Tunde
Einen Tag nachdem er das Video ins Netz gestellt hat, bekommt er einen Anruf. Angeblich von CNN, was er zuerst nicht glauben kann. Genau so ein dummer Witz sähe seinem Freund Charles ähnlich. Einmal hat er Tunde angerufen und sich als französischer Botschafter ausgegeben. Zehn Minuten hielt er den hochnäsigen Akzent durch, dann brach er vor Lachen zusammen.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung sagt: »Wir wollen den Rest des Videos und bezahlen jeden Preis.«
»Wie bitte?«
»Spreche ich mit Tunde? BourdillonBoy97?«
»Ja?«
»CNN hier. Wir wollen den Rest des Videos kaufen, das Sie nach dem Vorfall im Supermarkt ins Internet gestellt haben. Und auch alles andere Material, was Sie noch haben.«
Er denkt, den Rest? Welchen Rest? Dann erinnert er sich.
»Es … es fehlen nur eine oder zwei Minuten am Ende. Andere Kunden sind ins Bild gelaufen. Ich dachte nicht, dass …«
»Wir machen die Gesichter unkenntlich. Wie viel wollen Sie?«
Er ist immer noch völlig verschlafen und kann nicht klar denken. Daher nennt er die erste Summe, die ihm einfällt. Fünftausend amerikanische Dollar.
CNN stimmt so rasch zu, dass ihm klar wird, dass er das Doppelte hätte verlangen können.
An diesem Wochenende streift er durch die Straßen und die Clubs, auf der Suche nach neuem Videomaterial. Ein Kampf zwischen zwei Frauen am Strand, um Mitternacht. Die Elektrizität erleuchtet die aufmerksamen Gesichter des Publikums, während die Frauen stöhnend und ächzend versuchen, sich gegenseitig an die Kehle zu gehen. Tunde schießt Bilder ihrer vor Wut verzerrten Gesichter, halb im Schatten verborgen. Die Kamera verleiht ihm ein Gefühl von Macht; als ob er da wäre und gleichzeitig auch nicht. Man macht, was man mag, denkt er, doch ich werde auch etwas daraus machen. Ich werde derjenige sein, der die Story erzählt.
Eine Junge und ein Mädchen haben in einer Gasse Sex. Sie neckt ihn mit ihrer knisternden Handfläche an seinem Steißbein. Der Junge dreht sich um und sieht Tundes Kamera auf ihn gerichtet. Er hält inne, das Mädchen lässt die Energie über sein Gesicht laufen und sagt: »Schau nicht ihn an, sondern mich.« Als er sie an sich zieht, lächelt sie, lässt den Rücken des Jungen aufleuchten und sagt zu Tunde: »Hey, willst du auch mal?« Da bemerkt er eine zweite Frau etwas weiter hinten in der Gasse, die sie beobachtet, und er rennt so schnell wie möglich davon. Hinter sich hört er Gelächter. Als er in Sicherheit ist, muss er auch lachen. Er spielt die Videoaufnahmen ab. Sexy. Er würde das auch gern mal erleben. Vielleicht.
CNN kauft auch diese Aufnahmen. Er betrachtet seinen Kontostand und denkt, ich bin ein Journalist. So läuft es. Ich habe eine Meldung gefunden, und sie haben mich dafür bezahlt. Seine Eltern fragen jedoch nur: »Wann gehst du wieder aufs College?«
Er antwortet: »Ich nehme mir ein Freisemester und sammle praktische Erfahrungen.« Endlich beginnt sein Leben, er spürt es genau.
Er lernt früh, nicht mit seiner Handykamera zu filmen. Dreimal in den ersten paar Wochen berührt eine Frau das Gerät und zerstört es damit. Er kauft eine Schachtel mit billigen Digitalkameras von einem Lastwagen auf dem Alaba-Markt, aber er weiß, dass er mit den Aufnahmen, die er in Lagos machen kann, nicht das große Geld verdienen wird, das es da draußen zu holen gibt. Er liest in Internetforen, was in Pakistan passiert, in Somalia oder Russland. Die Aufregung überläuft ihn kribbelnd. Das ist es. Sein Krieg, seine Revolution, seine Geschichte. Genau hier, vor seiner Nase, er muss nur zugreifen. Charles und Joseph rufen ihn an und fragen, ob er sie am Freitagabend auf eine Party begleiten möchte, doch er lacht nur und sagt: »Ich habe was viel Cooleres vor, Mann.« Dann kauft er sich ein Flugticket.
