Sechs Leben 22

Erde wagt nicht, mich zu verletzen.
Der Stachel des Todes verfehlt mich.
Ich atme Donner.
Hüte dich vor meinem Zorn.
Aus dem Lied der Bastet, 13.Strophe,
Akhotep, um 1580 v
.Chr.

Die Dachziegel unter ihren Füßen warfen Falten und einen Augenblick lang wusste Ben, wie es sich anfühlte, Kegel auf einer Kegelbahn zu sein. Bis er sich wieder so weit erholt hatte, dass er sicher sein konnte, noch nicht gestorben zu sein, lag er auf feuchten Ziegeln und seine Ohren klingelten von einem gewaltigen Knall. Einige Meter unterhalb der Stelle, an der sie gestanden hatten, klaffte ein Krater im Dach der Fabrik.

Yusuf rollte sich stöhnend auf den Rücken. Susie erhob sich mit wackeligen Knien. Ben kämpfte gegen den Schwindel an, schaute auf und sah den Kran, der die Abrissbirne schwang wie ein Riese seine Keule.

»Was soll das denn werden? Daniel!«

»Das ist nicht Daniel.« Ceciles Stimme war hoch und voller Angst.

Die Fenster der Kabine waren beschlagen und Regen lief daran herunter. Das Gesicht des Mannes zu erkennen, der jetzt am Steuerpult saß, war nicht einfach. Doch auch ohne die Fähigkeit, bei Nacht zu sehen, hätte Ben sich denken können, wer es war.

»Stanford!«

Weit unter sich sah er Olly und Daniel als kleine Gestalten in Panik von dem Kran weglaufen. Der Kranausleger ruckte hin und her wie der Hals eines geköpften Ungeheuers, wild und unkontrolliert, gelenkt allein von blinder Wut. Die Abrissbirne schwang für den nächsten Treffer herum.

»Er will uns umbringen!«, schrie Yusuf. »Alles runter auf den Boden!«

»Du willst mich zum Deppen machen?« Auch über dem Röhren des Motors und dem unsachgemäßen Einlegen der Gänge hörte Ben mit seinem katzenscharfen Gehör Stanfords wütendes Gebrüll. »Du hältst dich für ein Genie, für Einstein, für den Allmächtigen… Ohne mich wärst du doch gar nichts! Ich habe dich in der Hand und ich kann dich zerschmettern!«

»Er ist nicht hinter uns her.« Einen kurzen Moment freute Ben sich diebisch. »Sondern hinter Cobb. Die beiden sind echt sauer aufeinander.«

»Komm raus, du Wurm, du Feigling!«, brüllte Stanford, während er mit den beiden Steuerknüppeln des Krans kämpfte. »Komm raus und stell dich mit deinem lächerlichen Gewehr! Aber das findest du wohl nicht zum Lachen, wie?«

»Er will nur Cobbs Fabrik einreißen«, sagte Ben.

»Du meinst die Fabrik, auf der wir stehen?«, kreischte Yusuf.

Die Stahlkugel krachte in die Wand. Das Dach bebte und seine letzten Worte gingen im Lärm unter.

»Hier entlang!« Yusuf winkte sie zum Schornstein. »Wir können an den Regenrohren hinunterklettern.«

»Komm, Tiffany.« Ben fasste sie am Ellbogen.

»Warte!« Sie zögerte. »Die Tiere. Sie sind doch noch da drin.«

Oh nein, das hatte ihm gerade noch gefehlt.

»Wir kommen zurück«, versprach er. »Wir können sie später retten.«

»Ben!« Sie schlug seine Hand weg. »Er lässt keinen Stein auf dem anderen! Sie werden lebendig begraben!«

Sie hatte Recht. Wieder mal.

»Ben?«, brüllte Yusuf.

»Ich komme nach!« Ben winkte ihn weiter. »Nehmt Tiffany mit! Holt Hilfe!«

»Ich lasse die Katzen nicht im Stich«, sagte Tiffany. »Ich gehe wieder rein.«

Wie bitte? Zu Bens maßlosem Entsetzen rannte sie zurück zu dem Loch im Dach.

