4. DAS KREUZ MIT DEN WAFFEN

Ich erhob mich und kam ihrem Wunsch nach. Die Schatulle lag ganz in der Ecke. Ich brachte sie der alten Frau. Vera Monössy nahm sie in ihre zittrigen Hände. Sie musste sich anstrengen, um den Deckel zu öffnen. Dann aber hatte sie es geschafft, und ein glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie drehte die Schatulle so, dass ich hineinschauen konnte. Mit dunkelrotem Samt war sie ausgelegt. Und auf dem Samtkissen lag in einer genau nachgefertigten Mulde ein Gegenstand, den ich dort nie vermutet hätte. Es war – ein Kreuz!

»Der Pfähler«

Ein Merkmal des Horror- oder Gruselgenres ist, dass die häufig überirdischen beziehungsweise dämonischen Antagonisten deutlich widerstandsfähiger sind als ihre menschlichen Widersacher respektive Opfer. Messerstiche und Bleigeschosse machen ihnen in der Regel nichts aus, und selbst Kopfschüsse stecken viele von ihnen locker weg. Die meisten Untoten reagieren zwar äußerst empfindlich auf Enthauptung und Zerstückelung, Dämonen und vor allen Dingen Geistern ist aber selbst damit nicht immer beizukommen. Mit ein wenig Glück zeigt in diesen Fällen wenigstens Feuer noch eine gewisse (abschreckende) Wirkung. Nun ist es schwer vorstellbar, die ganze Zeit mit einem Flammenwerfer bewaffnet durch die Gegend zu laufen (obwohl John Sinclair genau das am Ende von »Die Nacht des Hexers« tatsächlich tut), zumal das Ergebnis zu dem angerichteten Kollateralschaden in keinem Verhältnis steht. Hinzu kommt, dass selbst Feuer nicht immer zum gewünschten Erfolg führt. Besonders die mächtigeren Dämonen, einschließlich des Teufels, zeigen sich davon reichlich unbeeindruckt. Es bedarf also schon größerer Geschütze, um den höllischen Heerscharen beizukommen.

Nun hat John Sinclair das unverschämte Glück, dass er zu Beginn seiner Laufbahn mit eher klassischen Gruselgestalten wie Zombies und Vampiren oder mit verblendeten Menschen und Magiern zu tun hat, denen man durchaus mit normalen Waffen zu Leibe rücken kann. Im Falle der Vampire sollten es zwar Kreuze und Pflöcke sein, aber die sind ja nicht wirklich schwer zu beschaffen. Vor eine größere Herausforderung wird John da schon von Sakuro gestellt. Glücklicherweise trifft er in Kairo eine alte Wahrsagerin, Farah, von der er ein Amulett erhält, mit dem er dem Dämon zu Leibe rücken kann (2. Auflage Band 5).

Und damit ist seine wichtigste Waffe bereits genannt worden: das Glück !

Man muss nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und die richtigen Menschen treffen, dann wird das schon. Jetzt wissen wir natürlich alle, wie unbeständig das Glück ist. Das ist auch John Sinclair klar, dem schnell bewusst wird, dass er mit der Standard-Bewaffnung für Polizeibeamte nicht weit kommen wird. Und so legt er sich zunächst ein beachtliches Arsenal an geweihten Kruzifixen zu, von denen einige unten sogar zugespitzt sind, damit er sie kurzerhand als Pflock zweckentfremden kann. So hat der gewiefte Geister- und Vampirjäger gewissermaßen zwei Waffen in einer und dazu noch eine Hand frei, um die Taschenlampe zu halten. Die Vampire von Lady Laduga zeigen sich von Johns Einfallsreichtum jedenfalls beeindruckt, die Oberschurkin selbst indes weniger. Aber vor dem Feuer, mit dem Bill Conolly in der Zwischenzeit ihr Leichenhaus angesteckt hat, muss auch sie kapitulieren (2. Auflage Band 4).

