Zuerst fiel mir Asmodina auf!
Noch nie hatte ich sie so nah gesehen, und ich erkannte erst jetzt ihre bösartige Schönheit, denn es fiel mir kein anderer Ausdruck ein, um sie zu beschreiben. Und ich spürte die Aura des Schrecklichen, die von dieser Frau ausging, wie einen eiskalten Todeshauch.
»Asmodinas Reich«
Der Schwarze Tod, Asmodina und der Spuk. Fragt man die Fans nach ihren Lieblingsgegnern, fallen diese drei Namen mit Sicherheit am häufigsten, wahrscheinlich noch weit vor Doktor Tod und anderen Bösewichten. Grund genug also, sich diese Widersacher genauer anzusehen.
Den Anfang macht der Schwarze Tod, der bei Leserinnen und Lesern ganz oben auf der Rangliste der beliebtesten Schurken stehen dürfte. Ein Grund dafür mag sein, dass er der erste große Supergegner ist, mit dem der Geisterjäger nach dem Start der eigenständigen Serie aneinandergerät. Dabei ist sein erster Auftritt in »Das Horror-Schloss im Spessart« relativ unspektakulär. Dort verbirgt er sich hinter der biederen Maske des Bordell-Besitzers Kala (Nomen est omen: Kala oder Kalaa ist ein Begriff aus dem Hindi und bedeutet »schwarz«) und dient einem namenlosen Superdämon, dem er zu neuer Macht verhelfen will. Nachdem dieser vernichtet wurde, zieht sich der Schwarze Tod zurück (Band 7).
Doch einige Wochen später taucht er als Professor Zarcadi wieder auf und lässt John Sinclair lebendig begraben, womit er dem Geisterjäger zu seinem ersten großen Trauma verhilft (Band 11 und 12). Überraschend ist die Erkenntnis, dass der Schwarze Tod aus Atlantis stammen soll, für dessen Untergang er letztendlich auch verantwortlich ist (Band 16 bis 18). Im Lauf der folgenden Romane mausert sich der Schwarze Tod langsam, aber sicher zu John Sinclairs Nemesis, obwohl er nur selten persönlich in Erscheinung tritt. Ist dies jedoch der Fall, wird es für den Geisterjäger gefährlich, denn gegen diesen Dämon hat er keine Waffe. Selbst sein geweihtes Silberkreuz vermag den Schwarzen Tod höchstens abzuschrecken, aber nicht zu vernichten.
Dabei ist er auch äußerlich ein wahrer Albtraum: ein haushohes schwarzes Skelett mit wahlweise weiß oder rot leuchtenden Augenhöhlen. Bewaffnet ist er mit einer gewaltigen Sense, deren Klinge allein schon die Größe eines ausgewachsenen Mannes hat.
Der Schwarze Tod wird John Sinclair zu Beginn der Serie als erster Diener von Asmodis, dem Teufel, vorgestellt. Erst sehr viel später erfährt der Geisterjäger die Herkunftsgeschichte dieses Tyrannen. Demnach soll er einst von den Großen Alten (nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen kosmischen Götzen von H. P. Lovecraft) erschaffen worden sein. Doch erst als es John Sinclair in die Vergangenheit und auf den Planeten der Magier verschlägt, erlebt der Geisterjäger »Die Geburt des Schwarzen Tods« hautnah mit (Band 335 bis 339). Das ist insofern interessant, da die Hölle, allen voran Luzifer, mit den Großen Alten verfeindet ist. Der Schwarze Tod rebelliert also gegen seine Schöpfer, als er den Untergang von Atlantis einläutet und sich der Hölle anschließt, was erklärt, weshalb er sich überhaupt von dem silbernen Kreuz des Geisterjägers beeindrucken lässt, das normalerweise nicht auf atlantische Magie reagiert.
Ein Silberstreif am Horizont zeigt sich erstmals, als John von dem geheimnisvollen Buch der grausamen Träume erfährt (Band 84). In diesem Folianten, den einer der Urdämonen verfasst haben soll, steht angeblich geschrieben, wie der Schwarze Tod zu vernichten ist. Dies gelingt dem Geisterjäger schließlich im Finale einer kultverdächtigen Trilogie, die mit Band 100 startet.
