Veit Kunz. Franziska.
VEIT KUNZ. Du bist so entsetzt? So zu Eis erstarrt? – Du scheinst mich gar nicht erwartet zu haben.
FRANZISKA. Weiß Gott, nein! Warum sollte ich das?
VEIT KUNZ. Dann bitt' ich um Entschuldigung. – Breitenbach sagte mir, er fahre Dienstag nachmittag hierher, um sich mit dir zu besprechen. Heute ist doch Dienstag? Da die Angelegenheit auch mich betrifft, bat ich ihn, dir zu schreiben, daß ich an der Unterredung gerne teilnehmen würde.
FRANZISKA. Was ist das für eine Angelegenheit? – Von Breitenbach habe ich, unberufen, seit Jahren nichts gehört.[167]
VEIT KUNZ. Ich habe sonst nur geschäftlich mit ihm zu tun. Ich bin dir ja auch wohl völlig aus den Augen entschwunden. Ich habe schwer durch müssen, seit du mir den Schabernack spieltest.
FRANZISKA. Herr – wollen wir nicht von etwas anderem reden?
VEIT KUNZ. Franziska! – Als ich dich an jenem Sommerabend im Hause deiner Mutter überraschte, als ich durchs Fenster einstieg und dir meinen Hokuspokus anpries, war ich eine verlorene Existenz. Genau dasselbe hatte ich ohne die geringste Wirkung bei anderen versucht. Aber du erfülltest mich vom ersten Augenblick an mit einem solchen Selbstvertrauen. Deine Gegenwart machte mich so sicher, so waghalsig, so tollkühn, du fachtest einen solchen Größenwahn in mir an, daß ich, solange du zu mir hieltst, über alles Mißgeschick hoch erhaben war.
FRANZISKA. Aber die Beziehungen zu gekrönten Häuptern unterhieltst du doch damals schon?
VEIT KUNZ. Wo lebt ein Abenteurer, der die nicht hat? Es wird nie was daraus, wenn man selber nicht Fürst[168] wird. Ich bin's geworden. Fürst im Reiche der Pechvögel! Schwere Repräsentationspflichten!
FRANZISKA. Mit jedem Wort muß ich fürchten, Sie zu verletzen.
VEIT KUNZ. Sie?
FRANZISKA. Dich!
VEIT KUNZ. Hast du übrigens schon gehört? Der Herzog von Rotenburg, in dessen Festspiel wir damals den kolossalen Erfolg hatten, mußte abdanken.
FRANZISKA. Das bedaure ich um deinetwillen. Meine Existenz ist gesichert.
VEIT KUNZ. Durch des alten Hohenkemnaths Vermächtnis. Eine Lebensrente, wie man sich erzählt.
FRANZISKA. Wenn ich dir mit einem monatlichen Zuschuß ...
VEIT KUNZ. Franziska! Was fällt dir ein! Ich bin Direktor eines Detektivbüros! Meine Geschäfte umklammern den Erdball! Breitenbach läßt schon seit vier Jahren seine Frau durch mich überwachen. Einmal war ich schon mit ihr in Paris. Er bezahlt mir das[169] mit einem ansehnlichen Monatsgehalt. Aber es ist ein Ding der Unmöglichkeit, ihn von ihrer Untreue zu überzeugen.
FRANZISKA. Wollen Sie mich bitte damit verschonen.
VEIT KUNZ. Sie?
FRANZISKA. Warum denn nicht? So fremd, wie wir einander geworden sind. Sie sagten mir noch immer nicht, was Sie herführt.
VEIT KUNZ. Das wird Ihnen Breitenbach sagen. Allerdings habe ich auch ein Privatanliegen an Sie. Der alte Hohenkemnath ist tot. Aber damit stehen Sie auch allein in der Welt. Er versicherte mir selbst, daß es nie zu Vertraulichkeiten zwischen euch gekommen ist. Wenn du mir erlauben wolltest – es ist ein Herzensbedürfnis, dem ich damit Ausdruck gebe – erlauben wolltest, von heute, bis ich sterbe, seinen Platz in deinem Leben auszufüllen?
FRANZISKA. Ich begreife den Sinn deiner Frage nicht. Was hättest du davon? Wer ließ sich träumen, daß aus dir ein solcher Gefühlsmensch wer den könnte!
VEIT KUNZ. Das erklärt sich leicht. Seit vier Jahren denke ich[170] in jeder Minute, in der ich allein bin, und ich bin viel allein, an die Zeiten, die ich mit dir verlebte. Wie an eine überirdische Herrlichkeit denke ich daran zurück, von der ich nie mehr kosten werde ... Vielleicht verstehst Du mich jetzt.[171]