Bei seiner zweiten Begegnung mit Vampiren hat er die Kreuze offenbar zu Hause vergessen, dort muss er sich nämlich mit einem Stuhlbein behelfen, das er kurzerhand anspitzt und in einen Holzpflock verwandelt (2. Auflage Band 6). Und damit kommen wir zu Johns zweitwichtigster Waffe: seinem Improvisationstalent . Dank diesem reicht auch schon mal ein Schlauch aus der Bäderabteilung des Krankenhauses, wie wir ja bereits in Kapitel 3 erfahren haben.

Die berühmten Silberkugeln kommen zum ersten Mal gegen »Die Töchter der Hölle« (2. Auflage Band 7) zum Einsatz. Hier glaubt John allerdings noch, dass er drei davon braucht, die zudem genau das Herz eines Untoten treffen müssen, um ihn endgültig zu vernichten. Nun ja, in diesem Fall hat sich die alte Weisheit »viel hilft viel« durchaus bewährt.

Im weiteren Verlauf der (Sub-)Serie, wir bewegen uns schließlich immer noch in den GESPENSTER -KRIMI s, wächst das Arsenal recht schnell. Neben einem geweihten Silberdolch benutzt John auch gerne Weihwasserphiolen , magische Kreide und sogar eine gnostische Gemme  – einen flachen, ovalen Stein, der eine Schlange zeigt, die sich selbst in den Schwanz beißt. Die Gemme hängt an einer ledernen Schnur und ist über zweitausend Jahre alt. Sie gehörte einst einem Führer der Gnostiker, einer Sekte, die sich von der christlichen Kirche losgesagt hat. Daher ist die gnostische Gemme auch deutlich wirkungsvoller gegen Dämonen und Untote aus dem nicht-christlichen Einzugsgebiet. So erweist sie John gute Dienste im Kampf gegen »Das Ölmonster« (Band 215) und andere orientalische Finsterlinge, bis sie schließlich selbst vernichtet wird, als die »Karawane der Dschinns« Johns Weg kreuzt (Band 371).

Speziell gegen Vampire besitzt der Geisterjäger eine Druckluftpistole , die mit zugespitzten Eichenbolzen geladen ist. Vorteile sind die geringe Geräuschentwicklung und die vergleichsweise niedrigen Kosten (Eichenholz ist günstiger als Silber). Nachteilig sind mangelnde Durchschlagskraft, die Klobigkeit der Waffe sowie das begrenzte Einsatzspektrum – schließlich wirken Eichenbolzen nur bei Vampiren und dann auch nur, wenn sie direkt ins Herz (oder zwischen die Augen) treffen. Daher werden die Bolzen später mit Spitzen aus geweihtem Silber versehen, was die Druckluftpistole jeder Daseinsberechtigung beraubt, weshalb sie auch recht schnell eingemottet wird. Zuletzt eingesetzt wird sie (nach langer Pause) in Band 2097, anlässlich des vierzigjährigen Jubiläums der eigenständigen Serie.

Lange Zeit bewahrt John die Druckluftpistole zusammen mit seinen anderen Waffen in einem speziellen Einsatzkoffer auf, der nicht nur gepanzert, sondern auch mit einem Zahlenschloss versehen ist. Versucht ein Unbefugter, den Koffer zu öffnen, strömt Betäubungsgas aus. Dieser Koffer ist nützlich, da sich John Sinclair mit seiner Hilfe jederzeit auf die verschiedensten Gegner einstellen kann. Allerdings ist er sehr unhandlich und beinhaltet zahlreiche Gegenstände und Waffen, die durch seine Standardbewaffnung überflüssig geworden sind (siehe Druckluftpistole) oder die man leicht vor Ort organisieren kann (Weihwasser, Holzpflöcke). John besitzt den Koffer zwar noch, benutzt ihn aber aus den eben genannten Gründen nur äußerst selten.

Der Hauptgrund dafür ist, dass sich etwas in seinem Besitz befindet, was ihn nicht nur als auserwählten Sohn des Lichts auszeichnet, sondern ihm auch optimal gegen eine breite Palette der unterschiedlichsten Gegner hilft. Es ist …