Ach Angie,

 

Das ist ein wirklich schöner Satz

Er ist so kurz, prägnant und klar

Und – das ist ja eher selten –

Er ist zudem sogar noch wahr

 

Ist optimistisch, spricht vom Können

Von Tatendrang und von Potenz

Vom Handeln aus Moral und Güte

Vom Ausbruch aus der Dekadenz

 

Er atmet reine Hilfsbereitschaft

Echt, der Satz, der kann schon was!

Er hat nur drei kleine Probleme:

Das «Wir», das «schaffen» und das «das»

 

Fangen wir mal hinten an

Wieso soll’n wir «das» schaffen wollen?

Menschenrecht ist knappes Gut

Wenn wir das ernsthaft teilen sollen

 

Was bleibt davon für uns noch übrig

Bis die Moralressourcen enden?

Ja, schon klar, wir haben viel

Doch keine Tugend zu verschwenden

 

Punkt zwei: das «schaffen», das ist lustig

Weil streng genommen für die meisten

So direkt gar nichts zu tun ist

Wir schaffen, ohne was zu leisten

 

Ich mein’, im Ernst, wer hätte schon

Die Flüchtlingskrise mitgekriegt

Wär sie nicht stete Titelstory

Weil das Thema so schön klickt?

 

Es ist ja nicht, als hätten sich

Beim morgendlichen Brötchenholen

Die Flüchtlinge im Weg gestapelt

Und uns die Schrippen weggestohlen

 

Nee, es stand halt in der Zeitung

Und alles, was die Menschen hier

Schaffen mussten, war zu sehen:

And’re leiden mehr als wir

 

Punkt drei: das «Wir», was soll das heißen?

Meint das die Solidargemeinschaft?

Gibt’s die, sind wir noch verbunden?

Sind wir mehr als Lagerfeindschaft?

 

Ist dieses «Wir» mehr als ’ne Ehe

die sich von Streit zu Streit durchhangelt

In der es unterschwellig brodelt

Und eklatant an Liebe mangelt?

 

Es ist ein wirklich schöner Satz

Doch folgt, kaum dass ihn jemand spricht:

«Es gibt kein ‹Wir›, ich muss nix schaffen

Und was ihr wollt, das will ich nicht!»

 

Es ist ein wirklich schöner Satz

Für Sie, Frau Merkel, fast zu schön

Doch gerade jetzt, wo Sie längst weg sind:

Ich könnt’ mich an den Satz gewöhn’n

 

Solang er etwas Gutes meint

Ist er ein Statement gegen Hass

Wir, ihr ollen Destruktiven

Wir und ihr, wir schaffen das