Backe, backe Kuchen

Jessica Grüntal

Ich hasse diese idiotischen Sitzungen, in denen der Alte vor allem einen am liebsten reden hört, nämlich sich selbst.

Endlich Mittagspause. „Meine Herren, Sie wissen jetzt also, was Sie zu tun haben, Schritt für Schritt!“

„Ja, schon seit einer halben Stunde weiß ich das, du Schwachkopf“, denke ich mir im Stillen, „jetzt habe ich mich nämlich zuerst um meinen Magen zu kümmern.“

„Mann“ gönnt sich ja sonst nichts – ich gönne mir meine tägliche Mittagspause daheim. Nachdem ich inzwischen meist zehn Stunden oder mehr in der Computersicherheitsabteilung dieser Bank verbringe, schätzte ich die ruhige Zurückgezogenheit zu Hause.

In meiner gemütlichen Küche, mit einem frischen, knackigen Brot und verschiedenen Sorten Käse zum Beispiel. Das Brot hole ich mir immer in der Bäckerei um die Ecke.

Aber heute wird es knapp. Die Bäckerei schließt um halb eins – und jetzt ist es schon zwölf Uhr 35! Als ich vor der Glastür stehe, lässt die Bäckersfrau gerade den Rollladen hinter der Scheibe runter. Sie sieht mich, verzieht das Gesicht zu einem von Schulterzucken begleiteten Lächeln und zieht den Rollladen wieder hoch.

„Na, Sie Zuspätkommer? Wieder mal eine der berühmten Sitzungen, was? Na ja, ich drück ein Auge zu – Gerstkammerbrot, wie immer, und drei Haferkornbrötchen?“

Sie schließt die Tür hinter mir ab. Lässt den Rollladen wieder runter. Und da steht es, dieses dralle Prachtweib! Aus dem weißen, aufgeknöpften Kittel lachen mich zwei Brüste an, die mich irgendwie an den Witz meines Kollegen von heute Morgen erinnern: „Hast du schon gehört, Lincoln, die scharfe Teenie-Obertussi hat jetzt ihren Namen ändern lassen, von ‘Prittney’ Spears in ‘Tittney’ Spears!“

Männer denken immer nur an das eine. Biorhythmisch bedingt. Alle was weiß ich wie viel Minuten. Bei mir anscheinend alle zwei Minuten.

„Also, das ist toll, dass Sie mich jetzt in Ihrer Mittagspause noch schnell reinlassen …!“

„Ich Sie reinlassen? Also bitte, mein Herr, ja!? Etwas zurückhaltender, wir kennen uns kaum!“

Sie kneift die Augen zu Schlitzen zusammen, schüttelt den Kopf, als wäre sie entsetzt, und sieht mich mit einem Blick an, der mich verlegen macht.

Und ich, der ich keine Gelegenheit auslasse, um alles, was zwischen den Schenkeln geschlitzt ist, in die Horizontale zu kriegen, ich werde verlegen!

„Entschuldigen Sie, das war kein Machospruch. Ich meinte nur, dass Sie … also …“

Sie scheint zu schmunzeln oder täusche ich mich? Wortlos packt sie das leckere Brot und die Semmeln ein, schiebt alles in die berühmte Papiertüte mit der Bäckerwerbung. Ich steh da wie ein begossener Pudel.

„Macht drei Euro 45, bitte. In bar, wenn es möglich ist – und nur echtes Geld diesmal, wenn ich bitten darf!“

Ein Späßchen? No Problem, stramme Frau.

„Äh, ich habe jetzt kein Bargeld dabei. Nehmen Sie auch Kreditkarten oder Naturalien? Sonst müsste ich … na ja, vielleicht die Backstube putzen oder was weiß ich …?!“

Bäckersfrau steigt ein auf die Sprüche: „Nix Karte, nix Naturalien oder wie heißen. Wenn du nix Geld, dann du putzen, verstehen?“, sagt sie in einem nachgeahmten ausländischen Dialekt, der irgendwo zwischen Sizilien und Bosporus anzusiedeln ist. Grinst dabei ironisch mit ihren weichen, sanften, einladenden Lippen.

Ob da … was laufen könnte?