Am Abend der ersten großen Unruhen trifft er in Riad ein. Das ist sein Glück; wenn er drei Wochen vorher gekommen wäre, hätte er vielleicht zu schnell aufgegeben, aus Geldmangel oder zu geringem Enthusiasmus. Er hätte dieselben Aufnahmen wie alle gemacht: Bilder von Frauen mit der traditionellen Gesichtsmaske Battoulah, die schüchtern kichernd aneinander ihre neuen Fähigkeiten erprobten. Wahrscheinlich hätte er jedoch gar nichts bekommen – am Anfang filmten nur Frauen. Um als Mann hier aufnehmen zu können, musste er schon an genau dem Abend eintreffen, an dem sie durch die Stadt strömten.
Auslöser war der Tod von zwei etwa zwölfjährigen Mädchen. Ein Onkel hatte sie dabei erwischt, wie sie teuflische Dinge taten; als religiöser Mann hatte er rasch seine Freunde gerufen, und am Ende hatte man die beiden Mädchen zu Tode geprügelt. Die Nachbarn sahen und hörten alles. Doch – und wer kann schon sagen, warum Menschen an einem Donnerstag anders auf etwas reagieren, das auch am Dienstag schon so war? – diesmal wehrten sie sich. Ein Dutzend Frauen wurde zu hundert. Hundert Frauen zu tausend. Die Polizei zog sich zurück. Die Frauen riefen Parolen und trugen Plakate mit sich herum. Plötzlich erkannten sie alle gemeinsam ihre Kraft.
Als Tunde am Flughafen landet, erklären ihm die Sicherheitsbeamten am Ausgang, dass es da draußen nicht sicher wäre und ausländische Besucher im Terminal bleiben und den ersten Flug nach Hause nehmen sollten. Er muss drei verschiedene Männer bestechen, um ins Freie schleichen zu können. Er bezahlt einem Taxifahrer das Doppelte, damit dieser ihn dahin bringt, wo sich die Frauen zu ihrem lautstarken Protestmarsch versammeln. Es ist mitten am Tag, der Mann hat Angst.
»Fliegen Sie wieder heim«, sagt er, als Tunde aussteigt.
Drei Straßen weiter entdeckt er das Ende der Menschenmenge. Er hat das Gefühl, dass hier heute etwas geschehen wird, etwas, das er so zuvor noch nie gesehen hat. Er ist zu aufgeregt, um Angst zu haben. Er wird derjenige sein, der alles aufzeichnet.
Er folgt den Frauen, hält die Kamera dicht bei sich, sodass nicht sofort ersichtlich ist, was er tut. Zwei Frauen bemerken ihn dennoch. Sie rufen ihm etwas zu, zuerst auf Arabisch, dann auf Englisch.
»Medien? CNN? BBC?«
»Ja«, antwortet er. »CNN.«
Sie lachen, und einen Moment lang bekommt er es doch mit der Angst zu tun, doch die löst sich in nichts auf, als die Frauen sich gegenseitig zurufen »CNN! CNN!«. Sie drängen sich um ihn und recken lächelnd einen gestreckten Daumen in die Kamera.
»Du darfst nicht mit uns laufen, CNN«, sagt eine, die ein wenig besser Englisch spricht als die anderen. »Heute werden keine Männer bei uns sein.«
»Oh, aber …«, Tunde setzt sein gewinnendstes Lächeln auf, »ich bin doch harmlos. Ihr würdet mir nichts tun.«
Die Frau bleibt unerbittlich. »Nein, keine Männer.«
»Was muss ich tun, damit ihr mir vertraut?«, fragt Tunde. »Schaut, hier ist mein CNN-Ausweis. Ich trage keine Waffen bei mir.« Er öffnet sein Jackett, zieht es langsam aus und wendet es in der Luft hin und her.
