Charlotte war vor ihm gestanden, blass und zitternd, die Finger in die Außenseite ihrer Shorts gekrallt. Er hatte sie angebrüllt: Wie sie denn glaube, mit ihm umspringen zu können, wer sie denn sei und wie man denn überhaupt auf so eine Schnapsidee kommen könne. Die Sache war mit ihm durchgegangen, und erst als er gesehen hatte, wie die Tränen begannen, über ihr Gesicht zu laufen, hatte er es geschafft, aufzuhören. »Tut mir leid«, hatte er gesagt und den Zettel auf den Tisch gelegt. Der Kühlschrank hatte gebrummt, Charlotte hatte geschnieft, sonst war es für einen Moment still gewesen. Plötzlich war Marlene am Türrahmen gelehnt. »Sie ist deine Tochter, sie macht sich Sorgen, und es war meine Idee«, hatte sie gesagt. Wenn er schon glaube, jemanden anschreien zu müssen, dann solle er es mit ihr tun. Er werde niemanden mehr anschreien, hatte er versprochen, und Marlene hatte gesagt, sie werde versuchen, ihm das zu glauben. »Wirst du hingehen?«, hatte sie gefragt. Er hatte den Zettel vom Tisch genommen, einen Blick darauf geworfen und gesagt, der Termin sei in einer halben Stunde, wie sie sich das vorstelle. »Fertig frühstücken, Schuhe anziehen, dann links zwo drei vier«, hatte sie gesagt, man gehe dorthin am besten zu Fuß, maximal zehn Minuten. Er war mitten in der Küche gestanden und hatte sich hilflos gefühlt. »Und die Dienstbesprechung?«, hatte er gesagt, »die Tageseinteilung, die Ermittlungen?« Könne alles warten. Wenn er krank sei, müsse das auch von den Kollegen übernommen werden. »Ich bin nie krank«, hatte er gesagt. Marlene hatte den Kopf schief gelegt, und Charlotte hatte sich übers Gesicht gewischt. Er hatte an Fred Ley gedacht, an Seeluft und daran, dass es gegen das Gift des Bösen keine Immunisierung gab. Dann hatte er den Zettel zusammengefaltet und in seine Gesäßtasche gesteckt. »Und was ist, wenn etwas Schlimmes rauskommt?«, hatte er gefragt.
Die Ordinationshilfe war rundlich, hatte Lachfältchen um die Augen und eine gelbe Gummibärenbrosche an ihrer Bluse. »Sie haben eine extrem kompetente Tochter«, sagte sie, während sie seine Daten aufnahm. Ludwig Kovacs nickte. »Was hat sie erzählt?«, fragte er. Dass sie einen Vater habe, der den irregulären Rhythmus seines Herzschlags nachklopfen und mit Musik vergleichen könne, sagte die Frau, einen Vater, dessen Gesicht knallrot sei, wenn er sich aufrege, und der sich zirka so viel bewege wie ein Faultier, einen Vater schließlich, von dem ihre Mutter sage, sie werde ihn irgendwann einmal tot aus der Badewanne holen. Ihr Vater würde nie im Leben von sich aus zum Arzt gehen, habe seine Tochter gesagt, und da sie keine Pistole besitze, die sie ihm an die Brust setzen könne, versuche sie es auf diese Weise und mache einfach einen Termin aus. »Hat sie das mit der Pistole wirklich so gesagt?«, fragte Kovacs. Ja, sagte die Frau, so etwas würde sie nie erfinden. Sie müsse das entschuldigen, sagte er, es liege wohl daran, dass Charlotte eine Polizistentochter sei. Die Frau lachte. Sie müsse gar nichts entschuldigen. Wenn man Männer zum Arzt bringen wolle, brauche man manchmal eine Schusswaffe.
Sie fragte nach Lebensgewohnheiten, Rauchen, Alkohol, Bewegung, Schlaf und Arbeitsbelastung, und schrieb die Dinge in ein elektronisches Formular. Kovacs versuchte bei der Wahrheit zu bleiben und fühlte sich bei jedem der Punkte ein wenig schuldig. Am Schluss erkundigte sich die Frau vorsichtig, ob sie ihn auch nach seinem Sexualleben fragen dürfe, das sei nämlich kardiologisch nicht ganz irrelevant. Kovacs lachte und sagte, natürlich dürfe sie, das sei einer der wenigen Bereiche, für die er sich nicht genieren müsse.
