Kapitel 19

E-Autos haben ein schlechtes Sozial-Image

IN DIESEM KAPITEL

  • Müssen Kinder im Kongo für E-Auto-Akkus nach Kobalt schürfen?
  • Leiden Bauern in Chile und Bolivien unter der Lithium-Förderung?
  • Vernichtet die Elektromobilität Arbeitsplätze?
  • Sind E-Autos für die Normalbevölkerung viel zu teuer?

Die E-Mobilität ist von Kritikern nicht nur in Sachen Umweltschutz infrage gestellt worden, sondern auch bezüglich ihrer globalen Sozialverträglichkeit. Sprich: Mit der Rohstoffbeschaffung für Akkus und Motoren gerieten auch die Folgen ferner Bevölkerungsgruppen in den Fokus – insbesondere im Kongo und in Chile. Aber auch hierzulande hat der Mobilitätswandel soziale Auswirkungen: Gewerkschaften fürchten massive Arbeitsplatzverluste, wenn die Produktion von Verbrennungsmotoren nicht mehr gefragt ist. Sozial gelagert ist zudem die Frage danach, ob sich überhaupt alle Menschen noch individuale Mobilität leisten können, wenn sie elektrisch ist.

Lieferwege von Kobalt sind schwer nachzuvollziehen

Neue Antriebstechniken erfordern neue Rohstoffe. Dazu gehört auch das Metall Kobalt, das in den Lithium-Ionen-Akkus Verwendung findet. Gewonnen wird dieser Rohstoff in verschiedenen Ländern der Welt – zum Beispiel in Russland, Australien, auf den Philippinen und auf Kuba. Der größte Teil, mehr als 60 Prozent, stammt allerdings aus der Demokratischen Republik Kongo.

Der Vorwurf

»Im Kongo schuften schon kleine Kinder den ganzen Tag lang für die Akkus, die in unseren Elektrofahrzeugen stecken«, prangerte die Bild-Zeitung im Oktober 2019 an.1 Die Menschen dort müssten in ihren Hinterhöfen bis zu 100 Meter tiefe Gruben buddeln, um wenigstens einmal am Tag etwas zu essen zu haben. Auch Entwicklungshilfeminister Gerd Müller ging darauf ein: »Es ist ein Skandal, dass allein im Süd-Kongo 40.000 in einbruchgefährdeten Minen ihre Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen, nur damit die Rohstoffe am Anfang der Lieferketten möglichst günstig abgebaut werden können.«2 Der Vorwurf zirkuliert immer wieder in sozialen Medien – auch in Zusammenhang gesetzt mit Grünen-Politikern.

Die Fakten

Der größte Teil des Kobalts, rund 80 Prozent, wird als Nebenprodukt des industriellen Kupfer- und Nickelabbaus im Tagebau von großen, internationalen Unternehmen gewonnen. Problematisch sind die restlichen 20 Prozent, die im illegalen Kleinbergbau gefördert werden – tatsächlich teils auch von Kindern.3 Wer Kobalt auf dem Weltmarkt auf Umwegen zum Beispiel über China einkauft, kann nicht oder nur sehr schwer nachverfolgen, woher es letztlich stammt.

Das Problem wurde als Erstes nicht im Zusammenhang mit E-Mobilität publik, sondern generell mit Akkus aus Haushaltsgeräten: 2016 wies die Menschenrechtsorganisation Amnesty International darauf hin, dass in den Minen »Kinder ab sieben Jahren unter lebensgefährlichen Bedingungen« arbeiteten, »um Kobalt für Elektrogeräte abzubauen, die aus dem Verbraucheralltag nicht mehr wegzudenken sind«: Smartphones, Tablets und Laptops.4 Elektroautos kamen im damaligen Bericht gar nicht vor – weil sie damals noch keine Rolle spielten.

