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»Na los!«, befahl Dolores Narranta. »Unsere Flitterwochen sind vorbei. Der Alltag beginnt, muchacho. Du hast dir doch nicht eingebildet, es würde ewig so weitergehen mit uns?«

Wilson Packer lag auf seinem Bett. Die Frau musste ihm nach dem Handkantenschlag auch noch eine Spritze verpasst haben. Er fühlte sich wie gerädert. Am Herzen spürte er ein Vorhofflimmern. Es war, als krabbelten Ameisen in seiner Brust.

Mühsam richtete er sich auf. Er sah die Frau doppelt. Draußen schien grell die Sonne, und in den Palmwedeln raschelte die stete Brise vom Meer her. Es hätte so ein schöner Tag sein können.

Die Narranta war nicht mehr allein. Neben ihr stand ein fülliger Señor in den späten Vierzigern mit einer weißen Schärpe um den feisten Bauch und in einem roten Hemd mit engen dunkelblauen Hosen. Das Hemd war aufgeknöpft. Eingebettet in einen dichten Teppich pechschwarzer Körperhaare glänzte ein goldenes Medaillon von der Größe eines Silberdollars.

»Und das soll deine Geheimwaffe sein?«, fragte er mit einem schrägen Seitenblick auf die Frau hin. Sein Bass polterte wie ein Gewitter. Und weil Mexikaner ohne Bart nicht auszukommen schienen, trug auch er einen. Einen Backenbart sogar zum buschigen Schnauzer. In beiden schimmerten bereits die ersten grauen Fäden.

»Ich weiß«, gab Dolores Narranta zu. »Er sieht nach nichts aus. Doch nach Miguels Fehlschlag wollte ich nichts mehr dem Zufall überlassen. Dieser Gringo, der wie bescheuert da herumliegt, hat es in sich. In seiner Berufssparte gibt es kaum einen Besseren.«

»Weiß er schon von seinem Glück?«

»Er ahnt es«, sagte sie. »Auch wenn wir uns bisher noch nicht ausführlich darüber unterhalten haben.«

»Und?«

Sie zuckte die Schultern.

Er drehte plötzlich durch. Frag mich nicht, warum. Vielleicht, weil er ein Spießer ist. Bis ins Mark. Ein Jammerlappen. Und sogar im Bett ’ne Niete.«

Packer wollte sich die Ohren zuhalten. Er hielt das nicht mehr aus! Doch der Ellbogen rutschte ihm weg, als er sich aufrappeln wollte, und er fiel halb aus dem Bett. Die Droge wirkte immer noch nach.

»Du hast ihm zu viel von dem Zeug gegeben«, meinte Pele Mirador. »Du musst vorsichtiger sein. Schließlich brauchen wir ihn.«

»Ach was. Er wird schon wieder. Er wird uns Druckstöcke liefern, die der Chef der Staatsbank nicht mehr von den Originalen unterscheiden kann.«

»Bueno. Vertraue ich dir eben. Unsere ersten Blüten waren Makulatur. Kaum an einen Blinden zu verhökern. Ich bin nach wie vor skeptisch. Wir hätten bei unseren Münzen bleiben sollen.«

»Kleingeld.« Dolores Narranta spuckte das Wort förmlich aus. »Automaten damit leeren. Was ist das schon?«

»Wir haben bisher nicht schlecht davon gelebt.«

»Aber da hatten wir auch noch nicht die Verbindungen, die wir jetzt haben. Wir drucken und wir liefern in die Estados Unidos. Die Leute dort zahlen für jeden Tausend-Peso-Schein zehn Dollar.«

»Und verhökern ihn für zwanzig nach Kolumbien weiter. Ist schon klar. Und das Medellin-Kartell schließlich benützt sie in ganz Südamerika wie echtes Geld. Von allen Währungen in Spanisch-Amerika ist unser Peso nach wie vor die stabilste.«

»Eben. Ist doch ein glattes Geschäft. Ohne jedes Risiko für uns. Nur gut muss unsere Ware sein. Sehr gut.«

Pele Mirador nickte.

»Na ja. Ein Versuch kann nicht schaden. Und wir haben schon eine Menge investiert. - Was macht eigentlich Zapata?«

»Er ist immer noch oben.«

»Wozu?«

»Um uns den Rücken freizuhalten. Ich möchte wissen, was dort los ist, was sie unternehmen. Ich musste mich in Pittsburgh ziemlich exponieren.«

»Du fällst überall auf, liebe Nichte.«

»Leider. Miguels Pech, dass ihm ein Wachtposten dazwischenkam, hat das FBI auf den Plan gerufen. Währungsdelikte aller Art fallen in sein Resort. Und dass ich diesen Geliebten ...« - Dolores Narranta spuckte aus - »... diesen Geliebten unter meine Fittiche nahm, wird ihnen auch nicht gefallen. Sie sind nicht blöd. Außerdem hat es sich schon bewährt, dass Miguel am Ball blieb.«

Der elegante Mirador hob die Brauen, runzelte die Stirn.

Sie kicherte.

