Liebe Alice Weidel,

 

ich habe eine Entdeckung gemacht. Wenn man bei Twitter oben ins Suchfeld «Ali» eingibt, kommt als erster Vorschlag Ihr Name: Alice Weidel. Das finde ich schön. Nicht nur leben Sie in einer interkulturellen lesbischen Beziehung, also allem, was Ihre Partei verachtet, Sie sind in Wirklichkeit auch noch ein Mann arabischer Herkunft. Nun ist es ja so, dass Sie Männer arabischer Herkunft nicht besonders mögen. Wie geht es Ihnen also damit, im Herzen ein Ali zu sein?

Es wäre ohnehin mal interessant, Rassist*innen im Körper eines Menschen mit Migrationshintergrund aufwachen zu lassen. Als einer von denen zum Beispiel, die Einlass begehren in das wundervolle und uns offenbar persönlich gehörende Europa.

Ich glaube übrigens, dass da richtige Arschlöcher bei sind. Bei den Flüchtlingen. Das ist doch Ihre Sorge, oder, Alice Weidel? Dass da schlechte Menschen nach Europa kommen könnten? Und ich glaube, Sie haben recht. Immerhin sind das wirklich viele Leute. Wie wahrscheinlich ist es, dass da kein Arschloch bei ist? Die Sache ist nur, erstens: Es ist völlig egal. Auch Arschlöcher haben Menschenrechte. Das dürften doch auch Sie eigentlich ganz gut finden, Frau Weidel. Und zweitens: Die Arschlochquote, also der prozentuale Anteil an Arschlöchern bei den Geflüchteten, ist wahrscheinlich genauso hoch wie die Arschlochquote in Europa. Rein prozentual wird es also keinen Einfluss auf den Arschlochgehalt Europas haben, wenn wir diese Menschen aufnehmen. Keinen. Eine wissenschaftliche Untersuchung hat ergeben: Die Arschlochquote ist in den meisten zufällig zusammengewürfelten Gruppen ungefähr gleich hoch.

Okay, die Untersuchung habe ich gerade erfunden. Sie ist trotzdem wahr! Außer vielleicht bei Parteitagen Ihrer Partei, Frau Weidel. Da ist die Arschlochquote, na ja, anders. Aber sonst. In Familien zum Beispiel. Es gibt keine einzige, wenngleich noch so nette Familie, bei der Gott nicht irgendwann gedacht hat: Ah, da fehlt noch das Quotenarschloch! Und das Faszinierende am Quotenarschloch ist die damit einhergehende statistische Unmöglichkeit. Denn man ist es nie selbst. Außer, jemand denkt: Nö, bei uns gibt’s so was nicht! Dann ist dieser Jemand wahrscheinlich das Quotenarschloch.

Und das wird bei den Geflüchteten nicht anders sein. Aber neben den unsympathischen stehen da halt auch gute Menschen. Liebende, rücksichtsvolle, warmherzige, gute Menschen. Stellen Sie sich vor, Sie seien einer davon, Frau Weidel.

Der Philosoph John Rawls hat einen hypothetischen Urzustand ersonnen, in dem wir über die Gerechtigkeitsprinzipien unserer Gesellschaft entscheiden, ohne zu wissen, welche Position wir anschließend in der Gesellschaft bekommen würden. Noch viel schöner wäre aber doch, wenn wir zu jedem Zeitpunkt in den Körper und ins Leben einer anderen Person versetzt werden könnten. Wer seinen Partner betrügt, kann zum betrogenen Partner werden, Harvey Weinstein zu einer jungen Frau und Sie, Alice Weidel, könnten zu Ali werden. Ihre gesamte Partei könnte morgen mit dunkler Hautfarbe aufwachen oder mit einem zerbombten Haus in Syrien. Nichts würde wohl schneller zum Ende der AfD führen als das. Und was sagt es über eine politische Partei aus, wenn sie zu Nichts zerfallen würde, sobald ihre Mitglieder von ihrem eigenen Programm betroffen wären? Du kennst die Antwort, Ali Weidel, du kennst die Antwort.