Auch heute wird nur ein geringer Teil für Elektroautos verwendet – 2017 waren es 8,2 Prozent. Weitere 35,5 Prozent wurden in jenem Jahr für andere Lithium-Akkus in Geräten gebraucht, der Rest dagegen für ganz andere Anwendungen, zum Beispiel für Superlegierungen, Schnellarbeitsstahl, Karbide und Diamantwerkzeuge, Magnete, Keramik & Farbstoffe sowie für Nickel-Cadmium- (NiCd) und Nickel-Metallhydrid-Akkus (NiMH).5

Das Fazit

Die Deutsche Rohstoffagentur schätzt, dass der Anteil der Kobaltverwendung für Elektroautos wegen steigender Produktionsmengen bis 2026 auf etwa 26,7 Prozent ansteigt.6 Gesichert ist das nicht, denn gleichzeitig versuchen die meisten Hersteller so weit wie möglich, auf Kobalt in den Akkus zu verzichten – es ist nämlich sehr teuer. Die ersten Hersteller in China verbauen bereits kobaltfreie Akkus, auch Volkswagen will in diese Richtung gehen.7 Bis dahin haben sich allerdings auch Volkswagen und BMW verpflichtet, die Herkunft des verwendeten Kobalts zurückzuverfolgen8 beziehungsweise ganz auf Kobalt aus dem Kongo zu verzichten.9 Um wirklich die Situation im Kongo zu verbessern, müssen aber auch alle anderen Firmen ihre Lieferketten zurückverfolgen, die Kobalt für andere industrielle Produkte verwenden. Der Kunde kann es später nicht.

Lithium-Abbau geht auch sozialverträglich

Klarer Fall: Für die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus braucht man Lithium. Wegen der rasant steigenden Nachfrage wird das Alkalimetall oft auch als »weißes Gold« bezeichnet. Es zählt entgegen häufigen Annahmen nicht zu den seltenen Erden (17 Metalle der dritten Nebengruppe des chemischen Periodensystems) und kommt quasi in allen Erdteilen vor (in minimaler Menge selbst im menschlichen Körper), aber nicht immer in gleicher Konzentration und nicht überall lässt es sich gleich gut abbauen.

Ein kleiner Teil des Lithiumvorrats wird im Hartgesteinsbergbau als Nebenprodukt gewonnen. Der größere Teil stammt aber aus Solen, also aus Salz-Wasser-Lösungen aus Salzseen oder aus der Erde.

Die größten Ressourcen werden in Bolivien vermutet (21 Millionen Tonnen), dann kommen Argentinien (17) und Chile (9). Über diese drei Länder erstreckt sich die große Salzebene, auch »The Lithium-Triangle« genannt. Es folgen USA (6,8), Australien (6,3) und China (4,5). In Europa sind wohl Deutschland (2,5) und Tschechien (1,3) die Kandidaten für die größten Vorkommen.10

Der Vorwurf

Der Vortrag des bekannten Fernseh-Professors Harald Lesch mit dem Titel »Das Kapitalozän – Erdzeitalter des Geldes«11 vom 2. Dezember 2018 ging in sozialen Medien und auf YouTube genauso viral wie die ZDF-Dokumentation mit dem Titel »Der wahre Preis der Elektroautos«12. In beiden Fällen heißt es, dass jeden Tag in der Atacama-Wüste in Chile für die Lithium-Gewinnung 21 Millionen Liter Grundwasser nach oben gepumpt werden. Das führe dort zur Austrocknung der Landschaft, die Bauern hätten keine Chance mehr, ihren Ackerbau und ihre Viehzucht aufrechtzuerhalten. Lesch: »Wir richten unglaubliche Schäden an! Mit einer neuen E-Mobilitätswelle auf der Welt wird es richtig heftig … In Wirklichkeit vernichten wir hier Lebensräume.«

»Die Bauern der Atacama haben keine Zukunft mehr«, heißt es in der ZDF-Doku, »Schuld daran sind die Lithium-Minen … Riesige Mengen Lithium brauchen die deutschen Autobauer. Hier hat das dramatische Folgen.« Der Abbau gefährde auch das Ökosystem für die Tiere.

Abbildung 19.1: Das Lithium-Dreieck (»The Lithium Triangle«) erstreckt sich über die südamerikanischen Länder Bolivien, Argentinien und Chile.

