ZOMBIES, UNTOTE, WIEDERGÄNGER

Aus bleicher, aufgedunsener Haut leuchteten ihm zwei blutige Augen entgegen. Lange, spitze Fingernägel näherten sich seinem Hals.

»Die Nacht des Hexers«

Zombies sind wohl die klassischen Widersacher eines jeden Geister- und Dämonenjägers, nicht zuletzt, weil sie sowohl von Schwarzmagiern als auch von Dämonen und sogar dem Teufel selbst gern als Handlanger, Erfüllungsgehilfen und Kanonenfutter missbraucht werden. Die Wortwahl impliziert bereits eine gewisse Willenlosigkeit seitens der wiederbelebten Leichname, denn um nichts anderes handelt es sich.

Der Begriff ist mittlerweile so populär, dass sogar Kinder wissen, was damit gemeint ist. Selbst im Duden ist er zu finden:

Zombie , der; (afrikan. Wort) Toter, der durch Zauberei wieder zum Leben erweckt wurde [und willenloses Werkzeug des Zauberers ist].

Auch hier wird die Willenlosigkeit des Zombies als hervorstechende Eigenschaft und Alleinstellungskriterium benannt. Gleichzeitig ist es das maßgebliche Unterscheidungsmerkmal zum Vampir, abgesehen von den Ernährungsgewohnheiten selbstverständlich. Aber auch Vampire sind lebende Tote, für die Begriffe wie »Untote« oder »Wiedergänger« synonym verwendet werden. Im Gegensatz zum Zombie ist sich der Vampir jedoch stets seiner selbst bewusst und in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Fließend werden die Übergänge, sobald der Vampir an einem eklatanten Mangel an Blut leidet, denn in seiner unkontrollierten Gier nach neuem Lebenselixier kann er durchaus zombiehafte Züge annehmen.

Der Begriff »Zombie« stammt aus der Voodoo-Religion Westafrikas, die durch den Sklavenhandel nach Amerika importiert worden ist und dort vor allem im karibischen Raum praktiziert wurde. Noch heute gelten Haiti und New Orleans als Hochburgen des Voodoo-Kults (was bei JOHN SINCLAIR im zweiten großen Horror-Buch »Voodoo-Land« ausführlich thematisiert wird).

Im Voodoo bezeichnet Zombie einerseits einen Schlangengott, zum anderen ist es aber auch die Bezeichnung für einen Menschen, der durch ein Nervengift und/oder eine Zeremonie zu einem lebenden Toten gemacht wird. Der Voodoo-Priester (Bocor) flößt dem Unglücklichen Gift ein, das üblicherweise aus Kugelfisch oder Stechapfel gewonnen wird. Dadurch wird der Mensch zu einer willenlosen Marionette, deren Lebensfunktionen auf ein Minimum reduziert sind.

In Haiti wurden solche Menschen häufig als Sklaven eingesetzt. Mit den blutrünstigen, nach Fleisch gierenden Kreaturen des Horrorgenres haben diese Zombies allerdings wenig gemein. Erst durch George A. Romeros »Die Nacht der lebenden Toten« (Night of the Living Dead ) wurde der Zombie zu dem kannibalischen Monstrum, mit dem das Wort heute assoziiert wird. Doch erstaunlicherweise wird der Begriff in dem Film gar nicht erwähnt. Romeros lebende Tote gebärden sich in ihrer Gier wie Wahnsinnige, der Voodoo-Zombie hingegen reagiert erst auf Befehl. Zu erlösen ist er übrigens, indem man ihm Salz zu essen gibt. Dann erwacht er aus seinem Zustand und rächt sich an dem Bocor, der ihn zum Zombie gemacht hat, nur um anschließend zu zerfallen.

Die Zombies von George A. Romero und seinen Epigonen hingegen sind Tote, die durch Strahlung, Viren oder Ähnliches zu neuem Leben erwachen und nur zu stoppen sind, indem man ihr Gehirn zerstört oder sie verbrennt.

