DIE HIERARCHIE DER HÖLLE

»Vor unendlich langen Zeiten, als die Erzengel die Träger des Lichts waren, kam es zum großen Kampf zwischen Michael und dem abtrünnigen Luzifer. Dieser Kampf wurde mit Schwertern ausgetragen, und Luzifer, der das Böse verkörperte, verlor. Michael stieß ihn in die Tiefe der Verdammnis, wo er, als der Fürst der Hölle, ein gewaltiges Reich aufbaute. […] Er sammelte die Bösen, die Wesen der Dunkelheit, um seinen Thron, und er gab ihnen den Auftrag, für immer und alle Zeiten gegen die Kräfte des Lichts zu kämpfen. […] Er arbeitete eine regelrechte Hierarchie der Finsternis aus und gab den Wesen Namen. Einige möchte ich dir nennen, und jeder von ihnen ist so mächtig wie Asmodis, denn auch er ist nur ein Teil der Hölle, einer der Unterführer, mehr nicht. Da gibt es Bael, den Herrscher mit den drei Köpfen. Er allein befiehlt über 66 Legionen von Teufeln. […] Ferner existiert Forkas, der den Menschen ebenfalls unsichtbar machen kann. Dann Buer und Marchocias. Auch sie sind Höllenfürsten. Astaroth findet man ebenfalls in diesem Reigen. Auch Eurynome und Amducias. Zusammen mit Bael und Astaroth bilden sie AEBA , das höllische Quartett, das sich bisher ziemlich im Hintergrund gehalten hat. Es sind nur die Namen einiger Höllenfürsten, die ich dir aufgezählt habe, doch jeder von ihnen besitzt […] große Macht. […] Und über allem steht Luzifer. Er ist der absolute Kaiser …«

»Bring mir den Kopf von Asmodina«

Das ist die Kurzfassung der höllischen Hierarchie, die Nostradamus John Sinclair mit auf den Weg gibt. Allerdings ist sie keineswegs eine Erfindung von Jason Dark, sondern stammt aus einer Schrift des Arztes und Gelehrten Johann Weyer, einem erklärten Gegner der Hexenverfolgung. Die »Pseudomonarchia Daemonum« erschien 1577 und war als scherzhafte Karikatur gedacht, von der sich jedoch Teile in der im 17. Jahrhundert veröffentlichten Ars Goetia , die Bestandteil des Schlüssels Salomos (Clavicula Salomonis ) ist, wiederfinden. In ihr werden die Namen von zweiundsiebzig Dämonen genannt, die angeblich von Salomo beschworen und gebannt wurden.

Für Heftromanautoren sind beide Werke ein dankbarer Fundus, denn gerade Weyer lieferte die bisweilen recht kreative und blumige Beschreibung der Dämonen gleich mit.

Allerdings sind bei Weitem nicht alle der genannten Namen von Relevanz. Beispielsweise haben Forkas, Buer und Marchocias bislang keine Rolle bei SINCLAIR gespielt, und selbst die vier Erzdämonen, deren Anfangsbuchstaben den gefürchteten Begriff AEBA ergeben, haben sich bis heute vornehm zurückgehalten.

Tatsächlich hat John Sinclair lange Zeit angenommen, dass Asmodis der über alles herrschende Höllenfürst ist. Doch persönlich begegnen sie sich erst, als Asmodis in Gestalt des sinistren Mister Benjamin »Die Blutorgel« spielt (Band 186).

Asmodis oder auch Asmodi, wie er in einigen anderen Serien genannt wird, ist identisch mit dem hebräischen Asmodäus beziehungsweise Ashmodai, was so viel wie »der Verderber« bedeutet. Im Judentum ist er der Dämon der Begierde und des Zorns, Fürst der Dämonen und Feind der ehelichen Vereinigung. Dennoch wird er in der Kabbala auch als wohltätiger, dem Menschen freundlich zugewandter Dämon beschrieben.

Bei Jason Dark ist er der klassische Teufel, so wie man ihn von mittelalterlichen Stichen her kennt, inklusive Bocksfuß und Hörnern. Sein Gesicht wird im Allgemeinen als ledrige, dreieckige Fratze mit breitem Maul, in dem stiftartige Zähne stecken, dargestellt. Manchmal trägt er sogar ein feuerrotes Trikot. Doch Asmodis ist auch ein Meister der Verkleidung, der gern als gut aussehender Dandy oder Gigolo in Erscheinung tritt und in solch einer Maske einmal beinahe Glenda Perkins verführt (Sonder-Edition 31).