Während er auf der Untersuchungsliege lag und ihm die Ordinationshilfe die EKG-Elektroden anlegte, dachte Kovacs daran, dass er auf die Frage nach Erkrankungen in der Familie lediglich gesagt hatte, er glaube, sein Vater habe einen hohen Blutdruck gehabt. Er hatte nichts von seinem permanent roten Schädel erzählt, nichts von seinem Trinken und schon gar nichts davon, wie es war, wenn ihn der Alte so lange prügelte, bis er bewegungslos in irgendeiner Ecke lag. »Mein Vater ist mit sechzig an einer Hirnblutung gestorben«, sagte er, »er selbst würde sagen, es hat ihm die Birne zerrissen. Ich kann nicht behaupten, dass ich darüber traurig war.« »Pssst«, sagte die Ordinationshilfe, »die Ableitung läuft. Sie sollten nichts reden und sich schon gar nicht aufregen.« Er rege sich nicht auf, sagte Kovacs, die Sache sei schon lange gegessen.
Er erinnerte sich, wie er bei der Beerdigung seines Vaters am Grab gestanden war, seine Mutter betrachtet hatte, eine völlig zerstörte Frau, und seinen Bruder, der auf dem Weg war, ein Arschloch wie sein Vater zu werden, und wie er damals gedacht hatte, dass Gerechtigkeit nichts anderes war als eine Erfindung von Menschen, die es schlecht erwischt hatten. Er dachte an Yvonne, seine erste Ehefrau, mit ihrer emotionalen Kühle, und daran, dass Charlotte offenbar Marlene als ihre Mutter ausgegeben hatte. Er dachte an Marlenes Brüste, an ihren Nacken und an die Art, in der sie Menschen mit dem ganzen Körper umarmte, und er merkte, dass er darauf achten musste, nicht augenblicklich eine Erektion zu bekommen.
»Wo ist der Papierstreifen?«, fragte Kovacs, als ihm die Ordinationshilfe die Elektroden abnahm und ihm ein Handtuch zum Abwischen reichte. Streifen gebe es nur noch auf besonderen Wunsch, sagte sie, es laufe alles vollelektronisch — Ableitung, Auswertung und Weiterleitung zum Doktor.
»Und wie hat es ausgesehen?«
»Ihr EKG. Geht so.«
»Was heißt geht so?«
Wie halt das EKG eines Mannes aussehe, der sei wie er − Anfang sechzig, strapaziöser Beruf, das Heben des Bierkrugs und der Gang zur Couch die wesentlichen sportlichen Aktivitäten. »Sie sind gemein«, sagte er. Sie legte ihm die Blutdruckmanschette um den Oberarm. Außerdem sei er mit geht so gar nicht einverstanden. Er solle sich doch nichts vormachen, das ganze Leben bestehe aus geht so, sagte sie. Sie ließ langsam Luft aus der Manschette. »Was ist?«, fragte er. »Na ja«, sagte sie. »Das ist aber nicht Ihr Ernst − geht so und na ja«, sagte er. Sie lachte.
»Kann man na ja in Zahlen ausdrücken?«
»Einhundertachtzig zu einhundertfünf«, sagte sie.
Der Kardiologe war Mitte vierzig, grauhaarig, schlank und auf eine unverbindliche Weise zugewandt. Er horchte ihn ab, ließ ihn ein paar Kniebeugen machen, horchte ihn wieder ab, fragte nach Engegefühlen in der Brust, nach Schmerzen im Hals, im Rücken oder im linken Arm, nach Kurzatmigkeit und nach geschwollenen Unterschenkeln. Als Kovacs sagte, das alles habe er nicht, Beethoven, Fünfte, das sei sein Problem, kurz kurz kurz lang, lachte er und fragte, in welchen Situationen er sie spüre, die Schicksalssymphonie. Kovacs sagte, nachts, untertags, im Job, zu Hause, mal so, mal so, und der Arzt sagte, das sei die Auskunft, die man als Arzt gewohnt sei − mal so, mal so. Angesichts des Umstandes, dass im Ruhe-EKG nicht viel zu sehen sei, halte er das Ganze für eine blutdruckabhängige Rhythmusstörung. »Ventrikuläre Extrasystolen, manchmal einzeln, manchmal in Serie, kurz kurz kurz lang, lästig, aber glücklicherweise nicht allzu gefährlich.« Er verordne ihm einen Betablocker, der wirke sowohl gegen die Arrhythmien als auch gegen die Hypertonie. »Sie müssen allerdings messen«, sagte der Arzt, »am Anfang dreimal täglich.« »Grauenhaft«, sagte Kovacs. Gesundheit verlange Opfer, antwortete der Arzt. Wenn ich eine gute Beziehung zu Opfern hätte, wäre ich ins Kloster gegangen, dachte Kovacs, sagte aber nichts. Als er sich verabschiedete, streifte ihn ein Gedanke. Er kriegte ihn aber nicht zu fassen.