Das Phänomen des haitianischen Zombies wurde 1980 von dem Anthropologen Dr. E. Wade Davis im Auftrag von Dr. Lamarque Douyon (Leiter des psychiatrischen Zentrums in Port au Prince) erforscht. Gemeinsam untersuchten sie den Fall von Clairvius Narcisse. Clairvius wurde 1962 im Alter von vierzig Jahren mit hohem Fieber in das Albert-Schweitzer-Krankenhaus in Haiti eingeliefert. Achtundvierzig Stunden später war er tot. Doch nach achtzehn Jahren erschien er wieder bei seiner Schwester und erklärte ihr, dass sein Bruder ihn zum Zombie gemacht hatte, weil er sich geweigert hatte, Land zu verkaufen, das ihrer Familie gehörte. Viele Behauptungen von Clairvius gelten als belegt. So wurde das leere Grab untersucht und festgestellt, dass eine Narbe an der Wange von einem Sargnagel stammte. Clairvius Narcisse gilt als erster authentischer Zombie.

Um den Wahrheitsgehalt von Clairvius’ Behauptungen zu beweisen, erwarb Dr. Davis insgesamt acht verschiedene sogenannte Zombie-Pulver, in denen man Teile von Leichen, Nesseln, Kröten (Bufo marinus ) und des oben erwähnten Kugelfisches feststellte, dessen hochgiftiges Tetrodotoxin schon in kleinen Mengen zu Taubheitsgefühlen und sogar kompletten Lähmungen führen kann. Davis war sich sicher, dass Clairvius Narcisse seinen »untoten« Zustand einem solchen Pulver zu verdanken hatte, das einen scheintodähnlichen Zustand hervorrufe.

Dass der Zombie mittlerweile zu einem geflügelten Wort für außer Kontrolle geratene Aggressoren mit Appetit auf Menschenfleisch geworden ist, verdanken wir in erster Linie den entsprechenden Filmen. Obwohl gerade die neueren Wiedergänger, wie sie in der Neuverfilmung von »Dawn of the Dead« zu sehen sind, mit den tumben Gestalten, die unter glühender Hitze auf Baumwollplantagen schuften mussten, herzlich wenig zu tun haben.

Übrigens ebenso wenig wie die Zombies, mit denen es John Sinclair in der Regel zu tun bekommt. Gleichwohl »Die Nacht des Hexers«, über die bereits in Kapitel 1 ausführlich berichtet wurde, auf der Erfolgswelle von Romeros Kultfilm mitschwamm, haben die Zombies bei SINCLAIR mit denen aus dem Kino lediglich gemeinsam, dass es sich in beiden Fällen um wiederbelebte Leichen handelt. Massenhaft auftretende Untote kommen bei JOHN SINCLAIR tatsächlich eher selten vor, meistens bleibt ihre Zahl überschaubar. Romane, die von diesem Muster abweichen, sind – neben dem bereits erwähnten »Voodoo-Land« – noch »Die Zombies« (Band 57), »Zombies auf dem Roten Platz (Sonder-Edition 40) oder auch »Zombies stürmen New York« (Band 282), wobei sie es dort gerade mal bis zum Hafen schaffen.

Im »Tal der vergessenen Toten« (Band 295) sind es dagegen bloß fünf untote Bergleute, die hundert Jahre, nachdem sie in einer Grube verschüttet wurden, zurückkehren. Zehn Soldaten der Royal Air Force werden zu »Zombies, die vom Himmel fallen« (Band 293), und im »Zombie-Teich« (Band 789) schwimmen auch nur vier untote Leichen, während die »Zombie-Ballade« (Sonder-Edition 64) sogar bloß von dreien handelt. Sechs von ihnen werden als »Die Heroin-Zombies« zu unfreiwilligen Drogenschmugglern, drei zu »Zombie-Bomben« (Band 1428). Und nun dürfen Sie raten, um wie viele es sich beim »Zombie-Trio« (Sonder-Edition 303) handelt …

Oft agieren sie allein, so wie »Der Zombie aus dem Kerkerschloss« (Band 256) oder »General Zombie« (Band 377). Ebenfalls unschwer zu erahnen ist die Anzahl der Zombies in Band 552 »Einer kam wieder«. (Er ging aber auch recht schnell, nachdem ihm Suko eine Silberkugel verpasst hat.)

