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Sie aßen in einem piekfeinen Restaurant gleich in der nächsten Straße. Bount fiel ein blinder Bettler auf, der so überhaupt nicht in diese Gegend passen wollte. Es gab Hecht. Natürlich nicht aus dem Ohio, denn dieser Fluss war schon dieselbe Kloake wie der East River. Die Fischweibchen laichten Kadmium und Blei.

Reiniger und Kriffith brachten ihr Gespräch bei einem australischen Wein zu Ende.

»Wilson Packer also heißt Ihr tatsächliches Problem«, resümierte Bount. »Er ist vor zwei Wochen spurlos verschwunden.«

»Als hätte er sich in Luft aufgelöst«, bestätigte Lyndon B. Kriffith trübe. »Ein wahrer Künstler in seinem Fach als Graveur. Und ein mustergültiger Mitarbeiter. Bis er mit diesem Weibsstück mal in einem Nightclub gesehen wurde.« Dieses Wort hörte sich komisch an aus dem Mund dieses überaus distinguierten Herrn. Vielleicht war er auch nur neidisch. »Eine Mittel- oder Südamerikanerin allem Anschein nach. Und schon kurz darauf kam er nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurück.«

»Wurde Vermisstenanzeige erstattet?«

Kriffith hob erstaunt die Brauen, die sorgfältig gezupften und rasierten.

»Wo denken Sie hin. Mister Reiniger! Wir leben von dem Vertrauen, das wir in aller Welt genießen. Ein vermisster Top-Mann passte da schlecht ins Bild. Packer könnte Ihnen jede Banknote malen. Und jede Wette, dass Sie schon auf dreißig Zentimeter sein Produkt nicht mehr vom Original unterscheiden würden.«

»Bravo«, sagte Bount ergriffen. »Packer hat wohl keine näheren Verwandten.«

»Laut Personalbogen wurde er bereits mit acht Jahren Vollwaise. Keine Geschwister. Keinen Onkel, keine Tante. Er wuchs in einem Heim auf, wo man zum Glück frühzeitig sein Talent entdeckte und es förderte. Er ist der perfekte Kopist und, wie schon gesagt, ein Graveur, wie Sie ihn selbst bei uns in den Staaten mit der Lupe suchen müssen.«

»Und nun bringen Sie sein Verschwinden mit jenem Einbruchsversuch in Zusammenhang?«

Kriffith seufzte.

»Muss ich das denn nicht? Ich werde doch ständig mit der Nase auf Süd- oder Mittelamerika gestoßen! Und dann kommt auch noch dieses gottverdammte rassige Weibsstück und ...«

»Haben Sie ein Foto von Packer?«, unterbrach Bount.

Kriffith griff in die Innentasche seines tadellosen Zweireihers und schob ein Bild über den inzwischen abgeräumten Tisch.

»Da, sehen Sie selbst«, meinte er dazu. »Packer ist gewiss nicht der Mann, der eine Frau vom Sockel reißt. Nicht einmal die hässlichen. Das Foto wurde auf unserem letzten Betriebsfest aufgenommen.«

Bount musste dem Mann recht geben. Bei der Wahl zum Mister USA hätte Packer ungefähr den zweimillionsten Platz belegt. Ein männliches Mauerblümchen der absoluten Spitzenklasse.

Wilson Packer war zweiundvierzig Jahre alt, nur 1,65 groß, hager bis klapperdürr, schief die Nase mit deutlich verschieden großen Löchern, aus denen dunkle Haarbüschel wuchsen.

Die fehlten ihm auf dem eiförmigen Kopf. Der breitere Teil des Ovals befand sich oben. Spitz war das Kinn. Sein Scheitel reichte bis last zu den Ohren, wo er in schütteren, seidigen Flaum überging, um dann als nordwärts coupierte Künstlermähne knapp über den knochigen Schultern zu enden.

Beeindruckend nur seine unverhältnismäßig großen Augen. Wie die einer Eule. Doch sie blickten schärfer als die eines Adlers. Der Mann war insgesamt gar nicht mal unsympathisch. Nur schrecklich unattraktiv.

»Kann ich das Bild behalten?«

»Natürlich. Was werden Sie jetzt unternehmen?«

Bount zuckte die Achseln.

»Packer suchen. Was sonst.«

»Und wie wollen Sie das machen?«

»Cherchez la femme.«

Kriffith nickte verstehend.

»Suche die Frau, und du hast den Mann.«

»Wie hieß dieser Nightclub? Wissen Sie das zufällig?«

»Cross of South.«

»Wie passend«, kommentierte Bount. »Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz des Südens.«

Sie einigten sich dann noch über die Zahlungsmodalitäten. Reiniger durfte über ein fast unbegrenztes Spesenkonto verfügen, der Tagessatz wurde auf 500 Dollar festgesetzt, und am Schluss winkte noch eine fette Prämie, falls es ihm gelingen sollte, Wilson Packer unbeschadet zurück in den Schoß der Firma zu lotsen oder ihn andererseits daran zu hindern, als Falschmünzer eine neue Karriere zu starten.

Denn eines war beiden Männern klar: Hier träumte jemand verbotene Blütenträume ...