Die Ordinationshilfe druckte ihm das Rezept aus. Eine Tablette pro Tag, morgens oder abends, das sei egal. Zwei Straßen weiter finde er eine Apotheke. Dort könne man übrigens auch Blutdruckmessgeräte kaufen, sagte sie und lachte. »Haben wir«, sagte Kovacs und zögerte. »Was ist?«, fragte sie. Er deutete auf die Gummibärenbrosche an ihrer Bluse.
»Wo kriegt man die?«
»Für Ihre Frau?«
»Nein, für meine übergriffige Tochter«, sagte Kovacs. Fürsorglich, sagte die Ordinationshilfe, nicht übergriffig. Gut, fürsorglich, sagte er, aber das liege manchmal nahe beisammen. Sie griff an die Bluse, nahm die Brosche ab und reichte sie ihm. »Da.« Kovacs wusste nicht, was er sagen sollte. »Nehmen Sie sie einfach«, sagte die Frau. Sie habe sie in einem italienischen Souvenirgeschäft gekauft, in einer Fünferpackung. Das Ding sei lustig, aber aus Plastik. Es habe praktisch nichts gekostet. »Danke«, sagte Kovacs, »aber warum?« Irgendetwas an dem Telefonat mit seiner Tochter sei besonders gewesen, sagte sie, sie glaube, es habe mit Angst zu tun gehabt. »Angst?«, fragte er. »Ja«, sagte sie, »Ihre Tochter hat Angst um sie.«
Obwohl der Vormittag schön zu werden versprach, widerstand er der Versuchung, sich zu Lefti in den Gastgarten zu setzen, querte auf dem alten Stahlsteg die Bahn und ging die Begrenzungsmauer des Stifts entlang in Richtung Zentrum. Am westlichen Ende des Rathausplatzes bog er in eine schmale Gasse mit niedrigen mittelalterlichen Häusern ab.
Die beiden Schaufenster der Dromedarenapotheke waren mit Sonnenschutzmitteln und Repellentien gefüllt. Die natürlichen Feinde des Menschen waren offenbar nicht der Herzinfarkt und der Schlaganfall, sondern Sonnenbrand und Stechmücke. Viktoria Stich kam aus dem Hinterzimmer, als er eintrat. Die kleine, quirlige Pharmazeutin war das Einzige, was Ludwig Kovacs im Medizinsystem bisher gelten hatte lassen. Sie verkaufte ihm Blasenpflaster, gab ihm die richtigen Pulver, wenn er unter Zahnschmerzen litt, und ab und zu durfte sie die Wunden versorgen, die er sich in der Arbeit oder im Garten zugezogen hatte. »Ich überschreite meine Kompetenzen«, sagte sie dann, und er antwortete, sie habe keine Vorstellung davon, was er alles überschreite, wenn er sich in ihre Hände begebe. Seit Jahren galt ein Abkommen zwischen ihnen: Er machte sich über Homöopathie nicht lustig, und sie erzählte keine Polizistenwitze. Das funktionierte gut. Manchmal sagte sie: »Kennen Sie den?«, sonst nichts, und sie lachten.
Viktoria Stich schaute erstaunt, als er ihr das Rezept hinlegte. »Sie gehen fremd?«, fragte sie. Er zuckte mit den Schultern. »Man hat mich gezwungen«, sagte er. Das sei die Standardausrede feiger Männer, sagte sie und holte die Medikamentenpackung aus dem Schrank. Die Tabletten sahen aus wie kleine Herzen. »Gibt es die auch rund?«, fragte Kovacs, »oder von mir aus viereckig?« Sie schüttelte den Kopf. »Haben Sie ein Problem damit?« Herzform für Herztabletten, das sehe so aus, als halte man die Menschen für blöd, sagte er. Sie verstehe ihn, aber das sei nach wie vor das Spezifikum der medizinischen Fürsorge − immer ein wenig von oben herab. Fürsorge, das habe er eben erst gehört, sagte er, er möge den Begriff nicht. »Aber Kerstin ist nett, oder?«, fragte die Apothekerin.