„Also“, ich beuge mich nahe an ihr Ohr, „wenn Ihr Mann jetzt reinkommt, dann denkt der, wir spinnen!“

Von einer Sekunde zur anderen verändert sich ihre Miene, wird hart, verscheucht jedes Lächeln. Sie drückt mich weg, nimmt meine Tüte, streckt sie mir entgegen und meint: „Bäcker schlafen mittags zwischen zwölf und was weiß ich wie lange. Und abends vor dem Fernseher. Und sonntags. Und in den Ferien. Und überhaupt immer dann, wenn sie nicht gerade backen.“

Plötzlich fliegt doch noch ein Lächeln über ihr Gesicht: „Meiner schläft immer so tief, dass ich jeden Nachmittag einen Lift brauche, um ihn aus dem Erdinneren wieder hochzuholen.“

Dabei sieht sie mich an und ich sie. Unsere Blicke verknoten sich geradezu. Lange, viel zu lange, als dass dies nur ein normaler Blick wäre. Bei mir kribbelt was da unten im Bauch.

„Na ja“, meine ich vorsichtig, „dann könnte ich ja jetzt ungestört … die Backstube putzen – wenn Sie mir zeigen, wo sie ist!“

Sie stutzt einen Moment. Streicht sich mit beiden Händen durch ihr volles blondes Haar. Wirft den Kopf nach hinten und dann einen raschen Blick aus dem Schaufenster.

Kneift die Lippen nachdenklich zusammen. Schaut dann eindeutig auf meinen Hosenladen, der, wie ich spüre, schon ziemlich ausgebeult ist – schließlich sind schon wieder zwei Minuten vorbei.

Als sich unsere Blicke dann wieder treffen, glaube ich, nicht richtig zu hören: „Wir … wir hätten höchstens eine halbe Stunde Zeit, zum Putzen, meine ich. Dann muss ich zu meiner Schwiegermutter. Die ruft sonst an, wo ich bleibe, verstehen Sie?“

Himmel, diese Frau ist zum Anbeißen, wenn sie so zweideutig-eindeutig lächelt, wenn sie sich, wie jetzt eben, mit den Händen über die Hüften streicht, den Kopf schräglegt und den Blick ihrer himmelblauen Augen über die Brotlaibe wandern lässt, als wären es die englischen Kronjuwelen.

Sie fiel mir schon bei meinem ersten Einkauf auf, als ich hier im Quartier einzog und einige Backwaren für die Einweihungsparty holte. Aber heute erscheint sie mir noch tausendmal reizvoller, gelöst, einfach … extrem begehrenswert!

Ich folge ihr wortlos, mit meiner Tüte in der Hand, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Die Backstube ist im Keller. Schweigend steigen wir durch den muffigen Gang, unsere Schritte klopfen, wie aufeinander abgestimmt, auf den nackten Beton.

Als sie, unten angekommen, eine Tür öffnet, schlägt uns säuerlicher Geruch entgegen. Und Hitze!

„Hereinspaziert, das ist der … Tempel, in dem Sie sich austoben können. Wie heißen Sie eigentlich, Herr Putzteufel?“

Jetzt oder nie – schließlich sind schon wieder zwei Minuten um.

Ich schließe die Tür hinter uns. Schalte das Licht wieder aus, das sie eingeschaltet hatte. Drehe kaltblütig den Schlüssel um, der innen im Schloss steckt. Ziehe sie zu mir, fasse ihr ins Haar, beuge ihren Kopf zurück und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen.

Unser Atem vermischt sich, ich spüre, rieche und höre an ihrem Atmen, dass sie erregt ist: Von meiner ersten Freundin (der, die zehn Jahre älter war als ich und die mir klarmachte, dass ich nicht unentjungfert durchs Leben gehen sollte) kenne ich diesen scharfen, nicht unangenehmen, sondern eher animalisch-eindringlichen Geruch, den gewisse Frauen ausströmen, wenn sie feucht werden, dort, wo Venus bei allen Evastöchtern die Pforte zum Paradies genetisch verewigt hat.

Jetzt weiß ich: Sie will nicht nur heißen Sex erleben, sondern sie braucht es!

