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- Peter -
D er bange Ausdruck in ihren Gesichtern kehrt zurück und Meddy murmelt: »Geht’s wieder um Banks?«
Im ersten Moment bin ich irritiert. Ich war so in meiner Idee verfangen, dass ich dieses Arschloch doch tatsächlich verdrängt habe. »In gewisser Weise. Aber nicht so, wie du vielleicht vermutest.« Ich wende mich an Mom. »Ich denke, Enzo hat dich bereits informiert?« Mein Blick gleitet zu Chase, der verkniffen das Gesicht verzieht. Fuck, diese Frage hätte ich vorab klären sollen.
»Dad meinte, er versucht die Situation in den Griff zu kriegen.«
»Was ist mit Enzo?«, erkundigt sich Meddy. »Hat Banks ihn etwa …«
»Nein, nein«, wiegle ich sofort ab. »Allerdings sind seine gestreuten Gerüchte offenbar der Grund dafür, dass einige Saisonarbeiter nicht erschienen sind.«
»Was?! Das kann doch …«, empört sich Meddy, die bereits drauf und dran ist davonzustürmen, als ich sie gerade noch zurückhalten kann. »Warte! Was willst du anstellen? Sie an den Haaren her zerren? Das wird wohl kaum funktionieren.«
»Peter«, jammert Chase. »Bitte komm zum Punkt. Mein Vater stand vorhin schon kurz davor überzuschnappen.«
»Warum hat er nichts gesagt?«, flüstert Mom erschüttert .
»Ist das nicht nachvollziehbar? Der Mann will euch nicht zur Last fallen, nach allem, was hier gerade passiert.«
Mom nickt und verschränkt die Arme vor der Brust. Meddy runzelt die Stirn und neigt den Kopf zur Seite. Na bitte, jetzt habe ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich werfe Chase erneut einen Blick zu, der reichlich ungeduldig auf den Fußballen vor und zurück wippt.
»Gib mir zwei Minuten, okay?«
»In Ordnung.«
»Mom, du arbeitest doch immer noch ehrenamtlich für die LGBTQ-Connection?«
Sie blinzelt konfus. »Ähm, ja. Wieso?«
»Du hast mir mal erzählt, der Verein würde hin und wieder spontan irgendwelche gemeinschaftlichen Aktivitäten organisieren, um auf sich aufmerksam zu machen.«
»Stimmt«, erwidert sie skeptisch.
Ich wende mich an den Mann neben mir. »Chase?«
»Hm?« Ihm steht pure Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
»Kannst du schon sagen, wie lange die Lese noch dauern würde? Unter normalen Umständen natürlich.«
»Zwei, vielleicht drei Tage, dann wäre die Ernte eingebracht.«
»Sehr gut. Mom, setz dich mit deinem Verein in Verbindung und bitte sie um Hilfe. Immerhin bist du ein geschätztes Mitglied. Erklär ihnen, was passiert ist und dass wir dringend Leute für die Lese benötigen. Sie werden dich sicher nicht hängenlassen. Sag ihnen, im Gegenzug wird ein Bericht im Chronicle erscheinen.«
»Du kennst jemanden beim Chronicle?«, platzt es allen dreien zeitgleich heraus.
»Ist ’ne lange Geschichte«, wehre ich ab. »Und wir haben im Moment keine Zeit dafür. Ich kann euch nur versichern, dass William herkommt, wenn ich ihn bitte.«
»Du redest nicht zufällig von William Powell, dem Chefredakteur, oder?«, fragt Mom erstaunt.
»Genau. Und …«
»Woher …? «
»Nicht jetzt, Mom. Jedenfalls wird er nicht nur hier erscheinen, sondern obendrein einen riesigen Aufmacher über diese Aktion schreiben. Mom, glaubst du, deine Leute würden darauf eingehen?«
»Himmel, wir versuchen seit Jahren, jemanden von der Zeitung hierherzulocken. Wenn es dann noch das größte Tageblatt der Region wäre, das käme einem Jackpot gleich. Was Besseres könnte uns gar nicht passieren. Aber was ist mit den Gerüchten? Der Verein kann sich keine Negativ-Publicity leisten.«
»Wir müssen herausfinden, um was genau es sich im Einzelnen dreht. Ist es nur die Sache, dass wir pleite wären und daher an den Erstbesten verkaufen wollen, dementieren wir das. Mom, das wird dir zwar nicht gefallen, worum ich dich jetzt bitte, aber wir sollten Dads überraschenden Tod ins Gespräch bringen, um die Notlage noch zu unterstreichen.«
»Ich weiß nicht recht. Solange nicht klar ist, ob Banks etwas damit zu tun hat, ist das wie schlafende Hunde wecken.«
»Nicht, wenn du es richtig rüberbringst. Die Ermittlungen brauchst du gar nicht erwähnen. Es geht hier und jetzt einfach nur um den Verlust deines geliebten Ehemannes.« Ich bin wirklich ein unsensibles Arschloch.
»Verdammt, Peter«, flüstert Chase mir von der Seite zu.