»Das letzte Duell« wird auf dem Friedhof am Ende der Welt ausgetragen, wo es John Sinclair gelingt, seinen Erzfeind in einer epischen Schlacht mit dem silbernen Bumerang zu köpfen, der aus den letzten Seiten des Buches der grausamen Träume entstanden ist.
Doch es soll nicht das letzte Mal gewesen sein, dass John mit diesem personifizierten Grauen aneinandergerät. Bei diversen Zeitreisen taucht der Schwarze Tod immer wieder auf, insbesondere wenn es dabei um Atlantis geht, aber auch im Mittelalter hat der Schwarze Tod seine Spuren hinterlassen. Er greift ein, als die Hölle versucht, das Herz der Heiligen Jungfrau Johanna von Orléans in ihren Besitz zu bringen (Band 1139 bis 1141). Zu einem grauenhaften Missverständnis kommt es, als der verstoßene Erzengel Metatron das Buch der grausamen Träume benutzt, um im London des Jahres 1666 die Pest zu heilen und sich dadurch in den Augen der Erzengel zu rehabilitieren. Schließlich steht in dem Buch geschrieben, wie man »den Schwarzen Tod« besiegt … Die Aktion wird für Metatron zum Bumerang, die Menschen verwandeln sich nämlich in schwarze Gerippe. Der in der Zeit zurückgereiste John Sinclair sieht keinen anderen Ausweg, als die untoten Skelette mit Feuer zu bekämpfen, wodurch er den großen Brand von London auslöst (Band 2004).
Der Schwarze Tod ist so beliebt, dass sich Jason Dark schließlich dazu entschied, ihn noch einmal zurückholen. »Die Rückkehr des Schwarzen Tods« heißt das XXL -Abenteuer, dem bislang einzigen Hardcover der Serie aus dem Jahr 2003 (Weltbild-Nachdrucke diverser Heftromane und Taschenbücher nicht mitgezählt), das anlässlich gleich dreier Jubiläen erschien: Der Bastei-Verlag feierte sein fünfzigjähriges Bestehen, John Sinclair seinen dreißigsten Geburtstag und die eigenständige Serie ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum.
Die Bedrohung durch den Schwarzen Tod ist so gravierend, dass sich John Sinclair sogar gezwungen sieht, mit seinen Feinden Dracula II und Justine Cavallo zusammenzuarbeiten. Bringen tut es indes nicht viel, denn der Schwarze Tod bleibt der Serie nach seiner Wiedererweckung noch ein Weilchen erhalten.
Bereits wenige Wochen nach Erscheinen des Hardcovers startet er einen Großangriff auf das Sinclair-Team und Dracula II , dessen Vampirwelt er am Ende des Vierteilers schließlich annektiert (Band 1323 bis 1326). Und er hat große Pläne, denn er will nicht nur seine Feinde vernichten, sondern auch ein neues Atlantis erschaffen. Zu diesem Zweck schließt er mehrere Bündnisse, die zwar nicht immer nachvollziehbar sind, der Serie aber letztendlich guttun. Allein im Jahr 2004 erschienen acht Zweiteiler, zwei Trilogien und sogar ein Vierteiler. Dem Schwarzen Tod selbst hat es allerdings wenig genützt, denn schon Anfang 2005 folgt am Ende eines weiteren Dreiteilers »Das Finale« (Band 1385 bis 1387). Und dieses Mal endgültig. Oder?
Eines ist jedenfalls sicher: Dieses übergroße schwarze Skelett, das personifizierte Chaos, hat sich einen festen Platz in den Herzen der Fans gesichert. Kein Wunder also, dass auch zahlreiche neue Autoren, die ab Band 1851 zu der Serie dazustießen, sich die Gelegenheit nicht entgehen ließen, eine Story mit oder über den Schwarzen Tod zu schreiben, einschließlich meiner Wenigkeit. Weiße Flecken gibt es jedenfalls genug in der jahrtausendelangen Existenz des Schwarzen Tods. So haben sich Oliver Fröhlich und Stefan Albertsen jener Zeit kurz nach dem Untergang von Atlantis gewidmet, in der es den Schwarzen Tod in menschlicher Gestalt auf einen anderen vergessenen Kontinent verschlagen hat, nämlich in das entrückte Land Toghan (Band 2041 bis 2043).