Mindestens ebenso mächtig wie Asmodis ist bei JOHN SINCLAIR Baphomet , der Dämon mit den Karfunkelaugen. Populär wurde Baphomet als jener Götze, der angeblich von den Tempelrittern angebetet wurde. Er wird üblicherweise als Mensch mit dem Haupt eines weißbärtigen Ziegenbocks und roten Edelsteinen anstelle der Augen dargestellt, daher auch sein Beiname. Persönlich tritt Baphomet noch seltener in Erscheinung als Asmodis. Viel lieber schickt er seinen ersten Diener, Vincent van Akkeren, an die Front. Van Akkeren, auch genannt »Der Grusel-Star« (Band 419), genießt einen zweifelhaften Ruf als Regisseur von Snuff-Videos; Filmen also, in denen tatsächlich Menschen ums Leben kommen. Van Akkeren ist der Großmeister der abtrünnigen Templer und von Baphomets Geist beseelt. Was seine Hartnäckigkeit und seinen Hang für theatralische Comebacks betrifft, kann er es durchaus mit Doktor Tod aufnehmen. Zum ersten Mal erwischt es ihn scheinbar, als »Der Würgeadler« (Band 529) ihn in das Fegefeuer nach Aibon, in das geheimnisvolle Land der Druiden (siehe Kapitel 5), verschleppt. Von dort kehrt er allerdings knapp zwei Jahre später zurück, nur um am Ende doch wieder zur Hölle zu fahren (Band 644 und 645), dieses Mal scheinbar für immer.

Elf Jahre sollen vergehen, ehe es zum »Comeback des Grusel-Stars« (Band 1213) kommt, der am Ende eines mehrteiligen Zyklus John Sinclairs Mentor Abbé Bloch das Genick bricht (Band 1218). Schließlich verbündet er sich sogar mit dem Schwarzen Tod. Doch die »Jagd auf den Grusel-Star« endet für ihn in einer Katastrophe, als ihm John mit seinem Kreuz Baphomets Geist austreibt (Band 1355), woraufhin er dem Wahnsinn anheimfällt. Kurz darauf wird er von Dracula II zu einem Vampir gemacht, der vom Schwarzen Tod mit der Sense erledigt wird. Ein ruhmloses Ende für den Diener eines solch mächtigen Götzen, denn Baphomet ist schließlich nicht irgendwer. Zusammen mit Asmodis und Beelzebub bildet er das ultimative Böse, eben Luzifer.

Moment mal, Beelzebub ? Ja, der Prinz der Dämonen gehört ebenfalls zur Spitze der höllischen Hierarchie, auch wenn man seine Auftritte an zwei Händen abzählen kann. Oft tritt er als pelziges Geschöpf, als Schatten oder als überdimensionales Fliegenmonster in Erscheinung. John Sinclair begegnet ihm zum ersten Mal während einer Fahrt im Zombie-Zug (Band 458). Er ist dabei, als Luzifer zum Generalangriff bläst (Sonder-Edition 100) und wird von John und Father Ignatius ausgetrieben, als er in den stellvertretenden Leiter der Weißen Macht fährt (Band 1994).

Dass der gefallene Engel Luzifer aus drei Teilgestalten besteht, die unabhängig voneinander agieren können, ist der Gegenentwurf zu der Heiligen Dreifaltigkeit des christlichen Gottes (Vater, Sohn und Heiliger Geist). Luzifer kann jedoch auch persönlich in Erscheinung treten, was aufgrund der Zwistigkeiten unter seinen drei Teilidentitäten allerdings nicht allzu oft vorkommt. Trotzdem kann er sich selbst dann manifestieren, wenn einer seiner Anteile in existenzielle Not gerät. So kommt er Asmodis zu Hilfe, als dessen Leben bedroht wird (Band 347 und 722). Um sich nicht ständig persönlich bemühen zu müssen, überträgt er seine Kraft schließlich auf einen Agenten der Weißen Macht, Matthias, den er dadurch umdreht und als seinen ersten Diener rekrutiert (Band 1575).

