Liebe Joyce Ilg, lieber Faisal Kawusi,
hier völlig zufällig und zusammenhanglos drei Infos zu K.-o.-Tropfen:
1. K.-o.-Tropfen sind farb- und geschmacklose Flüssigkeiten, die farb- und geschmacklose Menschen ihren Opfern heimlich ins Getränk mischen, um sie zum Beispiel zu vergewaltigen, ohne dass sich die Betroffenen wehren oder nachher daran erinnern können.
2. Im Urin sind K.-o.-Tropfen 12–14 Stunden nachweisbar, im Blut nur 6–8 Stunden. Solltet ihr also, was hoffentlich nie passieren wird, bei der Polizei sitzen, um einen solchen Fall anzuzeigen, besteht auf einen Urintest!
3. Luke Mockridge findet Witze über K.-o.-Tropfen lustig.
Um dich, Faisal, in Schutz zu nehmen, möchte ich anmerken, dass dein Witz über K.-o.-Tropfen möglicherweise der erste deiner Karriere war, den du selbst geschrieben hast. Da kann so was natürlich schon mal passieren. Die Geschichte ist trotzdem interessant. Viele Leute sehen das vermutlich anders und finden eure Insta-Vergewaltigungswitze-Soap weder spannend noch wichtig. Doch dir, Faisal, folgen über 300000 Leute auf Instagram, Joyce folgen 1,6Millionen. Das ist ganz München. Gut, es ist nur München, so wichtig ist es also vielleicht doch nicht. Aber wenn ihr öffentlich Vergewaltigungs- oder Morddrohungswitze macht, dann vermittelt ihr dadurch sehr vielen Menschen, dass das okay ist. Und sehr vielen Betroffenen sexualisierter Gewalt vermittelt ihr, dass ihr Leid lustig ist. Darunter sind viele junge Menschen, darunter sind traumatisierte Menschen, und drumherum ist eine Gesellschaft, die noch immer viel zu dicke ist mit ihrer guten Freundin Rape Culture. Die Geschichte mag also albern sein, aber egal ist sie nicht. Wer so eine Reichweite hat, könnte ja auch etwas völlig Verrücktes tun und gute Witze machen. Oder sich zumindest sagen lassen, wenn ein Witz daneben war, ohne sich bei jeder Kritik auf «Freedom of humour» zu berufen.
Ich weiß, Leute sagen, Kolleg*innenschelte gehöre sich nicht. Aber ehrlich gesagt: doch. In so einem Fall gebietet sie sich sogar. Weil sich immer diejenigen auf die Freiheit des Humors berufen, die sich so wenig Mühe beim Nachdenken geben, dass es schon an Skrupellosigkeit grenzt. Wenn du eine Fernsehsendung hast oder ausverkaufte Shows oder eine große Reichweite im Internet und dir so viele Leute zuhören, dann ist das kein Grund für Arroganz, sondern für Dankbarkeit. Immer dieses Ego-Rumgepimmel, das es unmöglich macht, berechtigte Kritik ernstzunehmen.
Wenn ein junger Comedian fragt: «Darf er das?», um dann Witze über Menschen mit Behinderung zu machen … Was für eine Frage. Natürlich darf er das! Die Frage, die sich eigentlich stellt, ist: «Muss das sein?» Wenn du einen Witz über jemanden im Rollstuhl machst, muss es denn immer ein Witz über den Rollstuhl sein? Da sitzt doch ein Mensch drin. Mach doch mal einen Witz über seine Frisur. Oder seinen Charakter. Warum nicht?
Wenn ein Kabarettist in seinem Podcast über «schlecht gebumste, hässliche Schabracken» schwadroniert und nachher sagt, die Leute seien einfach zu dumm gewesen, seine Rolle zu verstehen … Nein, ich sehe deine Rolle, Serdar, aber ich finde den Verdacht nicht völlig abwegig, die Rolle könne bloß ein Kleid sein, das dir erlaubt zu sagen, was du wirklich über Frauen denkst. Und du hast dir die Rolle ausgesucht, also bist du auch dafür verantwortlich.
