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- Peter -
W as für eine scheiß verfahrene Situation. Obwohl ich in der vergangenen halben Stunde wie ein Priester am Sonntagmorgen an das Gewissen meiner Schwester appellierte, geht sie sofort wieder auf Konfrontationskurs. Wie eine in die Enge getriebene Katze. Ja, ich denke, der Vergleich passt.
Mir ist klar, dass ich mich wie ein Arsch aufführe. Doch es bringt nichts, Glacéhandschuhe anzuziehen. Ich muss wissen, wo wir alle stehen. Und das erfahren ich nur, wenn wir Tacheles reden.
Natürlich würde ich mir für sie etwas anderes als diese unsägliche Unterhaltung wünschen. Immerhin haben Mom und Meddy einen Verlust zu betrauern. Allerdings sollten sie füreinander da sein und sich nicht gegenseitig die Augen auskratzen. Ich dachte bis vorhin, Mom würde sich um Meddy sorgen. Den Eindruck hatte ich jedoch nicht, als sie im Eingangsbereich standen und kurz davor waren, sich an die Kehle zu gehen. Also, was stimmt hier nicht? Was verheimlicht Mom? Tja, und Meddy nicht zu vergessen.
Und dann ist da noch Chase. Ich feige Socke hätte ihn nicht bitten sollen zu bleiben. Ich sehe ihm an der Nasenspitze an, dass er sich unwohl fühlt und gern eine Ausrede vorbringen würde, um sich davonzumachen. Das kann ich durchaus nachvollziehen. Ich wäre auch lieber an einem anderen Ort – San Francisco zum Beispiel. Gott, ich bin keine vierundzwanzig Stunden hier und sehne mich nach meinem kleinen Apartment, meiner Praxis und Mrs. Riggs, die erneut aus unerfindlichen Gründen mit ihrem Sohn Henry vorstellig wird.
Alles Jammern nützt nichts. Da muss ich jetzt durch.
Aber Chase hat sicher was Besseres verdient. Für ihn muss das alles um ein Vielfaches schlimmer sein, denn ich ziehe ihn in Familienstreitigkeiten hinein, die für ihn garantiert mehr als unerfreulich sind. Und dennoch ist er hier und rührt sich nicht vom Fleck. Ich spüre seinen intensiven Blick auf mir ruhen. Und ich gebe zu, es fühlt sich gut an. Allein seine Anwesenheit gibt mir die Kraft, mich wie ein Arschloch aufzuführen. Irgendwie bin ich mir sicher, er weiß, das ist nicht meine Art.
»Okay, Ladys, machen wir es kurz und knapp. Mom, inwieweit bist du informiert über eure finanzielle Situation?«
Sie schnappt nach Luft und reißt die Augen auf. Ich bin nahe dran zu glauben, dass sie keine Ahnung hat, als sie resigniert aufseufzt und in sich zusammensinkt. Auf ihrem Gesicht steht das pure schlechte Gewissen geschrieben.
Meddy faucht entsetzt: »Du hast es gewusst?!«
Ich schwöre, ich komme mir langsam vor wie im Irrenhaus.
Mein Blick wandert kurz zu Chase, der zwischen Meddy und Mom fassungslos hin und her sieht.
»Ich versteh’s nicht«, mische ich mich wieder ein. »Was glaubtest du, was wir da oben finden? Warum zum Teufel hast du nichts gesagt?« Sie hat uns ins offene Messer laufen lassen und ich begreife nicht wieso.
»Ich wusste nicht wirklich, wie es um Golden Dreams steht, Peter«, beginnt Mom kleinlaut. »Ich hatte nie Zugang zu den Konten. Wenn ich Geld brauchte, bekam ich es von eurem Vater. Mir ist erst vor ein paar Wochen bewusst geworden, dass etwas nicht stimmt. Als ich Joel bat, mir das Diadem seiner Großmutter aus dem Safe zu geben, versuchte er mich mit fadenscheinigen Erklärungen hinzuhalten. Meinte, es wäre für den Anlass nicht angemessen. Dabei handelte es sich um die alljährliche Sommergala. Ihr wisst schon, die Veranstaltung, auf der sich alle Familien aus dem Valley treffen. Das Motto Sehen-und-gesehen-Werden wird gerade hier großgeschrieben. Nicht wirklich meine Lieblingsveranstaltung, aber ein Muss für die Sullivans. Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmt. Denn bisher legte euer Vater Wert darauf, unseren Wohlstand zur Schau zu tragen. Ich stellte ihn zur Rede. Er stritt alles ab, war augenblicklich auf Krawall gebürstet. Um ehrlich zu sein, hatte ich schon lange keine Lust mehr, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Ich war es leid, mir ewig seine Vorhaltungen anhören zu müssen.« Mom schaut zu Meddy. Ich rechne damit, dass sie sie wieder anfährt, als sie überraschend sanft Meddys Hand nimmt und in ihre legt. »Schatz, ich weiß, ich hätte mit dir reden, dich zumindest fragen sollen, was los ist. Aber ich wollte dich nicht noch mehr unter Druck setzen, als es dein Vater schon getan hat.«
»Mom«, seufzt Meddy. »Es tut mir so leid. Ich war dermaßen wütend auf Dad. Und das seit Jahren. Ich wollte nur noch weg und von alldem nichts mehr wissen. Ich weiß, ich hätte sofort zu dir gehen sollen. Und es war absolut verantwortungslos, dass ich mich auf Banks eingelassen habe.«
Meine Mutter stockt der Atem und sie runzelt die Stirn. »Wer ist Banks?«
»Scheiße«, wispert Meddy schuldbewusst.