Matthias wird von Luzifer zu John Sinclairs direktem Widersacher aufgebaut. Er ist der Sohn der Finsternis, der Engelfresser, der selbst dem silbernen Kreuz trotzt. Bislang ist es dem Geisterjäger nicht gelungen, ihn zu vernichten.

Neben Luzifer steht Lilith , die Große Mutter, die ausführlich in dem Abschnitt »Hexen hexen« vorgestellt wurde. Liliths Macht ist der von Luzifer ebenbürtig. So gelingt es ihr beispielsweise in Band 347, die Zeichen aus der Mitte von John Sinclairs Kreuz zu stehlen. Wie er später erfährt, war das nur möglich, weil sie an der Entstehung des Talismans beteiligt war (siehe Kapitel 4).

Luzifer direkt unterstellt und ebenso mächtig wie seine drei Teilidentitäten sind die sieben Erzdämonen , zu denen neben Lilith noch Astaroth, Eurynome, Bael, Amducias, Belial und Belphégor gehören. Letzterer übernahm den Platz des abtrünnigen Abraxas, dem für seinen Verrat die Haut abgezogen wurde und der schließlich gemeinsam mit dem verstoßenen Erzengel Metatron das Buch der grausamen Träume schrieb (Band 2014 bis 2016).

Astaroth, Eurynome, Bael und Amducias bilden zusammen den Begriff AEBA . Sie sind die Antagonisten der vier Erzengel Michael, Gabriel, Raphael und Uriel, die John Sinclairs Kreuz geweiht haben. Auch sie treten höchst selten persönlich in Erscheinung und schicken lieber ihre Leibgarde vor, »Die Horror-Reiter« (Band 38), bei denen es sich um Jason Darks Interpretation der vier apokalyptischen Reiter aus der Bibel handelt, die für Krieg, Pest, Tod und Hunger stehen. Mit Albrecht Dürers Darstellung haben diese Reiter allerdings nichts gemein. Ihre schwarzen Pferde speien Feuer, und ihre Gesichter sind hinter roten Halbmasken verborgen. Später, nachdem sie auf dem Friedhof am Ende der Welt, wo sie mit dem Schwarzen Tod gegen John Sinclair kämpften, von den Erzengeln besiegt wurden, erscheinen sie als Skelette in Rüstungen, auf deren Brustpanzer die Anfangsbuchstaben ihrer jeweiligen Herren stehen. Beziehungsweise Herrin, denn bei Eurynome handelt es sich um eine weibliche Erzdämonin. Der Begriff AEBA wird synonym auch für die Horror-Reiter verwendet.

Belphégor macht John Sinclair vor allem zu Beginn seiner Karriere das Leben schwer. »Der Hexer mit der Flammenpeitsche«, wie er ebenfalls genannt wird, tritt zum ersten Mal in dem gleichnamigen GESPENSTER -KRIMI auf, wo er die MYSTERY SCHOOL leitet, bei deren Schülerinnen und Schülern es sich um Vampire handelt. Ein weiterer Beiname von Belphégor ist »Der Hexer von Paris«. Als solcher verbündet er sich mit dem Schwarzen Tod, verliert am Ende jedoch den Kampf gegen John Sinclair und seine Freunde (Band 64 und 65). Lange Zeit bleibt er »Gefangen in der Mikrowelt«, ehe es schließlich zu »Belphégors Rückkehr« kommt. Allerdings hat er sich zu diesem Zeitpunkt bereits den Großen Alten angeschlossen und ist einen Pakt mit Izzi, dem Höllenwurm, eingegangen (Band 238 und 239). Am Ende wird Belphégor, dessen Körper aus zahllosen winzigen Würmern besteht, von Suko mit der Dämonenpeitsche vernichtet. Doch dem Dämon gelingt erneut die Rückkehr, bevor ihm der Eiserne Engel in »Belphégors Höllentunnel« mit dem magischen Pendel endgültig den Rest gibt (Band 262).

Ein anderes Kaliber ist da schon »Belial «, der zum ersten Mal im gleichnamigen Roman erscheint (Sonder-Edition 172). Belial ist der Engel der Lüge, der nur dann verwundbar ist, wenn man ihn dieser Lüge überführt, wobei er überzeugt sein muss, die Wahrheit zu sprechen. Klingt kompliziert? Ist es auch. Hat aber funktioniert, und zwar nicht nur einmal. Belial findet sein verdientes Ende übrigens, als er sich mit dem frisch zurückgekehrten Schwarzen Tod verbündet. Er stirbt durch die Macht der Erzengel, als er John in seiner Lügenwelt gefangen hält (Band 1364 bis 1366).