»Tiffany!«

Die Abrissbirne spaltete die Luft zwischen ihnen, zwang ihn, einen Satz nach rückwärts zu machen und sich zusammenzurollen, um sich vor herumfliegenden Ziegeln zu schützen. Als er wieder aufschaute, war sie nicht mehr da. Hatte sie jetzt vollends den Verstand verloren? Noch ein paar solcher Schläge, und das ganze heruntergekommene Gebäude würde einstürzen. Und sie unter sich begraben. Von all den bescheuerten, undankbaren, hirnverbrannten, heldenhaften

»Geht!«, rief er den anderen drei zu. »Ihr könnt im Moment nicht helfen.«

Ben richtete sich auf und schüttelte den Regen ab. Falls eine Antwort kam, hörte er sie nicht. Seine Welt war zusammengeschrumpft auf den heulenden Wind und die riesige Stahlkugel. Sie schaukelte an ihrem Seil hin und her, sammelte sich, täuschte an wie ein Boxer. Wie als Antwort tauchte in seinem Kopf ein Katzenauge auf, in dem sechs unterschiedliche Farben glühten. Die Kugel verschwand in der Nacht, ein gewaltiger Geist mit einem massiven Körper. Ben wich zur Seite hin aus, lief in ihrem Sog das Dach hinauf und sprang.

Sie hatte es versprochen. Alles andere spielte keine Rolle mehr. Sie war mit MrsPowell hierhergekommen, um die Raubkatzen zu retten, und sie würde das Gebäude nicht ohne die Katzen verlassen. Wobei sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie ein Rudel Tiger, Leoparden, Löwinnen und Pumas in Sicherheit bringen sollte. War Rudel überhaupt der richtige Ausdruck? Oder nannte man es Herde? Oder Meute? Sie wusste ja nicht einmal richtig, wie sie sie nennen sollte, davon, wie mit ihnen umzugehen war, ganz zu schweigen. Aber sie konnte nicht zulassen, dass alles umsonst war. Um MrsPowells willen musste sie es versuchen.

Inzwischen kannte sie sich in der Fabrik besser aus als auf den Fluren ihrer Schule. Sie suchte sich ihren Weg von Steg zu Treppe zu Galerie, wobei sie sich von ihrem Geruchssinn genauso leiten ließ wie von ihrer Erinnerung. Die Wachmänner in ihren grünen Uniformen bemerkten sie gar nicht. Verzweifelt suchten sie nach einem Ausgang, der nicht verschlossenen und verriegelt war. Ein Wachmann lief kaum einen Meter entfernt an Tiffany vorbei, ohne sie zu sehen.

Das Donnern der Abrissbirne hatte aufgehört. Das war eine kleine Erleichterung. Tiffany schlich das letzte Treppenstück hinunter in die Halle mit den Käfigen. Sie war in einem Albtraum, der sich ständig wiederholte. Ben hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, um sie hier rauszuholen, und jetzt war sie wieder da. Vielleicht hatte sie während ihrer Gefangenschaft tatsächlich den Verstand verloren. Nein. Sie war zurückgegangen, weil sie ein Versprechen abgegeben hatte. An diesen Gedanken klammerte sie sich.

Gänsehaut auf ihren Armen und dem Nacken sagte ihr, dass sie beobachtet wurde. Sie drehte sich halb um und schaute in das mahagonifarbene Gesicht eines Tigers. Es war Shiva, Cobbs erste, älteste, gefährlichste Errungenschaft. Sie kauerte in ihrem Käfig und in dem Plastikröhrchen, das aus ihrer Flanke kam, pulsierte es schwach. Sie schaute Tiffany an. Das Feuer in diesen Augen hätte einen ganzen Wald in Brand stecken können. Und dabei (dachte Tiffany benommen) hatte Shiva nie einen Wald gesehen.

Ein Bernsteinblinzeln. Der Bann war gebrochen.

»Halt noch eine Weile aus«, flüsterte sie. »Ich bring dich von hier weg.«

»Mach dir da mal keine allzu großen Hoffnungen, mein Kätzchen.«

Ein Arm legte sich wie eine Schlinge um ihren Hals. Ein kalter, verkümmerter Arm. Sie kämpfte, als würde sie in einem Sack ertränkt. Kaltes Metall drückte gegen ihre Schläfe.