Mom wirft mir einen verstörten Blick zu, dann Chase, ehe sie sich wieder auf Meddy konzentriert, tief Luft holt und sagt: »Meredith Margarete Harriett Sullivan, du wirst uns sofort erklären, was du angestellt hast.«
Meddy schaut Hilfe suchend zu mir. Ich schüttle nur den Kopf. Da muss sie jetzt allein durch. Und ich will auch endlich erfahren, was es mit Banks auf sich hat.
»Wie schon gesagt, ich wollte einfach nur noch weg. Es spitzte sich immer weiter zu. Davon abgesehen, dass Dad mich nie als ein Teil von Golden Dreams akzeptierte, hielt er über Monate etliche Gläubiger hin. Irgendwann tauchte Banks auf, um die Schulden für sie einzutreiben. Er trat vor ein paar Wochen an mich heran und bot mir eine halbe Million, sollte ich Dad dazu überreden, Golden Dreams aufzugeben. Anfangs dachte ich, warum nicht? Dann kann ich endlich verschwinden und mein eigenes Leben führen.«
»Meddy!«, zischt Mom entsetzt.
Meiner Schwester ist anzusehen, dass sie es jetzt unbedingt hinter sich bringen will. Ohne auf Mom zu reagieren, fährt Meredith fort: »Banks versicherte mir, dass nicht nur die Schulden beglichen wären, sondern du und Dad obendrein ein nettes Sümmchen bekämt, um ein sorgloses Leben zu führen – nur eben nicht auf Eagle Rock und ohne Golden Dreams. Ich sagte ihm, ich würde mit ihm reden.«
»Ihr wolltet unser Zuhause verscherbeln?«, empört sich Mom.
»Nein, Dad wollte von alldem nichts wissen. Er war stur und versetzte den Familienschmuck. Allerdings reichte das Geld bei Weitem nicht, um Golden Dreams aus den roten Zahlen zu holen und die Schulden zu begleichen. Und von verscherbeln kann hier keine Rede sein. Ich nahm an, dir wäre es gleich, wo du lebst. Eagle Rock war für dich doch genauso wie für mich eher ein Gefängnis, oder nicht?«
»Wie kannst du so was nur denken?«
»Komm schon, Mom!«
»Meddy, das hier ist unser Heim – seit Generationen.«
»Ich bitte dich, sei nicht so scheinheilig. Du hast Dad doch nur geheiratet, weil es von dir verlangt wurde. Willst du mir etwa was anderes erzählen?«
Beide schauen sich erst geschockt an, um dann die Köpfe voneinander abzuwenden.
Ich kann nur dastehen und fassungslos zusehen. Mir fehlen die Worte. Je länger ich ihnen zuhöre, umso schockierter bin ich. Hier tun sich Abgründe auf, von denen ich keine Ahnung hatte. Und Chase ergeht es offensichtlich ebenso, denn er springt auf und flüstert in meine Richtung: »Es tut mir leid, aber ich denke, ich sollte jetzt wirklich gehen.«
Während Mom und Meddy schweigsam in Gedanken versinken, trete ich auf Chase zu. »Sorry, das habe ich nicht kommen sehen.«
Chase schnaubt. »Ich bestimmt auch nicht. «
»Ist es okay, wenn ich nachher vorbeikomme?« Keine Ahnung, wann das sein wird, aber ich bin mir sicher, dass ich mit jemand reden muss, sobald ich das ganze Ausmaß dessen kenne, was sich hier gerade vor mir ausbreitet.
