8495

»Prima, dass Sie es letztendlich doch noch geschafft haben, hierherzukommen.« Frau Bergschatt-Kaluppke hatte heute keinen guten Tag. Giftig sah sie die Unterlagen an, die Nelly ihr hingelegt hatte. Nelly fragte sich immer, wie jemand, der sowieso schon einen doofen Nachnamen hatte, noch zusätzlich den doofen Nachnamen seines Ehepartners annehmen konnte. Wollte man gemeinsam darunter leiden oder sich das Leid teilen? Überhaupt Doppelnamen – furchtbar.

»Ich hatte gestern noch versucht anzurufen, aber leider war keiner mehr hier.«

»Ooooh, das tut mir aber leid, dass wir um siebzehn Uhr hier zumachen«, sagte Frau Bergschatt-Kaluppke. »Haben Sie denn gut geschlafen?«

Die Wendung des Gesprächs verwirrte Nelly. »Äh, ja, danke.«

»Na, das freut mich aber. Allerdings verstehe ich nicht, dass man, wenn man irgendwo neu anfängt, den ganzen Tag verschlafen kann.«

»Ach, Sie meinen gestern. Dass ich geschlafen habe. Nein, ich war eingesperrt.«

»Bestimmt von bösen Männern, die einfach so kamen, genau. Junge Dame, ich habe keine Zeit, mir die wirren Entschuldigungen unserer Studenten anzuhören. Hier haben Sie den Plan, da steht alles drauf, was Sie wissen müssen, auch die Log-ins für die Uni, eben alles. Ihre Kommilitonen müssten sich jetzt im Rechtshaus in der Rothenbaumchaussee aufhalten. Ein Orientierungsplan liegt ebenfalls bei.« Frau Bergschatt-Kaluppke sah Nelly auffordernd an. Die Audienz war beendet.

Wenn Nelly eins nicht ausstehen konnte, dann zu Unrecht beschuldigt zu werden.

»Ich …«

»Nein«, sagte Frau Bergschatt-Kaluppke. »Es steht alles auf dem Plan. Wirklich, wenn ich mit jedem Studenten hier diskutieren muss, dann müsste mein Tag hundert Stunden haben.«

»Vielen Dank«, quetschte Nelly hervor und machte sich auf den Weg in die Rothenbaumchaussee, was vom Mittelweg, wo sie gerade war, nicht lange dauerte. Immerhin fand sie auf Anhieb den richtigen Raum und wertete das als gutes Zeichen.

»Ist der Platz frei?«, fragte sie leise einen jungen Typ, und der nickte ihr zu.

»Klar. Auch neu?« Er lächelte und zeigte strahlend weiße Zähne. Seine grünen Augen funkelten.

»Ja, ich bin Nelly.«

»Jan. Wo warst du gestern? Ich hab dich gar nicht gesehen.« Also, diese Augen! Nelly setzte sich.

»Ich hab gestern den ganzen Tag auf dem Klo gesessen«, sagte sie dann und hätte sich am liebsten auf der Stelle geohrfeigt.

»Aha«, sagte Jan und konzentrierte sich voll und ganz auf das, was der Dozent vorne erzählte.

Also wirklich. Wie konnte sie nur so was sagen? Was sollte Jan jetzt von ihr denken? Das fängt ja prima an, dachte Nelly. Einfach nur spitze.