Die Frauen beobachten ihn. Die, die passabel Englisch spricht, sagt: »Du könntest alles bei dir tragen.«
»Wie heißt du?«, fragt er. »Meinen Namen kennst du bereits. Ich bin im Nachteil.«
»Noor«, antwortet sie. »Das bedeutet ›das Licht‹. Wir bringen das Licht. Also, sag uns: Was ist, wenn du eine Pistole in einem Halfter am Rücken trägst oder einen Taser an deinem Oberschenkel?«
Er sieht sie an und zieht langsam eine Augenbraue nach oben. Sie hat dunkle, fröhliche Augen. Sie lacht ihn an.
»Wirklich?«, meint er.
Sie nickt lächelnd.
Er knöpft langsam sein Hemd auf, zieht es aus. Funken springen zwischen den Fingerspitzen der Frauen, doch er hat keine Angst.
»Keine Pistole auf dem Rücken.«
»Das sehe ich«, erwidert sie. »Und der Oberschenkel?«
Etwa dreißig Frauen beobachten die Szene. Jede einzelne von ihnen könnte ihn mit einem Schlag töten. Wer A sagt …
Er knöpft seine Jeans auf, streift sie nach unten. Die Frauen schnappen leise nach Luft. Er dreht sich langsam um die eigene Achse.
»Kein Taser«, sagt Tunde, »an meinen Oberschenkeln.«
Noor lächelt. Leckt sich die Oberlippe.
»Dann solltest du mit uns kommen, CNN. Zieh dich wieder an und folge uns.«
Rasch kleidet er sich wieder an und stolpert hinter den Frauen her. Noor ergreift seine linke Hand.
»In unserem Land ist es verboten, dass Männer und Frauen sich auf der Straße an den Händen halten. In unserem Land dürfen Frauen nicht Auto fahren. Frauen können mit Autos nicht umgehen.«
Sie packt seine Hand fester. Er spürt, wie diese seltsame Kraft über ihre Schultern zuckt, wie diese besondere Atmosphäre in der Luft vor einem Gewitter. Sie tut ihm nicht weh, nicht einmal ein Flimmern tritt auf ihn über. Sie zieht ihn über die leere Straße zu einem Einkaufszentrum. Vor dem Eingang parken Dutzende Autos in ordentlichen Reihen, die von roten, grünen und blauen Flaggen gekennzeichnet werden.
Von den oberen Stockwerken des Einkaufszentrums sehen Männer und Frauen nach unten zu ihnen. Die jungen Frauen um Tunde herum lachen, deuten mit den Fingern auf die Zaungäste und erzeugen ein Knistern zwischen ihren Fingerspitzen. Die Männer verziehen das Gesicht. Die Frauen starren begierig nach unten. Ihre Augen sehnen sich nach diesem Anblick.
Noor lacht, als sie Tunde bedeutet, sich in sicherer Entfernung zur Motorhaube eines schwarzen Jeeps direkt vor dem Eingang zu postieren. Ihr Lächeln ist breit und selbstbewusst.
»Filmst du?«, fragt sie.
»Ja.«
»Wir dürfen in diesem Land kein Auto steuern«, sagt sie, »aber schau zu, was wir stattdessen können.«
Sie legt ihre Hand flach auf die Motorhaube. Ein Klicken ertönt, und die Haube öffnet sich.
Sie grinst Tunde zu und legt ihre Hand auf den Motor, neben die Batterie.
Der Motor springt an, heult auf. Immer höher, immer lauter kreischt er, versucht, vor der Berührung der Frau zu fliehen. Noor lacht die ganze Zeit. Das Geräusch der gequälten Maschine wird immer durchdringender, bis es zu einer Explosion kommt, ein weißer Blitz aus dem Motorblock schießt und dieser einfach schmilzt. Öl und flüssiger Stahl tropfen auf den Boden. Noor verzieht das Gesicht, packt Tundes Hand und ruft ihm »Lauf!« ins Ohr. Und das tun sie, rennen über den Parkplatz, während sie ihn drängt weiterzufilmen. Er dreht sich zu dem Jeep um, genau in dem Moment, in dem das heiße Metall auf den Benzinschlauch trifft und der Wagen explodiert.
Es ist so laut und heiß, dass sein Kameramonitor erst weiß wird, dann schwarz. Als das Bild zurückkommt, laufen junge Frauen in der Mitte des Bildschirms, vor dem Hintergrund des enormen Feuers. Sie gehen von Auto zu Auto, bringen die Motoren zum Aufheulen und schließlich zum Schmelzen. Manche müssen die Autos nicht einmal berühren; die Energie, die sie auf die Fahrzeuge werfen, reicht aus. Alle lachen.