Chase legt seine Hand mitfühlend auf meinen Arm. »Natürlich. Egal wann.« Er schaut auf seine Uhr. »Ich bin auf alle Fälle bis sechs in der Kelterei. Danach findest du mich bei mir daheim.« Er holt sein Handy aus der Hosentasche. »Gib mir schnell deine Nummer. Ich schick dir die Adresse. Ruf an, wenn du mich brauchst, okay?«
Ich diktiere ihm meine Telefonnummer und begleite ihn mit einem »Danke« zur Wohnzimmertür. Als diese sich schließt, wende ich mich dem unausweichlichen Chaos zu.
Im Raum herrscht Funkstille. Auf dem Weg durch das Zimmer nehme ich mir eine Tasse Tee und sinke vor Mom und Meddy auf den Fußboden in den Schneidersitz. Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir früher oft so zusammengesessen haben. Die Atmosphäre damals war natürlich nicht derartig aufgeladen.
Ich genieße einen tiefen Schluck und versuche meine innere Ruhe zu finden. Es hilft nichts, wenn ich auch noch ausflippe.
»Warum hat Joel sich überhaupt auf so zwielichtige Gestalten eingelassen?«, höre ich Mom leise fragen. »Hätte es ein Bankdarlehen nicht getan?«
Meddy schnaubt abfällig, hält sich aber sofort zurück, als sie meinem warnenden Blick begegnet. »Mom, du kanntest Dad. Er wollte sich keine Blöße geben und hatte Angst, irgendwer würde es herausfinden.«
»Na und wenn?«, protestiert meine Mutter. »Wie viele Firmen geraten heutzutage in finanzielle Engpässe? Das muss nicht mal eigenverschuldet sein. Es ist doch nichts dabei, sich Hilfe zu suchen. Was ist falsch daran?«
»Für Dad? Alles. Es kratzte an seinem Ego, sollte auch nur einer glauben, er wäre unfähig, die Geschäfte zu führen. Er wollte nichts aus der Hand geben, schon gar nicht mir. Was denkst du denn, warum er mich an der kurzen Leine hielt? Und irgendwie hatte ich in letzter Zeit das Gefühl, er würde so langsam, aber sicher den Bezug zur Realität verlieren. Ich kann es nicht anders beschreiben. Er wirkte nicht selten abwesend. Wenn ich ihn darauf ansprechen wollte, reagierte er abweisender und aggressiver als all die Jahre zuvor. Dennoch habe ich es versucht. Es war einfach nur noch frustrierend.«
»Mir ist nicht entgangen, dass er sich immer mehr zurückzog. Allerdings dachte ich, es läge an mir. Und ja, ich weiß, er war ein Vorzeige-Macho und pflegte Ansichten, die aus dem 19. Jahrhundert hätten stammen können. Aber meine Güte, ich hatte keine Ahnung, dass es dir so schlecht ging. Warum hast du nie etwas gesagt?«
»Was hätte das gebracht?« Meddy zuckt resigniert die Schultern. »Ist jetzt auch nicht mehr zu ändern.«
»Ja, leider«, wispert Mom zerknirscht. »Ich habe mich nicht wie eine Mutter benommen, wird mir nun klar. Und bei Gott, das tut mir so leid.«
Schwermütiges und schamvolles Schweigen.
»Was hatte es mit Banks auf sich, Meddy?«, frage ich in die Stille.
Ein ertappter Blick in meine Richtung. »Wovon redest du? Das habe ich doch gerade erzählt.« Und wieder versucht sie es mit Ausflüchten. Himmel, Arsch und Zwirn! Ist ihr nach den vergangenen Minuten immer noch nicht klar, dass das der falsche Weg ist?
»Ich rede von deinem Treffen mit ihm, vor ungefähr einer Woche.«
»Keine Ahnung, was du meinst.«
Es kostet mich meinen letzten Funken Selbstbeherrschung, sie nicht anzubrüllen. »Findest du nicht, dass es Zeit wird, mit der Wahrheit rauszurücken? Ihr wurdet im Gewölbekeller gesehen. Und wie ich erfahren habe, verlief eure Unterhaltung alles andere als friedlich.«
»Schatz, wovon redet dein Bruder?«
Meddy ignoriert Moms Einwurf und fragt spekulativ: »Chase?«
Ich schüttle den Kopf. »Ist doch egal, von wem ich es weiß. Das tut nichts zur Sache. Also?«
Mom setzt sich kerzengrade auf und wirkt angespannt bis in die Haarwurzeln .
