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Es hatte sich bei ihrem Gespräch gezeigt, dass Bount Reiniger einiges, das FBI dagegen fast gar nichts wusste. Nur dass Wilson Packer, das Zeichen und Graveurgenie, allem Anschein nach einer Fälscherbande in die Hände gefallen war, war ihm bekannt.

Wenig genug.

Doch dafür hatte das FBI natürlich Connections, die Reiniger ohne die Hilfe Sam Hesters nie zur Verfügung gestanden hätten.

Sie wollten sich mitten in der Stadt, am Rande des Almedaparks, wiedertreffen. Früher hatten hier die allerkatholischsten Spanier ihre Lagerfeuer abgebrannt und Ungläubige als Brennmaterial dafür benützt.

Bount musste noch ein wenig warten. Hester zapfte gerade seine Quellen an. Auch hatte der Mann beteuert, dass es Bount Reiniger keineswegs dem Einfluss Lyndon B. Kriffiths verdankte, dass er von den Pittsburgher Cops so relativ schnell wieder auf freien Fuß gesetzt worden war, sondern der Intervention des FBI. Irgendein kluger Kopf in der Führungsspitze war offenbar überaus gespannt gewesen, was Reiniger wohl als Nächstes unternehmen würde.

Sam Hester hatte sogar in derselben Maschine wie er und in einem Taxi hinter ihm gesessen bis zum Hotel. Unmöglich, das bei diesem Horrorverkehr festzustellen.

Auch hatte Bount natürlich nicht aufgepasst. Welcher anständige Staatsbürger und Steuerzahler denkt schon daran, dass einem die heimische Bundeskriminalpolizei einen Schatten gleich bis nach Mexiko City verpasst. Hester galt als Mexiko-Spezialist in seiner Branche. Er war schon öfter hier gewesen.

Dann rollte der Dodge heran. Inzwischen hatte er eine Beule mehr als noch am Vormittag. Sam Hester schwitzte und fluchte hinter seinen getönten Scheiben. Der Broadway in der Rushhour war eine Landstraße gegen den Paseo de la Reforma zu einer ruhigen Zeit.

Bount stieg zu ihm ein. Den Galaxy ließ er stehen.

»Das hat aber verdammt lange gedauert«, sagte er mit einem Blick auf die Armbanduhr. »Über eine Stunde.«

Der blonde G-Man griente müde.

»Aber es hat sich gelohnt. Miguel Zapata ist hier kein unbeschriebenes Blatt. Er wurde viermal mit geheimnisvollen und ziemlich grauenhaften Mord fällen in Zusammenhang gebracht. Und jetzt halten Sie sich fest, Partner: Alle Opfer starben am Hieb einer Machete. Einem wurde sogar mit einem gewaltigen Streich der Kopf amputiert ...«

»Das ist doch schon was«, meinte Reiniger ungerührt. »Heil dir, Justitia. Natürlich wurde Zapata jedes Mal freigesprochen.«

Hester schüttelte betrübt den Kopf.

»Es kam nicht einmal zu einer Anklage. Der einzige Vorteil ist, dass wir jetzt wenigstens seine aktuelle Adresse haben.«

»Wo?«

Sam Hester drückte den Wählhebel auf »Go«, und der Wagen ruckte an. Es schepperte ein bisschen, als er sich laut hupend in den fließenden Verkehr einfädelte.

Neue Beule Nummer zwei.

»Wir haben Glück. Es ist gar nicht weit von hier. In der Zona Rosa.«

Reiniger horchte auf.

»Nicht, was Sie jetzt denken, Bount. Die Zona Rosa ist kein Rotlicht-Distrikt, sondern das Einkaufszentrum in der City. Aber die fleischliche Sünde hat in dieser Stadt kein festes Quartier.«

»Ja, ja.«

Reiniger hatte das selbst gewusst. Doch er hatte da draußen vor dem offenen Seitenfenster gerade ein sehr hübsches Mädchen gesehen mit einer fragilen und dennoch vollendeten Figur, einem stolzen Blick, der sich nach einer Sekunde züchtig senkte.

