Hier der überraschende Fakt des Tages #FridayFact. Millionen von Ihnen haben durch ihre Steuerzahlungen mitgeholfen, den Sklavenhandel zu beenden.
(Der Twitter Account des Finanzministeriums Ihrer Majestät versieht diese putzige Falschdarstellung der Geschichte mit einer Illustration, auf der versklavte Menschen dargestellt sind – unter anderem eine Mutter, die ihr Baby auf dem Rücken und eine schwere Eisenkette um den Hals trägt. Die Bildunterschrift prahlt mit Britanniens Großzügigkeit: Freikauf aller Sklaven im Empire. Durch die Entschädigung der Sklavenhalter für ihren Eigentumsverlust. Hätten Sie’s gewusst?)
Ist es wahr, dass das heutige Vermögen seiner Familie zum Teil aus dieser erkauften Freiheit entstanden ist; aus jenem Entschädigungsdarlehen, das ich mit meinen Steuern mitfinanziert habe? Ja. Und er ist ein Individuum und ich bin ein Individuum, beide damals weder anwesend noch für die Taten ihres jeweiligen historischen Selbst verantwortlich? Ja. Dennoch lebt er von den Kapitalerträgen, während ich arbeite, um die Zinsen zu zahlen? Ja. Doch nun bin ich hier, spaziere durch die Früchte dessen; das Land, das er besitzt, die Geschichte, die er in Ehren hält; den familiären Grundbesitz, Erde, Ziegelsteine und Bäume, die meterhoch in den Himmel ragen; das Gefühl der Zugehörigkeit, von Sicherheit, von Heimat. Er hat all das hier, um immer hierher zurückkehren zu können? Ja. Sah er heute Morgen im Schlaf erfrischt aus? Ja. Ja, natürlich. Er ist zu Hause.
Ich hatte ihm die Wohnung nicht sofort gezeigt. Ich war zurückhaltend, diesen Teil von mir, der sich trotz der Äußerlichkeit so intim anfühlte, zu zeigen.
»Ist es das hier? Also nicht das hier?«, alberte er, als ich ihn ein paar Tage nach dem Vertragsabschluss zu Fuß mitnahm und er auf die hässlichsten Gebäude zeigte, an denen wir vorbeikamen. Er schritt im Vorgarten auf und ab, während ich am Bund nach dem Haustürschlüssel suchte. Er drängte die zwei Stockwerke hoch, konnte es kaum erwarten, nahm zwei Stufen mit einem Schritt. Drinnen war alles leer – alles, was die vorherigen Bewohner zurückgelassen hatten, waren Vorhänge, Teppichböden und ein säuerlicher Geruch. Er strich mit der Hand über die bröckelnde magnolienfarbige Wand, beugte sich nach unten und inspizierte den zugemauerten Kamin. Am hinteren Ende des Raums riss er die Vorhänge auf und schaute aus den großen Erkerfenstern, die in ihren verrotteten Holzrahmen klapperten.
»Ganz nett, oder?«, sagte er in das Glas.
Der ungewohnte Druck der Schlüssel gegen meine zusammengepressten Handflächen.
»Jetzt«, sagte er, »brauchst du nur noch Kunst!«
Aber zuerst die Renovierung. Sorgfältiger Erhalt des Originalcharakters. Wir sehen uns nach Möbeln und Deko um. Das ausgesuchte Werk kommt per Kurier, edel verpackt, darin ein knisternder weißer Briefumschlag mit einem Dokument: Echtheitszertifikat. Dazu ein gefaltetes Blatt mit ergänzenden Informationen zu dieser Lithografie.
Wenn ich für einen Abend allein bin, in diesem geschmackvollen Zuhause, das ich mir eingerichtet habe, streife ich die Kleidung des Tages ab. Schäle Schichten, Stoffe von meiner Haut bis nichts mehr darunterliegt. Doch, nichts weiter offenbart sich, kein verstecktes Selbst, keine Nacktheit. Kein exotisches, ungeschütztes Anderes.
Nichts.
Ich tauche darin ein.
Zieh dran, nimm diese Fäden, sammle sie auf und wickle sie um dich; setz dich aus den Resten neu zusammen. Sag: Ich liebe dich. Ich liebe es, hier zu arbeiten. Ich habe es geliebt, heute zu sprechen. Nein, nein, es war nichts. Mir geht es gut, wirklich; ich bin gespannt, ja, auf die Zukunft – sag, was immer sie dir auftragen, zu sagen oder nicht zu sagen, überleb es einfach; marschier weiter ins Unausweichliche. Wie unsere Mütter und Väter es getan haben. Und unsere Großeltern vor ihnen. Überlebe.
Ich bin nicht sicher, ob ich verstanden hatte, dass ich aufhören konnte, vor dieser Sache. Dass es zu überlebbar überhaupt eine Alternative gab. Doch in meiner Metastase entdecke ich Möglichkeiten. Ich muss mich ernsthaft mit der Frage beschäftigen: Warum leben? Warum mich weiterhin ihrem reduzierenden Blick aussetzen? Diesem vernichtenden Objektsein. Warum meine eigene Entmenschlichung dulden? Ich habe die Wohnung, Ersparnisse, ein paar Geldanlagen, den Pensionsfonds, dazu die umfangreiche Lebensversicherung. Ich habe eine neue Möglichkeit zusammengetragen, etwas, das ich weitergeben kann. Nach vorn. Zu meiner Schwester. Eine reelle Chance. Auch wenn sie das nicht wollen würde. Ja, ich lasse sie hier allein zurück.
Doch weiterzumachen, jetzt, wo ich die Wahl habe, heißt, sich für die Mittäterschaft zu entscheiden.
Das Überleben macht mich zur Mitwirkenden ihres Narrativs. Es schaffen oder scheitern, meine Existenz bestätigt dieses Konstrukt nur. Das lehne ich ab. Ich lehne diese Optionen ab. Ich lehne dieses Leben ab. Ja, ich verstehe den Schmerz. Der Schmerz ist transformativ – transzendent – das Auflösen der Konstruktion. Eine gnädige Rückkehr zu Staub.
Ich bin ziemlich weit gegangen, merke ich.
Ich drehe mich um und überblicke die Landschaft. Sogar hier oben kann ich ihn spüren, den pulsierenden Nationalismus dieses Orts, er pocht gegen meine Haut. Ich bin das straff gespannte Fell einer Trommel, gegen das ihre Identität wummert. Ich kann ihrem Rhythmus nicht entkommen. Alles steht bereit, Montag – New York, dann zurück ins Büro. Für den Rest meines Lebens zeichnen sich diese Montage deutlich ab, kommen dröhnend und schmetternd, im Crescendo auf mich zu, reißen durch –