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Simon Douglas-Browns Anwalt war genauso grau wie Mr. Stephens, trug jedoch einen wesentlich teureren Anzug. Er wartete vor dem Verhörzimmer und strich sich gerade das Haar glatt.
»Wir sind hier drin«, sagte Erika und zeigte auf die Tür von Verhörzimmer Nummer 2.
»Ich werde meinem Mandanten raten, keine Ihrer Fragen zu beantworten, bis …«, setzte er an, doch Erika und Peterson gingen an ihm vorbei.
Sir Simon bedachte sie mit einem finsteren Blick, als sie das Zimmer betraten. »Wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden Sie auf der Old Kent Road den Verkehr regeln, und zwar für den Rest Ihrer Zeit bei der Polizei!«
Erika und Peterson nahmen am Tisch Platz, ohne auf seine Worte zu reagieren. Erika sprach die übliche Einleitung ins Mikrofon des Aufnahmegeräts, dann schlug sie einen Ordner auf, den sie vor sich auf den Tisch gelegt hatte.
»Wo ist Linda?«, fragte Sir Simon. Erika antwortete nicht. »Ich habe ein Recht zu erfahren, wo meine Tochter ist!«
»Linda wurde verhaftet und befindet sich hier in Gewahrsam«, sagte Peterson.
»Sie halten Linda da raus, verstanden? Sie ist krank!«, schrie Sir Simon.
»Krank?«
»Sie steht unter enormem Stress, sie ist zu schwach für ein Verhör! «
»Wer hat Sie darüber informiert, dass wir sie verhören werden?«, fragte Erika.
»Wenn die Polizei in voller Montur im Morgengrauen an meine Tür klopft, dann geht es nicht um ein Plauderstündchen. Ich nehme natürlich an … Ich warne Sie …«
»Ihre Frau befindet sich im Empfangsbereich. Wo ist Ihr Sohn David?«, fragte Erika.
»Er ist mit ein paar Freunden übers Wochenende nach Prag gefahren.«
»Wo übernachtet er?«
»Keine Ahnung, in einem Hotel, nehme ich an. Oder in einer Jugendherberge, was weiß ich. Es ist ein Junggesellenabschied.«
»Für wen?«
»Einer seiner ehemaligen Kommilitonen heiratet. Ich kann die Informationen von meiner Sekretärin bekommen. Sie hat alles gebucht.«
»Wir kümmern uns darum«, sagte Peterson. Erika blätterte in ihrer Akte.
»Ihnen gehören mehrere Unternehmen, ist das korrekt?«, fragte sie.
»Was für eine alberne Frage, natürlich ist das korrekt.«
»Eins der Unternehmen heißt Millgate GmbH, richtig?«
»Ja.«
»Und ein anderes heißt … Peckinpath.«
»Ja.«
»Quantum, Burbridge, Newton Quarry …«
Der Anwalt beugte sich über den Tisch.
»Ich verstehe nicht, warum Sie es für nötig halten, meinem Mandanten die Namen seiner Firmen vorzulesen, DCI Foster. Er ist sich seiner Geschäftsinteressen durchaus bewusst – es handelt sich um Aktiengesellschaften, und diese Informationen sind alle öffentlich zugänglich. «
Sir Simon lehnte sich zurück, wachsam, aber wütend.
»Ja, das ist richtig«, sagte Erika. »Ich brauche nur seine Bestätigung für die Aufnahme, bevor ich fortfahre. Es tut mir leid, wenn ich die wertvolle Zeit Ihres Mandanten verschwende … Ich frage ihn also noch einmal.«
»Ja, ja, ja. War das laut genug für Ihre verdammte Aufnahme?«
»Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Ihrer Kontoauszüge vom September letzten Jahres lenken.« Erika nahm ein Blatt aus ihrer Akte und legte es auf den Tisch. Sir Simon beugte sich vor.
»Moment mal. Woher haben Sie das? Auf wessen Ermächtigung hin?«
»Auf meine Ermächtigung hin«, sagte Erika. »Sie haben eine Überweisung an Cosgrove Holdings Ltd getätigt, wobei es sich hier um die eingetragene Gesellschaft hinter Yakka Events handelt, das Unternehmen, das Giles Osborne gehört. Sie haben einen Betrag von sechsundvierzigtausend Pfund überwiesen«, sagte Erika und klopfte mit ihrem Zeigefinger auf die Zahl.
»Ja, ich habe in das Unternehmen investiert.« Sir Simon lehnte sich wieder zurück und durchbohrte Erika mit seinem Blick.
