Unvergessene Nacht

George Morgan

Die Uhr im Armaturenbrett meines Wagens zeigt bereits 22.05 Uhr. Mein Blick schweift zur unebenen Fahrbahn der schmalen Landstraße zurück. Ein Hinweisschild auf den Naturpark Vogelsberg verschwindet hinter den Rückleuchten des Wagens in der Dunkelheit. Mein Beruf als Verkaufsleiter einer großen Maschinenbaufirma führt mich zu allen Tages- und Nachtzeiten in alle möglichen Gebiete Deutschlands. Seufzend denke ich daran, dass ich morgen früh bereits wieder einen Besuchstermin in Heilbronn habe.

Wie ein hämisch blinkendes Auge reißt mich die rote Warnlampe der Tankanzeige aus meinen Gedanken. „Verdammt, dass ich daran nicht gedacht habe!“ Den nun folgenden Fluch erspare ich mir zu erwähnen. Wo soll ich bloß um diese Zeit und in dieser gottverlassenen Gegend jetzt noch Sprit bekommen?

Ich behandle das Gaspedal so vorsichtig, als ob ich auf rohe Eier trete. Mit zusammengebissenen Zähnen starre ich auf die Kilometeranzeige. In endlos erscheinenden Minuten spult die Hundert-Meter-Anzeige Zahl für Zahl weiter. Plötzlich beginnt der Motor zu stottern. Voller hilfloser Wut hämmere ich auf das Lenkrad ein, als könnte ich dadurch den Motor wieder zum Laufen bringen. Ein letztes absterbendes Geräusch, dann verabschiedet sich mein Antriebsaggregat endgültig. Ich kuppele aus und drücke den Schalthebel in die Leerlaufposition. Unwirklich laut jammern die Reifen auf dem brüchigen Asphalt.

Einige hundert Meter vor mir erkenne ich einen kleinen Waldweg im grellen Licht der Scheinwerfer. Doch der Schwung des Wagens reicht nicht mehr aus. Schwitzend und fluchend schiebe ich die schwere Kiste die letzten Meter in den kleinen Weg hinein.

Ich ziehe mir meine Jacke über und hole den Reservekanister aus dem Kofferraum, verriegele noch die Türen und mache mich dann mit dem leeren Kanister in der Hand auf den Weg.

Das monotone Rauschen der Bäume übertönt das Trappeln meiner Schuhe auf der Asphaltdecke der Straße. Ich versuche mir die Straßenkarte in Erinnerung zu rufen. Doch so sehr ich mich auch anstrenge, ich kann mich an keine Ortschaft in der Nähe erinnern.

Über eine halbe Stunde bin ich nun schon in der Dunkelheit unterwegs. Außer mir scheint nichts und niemand auf der Welt zu existieren. Nur das ständige Blätterrauschen begleitet mich auf meinem Weg.

Ich erreiche eine weitere Abzweigung zu einem betonierten Waldweg. Gerade will ich daran vorbeigehen, da stockt mein Schritt. Mir kommt es vor, als schimmere ein diffuses Licht durch die Bäume.

„Was soll’s“, mache ich mir Mut. „Ob ich jetzt stumpfsinnig weiterlaufe oder die paar Minuten opfere, um nachzusehen, ob ich mich getäuscht habe.“

Ich betrete den Weg und trappele mehr stolpernd als gehend in den nachtschwarzen Wald hinein. Mit vor Anstrengung tränenden Augen versuche ich das Dunkel zu durchdringen. Über 300 Meter bin ich jetzt schon vorwärtsgekommen. Enttäuscht starre ich mir die Augen aus dem Kopf. Nirgendwo ein Lichtschimmer. Doch was ist das? Meine brennenden Augen haben einen massigen, tiefschwarzen Kasten entdeckt.

Langsam, Fuß vor Fuß setzend nähere ich mich. Die Umrisse eines Hauses schälen sich aus der Dunkelheit. Vorsichtig bewege ich mich auf den älteren Steinbau zu. Mein Ziel ist eine große, massive Tür in der Frontseite.

Hoffentlich werde ich nicht für einen Einbrecher gehalten?! Die Aussicht auf eine Ladung Schrot erheitert mich nicht gerade.