Die Fähigkeiten der Zombies im SINCLAIR -Universum variieren, je nach Herkunft beziehungsweise Art ihrer Entstehung. Da wäre zum einen der Voodoo-Zauber, häufig vertreten durch den Gott Macumba, der in verschiedenen Gestalten in Erscheinung treten kann. Gift kommt bei JOHN SINCLAIR allerdings nicht zum Einsatz. In der Regel sind es Puppen oder, in Macumbas Fall, schwarze Magie ohne näher beschriebenes Ritual. Die daraus entstehenden Zombies sind geistlos umherschlurfende Leichen mit dem unbändigen Willen zu töten, wobei sie sich in der Regel damit begnügen, ihre Opfer zu erwürgen, zu erschlagen oder ihnen das Genick zu brechen. Einige sind jedoch auch in der Lage, Waffen zu benutzen.

Kannibalische Neigungen kommen eigentlich nur bei Xorron vor, einem Dämon, der zu Doktor Tods Mordliga gehört. Xorron ist ein über zwei Meter großes, menschenähnliches Geschöpf mit milchig-weißer Haut, durch die grünlich das Skelett eines Menschen hindurchschimmert. Augen und Nase bestehen aus Schlitzen, der Mund ist ein Spalt mit stiftartigen Zähnen. Die Herkunft von Xorron ist noch nicht zur Gänze geklärt, doch er gilt als Herr der Zombies und Ghouls (auf die später eingegangen wird). Xorron kann Zombies erschaffen, indem er seine Opfer durch einen Biss tötet, die dann wieder zu neuem, untoten Leben erwachen. Ein Schicksal, das auch Jo Barracuda ereilt, einen FBI -Agenten, der mit John Sinclair befreundet war (Sonder-Edition 9 »Ghouls in Manhattan«). So brutal wie in den einschlägigen Filmen geht es dabei allerdings nie zu. Trotzdem war der Jugendschutz damals nicht besonders glücklich über Xorron (ebenso wenig wie über den Todesnebel, die Ninjas oder eine Vampirin mit Maschinenpistole), sodass der Herr der Zombies und Ghouls relativ schnell wieder abdankte (Band 283 bis 285).

Im Prinzip kann jedoch jeder Teufel oder mächtige Dämon Tote zum »Leben« erwecken. Einige von ihnen, so wie Beelzebub, scheinen dabei eine besondere Vorliebe für Untote entwickelt zu haben.

Asmodis, der Fürst der Finsternis, umgibt sich mit ihnen, als er »Die Blutorgel« (Band 186) spielt. Auch hier ist von einem Voodoo-Zauber die Rede, obwohl lediglich die Herzen der Toten beerdigt werden, woraufhin deren Besitzer als Untote weiterexistieren. Diese Zombies verhalten sich fast wie normale Menschen, wenn man mal davon absieht, dass sie nicht zu atmen brauchen und natürlich nicht auf herkömmliche Weise zu verletzen oder gar zu töten sind.

Solche Ausnahmen erschafft Asmodis häufiger. Vor allem Teufelsdiener, die sich durch einen Pakt mit dem Satan ewiges Leben erhoffen, werden belohnt, indem Asmodis sie nach ihrem – meist gewaltsamen – Ableben zu Untoten macht. Oft sind solche Bündnisse auch mit Flüchen verknüpft, die besonders im Mittelalter äußerst beliebt und verbreitet waren.

»Der schwarze Henker« (Band 14) und »Der unheimliche Bogenschütze« (Band 69) sind dabei zwei sehr prominente Beispiele. Beide sind darüber hinaus nicht nur imstande zu sprechen, sie können auch weiterhin virtuos mit ihren Waffen umgehen. Selbst der Kindermörder Rick Holloway, der »Die Teufelsuhr« (Band 155) sein Eigen nennt, wird nach seinem Tod zu einem Zombie, ebenso wie seine drei Opfer. Bei den untoten Tempelrittern, die fast ausschließlich auf das Konto von Baphomet, dem Dämon mit den Karfunkelaugen, gehen, kann man fast von einem eigenen Subgenre innerhalb der Serie sprechen. Inspiriert von »Die Nacht der reitenden Leichen« besteht »Das Erbe der Templer« (Sonder-Edition 62) ebenfalls aus halb vermoderten, berittenen Tempelrittern, die dem Geisterjäger ans Leder wollen. »Ein Hauch von Moder« (Sonder-Edition 84) umgibt einige untote Baphomet-Anhänger, die Sir James und Glenda Perkins entführen. Auf dem »Totenschiff der Templer« (Band 447) treiben die Zombies ebenso ihr Unwesen wie im »Schandturm der Templer« (Band 471). Müßig zu erwähnen, dass sowohl »Der unheimliche Templer« (Band 526) als auch »Der vergessene Templer« (Sonder-Edition 284) lebende Leichen sind.