Quelle: Silberstein nach Vorlage von Mamayuco, CC BY-SA 4.0

Die Fakten

Die Salzlösungen aus dem Boden wie in Chile, Bolivien und Argentinien werden nach oben in Verdunstungsteiche gepumpt. Nach rund fünf Monaten im Verdunstungsbecken bleibt unter anderem Lithium zurück – 6-prozentig in einer schleimigen Masse. Die bringen Lastwagen in eine Fabrik, die sie zu Lithiumkarbonat weiterverarbeiten.

Allerdings handelt es sich bei diesem Wasser aus dem Boden nicht etwa um Grundwasser, das zum Trinken oder Bewässern von Feldern geeignet wäre – dafür ist es viel zu salzig. Tatsächlich gibt es aber Befürchtungen, dass trinkbares Grundwasser aus den umgebenen Regionen nachfließt – das Problem wird also möglicherweise in andere Gebiete verlagert. Zu dieser Frage fehlen derzeit jedoch noch wissenschaftliche Untersuchungen.13

Falsch sind jedoch die Aussagen, dass die E-Autos das Hauptproblem sind. Denn Lithium wird in vielfältiger Weise verwendet: nur 35 Prozent für Batterien und Akkus (allerdings bisher immer noch vornehmlich für Laptops, Smartphones, Tablets, Haushaltsgeräte wie Zahnbürsten, Staubsauger, Akkuschrauber et cetera), 32 Prozent zur Herstellung von Glas und Keramik und das übrige Drittel für Schmiermittel, Klimaanlagen, Strangguss, Kunststoffe und Aluminium.14

Das Fazit

Eins steht fest: Wasser aus einer Wüstenregion in Massen verdunsten zu lassen, ist nicht unproblematisch – weder für Mensch noch Natur. Und mit dem steigenden Bedarf an E-Autos steigt auch der an Lithium weiter an – was die Probleme bei der Förderung verschärfen dürfte. Das heißt allerdings auch: Selbst wenn künftige E-Mobilitäts-Akkus ganz ohne Lithium auskommen sollten, ändert sich damit für die Atacama-Bauern und -Tiere erst einmal nichts. Der Atacama-Salzsee in Chile dient schon viel länger vornehmlich zur Gewinnung von Kalium – Lithium ist dagegen lediglich ein Nebenprodukt. Es sollten aber auch Hersteller von Keramik, Handys und Laptops ihre Lieferketten kritisch durchleuchten.

Und: Alle Vorwürfe beziehen sich auf die Situation in Chile, sie sind nicht für das ganze »Lithium Triangle« zutreffend. Denn besser als in Chiles Atacama-Wüste geht es offenbar in Bolivien zu, also gleich nebenan. Salar de Uyuni heißt die dortige Salzebene. Es ist die größte der Welt. In Bolivien wacht der Staat über die Lithiumgewinnung, nicht allein externe und Großkonzerne wie im Nachbarland Chile. Dafür sorgt ein bolivisches Gesetz. Mit Kooperationsvereinbarungen – auch mit deutschen Firmen – sollen vor Ort drei neue Batteriefabriken entstehen, die Arbeitsplätze schaffen.15 Vertraglich festgelegt sind dabei auch eine umweltverträgliche Lithium-Förderung, die Nutzung regenerativer Energien, das Rückpumpen von übrig bleibendem Prozesswasser und der Aufbau einer dezentralen Stromversorgung. Das bolivianische Staatsunternehmen behält die Mehrheit der Anteile an den Joint Ventures. Es geht also auch anders. Und die Hersteller täten gut daran, ihre Rohstoffe lieber aus solchen Gebieten zu beziehen.

Vergessen werden darf auch nicht, dass das »Lithium Triangle« nicht die einzige Quelle auf der Welt für Lithium ist – auch an den anderen Orten werden die Produktionsmengen hochgefahren, nach neuen Quellen gesucht. Bei den Akkus der Elektro-Vehikel kommt mit der Zeit noch eine immer größer werdende Quelle hinzu: das Recycling. Und wer weiß, wie lange Lithium überhaupt noch notwendig ist für den Bau von Akkus? Das Ende der Entwicklungs-Fahnenstange sind Lithium-Ionen-Akkus nicht: Es wird schon an Stromspeichern mit einfacher und umweltfreundlicher zu gewinnenden Rohstoffen geforscht, zum Beispiel mit Natrium.