»Wer ist Kerstin?«
Die Ordinationshilfe, sagte sie, sie sei mit ihr befreundet. »Das heißt, wenn ich bei der Tür draußen bin, rufen Sie sie an und sagen: Alles in Ordnung, er hat sich zwar über die infantile Form der Tabletten beschwert, aber er hat sie abgeholt.« Die Apothekerin lachte. Sie wette, bei der Polizei sei es nicht anders, sagte sie.
Eleonore Bitterle stand vor dem Whiteboard, zog Linien und setzte Haken neben Namen. Sie war allein. Kovacs schlug sich an die Stirn, als er sie sah. »Tut mir leid«, sagte er, »wir wollten …« »Wir werden«, unterbrach sie ihn. Er brauche kein schlechtes Gewissen zu haben, seine Tochter habe in der Früh angerufen und mitgeteilt, er sei beim Arzt. Es sei eine Routineuntersuchung, aber wie sie ihn einschätze, werde er vergessen, Bescheid zu geben. »Du hast eine extrem kompetente Tochter«, sagte sie. »Wenn du jetzt noch etwas über Fürsorge sagst, drehe ich mich um und gehe«, sagte er. »Du gehst nicht, sondern wir fahren«, sagte sie, »weiß sie schon, wie es war?«
»Wer?«
»Deine Tochter. Hast du ihr schon Bescheid gegeben?«
Nein, sagte Kovacs, es sei eh alles in Ordnung. Mehr oder minder. Eben deswegen, sagte Bitterle. »Gehen wir«, sagte Kovacs.
Kovacs saß am Steuer und diktierte Bitterle die SMS.
ich werde anscheinend noch einige zeit leben
»Das geht nicht«, sagte sie, »das ist destruktiv und zynisch.« Seine Tochter halte so etwas aus, sagte er. Wenn er das wirklich abschicken wolle, müsse er stehen bleiben und es selbst schreiben. »Du bist unglaublich stur«, sagte er.
die blutdrucktabletten sehen zwar aus wie für kleinkinder aber die ordinationshilfe war nett danke lg dv
»Na, siehst du, geht ja«, sagte Bitterle, »was heißt dv?«
»Dein Vater«, sagte er, irgendwie müsse er zeigen, dass er diese neue Sprache auch beherrsche. »Und weg«, sagte sie und drückte auf das Pfeilchen.
Sie fuhren am Nordufer des Sees entlang, ließen Waiern und Mooshaim links liegen und bogen nach einem aufgelassenen Kalksteinbruch in die Bundesstraße in Richtung Salzburg ein. Die Industriezone begann nach etwa zwanzig Kilometern. Ein Großmarkt für Fliesen und Sanitärkeramik, ein Sägewerk mit angeschlossener Pelletserzeugung, eine Verzinkerei, eine Firma, die Betonfertigteile herstellte. Am Schluss die beiden riesigen schwarzen Hallen mit einem verspiegelten Würfel davor. Offenbar das Bürogebäude. Kovacs sah, dass der Schranken mittels Fingerprintsensor zu öffnen war, als sie sich über die Gegensprechanlage anmeldeten. Sie parkten direkt am Haupteingang, in der Zone, die für die Geschäftsführung reserviert war. Kovacs legte seine dienstliche Visitenkarte aufs Armaturenbrett. »Das tust du doch sonst nie«, sagte Eleonore Bitterle. Kovacs zeigte auf die Kameras, die verteilt über den Parkplatz an Metallsäulen montiert waren. Er habe das Gefühl, hier sei das angemessen, sagte er.
Markus Helbich erwartete sie im Konferenzraum neben seinem Büro. Er war ein mittelgroßer, schlanker Mann, dunkelhaarig mit Stirnglatze. Seine Bewegungen wirkten etwas linkisch, registrierte Kovacs, aber das mochte mit der Situation zu tun haben, in der er sich befand. Er hatte auf einem Sideboard Kaffee und Kuchen anrichten lassen. Auf dem Tisch lagen Ordner und einige Papierstapel.