Wie tröstlich. Wenigstens die Lieder auf die schönen Mexikanerinnen durften noch gesungen werden, wenn auch die Stadt sonst vor die Hunde ging.

Hester hatte weitergeplaudert und Bount nicht zugehört. Nun hielt er vor einem zehnstöckigen Apartmentblock mit Geschäften an der Straße und im Basement. Parkplatz fanden sie keinen, doch das scherte den FBI-Agenten nicht. Er stellte den Wagen in der zweiten Reihe ab. Jeder machte das. Außer die in der ersten Reihe. Zu befürchten hatten die Fahrer nichts.

Die Abschleppwagen der Polizei kamen nicht durch.

Die Tür, die zu den Lifts führte, stand offen und war nur schwer zu finden gewesen. Hester ging voraus. Sein Jackett hatte unter den Achseln dunkle Flecken. Deutlich zeichnete sich die Stelle ab, an der er seinen Colt Cobra trug. Die Dienstwaffen beim FBI waren andere, doch besonders sklavisch schien sich dieser Mann ohnehin nicht an die Vorschriften zu halten. Und das machte ihn in Reinigers Augen fast schon sympathisch.

Sie ließen sich in den achten Stock hochtragen, landeten in einem langen Flur mit einem roten Läufer und vielem Grünzeug an der einen Seite. An der anderen reihte sich Appartement an Appartement.

»M. Zapata« stand in schwarzen, geschwungenen Lettern auf einem verchromten Schildchen. No, dass der Bursche mit der Machete sich versteckte, konnte man nicht behaupten. Bount und der G-Man zogen ihre Kanonen, als hätten sie’s vorher abgesprochen. Kein Wunder eigentlich, denn sie waren beide durch sehr ähnliche Schulen gegangen. Nur hatte Reiniger den Polizeidienst schon sehr vorzeitig quittiert.

Hester drückte seinen dicken Daumen auf den Klingelknopf. Drinnen rasselte es wie von einer Ladenglocke. Ein technischer Leckerbissen für Scheintote.

Doch nichts rührte sich. Auch nicht nach dem dritten Läuten.

Hester griente säuerlich. Dann zog er den Schlüsselbund aus der Hosentasche und begann mit seinem Dietrich im Sicherheitsschloss herumzustochern, während Reiniger Schmiere stand.

Öfter mal was Neues, sagte sich das Private Eye. Er hätte nicht so elend lange gebraucht wie der Mann aus Washington. Er knackte die Schlösser geübter und mit Sicherheit auch häufiger.

Schließlich standen sie doch im Appartement. Für eine Hundehütte war die Diele zweifellos zu klein. In den Staaten hätte sie den Tierschutz auf den Plan gerufen. Beide Männer konnten nicht nebeneinander stehen, deshalb übernahm Bount den Vortritt.

Die Wohnung, höchstens 25 Quadratmeter, Bad und Kitchenette inklusive, war leer und aufgeräumt. Gänzlich neu stand die Küchenzeile da. Zapata schien sich nicht einmal die Butterbrote selbst zu streichen.

Ansonsten hatte er das Appartement bestimmt möbliert gemietet, denn alles, was Bount sah, war unpersönlicher als ein Hotelzimmer. Ein einziges Plakat hing an der Wand neben dem französischen Bett. Es zeigte einen Samurai im Kampf-Ornat und in voller Kriegsbemalung, wie er sein Schwert weit über dem Kopf schwang, als wolle er dem jeweiligen Betrachter im nächsten Moment den Schädel spalten.

»Wir sind richtig«, sagte Bount lapidar. »Teilen wir uns das Durchsuchen? Sie schauen unters Bett und ich übernehme den Rest?«

Hesters Grinsen wurde von Mal zu Mal mühseliger.