Elektromobilität verändert den Arbeitsmarkt

Wer einmal die komplexe Technik eines recht neuen Dieselfahrzeugs mit der eines E-Autos vergleicht, wird feststellen, dass es in Ersterem viel mehr zu entdecken gibt: Der Motorraum eines Diesels ist so vollgestopft, dass man den Boden nicht erblicken kann. Ein moderner Verbrennungsmotor hat etwa zehnmal mehr Bauteile als ein Elektromotor: etwa 2500 statt 250, je nach Ausstattungslinien und EU-Norm.16 Dazu kommen noch Getriebe- und Abgastechnik.

Der Vorwurf

Bei den Gewerkschaften schrillten gleich mit der Einführung der ersten auflagenstarken Elektro-Autos mit einer einfachen Schlussfolgerung die Alarmglocken: Wenn die neuen Antriebe mit viel weniger Bauteilen auskommen, brauchen die Hersteller ja viel weniger Personal an den Produktionsbändern.

Noch 2019 sagte IG-Metall-Vorsitzender Jörg Hofmann, er wolle »kein Horrorszenario« entwerfen, aber er befürchte, dass die E-Mobilität hierzulande »weit mehr als nur 150.000 Arbeitsplätze« kostete.17 Das gehe aus einer damals aktuellen IG-Metall-Studie hervor. Dieses Mantra hat sich in den Köpfen vieler Beschäftigter bis heute festgesetzt: Elektroautos sorgen für Arbeitslosigkeit.

Die Fakten

Es gibt einen großen Denkfehler: Erstens brechen die Bestellzahlen zum Beispiel für Dieselautos nicht ein, weil die Kunden plötzlich E-Mobilitätsfans geworden sind (schade eigentlich), sondern schlicht, weil sie keine Diesel mehr haben wollen. Der Knick in den Zulassungsstatistiken ist eindeutig zum Zeitpunkt des Dieselskandals 2015 auszumachen.18

Die Trends sind eindeutig, nicht nur in Europa, sondern vor allem auch in Asien und Nordamerika. Das heißt: Die Konzerne verlieren Kunden, auch wenn sie ihre Modellpalette gar nicht umstellen. Weniger Kunden bedeuten weniger Geld bedeutet Arbeitsplatzabbau. Die Frage ist für solche Unternehmen eher, wie die Modellpalette zu ändern ist, damit die Kunden nicht weiter abwandern, sondern ein anderes Produkt wählen.

Das Fraunhofer-Institut für Organisation und Arbeitswirtschaft IAO in Stuttgart hat sich zum Beispiel Gedanken über die Beschäftigung bei Volkswagen im Jahr 2030 gemacht und kommt zum Ergebnis, dass durch E-Mobilität und Digitalisierung der Beschäftigtenbedarf bei Volkswagen weniger stark sinken werde, als wissenschaftliche Studien bislang nahelegten. Vor allem sei es möglich, die Belegschaft in anderen Bereichen unterzubringen, wenn bei Volkswagen frühzeitig die richtigen Maßnahmen eingeleitet würden.19 Zwar sei in der Fahrzeugfertigung mit einer Reduzierung des Personalbedarfs um etwa zwölf Prozent zu rechen. Das sei aber eher Resultat von Prozess- und Standortoptimierungen als von Veränderungen am Produkt.20

Es gibt sogar Studien wie die »MoveOn III« vom Bundesinstitut der Berufsbildung, der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung und des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die sagen, dass die Mobilitätswende bis 2040 mehr Arbeitsplätze schaffe, als sie vernichte: nämlich im Verhältnis von 220.000 zu 280.000.21

Das Fazit

Gewerkschaften und Betriebsräte schwenken in ihrer Denke mittlerweile wieder um. Ex-DGB-Chef Michael Sommer schreibt im Vorwort zur Fraunhofer-Studie: »Die negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung werden nicht so dramatisch sein wie befürchtet. Wir können das steuern.«

Im Unternehmen seien frühzeitig strategische Gegenmaßnahmen ergriffen worden, um die Beschäftigungseffekte infolge der Elektromobilität abzufedern, heißt es bei Volkswagen selbst, zum Beispiel durch das Erschließen neuer Kompetenzfelder wie der Batteriezellentwicklung und -fertigung.22 In Sachen Digitalisierung sei mittelfristig sogar mit einem Jobzuwachs zu rechnen.