Mit Cigam (rückwärts gelesen: Magic) erschafft der Satan schließlich ein künstliches Geschöpf, einen höllischen Golem, der sich gern mit Zombies umgibt (Band 685 bis 687). Diese Wiedergänger sind allerdings nicht imstande, selbstständig zu denken, sondern bloß tumbe Gestalten, die vor allem durch ihre große Anzahl bedrohlich wirken.

Unabhängig von schwarzmagischen Ritualen, Flüchen und Teufelspakten gibt es aber noch eine weitere Methode, Zombies zu erschaffen, die auf pseudowissenschaftlichen Methoden beruht (und natürlich keiner ernsthaften Überprüfung standhält).

»Dr. Satanos« beispielsweise erschafft im gleichnamigen GESPENSTER -KRIMI lebende Leichen, indem er seinen Opfern mit einer Guillotine die Köpfe abtrennt und sie auf andere Körper verpflanzt, die er mithilfe einer Fernsteuerung kontrolliert. Ähnlich verfährt auch ein gewisser Mr Mondo, ein weiteres Mitglied der Mordliga, zu der ja schon Xorron gehörte. Der »Zombie-Doc« Professor Donald Conroy steuert seine Zombies dagegen mittels Sensoren.

Auch der Magier Rasputin erschafft reihenweise Untote und legt dabei eine erstaunliche Kreativität an den Tag. Mit einem ganz besonderen Exemplar bekommen es John Sinclair und seine russische Freundin Karina Grischin zu tun, als sie auf »Das untote Kind«, Galina, treffen. Galina starb im Alter von acht Jahren bei einem Autounfall, woraufhin sie von Rasputin wieder zu untotem Leben erweckt wurde. Allerdings ist Galina kein geistloses Geschöpf, denn sie erinnert sich noch genau an ihr früheres Leben. Der Unterschied besteht für sie vor allem darin, dass sie nun in einem langsam verwesenden Körper steckt und enorme Kräfte hat, denn eines haben die Zombies bei JOHN SINCLAIR alle gemeinsam: Sie sind deutlich stärker als gewöhnliche Menschen. Als Karina in die Fänge von Rasputin und Kunasjanow gerät, freundet sich Galina mit der russischen Agentin an und rettet ihr das Leben (Band 2079 und 2080 sowie 2082 und 2083).

Selbst mit außerirdischen Zombies ist John Sinclair im »Zirkel der Untoten« bereits aneinandergeraten (Band 1146 und 1147). Aber auch Tiere sind nicht vor einem solchen Schicksal gefeit, wie »Zombie-Eulen« (Band 1045) und »Zombie-Katzen« (Band 1475) beweisen. Und »Zerberus, der Höllenhund« (Band 325) hat Zombie-Hunde in seinem Gefolge.

Die Methode zur Vernichtung eines Zombies ist von seiner Entstehung abhängig, beziehungsweise von der Art der Magie, der er seine Wiedererweckung verdankt. Ihm einfach nur Salz zu essen zu geben, wäre für eine Serie wie JOHN SINCLAIR selbstverständlich zu unspektakulär und würde in den meisten Fällen wohl auch nicht zum gewünschten Ergebnis führen.

In vielen Fällen hat sich der Kopfschuss, mit dem das reanimierte Gehirn zerstört wird, ebenso bewährt wie die Enthauptung. Schwieriger wird es bei Untoten, die auf das Konto eines Teufels (Asmodis, Baphomet oder Beelzebub) gehen. Allerdings reicht auch hier in der Regel eine geweihte Silberkugel, die nicht mal unbedingt ins Schwarze zu treffen braucht.

Besonders allergisch reagieren Zombies auf Feuer, aber das tun eigentlich alle Untote, einschließlich der Vampire, denen wir uns jetzt widmen werden.