»Wir sind Partner!«, erinnerte er Bount.

»Ist doch klar, Sam. Sollte ich zufällig auf eine Bonanza stoßen, sind Sie der Erste, der’s erfährt, und wir machen fifty-fifty.«

»Sie wissen schon, wie ich’s meinte. Versuchen Sie nicht, mich aufs Kreuz zu legen, wenn Sie was entdecken.«

»Hier? In dieser Zündholzschachtel? Für dieses Appartement braucht man ja ein Mikroskop.«

Bount war in der Mitte des Raums stehen geblieben. Zigarettenrauch hing in der Luft. Er war noch nicht kalt. Doch alle Aschenbecher glänzten wie frisch geputzt.

»Wir sind etwa eine halbe Stunde zu spät gekommen, Amigo Sam«, sagte er.

»Wieso?«

»Riechen Sie doch mal.«

Hester schnupperte ebenfalls.

»Ich rieche nichts.«

»Wahrscheinlich, weil Sie schon von Ihrem Verein die Nase voll haben«, meinte Reiniger. »Und nun schauen Sie nicht gleich wieder so beleidigt. Sie sagten mir doch, ich solle es Ihnen sofort erzählen, wenn mir was auffällt.«

»Schon gut, schon gut. Ich übernehme den Schrank.«

»Tun Sie das. Und ich setze mich inzwischen in den Sessel und ruh mich aus. Hier treten wir uns ohnehin gegenseitig auf die Zehen.«

»Das würde Ihnen so passen, eh?«

Genau das hatte Reiniger hören wollen. Und weil es keinen Müllschlucker gab, untersuchte er als erstes den Abfalleimer.

Ein paar Kippen lagen darin, keine mit Lippenstift dran. Und ein angebrochenes Streichholzheftchen mit einer bunten Hochglanzreklame drauf.

Bount steckte es ganz schnell ein und holte dabei ein Taschentuch heraus, schnäuzte sich.

»Ich muss mich erkältet haben«, sagte er. »Draußen in diesem Neza... - was weiß ich - hat der Wind ganz schön geblasen.«

»Im Schrank ist auch nichts«, sagte Hester. Er war schon beim Nachtkästchen angelangt.

Und eine Leseratte ist unser Mann auch keine«, meinte Bount. »Oder sehen Sie hier auch nur ein einziges Buch, in dem man eventuell einen Zettel verstecken könnte?«

Der G-Man grunzte.

Bount suchte nicht mehr mit.

Hier würden sie nichts finden. Dieser Miguel Zapata war entweder kein besonders häuslicher Typ, oder er benützte noch eine zweite Absteige, und dieses Appartement diente einzig und allein als Adresse für die Behörden.

Reiniger nahm Letzteres an.

Nach einer Weile gab auch Hester auf.

»Shit!«, knurrte er. »Als wäre der liebe Gott mit dem großen Staubsauger durchgegangen. Ich glaube, dieser verdammte Bastard hat nie hier gewohnt.«

Dumm war er also nicht, der gute Sam Hester. Er hatte seine Hausaufgaben gemacht.

»Bravo«, sagte Bount. »Dieselbe Vermutung wollte ich auch gerade äußern. Ich fürchte, unseren Besuch können wir als vollen Misserfolg abbuchen. Dennoch würde ich empfehlen, das Haus überwachen zu lassen. Vorausgesetzt natürlich, Ihr Draht zur örtlichen Milizia ist heiß genug.«

»Das ist er«, bestätigte der FBI Agent grimmig. »Das ist er ganz bestimmt. Es wird uns auch gar nichts anderes übrig bleiben. - Und was machen Sie?«

Bount gähnte ungeniert.

»Dieser verdammte Timelag. Diese leidige Zeitverschiebung. Ich bin müde, esse noch ’ne Kleinigkeit, geh dann bald ins Bett und träume süß von blutrünstigen mexikanischen Samurais.«