»Wehr dich doch, warum kämpfst du nicht weiter?« Cobb verstärkte den Druck mit der Pistole. »Aus einer so geringen Entfernung hab ich noch nie jemanden erschossen. Das wäre eine interessante Erfahrung.«

Panik raubte ihr die Kräfte. Cobbs Griff nahm ihr den Atem. Das sollte ein verkümmerter Arm sein?

»Du glaubst, dass du es mit mir aufnehmen kannst?«, zischte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Panthacea ist vielleicht noch nicht ausgereift, aber in den letzten fünf Jahren habe ich jeden Tag ein Glas Katzengalle getrunken. Ich bin so stark, dass ich dich in der Mitte durchbrechen kann.«

Tiffany wand sich und spuckte ihm, ohne zu überlegen, aus purer Abscheu mitten ins Gesicht. Cobb wich mit einem angewiderten Aufschrei zurück und stieß sie von sich. Sie krachte gegen den Käfig eines Leoparden und fiel auf die Knie.

»Du– widerliche– Bestie!«, brüllte er. Er hob die Pistole und drückte ab.

Der Plan hatte so einfach ausgesehen, in dem Bruchteil der Sekunde, die Ben zum Aushecken gebraucht hatte. Häng dich an die Abrissbirne, klettere am Kabel hinauf, rutsche den steilen Stahlnacken des Krans hinunter und fahre wie ein Blitz auf John Stanford nieder. Aber es war nicht immer gut, Reflexe zu haben, die schneller arbeiteten als der gesunde Menschenverstand. Mit Katzenkrallen, stellte er fest, konnte man kein Drahtseil hinaufklettern. Ben musste sich wie im Sportunterricht an der Kletterstange wieder auf die altbewährte Technik verlegen. Das nasse Stahlseil brachte seine verbrannte rechte Hand zum Glühen und zappelte hin und her, als wäre es lebendig.

Die Baustelle wogte unter ihm, eine stürmische See. Das Seil spannte sich hinauf in die Nacht, wo es sich in drei Stränge teilte. Er war gerade mal einen Meter weit hinaufgeklettert. Es kostete ihn seine gesamte Willenskraft, sich einfach nur festzuhalten. Dann war es wie in einem seiner Albträume: Er schaute durch die verregnete Leere hinunter in das triumphierende Gesicht von John Stanford. Stanfords Gesicht glühte vor schierem, teuflischem Hass. War Cobb sein Hauptziel, dann kam hier der unerwartete Bonus. Er kannte Ben, er wusste, was Ben ihn gekostet hatte, und jetzt hatte er sein Opfer genau da, wo er es haben wollte: zuckend an einem Seil, ohne Hoffnung auf Entkommen. Es wartete nur darauf, wie ein Insekt zerquetscht zu werden. Aber war das wirklich so überraschend? War es nicht immer so gewesen, von Anfang an?

Ben klammerte sich mit schmerzenden Händen fest. Er konnte keinen Zentimeter mehr weiterklettern. Der Kranausleger schwang herum, die Abrissbirne folgte lässig und krachte in die Fabrikmauer. Die Wucht des Aufpralls hätte ihn fast abgeschüttelt. Er rutschte am Kabel hinunter, suchte irgendwo Halt, egal wo– und fand ihn an der Abrissbirne, mit der er über die Baustelle zurückschwang.

Sie ruckte und zuckte plötzlich heftig und fast wäre er abgerutscht. Als er hinunterschaute (ein großer Fehler), sah er Stanford wie einen Besessenen an den Hebeln herumfuhrwerken. Die Abrissbirne sauste in einem großen Bogen durch die Luft. Ben folgte seinem Instinkt und sah sich um. Am anderen Ende des Bogens, dort, wo die Birne bald ihren rasanten Flug beenden würde, war die massive westliche Wand der Fabrik.

Lass los!, flehte eine innere Stimme ihn an. Lass los. Lass dich fallen. Es ist deine einzige Chance.