Als wir einen Moment Atem holen, raune ich ihr ins Ohr: „Ich heiße Lincoln. Mit Vornamen. Habe ich von meinem Vater, der war Amerikaner und Patriot. Aber wie immer du heißt, ich werde deinen herrlichen Po jetzt ausgiebig …“

Mein Blick wandert an ihrem Blondschopf vorbei durch die Backstube, die nur durch zwei kleine Oberlichter erhellt ist. Ich suche die passende Stelle, um Frau Bäckerin durchzukneten, wie ihr alter Schnarchsack da oben jeden Tag hier seinen Teig durchwalkt.

„… ich werde deinen Po jetzt etwas einfärben, Süße!“

„Elly, sag Elly zu mir. Oder besser – sag überhaupt nichts, gib mir einfach, was mir schon so lange fehlt, lass dich gehen, Präsident Lincoln – wenn du wüsstest, wie lange ich das schon vermisse!“

Sie presst ihre heißen Lippen wieder auf meine. Ausgiebig, gierig, mit einem saugenden, lustvollen Zungenkuss, während ich spüre, wie ihre Hand meine Hose öffnet, energisch den Gürtel aufschnallt, meinen Penis packt, dass es mir ganz anders wird.

Neben dem breiten Tisch liegen, im Doppelpack übereinander gestapelt, vier Mehlsäcke am Boden. Einer ist aufgeschlitzt. Das kostbare Gut ist über den Papiersack und teilweise auch über den Fußboden verstreut.

Wie verabredet lassen wir voneinander ab. Ich reiße mir den Anzug vom Leib und werfe die Klamotten achtlos auf den Boden (keine Ahnung, wie ich heute Nachmittag damit wieder in der Bank erscheinen soll, aber – Lust ist Lust, oder?).

Als Elly so vor mir steht, nur in Slip und BH, verstehe ich den Spruch, Handwerk habe goldenen Boden.

Ich drücke ihren Po tief ins Mehl, packe ihr Hüften und lass sie rotieren, dass es nur so staubt! Rings um uns eine Wolke, wir müssen husten, keuchen, lachen, während ich ihre Schenkel auseinanderdrücke und einen Blick auf die Pracht werfe, die sich mir da offenbart – wow, so viele Schamhaare um die Höhle der Löwin habe ich noch nie gesehen, ein wahrer Urwald … … den es zu lichten gilt: Ich beuge mich tief und tiefer. Die feinen Härchen sind voller Mehl.

Noch nie zuvor habe ich mir blankes Mehl auf der Zunge zergehen lassen – warum auch? Aber jetzt, während ich die feinen Tautropfen genussvoll von Ellys Schamhaaren schlecke, gerate ich in einen seltsamen Rausch … Es macht mich an, dass ihr Mann oben schläft, während ich seine Frau, die jede Nacht brav neben ihm einschläft, hier unten, an seinem Arbeitsplatz, verwöhne, wie sie es sich schon so lange gewünscht hat – „Mann zu sein ist etwas Herrliches, Gesundes, Obergeiles!“, schießt es mir durch den Kopf.

Als ich mein Glied langsam, lustvoll und begleitet von zärtlichen Küssen in sie senke, sodass sie aufschreit vor Lust, rasten wir beide aus.

Wie im Rausch greift sie in den Mehlsack, reibt mir, immer wieder eine Handvoll greifend, den weißen Staub ins Haar, fährt mit mehlweißen Fingern über meinen Rücken, über mein Becken, das in sich steigernden, rhythmischen Bewegungen über ihr kreist, dass es nur so stäubt.

Es ist herrlich still hier unten. Nichts, kein Autolärm, alles jenseits von Eden. Nur unsere Liebesgeräusche: ihr Seufzen, ihr Stöhnen, das Geräusch meiner gierigen Küsse auf ihren Hals, auf ihr Gesicht, auf ihre drallen Brüste, die sie mir willig hinstreckt, als wären sie zur Versteigerung freigegeben.

Nach einer Ewigkeit, ausgefüllt mit den zärtlichsten und schärfsten Bewegungen – wir haben den Mehlsack schon halb geleert durch unseren heißen Liebesakt –, höre ich sie flüstern: „Lincoln, gib’s mir!“

Ich weiß, was sie meint. Seit Jahren trainiere ich es, meinen Erguss zurückzuhalten. Ist eine tolle Sache. Ich habe Bücher über das „Tao der Sexualität“ studiert, darüber, was alles möglich ist für einen Mann, einen Orgasmus zu haben ohne sich zu ergießen.