Offen bleibt in der Studie allerdings, ob die Entwicklung in der Gesamtheit auch für die Zulieferindustrie gilt. Da hängt sicherlich viel von der Art der herzustellenden Komponenten ab: Bremsen und Schiebedächer werden weiter gefragt sein, Getriebezahnräder, Kupplungsscheiben und Abgassensoren dagegen weniger bis überhaupt nicht mehr. In diesen Bereichen werden Zulieferfirmen in absehbarer Zeit keine Zukunft mehr haben. Stark spezialisierte Unternehmen haben echte Probleme – viele werden nicht überleben. Allerdings entstehen rund um die Elektromobilität auch viele neue Firmen und Arbeitsplätze.

E-Autos sind viel zu teuer?

Wer schon ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hat, sich statt eines herkömmlichen Verbrenners ein neues E-Auto zu erwerben, wird vielleicht folgende Feststellung in den Prospekten gemacht haben: Die Varianten mit Elektroantrieb waren nicht die günstigsten, sondern eher die mit herkömmlicher Technik. Und wer sich nach dem Flaggschiff der E-Mobilität – einem Tesla – umgeschaut hat, wird den Traum möglicherweise gleich wieder verworfen haben, wenn er bei der Preisangabe ankam.

Der Vorwurf

Ja, es stimmt: E-Autos sind keine Schnäppchen. Im direkten Vergleich zwischen alter und neuer Technik – und zwar bei einigermaßen vergleichbaren Fahrzeugen – schneiden sie in der Regel teurer ab. Nur ein Beispiel: 2014 kostete der VW E-Golf mit 36.500 Euro etwa 15.000 Euro mehr als sein ähnlich ausgestatteter Benzin-Bruder – also fast die Hälfte mehr.

Die Fakten

Das Blatt hat sich dank Umweltprämien und Herstellerrabatten mittlerweile stark geändert. Kleinwagen wie den VW E-Up! bekam man 2020 dadurch zum Beispiel sogar günstiger als die nicht elektrische Variante.

Aber auch wenn der Anschaffungspreis höher ist als beim kolbengetriebenen Fahrzeug, kann sich die Wahl eines E-Autos im Laufe der Zeit mehr als amortisieren: durch günstigere Steuern, Wartungs- und Energiekosten. So entfallen zum Beispiel Ausgaben für Öl- und Kupplungsscheibenwechsel völlig, halten durch die Rekuperation auch Bremsscheiben und -belege viel länger. In Deutschland sind E-Auto-Besitzer für zehn Jahre von der KFZ-Steuer befreit. Obendrein – und das ist eine sehr wirkungsvolle Schraube bei den Gesamtkosten insbesondere für Vielfahrer – sind die Stromkosten umgerechnet auf die Fahrtstrecke in der Regel viel günstiger.

Das Fazit

Letztlich darf man also nicht nur den Kaufpreis berücksichtigen, sondern alle Ausgaben, die mit der individuellen Mobilität zusammenhängen. Wir sprechen dabei von den Vollkosten, also »Total Cost of Ownership«, wie man im Englischen sagt.