Er konnte es nicht. So wenig Kraft er auch hatte, er war körperlich nicht in der Lage loszulassen. Er konnte nicht oder traute sich nicht. Worin lag der Unterschied? Ob er an eine Ziegelsteinwand geschmettert wurde oder fünfzehn Meter tiefer auf dem Asphalt aufschlug– tot war er in jedem Fall.

Nein, nein, wimmerte die Stimme. Die Abrissbirne hatte an der höchsten Stelle kurz innegehalten und begann jetzt den Abschwung. Lass los und du überlebst. Du wirst auf die Füße fallen. Katzen fallen immer auf die Füße.

Aber er war keine Katze. Er war Ben und er wusste, dass man manchmal, wenn man fiel, einfach immer weiterfiel. Es gab hier keinen praktischen See oder Badeteich, der ihn hätte retten können– unter ihm waren nur der stählerne Panzer des Krans und der noch härtere Boden.

»Tiffany«, flüsterte er, »hoffentlich hast du Recht.«

Er ließ los.

Cobb hob die Pistole erneut und zielte ein zweites Mal.

»Ich bin beeindruckt«, höhnte er. »Bist du bereit, noch mal fünf Kugeln auszuweichen?«

Der nächste Schuss ging los. Tiffany war bereits in der Luft, katapultierte sich über den Leopardenkäfig hinweg. Sie kam mit geschlossenen Beinen auf, rollte sich vor dem dritten Knall ab und hörte das Kreischen, als die Kugel die Gitterstäbe streifte. Sie hatte noch nicht geatmet.

Ein gewaltiges Krachen ließ Cobb herumfahren. Der Kran hatte einen Streifen der westlichen Wand eingerissen und jetzt strömte die Nacht herein. Tiffany ergriff ihre Chance und rannte, duckte sich hinter einen angstvoll schnaubenden Puma. Cobb sprang auf einen anderen Käfig und schoss von oben auf sie herab. Zementstaub stieg dicht neben ihrer Hand auf und hinterließ einen weißen Strich.

Wohin? Sie war benommen, vollkommen ausgelaugt. Sie schleppte sich außer Sichtweite, als ein weiterer Schuss ihr fast die Trommelfelle zerriss. Und noch einer. Sie kroch weiter. Genug, genug. Leoparden drehten den Kopf, um ihr nachzusehen, gebückt und trotz der Schüsse gespenstisch still. Schluchzend holte sie Luft und sackte gegen einen Pfeiler. Cobb kam, die Pistole auf sie gerichtet, heran. Es war vorbei. Der nächsten Kugel würde sie nicht ausweichen können.

Aber Moment mal

Sie stand auf.

»Sie haben alle sechs verschossen«, flüsterte sie.

Cobb blieb stehen. Dann lächelte er. »Sorry. Ich habe gelogen. Ich hatte noch acht Schuss im Magazin.«

Das schwarze Loch des Laufs schien sie zu durchbohren. Sie hatte keine Kraft mehr, sich zu rühren. Sie schloss die Augen, um Cobbs unerträgliches Grinsen nicht sehen zu müssen, und wartete darauf, getötet zu werden. Die Backsteine vereisten ihre Schultern. Dann hörte sie seltsame Geräusche. Knarren. Ein Grollen. Aus reiner Neugier öffnete sie langsam die Augen. Cobb schaute sie nicht mehr an. Er blickte sich in grenzenlosem Entsetzen in der Halle um.

An sämtlichen Käfigen standen die Türen weit offen.

Die Abrissbirne schlug knirschend in die Westwand der Fabrik und brachte ein Stück Mauer zum Einsturz wie eine Welle, die eine Sandburg streift. Ben nahm es benommen zur Kenntnis, fast so, als sehe er sich einen Film im Fernsehen an, während sein Kopf sich automatisch umwand, sein Rumpf sich herumwarf und die Beine folgten, sein fallender Körper sich um seine Achse drehte und dann erstarrte, präzise wie eine Wärme suchende Rakete, genau parallel zur Erde, die ihm entgegenflog.

Aber er kam nicht auf dem Boden auf. In der Millisekunde vor dem Aufprall begriff er, dass er direkt auf dem Dach der Krankabine landen würde.

