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Einige Häuser von Erikas Wohnung entfernt hockte er – zur Tarnung ganz in Schwarz gekleidet – am Ende einer Gasse hinter einer Gartenmauer und beobachtete Erika, die im beleuchteten Fenster stand und sich gerade eine Zigarette anzündete. Sie blies den Rauch aus, der zu der nackten Glühbirne über ihrem Kopf aufstieg.
Ich dachte, sie würde schwerer zu finden sein, sinnierte er, aber da ist sie, DCI Foster, und steht im hell erleuchteten Fenster wie eine Hure im Rotlichtbezirk .
Auf den Fotos in den Zeitungen hatte ihr Gesicht voller und jugendlicher gewirkt, jetzt wirkte es abgemagert und verhärmt … fast burschikos.
Erika schaute in seine Richtung, neigte den Kopf zur Seite und stützte sich mit einer Hand auf der Fensterbank ab.
Ob sie mich sehen kann? Er zog sich in den Schatten zurück. Beobachtet sie mich genauso wie ich sie? Nein. Unmöglich. So gut ist die Schlampe nicht. Sie sieht ihr Spiegelbild im Fenster und ist bestimmt total deprimiert über den Anblick .
Dass DCI Foster mit diesem Fall betraut worden war, gefiel ihm überhaupt nicht. Er hatte ihren Namen gegoogelt und schnell festgestellt, dass sie während ihrer Zeit in Manchester zum großen Star der Metropolitan Police aufgestiegen war. Mit nur neununddreißig Jahren war sie zum DCI befördert worden, nachdem sie Barry Paton gefasst hatte, den Hausmeister eines Jugendheims, der sechs junge Frauen ermordet hatte .
Aber Barry Paton wollte gefasst werden. Mich kriegt sie nicht. Sie ist erledigt. Eine Versagerin. Hat fünf Polizisten in den Tod geschickt, darunter ihren Vollidioten von Ehemann. Die haben ihr diesen Fall gegeben, weil sie wissen, dass sie wieder versagen wird. Sie brauchen ein Bauernopfer.
Die Temperaturen waren stark gesunken. Es würde wieder Nachtfrost geben. Aber DCI Foster so aus der Nähe zu beobachten war erregend.
Eine schwarze Katze tauchte leise schnurrend auf der Gartenmauer auf. Sie blieb stehen, als sie ihn bemerkte.
»Wir sind beinahe Zwillinge«, flüsterte er, hob eine behandschuhte Hand und ging vorsichtig näher. Die Katze ließ sich streicheln. »Braves Kätzchen … brav.«
Die Katze sah ihm in die Augen, dann sprang sie von der Mauer und verschwand auf der anderen Seite. Er betrachtete seine Hände in den Lederhandschuhen, drehte sie hin und her und beugte die Finger.
Ich habe mir viel zu lange alles von Andrea gefallen lassen, trotzdem hätte ich nie geglaubt, dass ich es tun würde. Meine Fantasie, sie zu erdrosseln, wirklich auszuleben, ihr die Kehle zuzudrücken, bis sie sich nicht mehr rührte …
In den vergangenen Tagen war er immer zuversichtlicher geworden, dass Andreas Leiche nie gefunden werden würde, dass sie unter dem Eis eingefroren bleiben würde. Der Winter würde vergehen, und mit der Wärme des Frühlings würde sie verwesen – bis sich ihre schöne Fassade auflöste und sie so aussah, wie sie wirklich war.
Aber vier Tage später war sie gefunden worden. Unversehrt …
Eine Tür wurde zugeschlagen. Als er wieder zum Fenster hochschaute, war das Licht in DCI Fosters Wohnung aus. Sie hatte ihre Wohnung verlassen und war unterwegs zu ihrem Auto.
Er lächelte. Dann trat er den Rückzug an und verschwand in der Dunkelheit.