Sie entnahm der Akte ein weiteres Blatt. »Hier habe ich einen Kontoauszug der Cosgrove Holdings Ltd vom selben Datum, auf dem zu sehen ist, dass die sechsundvierzigtausend Pfund eingegangen sind …«
»Was soll das?«, fiel der Anwalt ihr ins Wort, doch sie hob eine Hand und fuhr fort.
»Aber am selben Tag werden die sechsundvierzigtausend wieder von deren Konto abgebucht.«
Sir Simon lachte und schaute sich um, als erwartete er, dass jemand mit ihm lachte. Peterson verzog keine Miene. »Fragen Sie doch Giles. Ich habe keine Ahnung, wie er sein Geschäft führt. Ich bin nur stiller Teilhaber. «
»Aber Sie haben sechsundvierzigtausend Pfund in das Unternehmen investiert. Ist das nicht ziemlich viel für einen stillen Teilhaber?«
»Was heißt schon ziemlich viel? Für mich sind sechsundvierzigtausend Pfund keine besonders große Summe … Für jemanden wie Sie, der ein Polizistengehalt bezieht, sieht das sicherlich ganz anders aus.«
»Also gut, akzeptiert. Aber Sie werden doch sicher mit Mr. Osborne den Zweck der Investition abgesprochen haben, oder?«, sagte Erika.
»Ich vertraue Giles, und falls Sie sich erinnern: Bevor meine Tochter brutal ermordet wurde, stand ich kurz davor, Giles Osborne als Schwiegersohn in meine Familie aufzunehmen.«
Der Zorn wich aus Sir Simons Gesicht, und der Schmerz über den Verlust seiner Tochter kam zum Vorschein.
»Und hat Ihr zukünftiger Schwiegersohn Ihnen auch verraten, warum die sechsundvierzigtausend noch am selben Tag an eine Firma namens Mercury Investments Ltd überwiesen wurden?«
Sir Simon schaute seinen Anwalt an.
»Ja oder nein?«, sagte Erika. »Das ist doch eine ganz einfache Frage. Hat Mr. Osborne Ihnen mitgeteilt, warum die sechsundvierzigtausend an eine Firma namens Mercury Investments Ltd überwiesen wurden, ja oder nein?«
»Nein.«
»Wissen Sie von einer Firma namens Mercury Investments Ltd?«
»Nein.«
»Sie ist auf den Namen Rebecca Kucerow eingetragen, die Ehefrau dieses Mannes – Igor Kucerow. Und nur für den Fall, dass Sie das vergessen haben sollten: Diese Fotos haben wir auf Andreas zweitem Handy gefunden.«
Erika nahm die unzweideutigen Fotos aus der Akte und legte sie vor Sir Simon auf den Tisch. Er warf einen Blick darauf. Schloss die Augen und begann zu zittern.
Der Anwalt schob die Fotos zusammen und drehte sie um. »Ich protestiere dagegen, dass Sie meinem Mandanten diese peinlichen Fotos seiner Tochter zeigen, die gerade erst beerdigt wurde.«
»Aber was hat Ihr Mandant zu den sechsundvierzigtausend Pfund zu sagen? Wir haben Grund zu der Annahme, dass dieser Mann, Igor Kucerow, ein Menschenhändler ist, der junge Frauen aus Osteuropa illegal nach England schleust. Er wurde wegen des Mordes an einer jungen Frau namens Nadja Greco vor Gericht gestellt.«
»Und? Wurde er verurteilt?«, fragte Sir Simon scharf.
»Nein, aber auch wenn er nicht verurteilt wurde, reicht das für eine belastende Verbindung. Ich frage Sie also noch einmal. Wissen Sie, warum Mr. Osborne die sechsundvierzigtausend Pfund an Igor Kucerow überwiesen hat?«
Sir Simon verschränkte die Arme vor der Brust. Er wirkte verunsichert.
»Mein Mandant hat dazu nichts zu sagen.«
»Okay«, sagte Erika. Sie schaute Peterson an, und sie standen beide auf.
»Und?«, fragte der Anwalt.
»Wir unterbrechen das Verhör«, sagte Erika.
»Wie spät ist es?«, wollte Sir Simon wissen.
»Zwölf Uhr fünfzehn«, antwortete Erika.
»Ich will meine Tochter sprechen. Sofort!«, sagte Sir Simon.
Erika und Peterson verließen wortlos das Verhörzimmer.