Tunde schwenkt die Kamera nach oben in Richtung der Menschen, die alles durch die Fenster der oberen Stockwerke verfolgen. Manche Männer versuchen, ihre Frauen von den Glasscheiben wegzuziehen. Manche Frauen schütteln die Hände ihrer Männer einfach ab, ohne ein Wort. Schauen weiter zu, die Handflächen gegen das Glas gepresst. Da weiß Tunde, dass dieses Phänomen die Welt erobern und alles ändern wird, und er ist so glücklich, dass er in den Chor aus Freudenschreien der Frauen einstimmt.
In Manfouha, im Westen der Stadt, tritt eine ältere Äthiopierin aus einem halb fertigen, von Gerüsten gestützten Haus, um sie zu begrüßen. Sie hält die Hände erhoben und ruft etwas, das niemand versteht. Ihr Rücken ist gekrümmt, die Schultern nach vorn geschoben, ihre Wirbelsäule zwischen den Schulterblättern gewölbt. Noor nimmt ihre Hand zwischen ihre, und die ältere Frau beobachtet ihr Tun wie ein Patient die Arztbehandlung. Noor legt zwei Finger auf ihre Handfläche und zeigt ihr, wie sie die Kraft nutzen kann, die schon immer in ihr geschlummert haben muss, all die Jahre ihres Lebens. So funktioniert es. Die jüngeren Frauen können es in den älteren erwecken. Und von jetzt an werden alle Frauen über diese Kraft verfügen.
Die Greisin beginnt zu weinen, als Noors zarte Berührung ihre Nerven und Gelenke entflammt. Man erkennt es auf dem Video an ihrem Gesichtsausdruck, als sie in sich hineinhorcht und die Veränderungen spürt. Sie selbst hat wenig zu geben. Ein winziger Funke springt von ihren Fingerspitzen auf Noors Arm über. Sie muss ungefähr achtzig Jahre alt sein. Die Tränen laufen ihr übers Gesicht, als sie das Kunststück immer wieder vollbringt. Sie hält ihre Handflächen in die Höhe und bricht in Freudengeheul aus. Die anderen Frauen stimmen ein, und ihre Gesänge hallen durch die Straßen, durch die Stadt. Tunde denkt, dass diese glückliche Warnung im ganzen Land erklingen muss. Er ist der einzige Mann, der einzige, der filmt. Diese Revolution wirkt wie ein privates Wunder, das die Welt verändern wird.
Er folgt den Frauen durch die Nacht und filmt alles, was er sieht. Im Norden der Stadt sieht er eine Frau im Obergeschoss eines Hauses hinter einem vergitterten Fenster. Sie wirft eine Nachricht durch die Gitterstäbe nach unten. Tunde ist zu weit weg, doch ein Ruck geht durch die Menge, als die Nachricht von Frau zu Frau gereicht wird. Sie brechen die Tür auf, und er folgt ihnen in das Haus, wo sie den Mann finden, der die Frau vom Fenster in einem Küchenschrank festhält. Sie machen sich nicht einmal die Mühe, ihm etwas anzutun; sie nehmen die Frau einfach mit, während sich ihnen immer mehr Mitstreiterinnen anschließen. Auf dem Campus des Instituts für Gesundheitswissenschaften rennt ein Mann auf sie zu, schießt mit einem Gewehr um sich und brüllt auf Arabisch und Englisch, wie ungehörig sie sich gegenüber Autoritätspersonen verhalten. Er verletzt drei Frauen, bevor sich die anderen auf ihn stürzen. Es klingt wie Eier in der Bratpfanne. Als Tunde nahe genug herangehen kann, um alles zu filmen, liegt der Mann bewegungslos auf dem Boden. Das Flechtwerk aus Linien über seinem Gesicht und seinem Hals ist so dicht, dass er kaum mehr zu erkennen ist.