Der ADAC hat Mitte 2020 einen Vergleich der Vollkosten von verschiedenen elektrischen Modellen, Plug-in-Hybriden, Benzin- und Diesel-Autos mit vergleichbarer Motorleistung und ähnlicher Ausstattung aufgestellt. Grundlage aller Berechnungen war eine durchschnittliche Haltedauer von fünf Jahren, eine Jahresfahrleistung von 15.000 Kilometern und die damals gültige Umweltprämie. Das Fazit des Clubs: »Rechnet man alle Kosten eines Autos zusammen, vom Kaufpreis über sämtliche Betriebs- und Wartungsaufwände bis zum Wertverlust, schneiden Elektroautos immer häufiger besser ab als Verbrenner.«23

Auch die Zeitschrift Auto Motor und Sport hat das Anfang 2021 für 17 Paarungen vergleichbarer Fahrzeuge durchgerechnet. Dabei zeigte sich: In 15 Fällen waren die Stromer auf Dauer günstiger. Die Sparraten lagen zwischen 11 und 335 im Monat. Es gab allerdings einen entscheidenden Faktor: Das Auto muss die Möglichkeit haben, günstigen Hausstrom laden zu können. Immer nur teurer Strom an öffentlichen Ladesäulen – insbesondere an Schnellladesäulen – würde den Kostenvorteil auffressen.24

Hohe Umweltprämien braucht es bald aber vermutlich gar nicht mehr, weil die Herstellung der speziellen E-Komponenten mit größeren Mengen günstiger wird – insbesondere der Akkus. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Analysten von Bloomberg New Energy Finance. Demnach sollen PKW und Transporter mit Elektroantrieb ab 2027 in der Herstellung billiger als Verbrenner sein.25

