IN SATANS DIENSTEN – DOKTOR TOD

Dr. Tod, wie er sich selbst nannte, war zurückgekehrt. Niemand wusste, woher er kam. Niemand kannte seinen Namen, sein Aussehen. Er war einfach da. Und er hatte nur ein Ziel. Er wollte die Menschheit vernichten. Dazu war ihm jedes Mittel recht.

»Doktor Tod«

Er ist der Prototyp des verbrecherischen Genies. Des wahnsinnigen Wissenschaftlers, für den es keine ethisch-moralischen Grenzen gibt. Und er ist John Sinclairs erster großer, wiederkehrender Gegenspieler. Was für Sherlock Holmes Professor Moriarty ist, ist für den Geisterjäger Doktor Tod.

Schon zuvor hatte es John mit verblendeten und rachsüchtigen Wissenschaftlern zu tun, wie beispielsweise Professor Ivan Orgow, Dr. Satanos, Dr. Moron oder Professor Cornelius, und das sind lediglich Namen aus den ersten achtzehn GESPENSTER -KRIMI s mit John Sinclair. All diese akademischen Schurken hatten jedoch nicht das Zeug, den wackeren Inspektor von Scotland Yard länger als einen Band in Atem zu halten. Dies gelingt erst Dr. Tod, der sich dafür sogar mit dem Teufel verbündet. Trotzdem handelt es sich bei Dr. Tod um einen Menschen, was ihn trotz seines fehlenden Hintergrunds als Widersacher deutlich greifbarer macht. Magische Fähigkeiten besitzt er keine, außer dass er in der Lage ist, mithilfe eines Siegelrings, der die Form eines Totenschädels hat, Menschen zu hypnotisieren.

Woher Dr. Tod stammt und was ihn überhaupt erst so böse gemacht hat, ist übrigens bis heute nicht geklärt, ebenso wenig wie seine wahre Identität. Dr. Tod ist ein Kind seiner Zeit. Ein Schurke, der aus purem Rachedurst und Machthunger über Leichen geht. Was ihn so interessant macht, ist seine Raffinesse. Bereits während seines ersten Auftritts gelingt es ihm, sich auf seinen Gegner einzustellen, indem er lebende Leichen mit einer kugelsicheren Wachsschicht überzieht, sodass selbst Silberkugeln wirkungslos sind. Aber John wäre nicht der Geisterjäger, der er nun einmal ist, würde er nicht auch diese Herausforderung meistern. Zum zweiten Mal bekommt es John Sinclair mit seinem Widersacher in Schottland zu tun, wo Dr. Tod ein Seeungeheuer nebst Zombies auf die Menschheit loslässt. »Der See des Schreckens« ist dieses eine frühe Doktor-Tod-Abenteuer, das immer irgendwie durchs Raster fällt und nicht so recht im Gedächtnis haften bleibt. Vielleicht, weil der Auftritt des Schurken dort relativ kurz ist, vielleicht, weil der Fall als solcher eher unspektakulär daherkommt und in der eigenständigen Serie mit »Das Ungeheuer von Loch Morar« und »Die Zombies« ein sehr viel pompöseres Remake erfährt (Band 56 und 57). Möglicherweise liegt es aber auch daran, dass es der einzige Fall mit Dr. Tod ist, der keine Auswirkungen auf den Verlauf der Serie hat. Schon in seinem nächsten Schurkenstück zieht der Bösewicht nämlich wieder alle Register. Mithilfe eines winzigen Hautstückchens, das er John Sinclair aus der Wange schneidet, verpasst er ihm nicht nur ein ewiges Andenken in Form einer halbmondförmigen Narbe, er erschafft auch einen Doppelgänger, der »In Satans Diensten« Johns Freunde töten soll. Natürlich geht dieser Schuss nach hinten los, und schließlich findet Doktor Tod auf der »Hochzeit der Vampire« sein verdientes Ende, als John Sinclair ihn mit einer Fackel in Brand steckt. Das allein hätte Doktor Tod allerdings mit Sicherheit nicht zu dem Schurken gemacht, als der er uns im Gedächtnis geblieben ist, und wäre für eine Gruselserie auch kein würdiger Abgang gewesen. Und so kehrt er bereits einen Band später als Untoter zurück, um sich während der Premiere zu einem Horrorfilm auf Darwood Castle an seinem Erzfeind John Sinclair zu rächen. Der Plan geht (natürlich) schief und endet sprichwörtlich mit »Doktor Tods Höllenfahrt«.