Bens Hände und Füße fingen die Wucht des Falls ab, alle vier gleichzeitig. Der Schock fuhr ihm durch die Knochen und sammelte sich im Rückgrat, das im selben Moment zu schmelzen und zu flüssigem Gummi zu werden schien. Alles in allem war es nicht schlimmer, als wenn man im Dunkeln ein oder zwei Treppenstufen verfehlt.

Doch die Windschutzscheibe der Kabine zersprang, das Glas fiel nach innen wie feine Eissplitter, die in John Stanfords Schoß landeten. Dann starrte Ben in die Kabine hinein und Stanford starrte hinaus. Ihre Blicke trafen sich.

Mit einem angstvollen Aufheulen kletterte Stanford aus dem Führerhäuschen. Er sprang auf die Metallleiter und rutschte ab. Ben vermutete ganz richtig, dass Stanford, da er keine Katze war, nicht auf den Füßen landen würde. Einen Augenblick später wand sich der Geschäftsmann im Dreck, sein Anzug glitzerte vor Scherben und er presste beide Hände auf die gebrochene Hüfte. Ben stand über ihn gebeugt, atmete schwer, dann immer gleichmäßiger, spürte, wie der Regen seinen Kopf kühlte und in schwarzen Tropfen und Schlieren die Katzenschminke von seinem Gesicht wusch. Aus der Nacht kam das Heulen von Sirenen.

Die Käfige waren offen. Luchse schlichen aus ihren eisernen Särgen. Vorsichtige Pumas tappten heraus. Ein Jaguar zwängte seinen Körper durch die zu kleine Öffnung seines Gefängnisses wie eine geschmeidige Skulptur aus lebendigem Granit. Cobb wirbelte herum, wirbelte noch einmal herum, zielte mit seiner Pistole überall und nirgendwo hin. In allen vier Himmelsrichtungen sah er Raubkatzen sitzen, die sich streckten oder sich kratzten, und immer mehr kamen auf schweren Samtpfoten herangeschlichen.

Tiffany bekam den Mund nicht mehr zu; sie war zu überrascht, um Angst zu haben. Wie waren sie herausgekommen? Immer noch steckten Röhrchen in ihren Seiten. Aber ohne die Schläuche. Konnten die Katzen sich diese selbst herausgerissen haben? Mit den Zähnen? Nein, jemand musste sie freigelassen haben. Mit einem Schlüssel. Jemand

»Fort mit euch! Lasst mich in Ruhe!« Cobb gab einen Schuss auf eine Löwin ab und verfehlte sie. Sein Blick traf den von Tiffany. »Ruf sie zurück!«, flehte er. »Mach, dass sie verschwinden! Sag es ihnen, sag es ihnen!«

Ein Brüllen ging durch die Halle. Zwischen den Käfigreihen glitt etwas Feuriges und Schwarzes in der Größe eines kleinen Pferdes hervor. Der Tiger. Shiva. Ein Schlagen mit dem Schwanz und er veränderte seine Richtung um neunzig Grad. Er hatte Philip Cobb im Visier.

»Zurück!«, kreischte Cobb. Er drückte ab. Seine zitternde Hand schickte die Kugel irgendwo in den Raum. Die Trommel klickte und klickte. Alle acht Schuss waren abgefeuert. Er drehte sich um und wollte fliehen und stand vor einer Mauer aus gefletschten Zähnen. Kein Durchkommen. Er lief in die andere Richtung zurück. Shiva kam auf ihn zu. Cobb schrie.

»Hilfe!«

Tiffany rannte durch die Halle. Ihr Herz hämmerte, aber nicht mehr aus Angst, sondern vor Freude, einer unbändigen, geheimnisvollen Freude. Das schnüffelnde Meer aus Raubkatzen teilte sich, um sie durchzulassen, wie auf ein nicht wahrnehmbares Signal hin. Vor sich sah sie durch das Loch in der Mauer blaue Lichtblitze, die den Schutt einfärbten. Und weit hinter ihr stiegen Cobbs entsetzliche Schreie zu dem gewölbten Fabrikdach auf, um dann abrupt zu verstummen.