Kurz vor Einbruch der Dämmerung nimmt Noor Tundes Hand, inmitten der vielen Frauen, die keine Anzeichen von Ermüdung zeigen, und führt ihn zu einem Apartment, einem Zimmer, einem Bett. Es gehört einem Freund von ihr, sagt sie, einem Studenten. Sechs Menschen wohnen hier. Doch die Hälfte der Einwohner der Stadt ist geflohen, das Apartment verwaist. Der Strom funktioniert nicht. Noor erzeugt einen Funken, um ihnen den Weg zu leuchten, und zieht Tunde schließlich das Jackett aus, das Hemd. Sie mustert seinen Körper wie zuvor: offen und begierig. Sie küsst ihn.
»Ich habe das noch nie getan«, sagt sie, und er antwortet, dass das auch auf ihn zutrifft, und er schämt sich nicht dafür.
Sie legt eine Hand auf seine Brust. »Ich bin eine freie Frau.«
Er spürt es. Es ist aufregend. Von den Straßen sind immer noch Rufe, das Knistern von Elektrizität und gelegentliche Schüsse zu hören. Hier in diesem Zimmer, dessen Wände mit Postern von Pop- und Filmstars bedeckt sind, drängen sich ihre Körper warm aneinander. Sie knöpft seine Jeans auf, er streift sie ab. Noor geht vorsichtig vor; er spürt, wie ihr Strang zu vibrieren beginnt. Er hat Angst, ist gleichzeitig erregt; wie in seinen Fantasien vermischt sich alles.
»Du bist ein guter Mann«, sagt sie. »Du bist wunderschön.«
Sie streicht mit dem Handrücken über seine spärlichen Brusthaare. Ein winziger Funken erscheint an den Haarspitzen und leuchtet schwach. Es fühlt sich gut an. Sein ganzer Körper ist hellwach, als sie ihn berührt, als wäre er bisher überhaupt nicht richtig da gewesen.
Er will sie spüren, in sie hineingleiten; sein Körper sagt ihm bereits, was er tun soll, wie er weitermachen soll. Wie er sanft ihre Arme nehmen, sie aufs Bett legen soll. Wie er den Akt vollziehen soll. Doch sein Körper sendet gegensätzliche Signale aus: Angst ebenso sehr wie Lust, Schmerzen, die genauso stark wie das Verlangen sind. Er will sie und will sie gleichzeitig nicht. Er überlässt ihr das Tempo.
Es dauert lange, und das ist gut. Sie zeigt ihm, was er tun soll, mit seinem Mund, mit seinen Fingern. Als sie ihn reitet, verschwitzt und voller Lust, ist die Sonne an einem neuen Tag über Riad aufgegangen. Als sie zum Höhepunkt kommt und die Kontrolle verliert, schickt sie einen Stromstoß durch seine Pobacken, über sein Becken, und er spürt den Schmerz kaum, so groß ist das Entzücken.
Am Nachmittag kreisen Helikopter über der Stadt, Soldaten werden auf die Straßen geschickt, ausgestattet mit Gewehren und scharfer Munition. Tunde filmt, als die Frauen zurückschlagen. So viele haben sich versammelt, und alle sind so unglaublich wütend. Einige Frauen werden getötet, doch das stachelt die anderen nur noch mehr an. Und kann ein Soldat die ganze Zeit weiterfeuern, eine Frau nach der anderen niedermähen? Die Frauen lassen die Schlagbolzen in den Gewehren schmelzen, ebenso wie die Motoren der Fahrzeuge. »Pures Glück war es an diesem Morgen, am Leben zu sein«, kommentiert Tunde seinen Beitrag, denn er hat über die Revolution recherchiert, »doch jung zu sein war der Himmel auf Erden.«
Zwölf Tage später wird die Regierung gestürzt. Unbestätigten Gerüchten zufolge weiß man, wer den König getötet hat; manche sagen, es war ein Familienmitglied, manche sprechen von einem israelischen Auftragskiller. Es wird auch geflüstert, dass eine der Dienstbotinnen die Täterin war, die dem Palast viele Jahre lang loyal gedient hat. Sie habe die Kraft zwischen ihren Fingerspitzen gespürt und konnte sich nicht mehr zurückhalten.
Zu diesem Zeitpunkt sitzt Tunde schon wieder im Flugzeug. Die Ereignisse in Saudi-Arabien sind um die ganze Welt gegangen, und überall passiert gerade dasselbe.