Mit Erscheinen dieses Bandes schien dieses Kapitel endgültig beendet. Zwar hatte Doktor Tod seinen Status als erster wiederkehrender Gegner sicher, doch wenn es tatsächlich das Ende gewesen wäre, hätte er gewiss nicht den Kultstatus erlangt, den er bis heute genießt. Den verdankt er Asmodina, der Teufelstochter … Nach der Vernichtung des Schwarzen Tods steht Asmodina unter Erfolgsdruck. Mit anderen Worten, es muss ihr gelingen, John Sinclair zu vernichten. Und da hat sie eine grandiose Idee: Sie schwatzt dem Spuk – dem Herrscher über das Schattenreich, in das die Seelen der getöteten Dämonen eingehen – die Seele von Doktor Tod ab und gibt ihr einen neuen Körper, den des toten Mafioso Solo Morasso. Die Teufelstochter spekuliert nicht nur auf Doktor Tods Rachedurst, sie geht auch davon aus, dass er Sinclair besser kennt und einschätzen kann als jeder andere Dämon. Dummerweise hat sie dabei die Rechnung ohne den Wirt, sprich Johns Freund Suko, gemacht, den Doktor Tod damals noch nicht kannte (Band 108). Asmodina überlässt ihrem neuen Helfer ein mächtiges magisches Artefakt, den Würfel des Unheils, und gibt ihm den Auftrag, die Mordliga zu gründen, eine Vereinigung von menschlichen Verbrechern, Terroristen und Dämonen aus den verschiedensten Mythologien und Kulturkreisen. Dazu gehören in der Reihenfolge ihrer Rekrutierung: Tokata, der Samurai des Satans; die Terroristin und spätere Vampirin Pamela Barbara Scott alias Lady X; Marvin Mondo, der Monstermacher; Lupina, die Königin der Werwölfe; Vampiro-del-mar; der Kaiser der Vampire und Xorron, der Herr der Zombies und Ghouls.

Trotzdem schaffen es John und seine Freunde, zu überleben, nicht zuletzt dank der Hilfe ihrer atlantischen Freunde Myxin und Kara – und sehr zum Missfallen von Asmodina. Sie macht Doktor Tod dafür verantwortlich und demütigt ihn, sodass in ihm der Wunsch nach Vergeltung auflodert. Im Verborgenen, still und heimlich, arbeitet er an seinem Racheplan. Nur hat er es jetzt eben nicht länger primär auf John Sinclair, sondern auf Asmodina abgesehen. Schließlich verbündet sich Dr. Tod mit dem Spuk und beraubt John auch zwei seiner wichtigsten Waffen. Der magische Bumerang fällt ihm schon recht früh in die Hände und kostet Tokata lediglich einen Arm (Band 123). Als Dr. Tod dann aber noch das silberne Kreuz erobert, ist der Zeitpunkt gekommen, um seine Rache zu vollenden. Im Reich des Spuks gelingt ihm das Undenkbare: Er köpft Asmodina mit dem silbernen Bumerang. Zwar stirbt bei dem Kampf Marvin Mondo, doch dieses Opfer lässt sich leicht verschmerzen (Band 200 bis 202). Viel gravierender ist da schon der Verlust von Tokata, der kurz darauf auf der Insel des Schweigens im Kampf gegen seinen Todfeind, den Goldenen Samurai, unterliegt und Harakiri begeht (Sonder-Edition 14). Ab diesem Zeitpunkt ist der Zerfall der Mordliga nicht mehr aufzuhalten. Lupina rebelliert, und schließlich erscheint eine weitere Dämonin auf der Bildfläche, die Doktor Tod als Asmodinas Henker herausfordert. Es ist Alassia, die »Herrin der Dunkelwelt«. Sie stammt aus Atlantis und will Asmodinas Nachfolge antreten. Aus diesem Grund fordert sie Doktor Tods Unterwerfung. Der vertreibt sie mithilfe des Würfels des Unheils. Dabei fällt ihm eine Freundin von John Sinclair, Kara, die Schöne aus dem Totenreich, in die Hände. Bei einer waghalsigen Rettungsaktion, die den Geisterjäger und Myxin bis in Dr. Tods Basis nach Feuerland führt, ereilt den Schurken sein Schicksal in Form einer Silberkugel, die sich in seinen Schädel bohrt und ihn in ein Becken mit Piranhas schleudert (Band 229). Doch selbst dann gibt er keine Ruhe, denn schon einen Band später kommt es zu »Dr. Tods Rache«, als seine Nachfolgerin Lady X mit dem Würfel des Unheils aus den Überresten von Solo Morasso fünf kleinwüchsige Abbilder produziert, die sie auf die Mitglieder des Sinclair-Teams hetzt. Zugegeben, ein Schnellschuss, der erwartungsgemäß nach hinten losgeht. Tatsächlich ist dies das endgültige Ende von Dr. Tod, der seinem Namen damit alle Ehre macht. Zwar taucht Jahre später »Das Erbe des Doktor Tod« auf, doch ihm selbst ist keine Rückkehr vergönnt (Band 2089).

Obwohl er sich nach seiner Wiedererweckung als Solo Morasso mehr und mehr in den Hintergrund zurückzieht und von dort aus seine Intrigen spinnt, ist er den Fans vor allem als Anführer der legendären Mordliga im Gedächtnis geblieben. Für viele Leserinnen und Leser ist sie zum Inbegriff für Sinclairs Widersacher geworden, zusammen mit drei weiteren Antagonisten, die wir im Folgenden eingehender betrachten wollen.