»Cheops«, sagte ich. »Die Cheops-Pyramide.«
Der Professor gab mir recht. Ich merkte, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken lief. […] Ich dachte daran, dass sich wieder einmal so etwas wie ein Kreislauf schloss. Mich hatte der Weg schon einmal dorthin geführt. Ich dachte an die Psychonauten, […] an die geheimnisvollen Keller und Schächte unter der Pyramide, […] an die unentdeckten Räume und daran, dass in einem von ihnen das Wissen der damaligen Welt verborgen war.
»Kismet in Kairo«
Geht es um ägyptische Mythologie im Horror-Genre, dürften die meisten Menschen sofort an wandelnde Mumien denken. An untote Pharaonen beziehungsweise lebendig einbalsamierte Hohepriester, die durch einen Fluch wieder zum Leben erwachen. Und tatsächlich gehört »Sakuro, der Dämon« ebenso dazu wie der Magier-Pharao Samenis (Band 29) oder auch der Zauberer Radamar, der vor viertausend Jahren lebte und mit dem es zum »Kampf mit der Mumie« kommt (Band 220).
Oft stehen diese wiederwachten Mumien mit dem ägyptischen Totenkult und dem schakalköpfigen »Anubis – Wächter im Totenreich« in Verbindung (Sonder-Edition Band 36), so wie in »Die Mumie und der Totengott« (Band 488). In diesem Roman kommt es zur ersten Begegnung mit der löwenköpfigen Kriegsgöttin Sechmet beziehungsweise Sachmet, deren Dienerinnen, die Panther-, Löwen- und Tigerfrauen, dem Geisterjäger später noch das Leben schwermachen (siehe Kapitel 3).
Mit Sachmets Rivalin, der Katzengöttin Bastet, bekommt es John Sinclair indes deutlich früher zu tun (Band 288). Ihr dienen unter anderem auch »Die Katzenfrau« (Band 758), der »Horror-Teenie« (Band 858) sowie die »Jägerin der Nacht« (Band 1611). Im Gegensatz zu ihrem eher sanften Äquivalent aus der Mythologie, wo sie als Göttin der Fruchtbarkeit und der Liebe gilt, wird sie in der Serie ziemlich aggressiv geschildert. Erst nachdem Sachmet ihre Rückkehr angekündigt hat, zeigt Bastet immer häufiger ein anderes Gesicht. So verhindert sie das »Blutgericht der Pantherfrauen«, indem eine von ihrem Geist beseelte Katze dem Geisterjäger das Leben rettet (Band 2065). Später haucht diese Katze der toten Imogen Shaw ihren Atem ein und erweckt sie dadurch zu neuem Leben (Band 2195). Allerdings nicht ganz uneigennützig, wie sich noch zeigen soll (Band 2324) …
Selbst Horus, dessen Auge auf John Sinclairs Kreuz verewigt wurde, ist der Geisterjäger bereits begegnet (Band 448), obwohl er ihm nicht immer wohlgesonnen ist (Band 1915).
Dass es eine Verbindung zwischen Ägypten und Atlantis gibt, erfährt der Geisterjäger durch »Das Blut der Mumie« (Band 619). Auch »Der Zombie-Pharao« weist darauf hin (Sonder-Edition Band 120). Konkreter wird diese Verbindung, als John auf die geheimnisvolle Fatima trifft, einen fünfzehntausend Jahre alten Succubus, der sich von der Lebenskraft von Männern ernährt. Fatima stammt von einer Hochkultur ab, die in der eisfreien Antarktis beheimatet war. Als es dort kälter und das Land unter den Eismassen begraben wurde, wanderte ihr Volk aus und kam dabei bis nach Ägypten, wo es die Sphinx und die Pyramiden von Gizeh errichtete (Sonder-Edition Band 185). Dass die beiden Hochkulturen miteinander verbunden sein müssen, war John Sinclair allerdings schon vorher klar, immerhin spielt die Pyramide auch in Atlantis eine große Rolle. So verdankt er der Pyramide des Wissens seine Rettung vor dem Drachen Nepreno, als er »Allein in der Drachenhöhle« weilt (Band 233).
Ein wiederkehrender Gegner mit einem altägyptischen Hintergrund ist der Magier Sarket, der es auf »Die Fessel des Menarke« abgesehen hat (Band 1975). Kurz darauf wird er zum »Jäger der Unsterblichkeit« (Band 1911), ehe er einen »Angriff auf Scotland Yard« initiiert (Band 1949). Sarket schließt sich daraufhin den Dunklen Eminenzen des Täufers (Abraxas) an. Seit dessen Vernichtung ist der Magier allerdings verschollen, sein Schicksal ungewiss (Band 2014 bis 2016).
Doch kommen wir noch einmal auf »Die Psychonauten « zu sprechen, jene Loge der Mystiker, der John bereits auf der griechischen Insel Samos begegnete. Ihr Anliegen ist es, die Rätsel der Welt zu entschlüsseln und ihr gesamtes Wissen in sich aufzunehmen, um absolute Weisheit zu erlangen. Sie haben ein drittes, nicht sichtbares Auge, in dem sie all dieses Wissen speichern wollen, daher ist das Allsehende Auge auch ihr Symbol. Angeblich ist das Wissen der Welt in einem Raum unter der Cheops-Pyramide gespeichert. Diesen Schatz versucht sich eine Gruppe abtrünniger Psychonauten zu eigen zu machen, indem sie die Wiedergeburt der Tochter des Pharaos Nechbeth entführen. Doch als sie in der Pyramide das Allsehende Auge finden, verwandeln sie sich in hundeköpfige Ghouls, die von Osiris vernichtet werden (Sonder-Edition Band 94). Es soll nicht Johns letzte Begegnung mit den Psychonauten gewesen sein. Wie sich herausstellt, gehört nämlich auch Dagmar Hansen, eine deutsche Regierungsbeamtin, zu dieser Gruppe. Dagmar wurde einst von einem UFO entführt, wobei ihre Psychonautenkräfte geweckt wurden. Als die Außerirdischen zurückkehren, um sie und andere Psychonautinnen abzuholen, wird sie von Suko vor diesem Schicksal bewahrt (Band 966 und 967). Romane über ägyptische Mythologie im Allgemeinen und speziell die Geschichten über die Psychonauten weisen stets einen gewissen Hauch von Mystik auf, der eine wohltuende Abwechslung zu den etwas plakativeren Storys über Vampire, Werwölfe, Ghouls und Zombies darstellt. Das beweist auch mein Roman »Jenseits der Qual«, in dem es dem Geist von David Bowie mithilfe pharaonischer Magie gelingt, im Körper einer Katze zurückzukehren (Band 2243).
Es wird mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein, dass John Sinclair und seine Freunde mit der Magie des alten Ägypten in Berührung kommen. Dazu ist dieses Themengebiet einfach viel zu faszinierend und umfangreich.