Mit dem Schwarzen Tod, so plakativ er sein mag, hat Jason Dark einen der beliebtesten Heftroman-Antagonisten überhaupt erschaffen, dem nur wenige das Wasser reichen können.
Eine von ihnen ist die Teufelstochter Asmodina , die bereits sehr früh als potenzielle Nachfolgerin des Schwarzen Tods erwähnt wird. Dies geschieht in Band 67 »Die Teufelssekte«, in der auch die bereits genannte Serena Kyle zum ersten Mal in Erscheinung tritt, die sich später als Tigerfrau outet (Band 85).
Ihren ersten persönlichen Auftritt hat Asmodina schließlich in dem Zweiteiler »Die Höllenkutsche« und »Asmodinas Reich« (Band 95 und 96). Dort versucht sie erstmals, eine Gruppe von Dämonen um sich zu scharen, die der Dämonensammler in seiner Höllenkutsche zu ihr bringen soll. Dieser Versuch scheitert zwar, doch bereits kurz darauf wird Asmodinas Plan mit der Gründung der Mordliga auf die Spitze getrieben. Rein optisch ist Asmodina, eine Frau von eiskalter Schönheit mit flammend rotem Haar und den obligatorischen Teufelshörnern, das komplette Gegenteil des Schwarzen Tods. Dabei ist sie die erste wiederkehrende weibliche Antagonistin, was für die damalige Zeit ohnehin etwas Besonderes darstellte. Doch Asmodina entpuppt sich als äußerst gerissene Widersacherin, die es in puncto Raffinesse und Gefährlichkeit durchaus mit dem Schwarzen Tod aufnehmen kann.
Auch ihr Hintergrund erweitert sich im Laufe der Serie. Anfangs gehen John und seine Freunde noch davon aus, dass Asmodis sie kürzlich erschaffen hat. Erst als sie »Asmodinas Höllenschlange« gegenüberstehen (Band 121), erkennen sie die Wahrheit: Die Teufelstochter ist mit Apep identisch, hinter der sich die ägyptische Gottheit Apophis verbirgt. Aber Jason Dark geht sogar noch einen Schritt weiter, denn er verknüpft ihre Herkunft mit den Großen Alten und Atlantis.
Asmodina ist deutlich menschlicher als der Schwarze Tod, auch was ihre Ränkespiele betrifft. Tatsächlich kann man fast Mitleid mit ihr bekommen, als Dr. Tod gegen sie rebelliert und ihr den ehemaligen Verbündeten, den Spuk, ausspannt. Schließlich lässt sie sogar ihr Vater im Stich, und am Ende bleibt von Asmodina nichts weiter als ein Häuflein Asche zurück (Band 200 bis 202).
Asmodina ist das Paradebeispiel dafür, wohin zu viel Ehrgeiz und zu große Ambitionen führen können. Im Prinzip ist sie aber noch immer genau dort, wo sie gestorben ist, denn vernichtet wurde schließlich nur ihr Körper. Im Gegensatz zum Schwarzen Tod ist Asmodina bis heute keine Rückkehr vergönnt gewesen, auch wenn in Band 1989 »Im Reich des Spuks« angedeutet wird, dass ein Teil ihrer Seele sich in Kara, der Schönen aus dem Totenreich, manifestiert hat. Asmodina zählt für viele Fans zu den beliebtesten und einprägsamsten Widersacherinnen, vielleicht auch gerade wegen ihres tragischen Schicksals.
Der Spuk aber, dessen wahren Namen kein Sterblicher aussprechen kann, ist nicht nur der Herrscher im Reich der Schatten, er ist auch der Hüter über die Seelen der vernichteten Dämonen. Ironischerweise war es ausgerechnet Asmodina, die ihn dazu überredete, eine dieser Seelen freizulassen, nämlich die von Doktor Tod, der schließlich zu ihrem Henker wurde.
