Liebesgewitter

Stephan Becker

Istrien an der Kvarner Bucht in Kroatien, ein Ferienbungalow und viel Sonne! Das alles genoss ich nun bereits seit zwei Wochen. Mein Mann und die Kinder waren wegen des Schulbeginns schon abgereist. Ich hatte nun noch fast eine Woche für mich allein. Seit drei Jahren fuhren wir hierher und seit drei Jahren kannte ich Benni schon. Ich betone: eine rein platonische Bekanntschaft.

Dann passierte es, ich hatte keine Kuna und auch keine Zigaretten mehr. Die letzten Devisen waren für das Taxi zum Flughafen ausgegeben worden. Benni sollte meine Rettung sein, bis ich Zeit hatte, wieder Geld zu wechseln. Ich schlenderte um die Bucht und hoffte, ich würde ihn zu Hause antreffen.

Glück muss der Mensch haben! Vor zwei Tagen war seine Freundin nach Deutschland abgereist – sie hatten sich verkracht, wie das nicht nur bei jungen Leuten vorkommt. Als ich an der Tür läutete, blieb es still. Aber er war da, das sah ich an dem Rennrad, das an der Hauswand lehnte. Ich ging um das Haus herum, da ich vermutete, dass Benni sich auf der Terrasse aufhielt. Meine Annahme war richtig: Benni lag splitterfasernackt in einem Stuhl und spielte gelangweilt mit seinem Penis. Durch ein kurzes Hüsteln machte ich mich bemerkbar. Benni blinzelte in die Sonne, grinste mich an und sagte: „Du kommst gerade recht. Setz dich! Willst du auch einen Drink?“

Ich nickte und sagte: „Wenn du dazu noch eine Zigarette hättest, könntest du mir das Leben retten!“

„Klar, bring ich mit!“, versprach er, stand auf und verschwand im Haus.

Eigentlich hatte ich gar nicht hinsehen wollen, aber es war unvermeidlich gewesen zu bemerken, dass sein Glied eine leichte Steife aufwies. Beim Aufstehen war mir das nicht entgangen – genauso wenig wie die leichte Röte in seinem Gesicht. Als er mit dem Getränk und einer Schachtel Zigaretten auf die Terrasse zurückkehrte, hatte er Boxershorts an.

„Ich kam mir eben so nackt vor!“, sagte er erklärend, als er spürte, dass ich die Veränderung bemerkt hatte.

Ich nahm den Drink und die Zigarette und Benni gab mir Feuer. Den ersten Zug sog ich tief ein, ich war ein wenig nervös und war froh, dass ich mich an dem Glimmstengel festhalten konnte. Zwei Stunden keine Zigaretten und schon Entzugserscheinungen? Nein, das war nicht der Grund, weshalb ich plötzlich so unruhig war. Bennis Körper machte mich an – auch in Boxershorts! Wäre seine Freundin, übrigens eine reizende junge Frau, hiergewesen, wäre ich gegangen. Warum war sie auch frühzeitig abgereist?

Ich betrachtete Bennis breites Kreuz, seine Haut, die wie Alabaster in der Sonne glänzte, diese muskulösen Arme und genau die Menge Brustaare, die mich persönlich ansprach. Gefallen hatte mir Benni immer schon, aber mir wäre im Traum nicht eingefallen, ihm schöne Augen zu machen. Das junge Glück war mir heilig.

„Dein Getränk schmeckt köstlich!“, sagte ich, nur um etwas zu sagen.

„Seit Gigi weg ist, lebe ich von Pernod!“, antwortete Benni.

„Ihr vertragt euch sicher wieder!“, machte ich ihm Mut.

„Sie ist eine blöde Kuh!“, erwiderte Benni wütend. Er blinzelte in die Sonne, ich studierte seinen Gesichtsausdruck.

„Darf ich noch eine haben?“, fragte ich und deutete auf die Zigarettenschachtel.

„Logisch. Aber es ist die letzte Schachtel. Dann muss einer los!“, antwortete er.

„Was hältst du davon, wenn wir ein paar Schritte um die Bucht und dann in die Stadt gehen? Ich muss nämlich noch Geld umtauschen“, sagte ich.

„Gute Idee. Warte, ich zieh mir bloß ein paar Jeans an!“, erwiderte er.

Obwohl es sehr heiß war, hakte ich mich bei ihm unter, als Benni mir vor dem Haus seinen Arm anbot. Unternehmungslustig gingen wir um die Bucht, an meinem Bungalow vorbei, in Richtung Promenade. Innerhalb weniger Minuten wurde aus der eben noch trockenen Hitze eine unerträgliche Schwüle. Der Himmel hatte sich verfinstert und von Weitem hörte man dumpfes Grollen. Es würde gleich ein starkes Gewitter geben.

„Ist das nicht faszinierend?“, fragte mich Benni.

„Solche Naturerscheinungen gibt es in Deutschland nur selten. Wahnsinn, diese Unberechenbarkeit des Himmels!“

Dann fühlte ich einen Tropfen auf der Stirn. Benni nahm meine Hand und wir rannten los. Ich ahnte das Ziel: die einzige Telefonzelle im Umkreis von zehn Kilometern! Ich jauchzte vor Vergnügen, denn jetzt fiel der Regen auf uns nieder. Er tat gut und war wirkte befreiend.

