Dachau. Niedriges, modern eingerichtetes Zimmer in einem Bauernhause.
Franziska in leichtem, geschmackvollem Sommerkleid. Dr. Hornstein. Der kleine Veitralf, vier Jahre alt, sehr sorgfältig gekleidet.
DR. HORNSTEIN das Kind auf den Knien haltend. Sie werden sehen, Frau Eberhardt, der Bub erholt sich jetzt viel rascher wieder, als Sie glauben. Bei dem prachtvollen Wetter lassen Sie ihn nur recht viel im Freien spielen. Springen und Laufen kann er ja natürlich noch nicht. Und dann denken Sie jetzt vor allen Dingen an sich selber. Die Anstrengung, die sie durchgemacht haben, werden Sie wohl noch ein halbes Jahr spüren. Lassen Sie sich jetzt nur zu allem hübsch Zeit. Was hilft es Ihrem Buben, wenn Sie sich durch übertriebene Aufregung um Ihre Kräfte bringen.[162]
FRANZISKA. Essen kann er jetzt also wieder alles, was auf den Tisch kommt?
DR. HORNSTEIN. Nur kein rohes Obst! Fleisch und Gemüse, soviel er Lust hat. Auch Mehlspeisen. Zum Kind. Nicht wahr, Veitralf, Reisauflauf mit Apfelmus! Schmeckt dir das?
VEITRALF. Das glaub' ich.
FRANZISKA. Und baden darf ich ihn wie gewöhnlich?
DR. HORNSTEIN. Gewiß! Nur daß Sie sich selbst dabei nicht anstrengen. Stellt das Kind auf die Füße. So, Veitralf! Ja, ja, Sich erhebend. bis man so einen kleinen Weltbürger wieder in Ordnung bringt ... aber er hat eine gute Natur, Streichelnd. unser Veitralf. Da brauchen Sie sich gar nicht zu ängstigen.
FRANZISKA. Hoffen wir nur!
DR. HORNSTEIN. Fällt Ihnen irgend etwas auf, dann telephonieren Sie einfach. Und jetzt, liebe Frau Eberhardt, erholen Sie sich von ihren schlaflosen Nächten. Ich muß jetzt zu dem Vorarbeiter aus der Papiermühle hinüber. Was es für Zufälle gibt! Seit zwanzig[163] Minuten steht die Maschine still. Der kommt ahnungslos mit der Ölkanne, knacks, bricht sie ihm den Arm.
FRANZISKA. Wann kommen Herr Doktor wieder?
DR. HORNSTEIN. Alles wieder geheilt. Geht in vierzehn Tagen in die Fabrik. – Ich komme schon wieder vorbei. Grüß' dich Gott, Veitralf! Grüß' den Onkel schön von mir ...
VEITRALF. Den Onkel Karl?
DR. HORNSTEIN. Just den mein' ich. Du kennst mich. Grüß' den Onkel Karl von mir.
VEITRALF. Den grüße ich schon!
FRANZISKA. Herr Doktor ...
DR. HORNSTEIN. Liebe Frau Eberhardt ...
FRANZISKA. Nun?
DR. HORNSTEIN. Die Sache geht mich nichts an. Sie haben vollkommen recht. Aber – ich spreche ganz offen – der Mensch liebt Sie.[164]
FRANZISKA. Herr Doktor ...
DR. HORNSTEIN. Sie denken, daß ich das Ehestiften als Nebenberuf betreibe? Keine Idee. Ich habe mich nie damit abgegeben. Aber den Karl Almer, den kenne ich doch seit zehn Jahren. Er hatte sich eine Lungenentzündung geholt. War fast so schlimm dran, wie jetzt unser Veitralf. – Wie sich der Mensch verändert hat, seit er Sie kennt. Nein, so was erleb' ich nicht wieder!
FRANZISKA. Ich habe ein Kind.
DR. HORNSTEIN. Das ist es ja gerade, daß Sie ein Kind haben! Das ist ja das Prachtvolle! – Komm, Veitralf. Sag' der Mama, sie soll dir den Gefallen tun und den Onkel Karl heiraten.
VEITRALF. Mama?
DR. HORNSTEIN. Gehen Sie, machen Sie dem Kind die Freude. Sie geben dem Kind einen Vater. Einen grundbraven Kerl. Und wie liebt er das Kind. Seien Sie doch kein solcher Don Quichote, liebe Frau!
FRANZISKA. Was soll ich darauf antworten, Herr Doktor? Karl[165] Almer ist mir ein lieber Freund. Er ahnt von dem allem nichts.
DR. HORNSTEIN. Da kennen Sie ihn schlecht. Wenn Sie einmal unfreundlich mit ihm waren, das merk' ich dem sofort an. Tagelang merk' ich das. Dann schimpft er nämlich auf alle Bilder, die er gemalt hat. – Aber schlafen tun Sie jetzt gut?
FRANZISKA. Schlafen? Jetzt? Wie kommen Sie darauf?
DR. HORNSTEIN. Weil Sie mir einmal sagten, daß Sie früher an Schlaflosigkeit gelitten haben.
FRANZISKA. Sobald der Bub die Augen zugetan hat, falle ich nur so hin. Manchmal schreckt's mich wohl noch auf in der Nacht, wenn er sich regt. Aber gegen früher? Nein, Herr Doktor, das kenne ich nicht mehr, seit ich den Veitralf habe. Gott sei Dank, daß die Zeiten vorbei sind!
Man hört eine alte Küchenglocke läuten.
VEITRALF. Der Onkel Karl! Der Onkel Karl! Er eilt hinaus.
FRANZISKA. Nicht so wild, Veitralf! Du schadest dir![166]
DR. HORNSTEIN. Lassen Sie ihm seine Freude, Frau Eberhardt. Ich freue mich ja auch.
Beide folgen dem Kind nach dem Hausflur.[167]