»Scheiße ja, er war letzte Woche hier. Wollte mich unter Druck setzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihm bereits gesagt, dass ich es nicht durchziehe.«
»Bevor er ging, hat er dir gedroht. Womit?«
»Du kennst die Einzelheiten, als wärst du selbst dort gewesen«, beginnt sie abermals abzulenken. »Gib’s zu, es war Chase, richtig? Ich hätte damit rechnen müssen, dass er früher oder später Wind davon bekommt. Er ist wirklich überall und nirgends. Wie ein verdammter Geist.«
»Mädchen, lass den armen Jungen da raus«, ruft Mom verärgert, der so langsam, aber sicher die Sicherung durchbrennt. »Er ist es nicht, der sich mit kriminellen Subjekten eingelassen hat. Die Romeros sind über jeden Zweifel erhaben und standen Golden Dreams stets loyal zur Seite. Ich will aus deinem Munde über Chase kein schlechtes Wort mehr hören, verstanden?!«
Meddys zynisches Lachen ertönt. »Das war zu erwarten. Dein Goldjunge hat in deinen Augen schon immer mehr Anerkennung verdient als deine eigene Tochter.«
»Werd nicht unfair! Ja, ich hätte mehr für dich da sein sollen, aber meine Wertschätzung hattest du immer. Ich war bisher stolz auf das, was du trotz deines despotischen Vaters erreicht hast. Und ich will jetzt eine Antwort. Also, mit was hat dir dieser Banks gedroht?«
»Er meinte, er würde uns das Leben zur Hölle machen, sollte ich Dad nicht doch noch überzeugen können.«
»Und wie wollte er das anstellen? Ist ja eine ziemlich vage Aussage.«
»Er drohte rufschädigende Gerüchte in die Welt zu setzen und uns auf diese Weise zu zwingen, Golden Dreams an den Erstbesten zu verkaufen. Er meinte, er bräuchte nur verlauten lassen, dass wir pleite wären oder das Wort Pestizide mit uns in Verbindung bringen und an den richtigen Stellen fallen zu lassen. Ersteres würde sicher dafür sorgen, dass uns die Leute wegrennen, da sie glauben, sie bekämen keinen Lohn. Und Letzteres, selbst wenn das an den Haaren herbeigezogen ist, würden uns die Behörden die Türen einrennen und den Betrieb zumindest für die Dauer der Ermittlungen stilllegen. Zum jetzigen Zeitpunkt undenkbar. Immerhin stecken wir mitten in der Weinlese, wie du weißt. Wenn wir die Traubenernte nicht rechtzeitig einbringen, können wir Lieferverträge nicht einhalten. Geschweige denn, ob diese aufgrund der haltlosen Vorwürfe überhaupt noch existieren. Sämtliche Geschäftspartner würden sich von uns distanzieren. Der Schaden, der uns dadurch entstünde, wäre immens. Von unserem guten Ruf will ich gar nicht erst anfangen, der wäre unwiederbringlich zerstört.«
»Ich begreife es nicht. Um ehrlich zu sein, für mich hört sich diese Drohung lächerlich an«, klinke ich mich nun ein.
»Ist das dein Ernst? Peter, uns würde kein einziger Kunde noch vertrauen!«, erbost sich Meddy.
»Wenn es dazu käme, sicher nicht. Das habe ich auch gar nicht sagen wollen. Worauf ich hinauswill, ist … Irgendwas passt hier nicht. Ich komme mir vor, als steckten wir mitten in einem idiotischen Krimi fest, dessen Handlungsstrang überhaupt keinen Sinn ergibt. Ja, unser Vater hat den fatalen Fehler begangen, sich Geld von seltsamen Typen zu leihen, ohne es zurückzahlen zu wollen oder zu können, was auch immer zutrifft. Das ist zwar saudämlich, hätte die Gläubiger jedoch nicht davon abhalten können, die Ratenzahlung einzufordern. Ist ja nicht so, als wäre das illegal gewesen. Denn immerhin existieren rechtskräftige Pfandbriefe. Wären ihre Bemühungen dahin gehend ins Leere gelaufen, hätten die Geldgeber veranlassen können, Golden Dreams zwangszuversteigern. Warum haben sie das nicht getan? Warum diese Geheimniskrämerei? Das will mir nicht in den Kopf.«
Als ich mit meiner Einschätzung am Ende bin, starren mich Meddy und Mom entgeistert an, ehe meine Schwester flüstert: »Du hast vollkommen recht. Wieso ist mir das nicht längst aufgefallen?«
Ich zucke die Schultern.
Mom tätschelt gutmütig die Hand ihrer Tochter und erklärt im knochentrockenen Tonfall: »Weil du genau wie ich blind bist und wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt waren, um mehr als nur die eigenen Belange zu sehen.«
Meddy ist völlig bleich, schluchzt plötzlich mitleiderregend auf und wendet sich Mom zu: »Ich muss dir noch was beichten.« Sie schnieft und wischt sich mit dem Handrücken über die Nase.
