brücke bringen. Ich möchte nicht, dass du einfach auflegst, ich mache hier meine Arbeit.«

»Ich weiß. Wir haben den ganzen Tag auf dich gewartet, jetzt ist Hannah wieder zu ihrer Freundin. Wenn du mich nachher suchst, ich bin am Hafen.«

»Okay.«

Das war ein wenig besser als Auflegen. Karin fuhr zurück zum »Schwan« und stellte den Wagen auf dem Parkplatz unter den Pappeln ab.

***

Von Aha war pünktlich, Karin übergab wortkarg, nichts Nennenswertes war im Restaurant passiert.

»Ist was?«, fragte er.

»Ja, ich hatte heute frei und war den ganzen Tag in Wesel. Maarten ist stinksauer, und ich habe keine Ahnung, was mich daheim erwartet.«

Von Aha schaute an ihr vorbei und hielt inne. »Duck dich! Schau mal zum Hintereingang.«

Beide kauerten sie neben ihrem Wagen und stierten durch die Seitenfenster. Im fahlen Licht der untergehenden Sonne standen zwei Personen, die sich herzlich umarmten. Eng umarmten, die Köpfe gegenseitig auf die Schulter gelegt.

Eine der Personen war Marisa – das schwarze Etuikleid, die eleganten schwarzen Schuhe, ganz eindeutig. Eine Hand strich Marisa über das Haar. Die andere Person war gekleidet wie ein Koch. Marisa löste sich aus der Umarmung, der Koch stand mit dem Rücken zum Parkplatz, rief ihr noch etwas nach. Sie betrat wieder das Haus. Der Koch nahm eine Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche und zündete sich eine an.

Dann flüsterte von Aha: »So ist das also. Die Tauber-Schwan und ihr Koch.«

Karin stieß ihn an. »Nix da. Sieh hin.«

Die rauchende Person war nicht Marius Hirtel. Die beiden vom K1 schauten sich an. Damit hatten sie nicht gerechnet. Wieso eigentlich nicht? Das galt es zu einem anderen Zeitpunkt zu klären.

»Das ist ja Luisa Kramer.«