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Das Autoradio brachte südamerikanische Folkloresongs, Mariachi Trompeter quäkten und jaulten, was das Blech und die Inbrunst ihrer Bläser hergaben.

Bount Reiniger wechselte hastig den Sender. Mexikanische Musik lag ihm nicht sonderlich, und wenn überhaupt, dann nur auf dem Magen.

Aber der Privatdetektiv aus New York blieb trotzdem guter Laune. Der dicke Scheck, den er gestern mit der Post erhalten hatte, war nicht unmaßgeblich daran beteiligt. Und das beiliegende Flugticket hatte er von June March in Bargeld zurücktauschen lassen. Sein champagnerfarbener Mercedes 500 SL kam viel zu selten an die frische Luft. Bount fuhr obendrein mit offenem Verdeck, denn für ihn galt dasselbe. Einmal raus aus New York, welche Wohltat.

Früh am Morgen war er losgefahren, hatte sich auf einer kurzen Strecke davon überzeugt, dass seine Luxuskiste tatsächlich spielend ihre 250 km/h, also rund 155 Meilen schaffte, wobei ihm zugute kam, dass sein Funkgerät auch den Empfang der örtlichen Polizeikonversationen gestattete. Keiner der Smockeys, wie die beamteten Bußgeldgangster in den Staaten heißen, erwischte ihn.

Er erreichte Pittsburgh bereits in den Mittagsstunden. Fliegen ging auch nicht viel schneller.

Von da ab allerdings fühlte er sich wieder heftig an New York erinnert. Nicht was die Skyline anbetraf, denn die war ohne jeden Reiz, doch in puncto Smog konnte die Stahl- und Hüttenstadt am verdreckten Ohio River mit der Megapolis am Hudson locker konkurrieren, lief ihr sogar noch den Rang ab.

Wer hier noch zu Fuß ging, sah jeden Tag tapfer dem Lungenkrebs ins Auge, ohne jemals in seinem ganzen Leben auch nur eine einzige Zigarette von weitem gesehen zu haben.

Bount zündete sich gleich eine an. Pittsburgh war keine schöne Stadt.

Doch wunderschön war zweifellos der Scheck gewesen. Eine Eins mit vier Nullen hintendran löste bei Reiniger einen ähnlichen Kick aus wie der Anblick einer wunderschönen Frau.

Unerklärlich blieb ihm für den Moment nur, wofür sich die Design Incorporated so generös erwies. Im Begleitschreiben hatte es lediglich geheißen, dass dringend um ein Gespräch nachgesucht würde.

Der Absender musste ein kluger Mann sein, denn er kannte jenes Sprichwort nicht nur - er praktizierte es auch:

Mit Speck fängt man Mäuse.

Bount fühlte sich jetzt schon halb überredet, den Auftrag anzunehmen, wie immer er auch ausfallen mochte. Vorausgesetzt natürlich, es wurden keine ungesetzlichen Handlungen von ihm verlangt.

Doch derlei Anerbieten fielen sowieso flach. Bount Reiniger war hinreichend bekannt dafür, dass er niemals für ein krummes Ding zu haben war. Zwar war sein Ruf vielleicht noch nicht Legende, aber immerhin ...

Er fuhr über die Watson Bridge auf die Watson Avenue. Zur mehr oder weniger halbherzigen Prophylaxe gegen die Tierchen mit den Scheren hatte er das Verdeck bereits am Stadtrand wieder heruntergeklappt. Ein kluger Elektromotor besorgte das. Die Sonne hing als kanariengelbe Frisby-Scheibe am schwefelgelben Himmel und hob sich kaum davon ab. Der Parkplatz neben dem schmucklosen Betonkasten wies auch eine Besucherecke auf, und in die rangierte Reiniger seinen Wagen hinein.

Bount reiste mit leichtem Gepäck. Weil er nicht wusste, was die Zukunft nun wirklich brachte, hatte er das Allernotwendigste bei sich.

Vor allem seine 38er Smith & Wesson Automatik. Niemand bezahlte einem zehntausend Dollar und ein Flugticket, damit man ihm die Nase putzte.

Da musste schon etwas mehr im Busch sein.

Bount war gespannt darauf.

Selbstverständlich hatte er vor seiner Abfahrt ein paar Erkundigungen eingezogen, respektive durch June March, das blonde Minnesota-Girl, einziehen lassen.