Die Rollläden vor den Fenstern sind herabgelassen. Ich sehe auch keinen Lichtschein durch die Ritzen schimmern. Habe ich mich doch getäuscht? Eine tiefe Resignation macht sich in mir breit. Mutlos steige ich die wenigen Steinstufen empor und greife nach dem schweren Türklopfer. Dröhnend hallen die Schläge wider. Ich warte eine Minute, zwei Minuten, doch im Haus rührt sich nichts. Ich will mich bereits abwenden, da höre ich ein leises, schlurfendes Geräusch durch die geschlossene Tür.

„Hallo! Ist da jemand zu Hause?“, mache ich mich mit halblauter Stimme bemerkbar. Eine flüchtige, verwischte Bewegung hinter der kleinen Linse des Türspions veranlasst mich, einen Schritt zurückzutreten. Mit meinem Anzug, dem weißen Hemd und der Krawatte mache ich einen seriösen Eindruck, so hoffe ich wenigstens.

„Entschuldigen Sie bitte vielmals die späte Störung“, beginne ich der geschlossenen Tür zu erklären, „aber mein Wagen steht einige Kilometer von hier ohne Benzin. Vielleicht können Sie mir helfen?“

Eine ganze Weile tut sich nichts, doch dann höre ich einen Schlüssel im Türschloss kratzen. Die Tür schwingt nach innen auf und vor mir steht eine traumhafte Erscheinung.

Undeutlich erkenne ich die langen schwarzen Haare, die in sanften Wellen über zwei wohlgerundete Schultern fallen. Das bodenlange, eng anliegende Negligé aus weißem glänzendem Satin umschmeichelt die vollendete Figur der fremden Frau wie eine zweite Haut. Dieser Eindruck wird durch den matten Schein der Flurlampe in ihrem Rücken noch verstärkt.

„Wenn Sie sich erholt haben und den Mund schließen, können Sie hereinkommen.“

Das dunkle Timbre ihrer Stimme holt mich aus meiner ehrfurchtsvollen Erstarrung zurück. Mein Mund klappt zu und wie in Trance bewege ich mich vorwärts. Ein solches Traumwesen in dieser Abgeschiedenheit zu finden, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nie gedacht …

Ein amüsiertes Lächeln umspielt ihre vollen Lippen, als ich wie ein stummer Fisch an ihr vorbei den Flur betrete. Mein Geruchssinn erfasst ihren berauschend weiblichen Duft und leitet seine Feststellung sofort in den Körperbereich unterhalb meiner Gürtellinie. Wie eine hochempfindliche Sensorfläche empfängt mein ganzer Körper die enorme erotische Ausstrahlung dieser Frau und versetzt mich von den Haarwurzeln bis zu den Zehen in Hochspannung.

Stotternd versuche ich ihr mein Missgeschick zu erklären, ernte jedoch nur ein dunkles, vibrierendes Lachen aus ihrem sinnlichen Mund, aus dem mir zwei blendend weiße Zahnreihen entgegenblitzen.

„Verdammt noch mal. Ich bin 30 Jahre und kein Kind mehr“, schimpfte ich innerlich mit mir. Ich schlucke den dicken Kloß in meinem Hals hinunter und beginne erneut: „Sie müssen schon entschuldigen, dass ich Sie so spät noch belästige, aber durch die Hetze heute habe ich glatt vergessen zu tanken.“

„Und jetzt hängen Sie mit Ihrem Wagen fest und brauchen dringend Benzin“, unterbricht sie mich mit ihrer aufreizenden Stimme.

„Ja, genau“, stotterte ich, schon wieder aus der Fassung gebracht.

„Da haben Sie aber Glück“, fährt sie fort, „dass wir in uns… äh … in meinem Landhaus immer einige gefüllte Reservekanister Benzin lagern. Aber stehen wir doch nicht so verloren im Flur herum. Kommen Sie mit ins Wohnzimmer.“

Sie schwebt an mir vorbei und betritt durch einen Vorhang den dahinter liegenden Raum. Ich setze den Kanister ab und beeile mich ihr zu folgen.

Das, was die Frau so leichthin als Wohnzimmer bezeichnete, ist in Wirklichkeit ein etwa zehn mal zehn Meter großer Raum, der nur von flackerndem Kaminfeuer erhellt wird. Die ganze Breite der linken Wandseite wird von einem riesigen Bücherregal beherrscht. Rechts von mir befinden sich einige kleinere Schränke und Vitrinen und eine überdimensionale Rundcouch mit drei kleinen Beistelltischen. Das Besondere an dem ganzen Raum ist jedoch seine Ausstattung mit Fellen. Der Boden ist ein einziges weiches Meer aus Fellen. Kein Stückchen freier Boden ist zu sehen.

