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Er fand nichts. Er ging durchs ganze Haus, suchte überall. Wonach, konnte er nicht mal genau sagen. Vielleicht irgendwas, das er nicht bedacht hatte. Das die Polizei auf seine Spur bringen würde und verriet, dass er Wolff gekannt und mit ihm zusammengearbeitet hatte.
Aber da war nichts. Boden, Decke, Wände. Er konnte sich nicht auf das konzentrieren, was sich im Inneren des Hauses verbarg. Es fühlte sich an, als ginge er durch ein Skelett, ohne Blut und Fleisch oder überhaupt etwas Menschliches.
Ihm wurde schwindelig. Sein Gesichtsfeld schrumpfte. Er schleppte sich durch einen dunklen Tunnel.
Er blieb stehen und lehnte sich an die Wand. Sein Atem ging schwer. Das Herz wummerte in der Brust. Nach jedem Schlag vibrierte sein Körper wie eine große schwere Kirchenglocke.
Er befand sich im Flur, gleich neben der Haustür. Ein paar Meter von seinen Füßen entfernt lag etwas. Es bewegte sich, kroch über den Boden. Beinahe hätte es ihn berührt. Es machte seltsame Geräusche – gurgelnd und feucht. Kaputt. Es war Wolff.
Etwas an ihm war dunkel, dann hell, dunkel, dann hell.
Lucas blinzelte. Was …? Sein Mund! Wolffs Mund ging auf und zu, aber es kam kein Laut heraus.
„Verdammt noch mal!“ Lucas starrte auf ihn herunter. „Lebst du immer noch, du Arsch?“
Und er trat zu. Er nahm einen Schritt Anlauf und trat Wolff zweimal ins Gesicht. Dann hielt er inne und horchte. Beugte sich hinunter. Betrachtete Wolff, oder vielmehr das, was von seinem Gesicht übrig war. Schwer zu sagen, ob er noch lebte.
Lucas überlegte, ob er Wolff auf den Rücken wuchten und an seinem Handgelenk oder am Hals nach dem Puls suchen sollte. Aber er brachte es nicht über sich. Jetzt nahm er auch den schweren, süßen Geruch von Blut wahr, vermischt mit einem starken Gestank nach Urin und Kot.
Verdammt! Lucas wich so schnell zurück, dass er beinahe stolperte. Er spürte den Knauf der Haustür im Rücken, fuhr herum und lief nach draußen.
Erst als er auf der Treppe stand und nach Luft schnappte, wurde ihm bewusst, dass er den falschen Ausgang genommen hatte. Er war sichtbar für jedermann, der auf der Straße vorbeikam und einen Blick in die Auffahrt warf.
Schnell huschte er hinunter auf den Kiesweg und lief auf die Hausecke zu, um im Garten Deckung zu suchen. Hinter sich hörte er die Haustür aufschwingen. Er hatte sie wohl nicht fest genug zugedrückt. Er blickte über die Schulter. Die Tür stand sperrangelweit offen. Er konnte das reglose dunkle Etwas auf dem Boden im Flur erkennen. Die Tür war von allein aufgegangen, daran bestand kein Zweifel. Wolff war am Ende.
Für einen Moment überlegte Lucas, ob er zurückrennen und die Tür schließen sollte. Aber er hatte ja schon den Fehler gemacht, vorn rauszugehen und nicht über die Veranda, wie er gekommen war. Jetzt musste er dafür sorgen, dass er ungesehen abhauen konnte.
Er lief ums Haus herum, in den Garten auf der Rückseite. Dort schlüpfte er durch die Hecke vom Grundstück.