Ich gehe zu Mom und nehme sie in den Arm. Sie zittert am ganzen Leib. »Hör mal, meiner Meinung nach bieten sich uns zwei Optionen, mit diesem Desaster umzugehen. Entweder wir verkriechen uns und sitzen die Angelegenheit in der Hoffnung aus, dass die Gerüchteküche aufhört weiterzubrodeln und uns der Scheiß nicht um die Ohren fliegt. Oder wir machen eine Riesensache daraus, hängen es an die große Glocke, indem wir an die Öffentlichkeit gehen … und hoffen, dass uns der Scheiß nicht um die Ohren fliegt. Wenn du mich fragst, bin ich für Variante zwei.«
»Meinen geliebten Ehemann?«, wiederholt sie meine Worte. »Das ist lächerlich.«
»Wer außer uns kennt die Wahrheit?«
Mom seufzt. »Auch wahr. «
»Damit riskieren wir alles«, murmelt Meddy, die nun erschöpft in einen der Sessel sinkt.
»Das hast du schon für uns getan.« Ich spüre, wie Mom in meinen Armen zur Salzsäule erstarrt und Chase’ Blick mir regelrecht Löcher in die Schläfe brennt. Ich konnte diese Bemerkung einfach nicht zurückhalten. Ja, ich kann sie verstehen, doch es hätte sicher einen anderen Weg gegeben. Sie hätte nur den Mut aufbringen müssen, mit Mom oder mir zu reden.
Grabesstille.
»Im Moment können wir keine Rücksicht auf persönliche Belange nehmen, die der Familie und Firma schaden. Mir ist klar, was ihr denkt. Immerhin bin ich derjenige gewesen, der gegangen ist. Ich will auch gar nicht behaupten, dass ich scharf darauf bin, hier zu sein. Aber wie ich schon sagte, persönliche Belange sind derzeitig zweitrangig. Das schließt meine mit ein. Wenn alle Probleme aus der Welt geschafft sind, kümmern wir uns um uns selbst. Wir finden für jeden eine Lösung, egal wie die aussehen mag. Egal ob Meddy das Handtuch werfen und woanders ein neues Leben anfangen will. Mom, das gilt auch für dich, hörst du? Golden Dreams mag eine lange Geschichte haben, aber es darf die Menschen nicht in eine Knechtschaft zwingen. Wenn keiner von uns die Firma leiten will, wird sich jemand finden, der es tut.« Mein Blick wandert zu Chase, der mich mit aufgerissenen Augen ansieht und kaum merklich den Kopf schüttelt. »Wie dem auch sei, das klären wir, wenn alles vorbei ist.« Ich wende mich Meddy zu, die in ihrem Sessel immer kleiner wird. »Also lasst es uns angehen.«
Mom löst sich aus meinen Armen und schaut zu mir auf. »Was ist mit Banks?«, will sie leise wissen.
»Wenn ihr mich fragt, ich glaube, Banks stellt im Moment keine Gefahr für uns dar. Ich vertraue da ehrlich gesagt auf Vega. Er scheint ein fähiger Mann zu sein. Dennoch halten wir natürlich die Augen offen, sollte der Mistkerl tatsächlich die Frechheit besitzen, hier aufzutauchen. Jetzt konzentrieren wir uns auf die nächsten zwei Tage, die wir überstehen müssen. Ist die Ernte erst einmal eingebracht, machen wir uns weitere Gedanken. Immer ein Problem nach dem anderen.«
Mom nickt mir anerkennend zu und holt das Schnurlostelefon aus ihrer Hosentasche, betätigt eine Taste und hält es sich ans Ohr, während der Rest von uns gebannt abwartet.
»Judith, meine Liebe, hier ist Maggy. – Oh, das ist lieb von dir. Vielen Dank. Ja, es ist im Moment nicht so einfach. Was auch der Grund ist, warum ich anrufe.« In kurzen Sätzen umreißt Mom unsere Situation und wird natürlich sofort mit dem Gerücht konfrontiert, Golden Dreams stände vor dem Ruin. Ich muss Mom meinen Respekt zollen. Sie verzieht keine Miene, bleibt höflich und schafft es sogar, Judith von unserem Vorschlag zu überzeugen. Nachdem Mom aufgelegt hat, atmet sie einmal tief durch und blickt in die Runde. »Sie meldet sich innerhalb der nächsten zehn Minuten zurück. Sie hätte wohl fünfzehn Leute für heute organisiert, die in St. Helena einen Basar in der Shopping-Mall veranstalten wollen. Sie denkt, es wäre früh genug, sie abzufangen und zu uns zu schicken.«
»Wirklich? Das ist ja unglaublich.« Ich hatte gehofft, meine Idee würde funktionieren, aber damit hatte ich nicht gerechnet.
»Peter, brauchst du mich hier noch?« Chase.
»Oh, entschuldige. Ich will dich nicht länger aufhalten. So weit sollte alles klar sein, denke ich. Sobald ich kann, komme ich nach. In Ordnung?«
»Du musst dich um deine Familie kümmern.«
Sprachlos blicke ich Chase hinterher, als er auch schon aus dem Zimmer eilt. Meddy springt auf und folgt ihm.
»Er hat nie verstanden, dass er ebenso zur Familie gehört«, flüstert Mom, während sie mir den Arm tätschelt und mich müde anlächelt.