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Den nächsten Tag begannen Bount und June keineswegs in fieberhafter und schon allein deshalb ungesunder Hast. In Reinigers Kühlschrank fanden sich noch gebratene Hühnerbrust, Schinken und sogar eine ganze Ananas neben diversen Säften. Die March bereitete das gemeinsame Frühstück mit Bedacht und Liebe.

Aber bereits bei der zweiten Tasse Kaffee holte der Beruf sie wieder ein, denn das Telefon klingelte. Unwillig hob Bount den Hörer ab. Zweifellos hatte er den automatischen Anrufbeantworter eine halbe Stunde zu früh ausgeschaltet. Theresa di Saglioni war am Apparat.

»Wie schön, dass ich Sie noch erreiche«, flötete sie munter. »Männer wie Sie sind doch bestimmt fünfundzwanzig Stunden am Tag auf Achse. Immer rührig. Was ich übrigens für fünfhundert Dollar pro Tag, verdammt nochmal, auch verlangen darf. - Also wie steht’s?«

»Was soll stehen?«

Bount Reiniger war noch nicht ganz bei der Sache, denn June saß ihm in einem seiner Pyjama-Oberteile gegenüber und hatte vergessen, die Knöpfe zu schließen.

»Na, was wohl schon?«, blaffte da die aristokratische Dame schon weitaus weniger freundlich. »Wie weit Sie inzwischen mit Ihren Ermittlungen sind. Haben Sie die entsprechenden Etablissements durchgekämmt, die als Aufenthaltsort für mein armes Mündel infrage kämen? Hatten Sie wenigstens Spaß in all diesen Bordellen und Sexschuppen, in denen Sie nach Lage der Dinge leider herumschnüffeln mussten? Waren Sie auch schon in Little ...«

»Nun mal langsam, Allerwerteste«, unterbrach Bount sie rau. »Möglich, dass Sie Ihre kriminalistischen Kenntnisse aus den Romanen von Mickey Spillane bezogen. Doch die hatten mit der Wirklichkeit noch nie etwas zu tun. Sie haben keinen Superman engagiert, sondern einen Privatdetektiv, der sich nach Kräften abmüht, Ihren Wünschen zu entsprechen und sowohl Marija Pavlekovic als auch Jasna Bockai wiederzufinden. Sie können sich vorstellen, wie einfach das ist bei vier Milliarden Menschen auf der Welt. Oder reicht Ihre Fantasie dazu nicht aus?«

»Ziehen Sie doch einfach die Schwarzen, Roten und die Gelben ab«, entgegnete sie ihm kalt. »Und schon ist die Auswahl geringer.«

June kicherte, ihre blonden Haare wippten lustig, während sie ein Ei köpfte. Sie hatte jedes Wort mitgekriegt.

»Sie wollen also, dass ich den Auftrag niederlege«, entgegnete Reiniger mindestens genauso eisig. »Weil ich zu dumm bin, innerhalb von noch nicht einmal fünfzehn Stunden ein Wunder zu vollbringen. Aber bitte sehr! Ich schicke den Rest Ihres Honorars an Ihre Adresse im Waldorf zurück. Innerhalb von zwei Stunden können Sie ihn haben.«

Bount musste wohl ziemlich unwirsch gesprochen haben, denn nun lenkte die Lady schlagartig ein.

»So war das doch nicht gemeint«, schnurrte sie jetzt, wie eine achtzigjährige Katze nur schnurren kann. »Was sind Sie denn gleich so empfindlich? Ich mache mir eben Sorgen. Und da dachte ich ...«

«... da dachten Sie, machen wir doch diesem Leibeigenen, diesem amerikanischen, mal ein bisschen die Hölle heiß. Nicht mir mir, Madam! Mein Job ist auch so schon hart genug. Da kann ich die Marotten einer Hutnadelstecherin nicht auch noch ertragen. Sobald ich etwas erfahre, erfahren es auch Sie. Können wir uns auf dieser Basis einigen?«

Theresa di Saglioni stockte noch einen Moment.

»Entschuldigen Sie, Mister Reiniger«, sagte sie dann, und es war ihr anzuhören, wie schwer ihr dieser einfache Satz fiel.

»Gern geschehen«, knurrte Bount. Und knallte den Hörer auf die Gabel.

June kicherte nicht mehr. Jetzt lag sogar etwas wie Bewunderung in ihrem kornblumenblauen Blick.

Der Anrufbeantworter wurde wieder in Betrieb gesetzt, das Büro eröffneten sie erst gegen Mittag.