„Machen Sie es sich ruhig bequem“, fordert sie mich auf. „Was möchten Sie trinken?“

„Das gleiche wie Sie“, antwortete ich ihr. Sie geht zu dem Bücherregal und zieht einen uralt aussehenden Wälzer einige Zentimeter aus dem Fach heraus. Vor meinen staunenden Augen schwenkt lautlos die mittlere Regalwand aus und gibt den Blick auf eine gut gefüllte Bar frei.

Ihre schlanken Hände mixen erstaunlich schnell zwei Cocktails. Mit den Gläsern in ihren Händen lässt sie sich auf dem Boden vor dem flackernden Kamin nieder. Langsam gehe ich zu ihr und setze mich neben sie auf den fellweichen Boden. Sie reicht mir ein Glas. Nur kurz berühren sich unsere Fingerkuppen, doch mir ist es, als jage ein Stromschlag durch meinen Körper.

„Auf ihren Wagen“, prostet sie mir zu. Über den geschliffenen Rand des Glases blicken mich ihre unergründlichen, dunklen Augen durchdringend an. Ich nippe nur kurz an dem Getränk. Sie jedoch trinkt das Glas in einem Zug leer und wirft es über ihre Schulter. Ich tue es ihr gleich und werde mit einem Lächeln der feucht glänzenden Lippen belohnt.

Ihre Nähe raubt mir fast den Verstand. Der dünne Satinstoff lässt mich jede Einzelheit ihres Körpers erkennen. Die runden dunklen Stellen, an denen sich ihre hochaufgerichteten Brustwarzen durch das enge Oberteil drücken, die Rundungen der Hüften und das dunkel schimmernde Dreieck zwischen ihren Schenkeln.

Jetzt rutscht sie auch noch näher an mich heran. Ich spüre den warmen Hauch ihres Atems in meinem Gesicht.

„Nenn mich Maria!“

Ihre Stimme vibriert innerlich. Jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich umschlinge sie und unsere Zungen finden sich zu einem heißen Spiel. Mit hektischen Bewegungen streift sie mir die Jacke von den Schultern und zerrt an meinem Hemd. Wie Geschosse fliegen die Knöpfe davon und verschwinden im knöchelhohen Fell.

Meine streichelnden Hände entlocken Marias Kehle dumpfe, durchdringende Laute. Ihre Hände machen sich an meiner Hose zu schaffen und ziehen sie mir Sekunden später ungeduldig über die Hüften. In fliegender Hast entledige ich mich meiner restlichen Kleider und werfe mich auf Maria. Ein unbeschreibliches Verlangen hat uns gepackt. Ein ratschendes Geräusch und ihr Negligé existiert nicht mehr in der ursprünglichen Form.

Mein glühendes Gesicht wühlt sich zwischen ihre vollen Brüste. Ihr animalisches Stöhnen spornt mich weiter an. Meine Zunge hinterlässt feuchte Spuren auf ihrem Weg in die unteren Regionen. Ihre Hände drücken meinen Kopf erregt zwischen ihre geöffneten Schenkel. Die aufpeitschende Geilheit hat bereits ihre warmen, feuchten Spuren in dem zarten, weichen Fleisch ihres dunkel behaarten Lustzentrums hinterlassen.

Meine Zunge jagt Maria in Sekundenschnelle zu einem irrsinnigen Höhepunkt. Ihre Schenkel klappen zusammen, während ihre Hände mein Gesicht fest auf ihren zuckenden Unterleib pressen. Ihre spitze Schreie dringen nur noch gedämpft an meine Ohren. Die Frau muss einen unwahrscheinlichen Nachholbedarf haben, denke ich bei mir.

Sanft löse ich mich aus der durchaus nicht unangenehmen Umklammerung. Verspielt kreisend arbeite ich mich mit der Zunge auf ihrem zuckenden Körper nach oben. Eine ganze Weile verharre ich knabbernd an ihren herrlichen Brustwarzen. Meine Behandlung zeigt Erfolg. Ich spüre an ihren Bewegungen, dass sie wieder bereit ist für die nächste Runde unseres erregenden Spieles.