Der Spuk ist der Dritte im Bunde, der immer wieder genannt wird, wenn es um die Favoriten auf der Feindesliste geht. Die Gründe dafür sind vielfältig, allerdings dürfen wir davon ausgehen, dass er seine Beliebtheit nicht seinem Namen zu verdanken hat. Der Spuk gehört ebenfalls zu den ersten wiederkehrenden Gegenspielern von John Sinclair, auch wenn er nie den Status eines Erzfeindes genoss. Dennoch hat er eine enorme Macht. Das wird bereits während seines ersten Auftrittes deutlich, als er noch »Das Horror-Taxi von New York« fährt (Band 19). Eine fast schon unangemessen plakative Geschichte, bedenkt man, was aus dem Spuk geworden ist. Vorgestellt wird er als Herr über das Reich der Schatten, der sich gegen Sinclairs Waffen als immun erweist. Erst nach einem Blitzschlag zieht er sich zurück, allerdings nicht ohne dem Geisterjäger zuvor noch einen kurzen Blick auf seine wahre Gestalt zu gewähren. Viel erkennt John indes nicht, lediglich schuppige grüne Haut, die an eine Echse erinnert.
Ein Teil der Faszination für den Spuk dürfte auf seine Unabhängigkeit zurückzuführen sein. Der Spuk steht nämlich außerhalb jeglicher Hierarchie, er ist niemandem Rechenschaft schuldig und muss sich keinem beweisen. Er ist die graue Eminenz im Hintergrund, was bemerkenswert ist, da seine Kutte schwarz ist. In dieser körperlichen Form, mit Kutte und gesichtsloser Schwärze unter der Kapuze, in der im besten Fall zwei rote Augen glühen, zeigt er sich jedoch eher selten. Viel lieber tritt er als amorpher, gestaltloser Schatten in Erscheinung. Mit diesem Schatten hat es eine besondere Bewandtnis, die eng mit der Entstehungsgeschichte des Spuks zusammenhängt, die zu den faszinierendsten und vielschichtigsten der gesamten Serie zählt und sich John erst im Laufe der Jahre offenbart. Der Spuk stammt von einem Volk aus einer anderen Galaxie oder zumindest einem weit entfernten Sonnensystem. Dort gehörte er einst einem Rat an, der über mehrere Welten wachte. Eines Tages beging er Verrat und wurde verstoßen. Daraufhin zog der Spuk durch das All und traf auf den Sternenvampir Acron, von dem er sehr viel lernte. Aber auch der wurde vom Spuk hintergangen. Er stahl Acron den Schatten und verbarg sich in ihm, wodurch er nahezu unbesiegbar wurde. Nur muss dieser Schatten mit den Seelen getöteter Dämonen genährt werden.
Eine der größten Überraschungen für John Sinclair und dessen Team ist die Erkenntnis, dass der Spuk identisch mit dem Namenlosen ist, dem sechsten Mitglied der Großen Alten, zu denen Kalifato, Hemator, Krol, Gorgos und der Zwillingsbruder des Eisernen Engels zählen (mehr dazu in Kapitel 5).
Um einer der Großen Alten zu werden, musste der Spuk den Herrscher der Echsenwelt töten, dessen Körper er kurzerhand übernahm. Da er in dieser Gestalt jedoch angreifbar und verletzbar war, hüllte er sich wieder in Acrons Schatten, der dem Spuk nicht nur Schutz und Sicherheit gewährt, sondern gleichzeitig selbst das Reich ist, über das er herrscht. Seine ursprüngliche Gestalt, die eines übergroßen Humanoiden mit schneeweißer Haut, die das Licht der Sterne absorbiert zu haben scheint, wird zur Reliquie des Spuks, die er in einem Schrein in Cornwall sicher verwahrt glaubt. Leider fällt »Der Dämonensarg« ausgerechnet seinem Todfeind Asmodis in die Hände (Band 388). Jahre später versucht die Hölle, allen voran Lilith, dem Spuk mithilfe dieser Reliquie eine Falle zu stellen und ihn zu vernichten (Band 2151 und 2152).
Obwohl der Spuk im Laufe der Serie immer mächtiger wird, hat er mit John Sinclair eine Art Burgfrieden geschlossen – immerhin versorgt ihn der Geisterjäger regelmäßig mit neuen Dämonenseelen. Darüber hinaus haben sie jedoch einen gemeinsamen Feind, nämlich niemand Geringeren als Luzifer, das absolut Böse, den Herrscher über die Hölle, die ihre eigene Hierarchie hat, der wir uns jetzt zuwenden.