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Kripo-Kruse hatte die Polizeiwache an drei Tagen exakt dreimal verlassen. Ziel seiner Ausflüge war jedes Mal der Supermarkt gewesen, der direkt um die Ecke lag. In den ersten Jahren als Polizist hatte er sich unwiderruflich an Peppes Pizza überfressen, darum kaufte er sich lieber etwas anderes, wenn die Kollegen eine Sammelbestellung aufgaben.
Es war schon seltsam, wie wenig Auswahl an gutem Essen es in den Läden gab, wenn man zum Kochen nur eine Mikrowelle zur Verfügung hatte und keine Lust verspürte, sich ein Brot zu schmieren. Nach jedem Besuch im Supermarkt schwor sich Kruse, sich nächstes Mal den Dienstwagen zu schnappen und zu Burger King zu fahren. Das Essen dort war er noch nicht leid.
Er saß am Schreibtisch und verdrückte eine lauwarme, zähe Zimtschnecke, als sein Handy klingelte. Er griff danach und sagte: „Kruse?“
„Ist schon jemand drüben gewesen?“
„Also …“ Er warf einen Blick auf die Wanduhr. „Es ist gerade mal halb sieben.“
„Aber irgendjemand fährt noch vorbei, ja?“
Kruse seufzte. „Beim Haus, meinst du?“
„Ja, bei Nora.“
„Na, klar. Wir machen einen Abstecher. Danke der Nachfrage übrigens, mir geht es gut. Und selbst?“
„Aber nicht zu früh“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe von ihrem Osloer Hotelzimmer aus. „Oder, wenn ihr doch schon früher dran seid, dann guckt ihr später noch mal nach dem Rechten, ja?“
„Danke, ja, mein Tag war ganz okay. Ein bisschen langweilig vielleicht, weil ich hier ganz allein rumhocke und Puzzlearbeit mache, während andere Leute nach Oslo fahren und aufgebrezelt durchs Präsidium stöckeln. Aber ich will mich nicht beschweren.“
„Verstehe“ sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe. „Botschaft angekommen.“
„Nach zwei Stunden scharfem Nachdenken.“
„Wir Landeier sind halt nicht die Schnellsten.“
„Was gibt’s Neues?“, fragte Kruse. Er lehnte sich auf seinem Bürostuhl zurück und suchte nach einer freien Stelle auf dem überquellenden Schreibtisch, wo er seine Beine ablegen konnte. „Haben die Jungs von der Technik sich das Material aus Wolffs Wohnung angeschaut?“
„Und ob“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe. „Sie haben es sich angesehen. Es hat eine Ewigkeit gedauert. Eigentlich den ganzen Tag. Und vor einer halben Stunde habe ich die Meldung bekommen: alles echt. Kein Zweifel. Die Sache ist wasserdicht.“
„Dann haben wir ihn“, sagte Kruse mehr zu sich selbst – als hätte er es vorher noch nicht geglaubt. „Ich meine, dann haben wir ihn wirklich. Kein Zweifel?“
„Nicht die Spur. Zumindest, was den einen Mord angeht. Den einen können wir ihm nachweisen. Für den zweiten haben wir nur Indizien und Vermutungen. Eben die Einzelheiten, die du rausgefunden hast. Wir müssen noch weiter graben.“
Kruse versuchte nicht weiter, mit der Ferse einen Papierstapel zur Seite zu schieben. „Ich hab heute mit dem Chef gesprochen. Er hat gesagt, wir sollen die Fahndung rausschicken, sobald du anrufst und grünes Licht gibst.“
„Dann machst du dich besser mal an die Arbeit“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe. „Du musst ja später auch noch nach Nora gucken.“
„Ja doch.“
„Ich bin nicht immer so nervig. Es ist eine Ausnahmesituation. Ich meine, wir wissen ja ….“
„Schon gut!“