Anmerkungen

  1. 1   Til Biermann: »Für unsere E-Autos muss Caleb (8) an einer Mine schuften«, 29.10.2019, bild.de, https://www.bild.de/bild-plus/news/ausland/news-ausland/kinderarbeit-im-kongo-fuer-unsere-e-autos-muss-caleb-8-schuften-65646914,view=conversionToLogin.bild.html
  2. 2   »Für deutsche E-Autos müssen Kinder im Kongo schuften«, Schweriner Volkszeitung, 30.10.2019, www.svz.de/26176257
  3. 3   Siyamend Al Barazi, Uwe Näher, Sebastian Vetter, Philip Schütte, Maren Liedtke, Matthias Baier, Gudrun Franken: »Kobalt aus der DR Kongo – Potenziale, Risiken und Bedeutung für den Kobaltmarkt«, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover 2017, www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Commodity_Top_News/Rohstoffwirtschaft/53_kobalt-aus-der-dr-kongo.pdf;jsessionid=22F806346401001F95D824D23D14475C.2_cid292?__blob=publicationFile&v=10
  4. 4   Amnesty International: »Smartphone-Hersteller profitieren von Kinderarbeit«, 18.1.2016, https://www.amnesty.de/2016/1/19/smartphone-hersteller-profitieren-von-kinderarbeit
  5. 5   Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR): »Rohstoff Kobalt«, Berlin (verm.) 2018, www.deutsche-rohstoffagentur.de/DERA/DE/Downloads/m-kobalt.pdf?__blob=publicationFile&v=4
  6. 6   Ebd.
  7. 7   Martin Jendrischik: »Ohne Kobalt: Zeitalter der kobaltfreien E-Auto-Batterien beginnt«, 20.5.2020, www.cleanthinking.de/ohne-kobalt-zeitalter-der-kobaltfreien-eauto-batterien-beginnt/
  8. 8   Pressemitteilung von Volkswagen: »Volkswagen Konzern tritt Industrieinitiative für verantwortungsbewussten Einkauf strategischer Mineralien bei«, 18.4.2019, www.volkswagen-newsroom.com/de/pressemitteilungen/volkswagen-konzern-tritt-industrieinitiative-fuer-verantwortungsbewussten-einkauf-strategischer-mineralien-bei-4876
  9. 9   Cora Werwitzke: »BMW verzichtet zukünftig auf Kobalt aus dem Kongo«, electrive.net, 27.3.2019, www.electrive.net/2019/03/27/bmw-verzichtet-zukuenftig-auf-kobalt-aus-dem-kongo/
  10. 10 Wikipedia.de: »Lithium«, de.wikipedia.org/wiki/Lithium
  11. 11 www.youtube.com/watch?v=N9wedHA_BNo&t=8s
  12. 12 www.youtube.com/watch?v=b0kN81HW8t8&t=8s
  13. 13 Dirk Steffens: ZDF-Doku »Terra X – Die Wahrheit über Lithium«, Sendung vom 16.2.2020, https://www.youtube.com/watch?v=bAgGpm-3uRI
  14. 14 USGS (United States Geological Survey), 2020: »Mineral Commodity Summaries 2020 – Lithium Data Sheet«. https://pubs.usgs.gov/periodicals/mcs2020/mcs2020-lithium.pdf
  15. 15 Philipp Lichterbeck: »Bolivien versucht die drastischen Umweltfolgen der neuen Mobilität zu lindern«, Der Tagesspiegel, online 21.05.2019, www.tagesspiegel.de/wirtschaft/raubbau-fuer-e-autos-bolivien-versucht-die-drastischen-umweltfolgen-der-neuen-mobilitaet-zu-lindern/24240056.html
  16. 16 Vgl. E-Auto-Journal: »Elektromotor vs. Verbrennungsmotor«, e-auto-journal.de/elektromotor-vs-verbrennungsmotor/?cn-reloaded=1, am 18.12.2020.
  17. 17 Ecomento: »IG Metall IG Metall: ›E-Mobilität kostet weit mehr als nur 150.000 Arbeitsplätze‹«, ecomento.de/2019/06/07/ig-metall-warnt-e-mobilitaet-kostet-weit-mehr-als-nur-150-000-arbeitsplaetze/, am 17.12.2020.
  18. 18 Vgl. Statista: »Diesel-Anteil fällt bei Neuzulassungen unter 30 Prozent«, 17.10.2018, de.statista.com/infografik/10534/anteil-von-benzin-und-diesel-an-pkw-neuzulassungen-in-deutschland/, am 17.12.2020.
  19. 19 Vgl. »Fraunhofer-Studie: Beschäftigung bei Volkswagen im Jahr 2030«, vom 15.12.2020, www.volkswagenag.com/de/news/stories/2020/12/fraunhofer-study—employment-at-volkswagen-in-2030.html, am 17.1.2021. Die Studie in Kurzfassung gibt es hier als PDF: www.volkswagenag.com/presence/stories/2020/12/frauenhofer-studie/6095_EMDI_VW_Kurzstudie_um.pdf, am 17.1.2021.
  20. 20 Vgl. Thomas Kruse: »Neue Studie über VW: E-Mobilität ist doch kein Jobkiller«, in Wolfsburger Nachrichten vom 17.12.2020.
  21. 21 Anke Mönnig, Nicole von dem Bach, Robert Helmrich u.a.: »MoveOn III: Folgen eines veränderten Mobilitätsverhaltens für Wirtschaft und Arbeitsmarkt«, Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn 2021, Preprint, https://lit.bibb.de/vufind/Record/DS-778966
  22. 22 Vgl. Fraunhofer-Studie, s.o.
  23. 23 Thomas Kroher: »Kostenvergleich Elektro, Benzin oder Diesel: Lohnt es sich umzusteigen?«, ADAC.de vom 27.7.2020, www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/auto-kaufen-verkaufen/autokosten/elektroauto-kostenvergleich, am 19.1.2021. Der ausführliche ADAC-Kostenvergleich »e-Fahrzeuge + Plug-In Hybride gegen Benziner und Diesel« findet sich hier als PDF-Datei: https://assets.adac.de/image/upload/v1594909696/ADAC-eV/KOR/Text/PDF/E-AutosVergleich_joxjsi.pdf
  24. 24 Markus Abrahamczyk: »Trotz Mega-Kaufprämie: Lohnt sich das Elektroauto wirklich?«, t-online.de, 30.1.2021, www.t-online.de/auto/elektromobilitaet/id_89372638/elektroauto-mega-praemien-lohnt-sich-der-kauf-wirklich-.html?fbclid=IwAR1gQzW3BLMtzG5qOq74W84gECTApDyeXRv0l3s_izLfFzG0x06Imf7zO2
  25. 25 Bernd Conrad: »Wann werden Elektroautos billiger als Verbrenner?«, 21.05.2021, Auto, Motor und Sport, www.auto-motor-und-sport.de/tech-zukunft/alternative-antriebe/elektroautos-produktionskosten-preis-vergleich-benziner-diesel/