»Viel schlimmer kann’s wohl kaum werden. Also raus damit.«
»Ich hatte am Abend vor Dads Tod einen heftigen Streit mit ihm. Es ging abermals um den Schuldenberg. Ich dachte, ich würde ihn endlich dazu bringen können, Hilfe zu suchen, wie auch immer die ausgesehen hätte. Vielleicht jemanden, der mit uns zusammen einen vernünftigen Wirtschaftsplan ausarbeitet, um diesen einer Bank vorzulegen. Keine Ahnung, irgendwas eben, Hauptsache kein Geld mehr von Leuten, die sich offensichtlich Golden Dreams für ein paar Peanuts unter den Nagel reißen wollen.« In der Erinnerung an diese Nacht stöhnt Meddy frustriert. »Keine Chance. Er war unsäglich starrsinnig und jagte mich herablassend davon. Brüllte mir hinterher, ich solle tun, was er mir sagt und aufhören so zu tun, als hätte ich Ahnung von irgendwas oder auch nur ein Recht, Forderungen zu stellen. Ich war wütend und verzweifelt und musste dringend an die frische Luft. Irgendwann kam ich zurück und wollte noch mal mit ihm reden. Aber …« Schluchzend bricht Meddy zusammen.
Mom schließt für einen Moment die Augen und atmet tief durch. Dann öffnet sie sie wieder und nickt. »Er war schon tot und du bist panisch davongerannt, nicht wahr?«
Meddy räuspert sich und blickt Mom mutig an. »Ja, es tut mir so leid. Ich …«
»Du hättest nichts mehr für ihn tun können. Ich will nicht sagen, dass ich es gutheiße. Aber glaub mir, ich kann dich verstehen. Es ist schrecklich, wie er sich dir gegenüber verhalten hat. Ich habe nie begriffen warum.« Mom lächelt sie versöhnlich an. »Du und ich, wir haben Fehler gemacht, Schatz. Ich denke, es wird Zeit, einander zu verzeihen und nach vorn zu sehen. Meinst du, du kannst das? Egal, was nun mit Golden Dreams wird, ich möchte dich nicht verlieren.« Sie blickt mich ebenfalls an und ergreift unser beider Hände. »Und dich auch nicht. «
Moms Worte treffen mich mitten ins Herz und ich nicke tief bewegt.
»Danke«, wispert Meddy offenkundig erleichtert.
Ich rapple mich mühsam auf die Beine. Ernsthaft, Schneidersitz über einen längeren Zeitraum ist nichts für meine Knie. »Vielleicht fangen wir damit an, dass wir gemeinsam nach oben gehen und uns alles in Ruhe ansehen? Chase hat mir vorhin einiges gezeigt.«
»Der arme Junge«, murmelt Mom betreten. »Er wusste bestimmt nicht, wie ihm geschah. Plötzlich und ohne Vorwarnung wird er Zeuge eines gewaltigen Sullivan-Dramas. Ich denke, ich muss mich dringend bei ihm dafür entschuldigen.«
»Ich hatte eh vor, nachher zu ihm zu fahren. Ich richte ihm gern aus, dass es uns leidtut. Wenn ich ihn richtig einschätze, wird er es verstehen und nicht nachtragend reagieren.«
»Oh, das denke ich allerdings auch.«
»Was mich betrifft, würde ich gern selbst mit ihm reden«, wirft Meddy leise ein.
Mom und ich schauen sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, als Meddy schon die Hände hebt und erklärt: »Nicht, um ihm Vorwürfe zu machen. Ich schulde ihm eine persönliche Entschuldigung für die letzten Monate. Mir ist klar, dass ich mich ihm gegenüber nicht selten unfair verhalten habe.«
Tja, Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, sagt man doch, oder? Ich hoffe nur, Meddy meint es ernst und denkt morgen nicht wieder anders über die Ereignisse. Ja genau, in mir lodert eine kleine Flamme Skepsis, wenn es um meine Schwester geht, die ich offensichtlich überhaupt nicht kenne.
Als wir uns nun endlich ins Arbeitszimmer aufmachen, klingelt es an der Haustür und ich denke mir noch so, dass es sich hierbei bestimmt um einen Kondolenzbesuch eines Nachbarn handelt.
Aber dem ist nicht so.
Kaum sind wir im Flur und sehen Pamela die Tür öffnen, hören wir jemanden sagen: »Guten Tag, Ma’am. Agents Vega und Dunbar vom FBI. Wir würden gern Mrs. Sullivan sprechen. Ist sie da?«