Ihre schlanken, langen Finger zerwühlen mein Haar. Unsere Lippen vereinen sich zu einem langen, zärtlichen Kuss, eher hingebungsvoll mit einer Spur von Dankbarkeit für dieses geile Spiel. Was für ein erregender Zufall!

Mit unmissverständlichem Druck zieht sie mich auf ihren erhitzten Körper. Ihre strahlenden Augen befinden sich direkt unter meinem Gesicht. Mit ihrer rechten Hand nimmt sie meinen glühenden Penis und versenkt ihn mit einer geschickten Bewegung ihres Unterleibs tief in sich. Im Gleichklang mit ihren schweren Atemzügen beginne ich mich in ihr zu bewegen. Wieder hebt sie ihre Beine und umklammert mich fest. Um uns versinkt die Welt mit all ihren Wichtigkeiten und Unwichtigkeiten. Wie das monotone Geräusch einer Meeresbrandung bewegen sich unsere Körper in vollendetem Gleichklang. Langsam, aber sicher treiben wir dem gemeinsamen Höhepunkt entgegen. Marias Atemstöße werden kürzer und hektischer. Unartikulierte Laute kommen über ihre Lippen. In meinem Unterleib macht sich ein ziehendes Gefühl bemerkbar. Fast gleichzeitig erhöhen wir das Tempo unserer Bewegungen. Lustvoll krallen sich Marias spitze Fingernägel in meinen Rücken und peitschen meine Gefühle hoch. Unsere nass geschwitzten Körper klatschen noch schneller zusammen.

Maria schüttelt ihren Kopf wild hin und her. Die langen Haare verdecken ihr verzücktes Gesicht. Unsinniges und unverständliches Gestammel kommt über ihre Lippen. Jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Ein gewaltiger Höhepunkt durchrast mich und lässt meinen Körper unkontrolliert zucken. Ich möchte am liebsten laut aufschreien, doch Maria schreit für mich mit. Mein Gesicht vergräbt sich zwischen ihren bebenden Brüsten. Voll wilder Lust beiße ich in das weiche und doch feste Fleisch. Es ist ein wahnsinniges Gefühl, von einem irren Orgasmus geschüttelt zu werden, dabei gleichzeitig darauf zu achten, nicht durch Marias hemmungslose Bewegungen abgeworfen zu werden, und ständig ihr schönes, vor Leidenschaft verzerrtes Gesicht vor meinen Augen und ihr lustvolles Stöhnen in meinen Ohren zu haben.

Erschöpft, aber glücklich bleiben wir noch endlose Minuten in der gleichen Stellung liegen, dann kehren wir wieder ins Leben zurück und ich gleite von ihr herab.

Ihr verschleierter Blick geht mir durch und durch. Zärtlich kuscheln wir uns zusammen. Die Glut des heruntergebrannten Kaminfeuers taucht unsere nackten Körper in ein unwirkliches rötliches Licht.

Ich weiß nicht mehr, wie lange wir so wortlos gelegen haben, doch mir kommt es im Nachhinein wie Stunden, ja Tage vor. Irgendwann kleiden wir uns, immer noch schweigend, an.

„Draußen ist ein Schuppen, da findest du Benzin“, durchbricht ihre dunkle, leicht rauchige Stimme das unnatürliche Schweigen. Ich nicke nur. Unsere Blicke saugen sich ineinander fest. Ich will sie noch einmal in die Arme nehmen, doch sie scheint meine Gedanken zu erraten. Sie legt mir einen Finger auf die Lippen und schüttelt kaum wahrnehmbar den Kopf.

„Es war ein Traum“, flüstert sie mit erstickter Stimme. „Behalten wir es auch so in Erinnerung.“

Ihre zarten Lippen streicheln noch einmal kurz über meine Wangen, dann wendet sie sich ab und huscht leichtfüßig in das Wohnzimmer zurück. Mit schweren Schritten stapfe ich zur Eingangstür. Mit äußerster Willenskraft zwinge ich mich zum Gehen.

Als ich später mit meinem Wagen an dem schmalen Weg vorbeifahre, tritt mein rechter Fuß automatisch auf die Bremse. Meine Gedanken jagen sich. Bevor ich mich zu einem endgültigen Entschluss durchringen kann, trete ich entschlossen das Gaspedal bis zum Boden durch. Mit gequält jaulenden Reifen wird der schwere Wagen vorwärtskatapultiert. Innerlich wie ausgehöhlt, lasse ich das einsame Haus endgültig in der Schwärze der Nacht hinter mir.