»Kriffith hat einen Privatschnüffler aus New York engagiert. Bount Reiniger heißt er. Drüben ziemlich bekannt. Auch bei unseren Freunden. Doch dass ich ihm in einer schwachen Stunde den Namen seines besten Untertanen abluchste, wird er Reiniger mit Sicherheit nicht erzählt haben ...«

«Kaum. Und was ist jetzt mit diesem Reiniger? Ein Mann, der uns gefährlich werden könnte?«

»Inzwischen nicht mehr. Ich hab unseren Schlächter auf ihn angesetzt.«

»Zapata hat ihn erledigt?«

»Er hat noch jeden erledigt.«

»Ich meine, hat er schon bestätigt?«

Die Narranta verzog das Gesicht.

»Er hatte keine Gelegenheit dazu. Seit gestern Abend streikt schon wieder mal das gottverdammte Telefon. Es ist eine Schande in diesem Land. Chaos und Unvermögen, wohin du schaust.«

»Sei nicht ungerecht, meine Liebe. Von diesem Chaos leben wir letzten Endes. Sehr gut sogar. - Dann ist also diese Geschichte auch erledigt.«

»Ja.«

»Und das FBI?«

»Was sollen die schon mit uns? Sie dürfen nur bei sich zu Hause operieren, und Kriffith wird den Mund halten. Für die G-Men habe ich lediglich ein bisschen mit einem Mitarbeiter der Design Incorporated herumgeschlafen und ihn zu mir nach Hause eingeladen. Und das ist nicht verboten. Sollen sie doch meinetwegen herausfinden, dass wir hier in Acapulco ein paar fröhliche Tage verlebt haben. War doch der Zweck der Übung, dass ich mich mit dieser Gringo-Gurke in der Öffentlichkeit gezeigt habe. Nur für alle Fälle. Und jetzt verschwindet er, der Treulose.«

Die Frau grinste.

»Hat mich eben sitzenlassen, dieser Bastard, dieser Wüstling. Ich bin zu Tränen gerührt. Aber das kommt nun mal alle Tage vor, dass Mädchen weinend ihrem Geliebten nachtrauern. Schicksal. Keine Liebe hält ewig. - Doch jetzt zu etwas anderem: Unsere Werkstatt ist eingeräumt?«

»Alles bereit.«

Wilson Packer hatte wenig verstanden. Er sprach nur ein paar Brocken Spanisch. Doch er hatte mitgekriegt, dass hier auch über ihn und seine Zukunft entschieden worden war. Sie betrachteten ihn offenbar als ihren Sklaven.

Und alles in ihm schrie jetzt Protest!

Die Nerven spielten nicht mehr mit. Ebenso blind und unkontrolliert wie in der vergangenen Nacht, sprang er auch jetzt auf und stürzte los, doch diesmal war die Frau abgelenkt gewesen, und der beleibte Hidalgo trug keine sichtbare Waffe am runden Leib.

Packer rammte der Narranta den Kopf in den Bauch. Sie knickte über ihm zusammen, es fegte ihr die Beine weg, und sie kippte zur Seite auf den Marmorboden, der nicht überall von Teppichen bedeckt war. Hart schlug sie mit der Wange auf.

Wilson Packer grunzte.

Dann wandte er sich dem Mexikaner zu, der nicht weniger überrascht war als seine Nichte und große Augen machte. Bevor er reagieren konnte, rammte ihm diese halbe Portion von einem Gringo die Faust auf den Nabel. Die breite Schärpe bremste die Wucht des Schlags. Pele Mirador, der »Wunderbare«, verlor kaum Luft, er brauchte sich auch kaum zu erholen. Und anders als die Frau stand er fester auf seinen wuchtigen Säulenbeinen. Er kam nicht zu Fall, und Packer war es, als habe er gegen einen Sandsack geboxt.

Verzweifelt holte er zu einem zweiten Schwinger aus, doch diesmal traf er nur Miradors ihm entgegenschießende Hand, groß wie eine Autofelge und genauso hart. Finger wie Stahlklammern schlossen sich um seine Faust, der Druck wurde unerträglich. Es knackste. Der Mexikaner drückte weiter. Wilson Packer kreischte wie angestochen. Oder wie eine Möwe mit einem Widerhaken in der Kehle. Er ging in die Knie, totenblass. Sein Alptraum nahm kein Ende.

Dann schoss ein mächtiger Fuß auf sein spitzes Kinn zu, der harte Stiefel blank poliert, sodass er sich für einen Sekundenbruchteil darin spiegeln konnte. Und schon wirbelte er um den eigenen Arm, weil der Mexikaner ihn weiter mit eiserner Faust festhielt, und nun knackte es noch viel lauter, als ihm das rechte Schultergelenk ausgekugelt wurde. Die Explosion des Schmerzes katapultierte den Künstler Wilson Packer in eine gnädige Ohnmacht. Jetzt erst ließ Onkel Pele Mirador los.

»Na, mein Täubchen?«, fragte er zu seiner Nichte hinüber, die sich gerade wieder aufrichtete. »Ganz hast du unseren Jammerlappen wohl doch nicht ausgewrungen.«

»Dieses Schwein«, japste sie. »Er hätte es einfacher haben können. Doch jetzt werde ich ihm die Daumenschrauben auch dann ansetzen, wenn es gar nicht nötig wäre. Er wird bereuen, dieser bastardo. Ganz klein mach ich ihn! Steht der Wagen bereit?«

Der Mexikaner nickte.