Bevor ich mich ganz gehen lasse, stütze ich mich auf, um ihr in die Augen sehen zu können. Sie hält sie geschlossen, zeigt einen entrückten Gesichtsausdruck.

Als sie sie kurz öffnet, blickt sie mich erstaunt an. Dann lächelt sie: „Weißt du, Lincoln …“, presst sie hervor, während ich meinen Blick in ihren bohre und mein Glied so stramm und prall in sie stößt, dass es nur noch wenige Sekunden dauern kann, bis ich sie mit warmer Lebensfreude verwöhnen werde, „weißt du, ich hatte noch nie etwas mit … mit einem Schwarzen … es ist wunderbar!“

Ich bin nicht schwarz, schießt es mir durch den Kopf, obwohl mir nach allem anderen als nach Sprechen oder Denken zumute ist. Ich bin braun, dunkelbraun, ja, aber nicht schwarz. Negroid, meinetwegen. Mama kam aus Kenia, Papa aus Marokko.

Was sich nach einigen Minuten – wir liegen beide ermattet da, eng umschlungen auf diesem blöden Mehlsack – als eine ganz besondere Attraktion herausstellen wird.

Denn als wir uns nach einer halben Ewigkeit erheben und ich an mir heruntersehe, brechen wir beide in schallendes Lachen aus: Mein Körper ist über und über mit feinem Mehlstaub bedeckt!

Ich sehe aus wie ein Schokoladenlebkuchen, auf den noch etwas Puderzucker gestreut wurde. Elly holt ein Handtuch, reibt mich zärtlich ab, küsst dabei meine Brustwarzen (oh ja, auch Männer sind dort besonders empfindlich!), beugt sich tiefer, küsst das, was schon wieder bereitsteht für eine Fortsetzung der erotischen Mehlorgie …

„Elly, bitte – wir haben doch beide unsere Verpflichtungen. Mach mich bitte nicht schon wieder heiß, sonst schlüpfe ich mit dir in den Backofen und nehme dich dort. Da hört man deine Schreie nämlich noch weniger!“

Als ich zehn Minuten später aus dem Hinterausgang der Bäckerei auf die Straße trete, erscheint mir alles wie ein wunderbarer Traum. Elly hat – ganz fleißige Hausfrau – meine Kleider sorgfältig gereinigt und ausgebürstet. Kein Stäubchen ist mehr zu sehen.

Ich gehe von dort direkt ins Büro. Die Zeit reicht leider nicht mehr, um nach Hause zu gehen. Aber ich brauche jetzt ohnehin nichts anderes, laufe wie auf Wolken, bin irgendwo zwischen Mehlsack und Paradies …

„He, Lincoln, sag mal, bewirbst du dich heute Abend als Model?“ Die Stimme meines Arbeitskollegen Freddy reißt mich aus meinen Träumen. Er brüllt, als müsse man es bis zum Bahnhofsplatz hören.

„Was …? Wie …?“

„Na, ich meine, wenn du dir in der Mittagspause die Haare färben lässt?!“

„Ich weiß nicht, was du meinst!“

„Na, da hinten, alter Junge, da, ganz unten, im Nacken, der weiße Streifen, ist das jetzt cool? Oder ist das Joghurt, mit dem dich deine Freundin beworfen hat, weil du es ihr in der Mittagspause nicht gebracht hast? Alles Müller oder was?!“

Die halbe Abteilung krümmt sich vor Lachen. Idioten.

Aber – Frechheit siegt: „Ne, Jungs, das ist Mehl. In Afrika streichen wir das auf unsere Köpfe, weil es das Denkvermögen fördert. Jetzt wisst ihr auch, warum ich so klug bin und ihr … so doof!!!“

Meinem ansteckenden Lachen können sie nicht widerstehen. Einige schütteln den Kopf, andere klopfen mir freundschaftlich auf die Schulter. Freddy klopft mir das Mehl aus den Haaren.

„Schick mir mal die Datei mit den Daten der Dresdner Bank rüber, Junge, brauch ich dringend.“

Und nach einigen Sekunden: „He, bist schon ein seltsamer Kauz, Lincoln. Aber ansonsten wenigstens normal.

Wenn die wüssten, was ich in meiner Mittagspause getrieben habe …