Die Telefonzelle war bald erreicht. Doch bevor wir hineingingen, streckten wir beiden noch einmal unsere Gesichter gen Himmel. Kindliche Freude funkelte aus seinen Augen. Richtig spitzbübisch sah er aus. Ich glaubte, Verwegenheit darin erkennen zu können. Inzwischen war es stockfinster geworden und der Regen prasselte gegen das dicke Glas. Es donnerte und blitzte, als würde der Weltuntergang nahen. Benni hielt immer noch meine Hand. Weit und breit war niemand zu sehen. Ein klingendes Geräusch ließ mich nach unten sehen. Ich brach in schallendes Gelächter aus, denn zwei Münzen waren aus Bennis Hosenbein gefallen. Benni lachte auch: „Das Loch in der Hosentasche wollte Gigi seit Wochen nähen.“

Wie auf Kommando bückten wir uns beide, um das Geld aufzuheben und stießen fast mit den Köpfen zusammen. Lust und Erotik lagen schwer in der Luft.

Entweder wir geben dem Gefühl jetzt sofort nach, dachte ich, oder wir verlassen auf der Stelle die Telefonzelle und lassen uns vom Blitz erschlagen …

Die Münzen blieben liegen, wir richteten unsere Oberkörper auf, streckten die Knie durch und schauten uns mit großen Augen an. Benni drückte sich an mich. Ich spürte seine angespannten Oberschenkel, die sich hart gegen meine pressten, und seinen Penis, der noch härter geworden war. Als mich Benni auf meinen geöffneten Mund küsste, die Augen weit aufgerissen, sah ich unsere Körper dampfen. Das Glas der Zelle beschlug …

Es war nicht leicht, Bennis nassen Reißverschluss zu öffnen. Er musste mir helfen. Auch mein eng anliegendes Kleid, unter dem ich nackt war, ließ sich ob der Nässe nur schwer hochziehen. Ich verschwendete in diesem Moment keinen Gedanken daran, dass uns jemand sehen könnte. Ganz Istrien hätte unser Publikum sein können. Es war mir egal. Bewusst wurde mir nur, dass Sex in einer engen Telefonzelle nicht ganz einfach war. Wer kommt auch auf so eine Idee? Bennis Hose und die Boxershorts klebten an den Schenkeln, mein Kleid saß in der Taille fest. Ich hatte genügend Beinfreiheit, sodass Benni mich hochheben und ich meine Beine um seine Hüften schlingen konnte. Noch immer klatschte der Regen extrem gegen unseren Zufluchtsort, als ich spürte, wie Benni mich ausfüllte. Ganz leicht war er in mich gedrungen. Mit dem Po lehnte ich an der Telefonzellenwand, ich wurde bei jeder seiner Bewegungen mit einem dumpfen Geräusch gegen die Scheibe gedrückt.

Die Telefonzelle war von innen beschlagen wie ein Badezimmer nach einem Vollbad. Jahre war es her, dass ich in dieser Stellung von meinem Mann geliebt worden war. Heute mag er es lieber bequemer. Für mich war diese abenteuerliche Art jedoch derart erregend, dass ich gar nicht bemerkte, wie anstrengend sie eigentlich zu praktizieren war.

Benni hielt in seinen Bewegungen inne, wollte Zeit gewinnen, sein Pulver nicht gleich verschießen. Ich verschränkte meine Beine fester hinter seinem Rücken und gab nun den Ton an, da meine Lust unbändig geworden war. Er atmete mir schwer ins Gesicht, frischer Schweiß lag in der Luft und der Mangel an Sauerstoff benebelte mich. Ich hatte das Gefühl, ein heißes Schwert im Bauch zu spüren, das immer tiefer in mich drang. Benni bekam seinen „Knockout“, als ich das Gefühl hatte, zu ersticken und mich aufzulösen.

Wie ein Kokon umschloss uns die Schwüle unserer Orgasmen. Wir waren bewegungsunfähig und hatten nicht einmal mehr die Kraft, uns voneinander zu lösen. Ganz langsam kehrte wieder Leben in unsere Körper. Ich entspannte meine Beinmuskulatur an seinen Lenden, ließ meine Beine an ihm hinuntergleiten, bis ich wieder auf festem Boden stand. Die Luft in der Zelle war zum Schneiden. Benni tat das einzig Richtige: er stieß die schwere Glastür auf. Bis zu einer Ohnmacht hätte es nicht mehr lange gedauert. So wie wir waren, ich immer noch mit hochgezogenem Kleid, Benni mit seinen Hosen, die ihm in der Kniekehle saßen, stellten wir uns in den Gewitterregen. Ein Labsal wie unsere Lust in der Zelle!

Jetzt eine Zigarette!, dachte ich.

Benni las meine Gedanken, griff in die nasse Hosentasche und holte die aufgeweichte Schachtel heraus. Nasser, zerkrümelter Tabak war darin und etwas, das man kaum als Zigarettenpapier erkennen konnte. Lachend zog ich Bennis Hose hoch, mein Kleid herunter und deutete auf die Münzen, die vorhin keiner von uns aufgehoben hatte. Benni hob sie auf und Hand in Hand gingen wir durch den Regen in Richtung Promenade.

So schnell, wie das Gewitter gekommen war, war es auch wieder vorbei. Ich befand mich noch immer in einem leicht erotischen Rausch. Die Sonne bahnte sich ihren Weg durch die Wolken und man hätte glauben können, das Gewitter sei nur ein Traum gewesen. An meinen weichen Knien merkte ich jedoch, dass ich nicht geträumt hatte …