Wenn ein anderer Kabarettist, den viele früher mal gut fanden, der aber inzwischen so oft rechts abgebogen ist, dass selbst er sich zu wundern scheint, dass er trotzdem noch immer nicht nach links läuft, und der so stark unter «Cancel Culture» leidet, dass er das Woche für Woche in seiner Sendung ein paar Millionen Leuten erzählen kann, wenn dieser Kabarettist also mal wieder schlecht recherchiert Schwarzen Menschen Rassismus gegen Weiße unterstellt …
«Was darf Satire? – Alles!» Ja, aber wir sollten nicht immer nur nach den Rechten der Satire fragen, sondern auch mal nach ihren Pflichten. Was muss Satire? Ich finde: sich Mühe geben. Wenigstens das. Sich hinterfragen lassen. Du kannst jede Rolle spielen und alles sagen, darfst über jeden Menschen Witze machen und jedes Tabu brechen. Aber du musst dich halt fragen lassen, warum. Jede Reflexion all unseres menschlichen Handelns fragt immer nach dem Warum. Das sollte bei uns nicht anders sein, bloß weil wir auf Bühnen stehen. Das ist keine Cancel Culture, das ist Kritik.
Natürlich ist nicht jede Kritik berechtigt. Es gibt Leute, die sich ständig beleidigt fühlen wollen. Ja, auch linksgrünversiffte Feministinnen, ich weiß. Und ganz ehrlich, es gibt auch Leute, die es verdient haben, beleidigt zu werden. Aber eben aufgrund der Dinge, die sie tun, und nicht der Dinge, die sie sind oder die, wie bei K.-o.-Tropfen, mit ihnen getan werden. Wenn eine Frau zum Beispiel nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, ist das erst mal nicht lustig. Wenn diese Frau aber zufällig auch den Holocaust leugnet oder Verschwörungsmythen verbreitet oder zu den Leuten gehört, die sich in einer Pandemie so unsolidarisch verhalten, dass die restliche Gesellschaft ihren Egoismus ausbaden muss, dann sollte sie sich nicht beschweren, wenn ihr jemand sagt, dass sie nicht dazu verpflichtet ist, Teil dieser Gesellschaft zu sein, wenn sie das nicht möchte. Wenn ein Rassist im Rollstuhl sitzt, bin ich die Erste, die einen Witz über ihn macht. Aber eben nicht über seine Unfähigkeit zu laufen, sondern über seinen Rassismus.
Dieter Nuhr, an den ich gerade rein zufällig denken muss, hat mal zu mir gesagt: «Satire ist das, was mir im Kopf herumgeht.» Ich bin unsicher, ob das die allumfassende Definition ist, die Satire verdient hat. In jedem Fall aber ist Satire eine großartige Kunstform. Comedy ist auch manchmal okay. Beides ist kein Vorwand, um für die eigenen Worte keine Verantwortung tragen zu müssen. Wir leben in einem gesellschaftlichen Klima, in dem Comedy oder politisches Kabarett mit Millionenpublikum und Verantwortungslosigkeit sich nicht besonders gut vertragen.
Wenn du Witze über Juden machen willst oder über Frauen oder über Schwarze, dann kann das okay sein. Es kommt halt darauf an, was du damit erreichen willst.
Was also wollt ihr, Joyce Ilg und Faisal Kawusi? Außer ein paar Lachern und gezielter Provokation für die Reichweite? Ihr wollt alles sagen dürfen. Okay, dürft ihr. Aber etwas sagen zu dürfen, ist ja noch lange kein Grund, es auch zu sagen. Ich glaube, Witze über Betroffene sexualisierter Gewalt zu machen ist nicht, was die Satire meinte, als sie sagte, sie wolle die Mächtigen verspotten. Und ich glaube, wenn das alles ist, was ihr habt, dann sind die Satire und sogar die Comedy ein bisschen enttäuscht von euch.