Die Design Incorporated pflegte weltweite Verbindungen. Bei dieser Firma wurden nach den jeweils eingereichten Entwürfen die Bilder und Papillären auf Banknoten ins Reine graviert und die Druckstöcke auf galvanischem Wege hergestellt. Landesbanken rund um den Globus zählten zu ihren Kunden. Die Design Incorporated nährte sich redlich an der horrenden Inflation in vielen Entwicklungsländern. Papier war eben geduldig, neue Bilderchen kamen ständig neu auf den Geldmarkt.

Normalerweise hätte die Firma ihren Sitz auch in Schloss Versailles nehmen können, doch in diesem Gewerbe legte man offenbar Wert auf höchstes Understatement und natürlich auch auf Diskretion.

Von außen jedenfalls war dem Betonkasten nicht anzusehen, dass in seinem Inneren die Duplikate der Druckstöcke für die gesamte Palette aller Banknoten von rund fünfzig Ländern lagerten.

Bount zeigte sich denn auch gebührend beeindruckt, doch das sah man ihm nicht an, als er die Empfangshalle betrat, die hier mehr einem größeren Wohnzimmer ähnelte. Als Haupteinrichtung hatte die Geschäftsleitung fünf finster dreinblickende, bis an die Zähne bewaffnete Wachtposten gewählt, die Bount Reiniger allesamt finster betrachteten und die wohl keine Minute am Tag die Hände mehr als fünf Zentimeter von den Griffen ihrer schweren Paterson Colts wegnahmen. Wahrscheinlich schliefen sie sogar noch mit zu Klauen geformten Fingern.

Einen Portier gab es allem Anschein nach nicht. Nur einen schwarzen Telefonapparat aus nostalgischem Bakelit an der Wand neben den zwei Lifts.

Hi«, grüßte Bount. Munter klang das nicht. Wie kam es nur, dass plötzlich die Automatik in seinem Schulterholster zu brennen schien? Soll ich die Hände gleich zur Decke strecken, oder erst ein bisschen später?«

Sie hatten keinen Humor, die Burschen. Sie sahen ihn mit etwa derselben Liebe an, die ein Pathologe seinem jeweiligen Obduktionsgegenstand entgegenbringt. Ein Senior Rambo mit Schultern wie ein überdimensionierter Amboss löste sich aus der Gruppe.

»Was wollen Sie hier?«

Seine Stimme war heiser. Sie erinnerte Bount an das Schwanzrasseln einer monströsen Klapperschlange. Die Stimme passte zu diesem Mann.

»Rufen Sie doch bitte Mister Kriffith an. Der wird es Ihnen bestimmt sagen.«

Mit dem Namen Kriffith waren der Scheck und der Begleitbrief mit den äußerst mageren Informationen unterzeichnet gewesen.

Die Augen des Postens verengten sich noch mehr. Nun glichen sie Schießscharten mit einer in Betrieb stehenden Laserkanone dahinter.

»Sie sind Mister Reiniger aus New York?«

Offensichtlich war er avisiert worden. Die bulligen Zivil-Schwarzeneggers rätselten anscheinend nur noch darüber, welche böse Untergrundorganisation ihnen hier einen Doppelgänger unterjubeln wollte.

»Ja. Bount Reiniger aus New York.«

»Sie sind zu spät.«

»Ich bin mit dem Wagen gefahren.«

»Bleiben Sie, wo Sie sind!«

In Fort Knox waren die Dobermänner vermutlich auch nicht schärfer. Ein anderer der Männer telefonierte, linste Bount immer wieder dabei an und nickte schließlich, ohne das Misstrauen ganz aus seinem Blick zu verlieren.

»Er ist der Mann«, sagte er. »Wir sollen ihn durchlassen. - Ohne vorherige Leibesvisitation!«

Es hörte sich wie ein Vorwurf an. Jetzt erst bemerkte Bount das Fernsehauge, dessen Zoom-Optik nun wieder zurückfuhr. Es war im Kronleuchter versteckt, dem einzigen Gegenstand im Raum, der an Luxus erinnern wollte und es schließlich doch nicht ganz schaffte. Er stammte aus dem Versandhaus und dort auch noch aus dem Billigpreissortiment.

Bount fuhr dann nach oben in den vierten Stock, wo ihn die nächste Überraschung erwartete.