Wer Belphégor und Belial letztendlich beerbt hat, ist nicht bekannt, aber wie bei den Erzengeln auch wird meistens ohnehin bloß nach den vier wichtigsten gefragt.

Von Luzifer und den Erzdämonen einmal abgesehen, ist wenig über die Hierarchie der Hölle bekannt, außer dass jeder Erzdämon besondere Vorlieben hat. Während sich Lilith und Asmodis um die Herrschaft der Hexen streiten und Baphomet sich um die Templer kümmert, hat Beelzebub anscheinend eine Affinität für Zombies entwickelt, wohingegen sich Astaroth mehr zu Vampiren hingezogen fühlt. Eurynome belohnt ihre – zumeist weiblichen – Anhänger, indem sie sie zu Dybbuks macht, also zu Geistern, die in die Körper anderer Menschen fahren können. Bael (auch Baal) mag Gold und umgibt sich gern mit aasfressenden Leichenvögeln. Von Amducias wissen wir dagegen nur, dass er ein Mann mit dem Gesicht eines Krokodils ist.

Doch sobald es um die Hölle und Luzifer geht, dürfen die Kreaturen der Finsternis nicht unerwähnt bleiben. Was zunächst wie eine allgemeine Umschreibung für allerlei schwarzmagisches Kroppzeug klingt, bezeichnet in Wirklichkeit eine Gruppe mächtiger Dämonen. Die Kreaturen der Finsternis sind Urdämonen, die zu Anbeginn der Zeiten mit Luzifer aus den himmlischen Gefilden vertrieben wurden (Band 737 und 738). Allerdings stürzten sie nicht mit ihm in die Hölle, sondern blieben auf der Erde, wo sie sich unter die Menschen mischten. Sie leben unerkannt unter uns, gehen normalen Berufen nach und gründen sogar Familien. Die Kreaturen der Finsternis sind Luzifers Leibgarde und sollen auf Erden die »Höllenzeit« einleiten (Sonder-Edition 150):

Sie existierten seit Anbeginn der Zeiten und sie hatten sich unter der Knute ihres Führers Luzifer zu einer gefährlichen Macht entwickelt. Es gab einen Namen für sie: Kreaturen der Finsternis! Ihre Ziele: Das Ende der Menschheit! Die absolute Herrschaft des Bösen! Sie hatten überall auf der Welt ihre Zeichen gesetzt, und diese waren nicht übersehen worden. Weder von der weißen Macht, dem Geheimdienst des Vatikans, noch von mir. Deshalb schlossen wir einen Pakt, um das Ziel der Kreaturen, die Höllenzeit, zu stoppen …

Ihre wahre Gestalt ist im wahrsten Sinn des Wortes monströs, und sobald sie ihre Maske fallen lassen, schimmert ihre dämonische Fratze durch das menschliche Antlitz hindurch. Prominenteste Vertreterin der Kreaturen der Finsternis ist Johns Teilzeitgeliebte Jessica Long. Kreaturen der Finsternis sind äußerst schwer zu vernichten, da sie selbst gegen Silberkugeln immun sind. Feuer und Enthauptung sind aber auch bei ihnen ein probates Mittel, ebenso wie Sukos Dämonenpeitsche. Am wirkungsvollsten ist jedoch John Sinclairs geweihtes Kreuz, da es die Kreaturen nicht nur vernichtet, sondern auch enttarnt (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Die Kreaturen der Finsternis symbolisieren auf fulminante Weise die alte Angst vor der schleichenden Unterwanderung unserer Gesellschaft durch subversive Elemente, wie sie in zahlreichen Science-Fiction-Filmen und -Romanen thematisiert wird (die Körperfresser lassen grüßen) und die nicht zuletzt zum Hexenwahn und den damit einhergehenden Hexenprozessen geführt hat. Das Böse ist eben überall. Umso wichtiger ist es, dass man sich entsprechend dagegen wappnet. John und seine Freunde habe das sehr schnell begriffen und sich ein stattliches Arsenal an Waffen zugelegt, um die sich das folgende Kapitel drehen wird.