Es tue ihm leid, dass er zuletzt nicht habe dabei sein können, sagte Helbich, die Firma habe in Tschechien ein neues Werk in Bau. Das mache seine Anwesenheit manchmal notwendig.
»Können Sie schlafen?«, fragte Eleonore Bitterle, nachdem sie Platz genommen hatten. Helbich schaute überrascht, dann schüttelte er den Kopf. Ab und zu zwei, drei Stunden, sagte er. Seine Frau nehme Schlafpulver, er habe das immer abgelehnt. »Was tun Sie, wenn Sie wach liegen?«, fragte Bitterle. Er liege nicht wach, sagte der Mann, er setze sich ins Wohnzimmer oder in den Garten, oder er fahre hierher ins Büro und denke nach.
»Darüber, wo sie sein könnte?«
Über alles, sagte er, über den Tag, an dem sie verschwunden sei, darüber, wo man sie versteckt haben könnte und was überhaupt in der letzten Zeit so passiert sei. Er komme auf nichts, auf gar nichts. Seine Frau grabe den Garten um, bis sie völlig kaputt sei. Er selbst mache sich im Kopf fertig. Er schaute Kovacs und Bitterle an. »Wissen Sie, man landet immer beim gleichen Bild«, sagte er, »egal, welche Wege du dich entlangdenkst, du landest immer beim gleichen Bild.« Die beiden sagten nichts. Es sei auch nicht notwendig, ihn mit irgendwelchen erfundenen Prozentsätzen zu beruhigen, sagte er und lächelte bitter. Um zu wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass nach fünf Tagen Abgängigkeit ein Kind, von dem es kein Lebenszeichen gebe, wieder auftauche, brauche er keine umfangreiche Recherche. Markus Helbich legte die Hände flach auf den Tisch und schaute auf die Ordner vor ihm. »Fragen Sie«, sagte er, »ich glaube, ich bin vorbereitet.« Er solle einfach reden, sagte Kovacs, er habe den Eindruck, es brauche vorerst keine Fragen.
Natürlich gebe es Mitbewerber, denen man lukrative Geschäfte wegschnappe, und natürlich verwende man auch fragwürdige Mittel, Falschinformation oder Werksspione, die man als Trainees einschleuse. Diese Dinge seien in der Branche allerdings dermaßen üblich, dass man nicht mehr zurechtkäme vor lauter Kindesentführungen, würden sie als Motiv reichen. Relevanter seien gewisse Firmenübernahmen, kleine Familienbetriebe, die geschluckt würden, oder — noch schwieriger — Familienbetriebe, in denen Uneinigkeit bezüglich eines Verkaufs herrsche. Wenn man sich dann zu einem Verkauf durchringe, bleibe derjenige, der nicht verkaufen habe wollen, mit seiner Enttäuschung und seiner Wut übrig und suche möglicherweise ein Ventil. Markus Helbich nahm von einem der Papierstapel das oberste Blatt und schob es Kovacs hin. »Vier derartige Konstellationen in den letzten Jahren«, sagte er. Nummer drei wäre eigentlich der heißeste Kandidat gewesen, ein mittelgroßer Erzeuger von Fenster- und Türbeschlägen, doch habe sich der cholerische Bruder des letzten Firmeninhabers dadurch aus dem Spiel genommen, dass er vor einem Monat mit seinem Motorrad gegen einen Holztransporter geprallt sei. Von der Rehabilitationsklinik aus, in der er sich derzeit befinde, tue er sich mit einer Entführung definitiv schwer. Helbich legte ihnen ein zweites Blatt hin, eine Liste mit elf Namen samt Geburtsdatum, Wohnadresse und Telefonnummer. Das Heikelste, sagte er − die Leute, bei denen möglicherweise ein persönliches Motiv eine Rolle spiele. Kündigungen, disziplinäre Maßnahmen, Enttäuschungen in der Karriere. Das sei alles mehr Psychologie als sonst was, und jeder wisse, dass das gleiche Ereignis für den einen eine Katastrophe bedeuten und dem anderen völlig egal sein könne. Er habe daher nur Menschen auf die Liste gesetzt, die bezeugtermaßen etwas gesagt hätten, das man als Drohung gegen ihn oder die Firma auffassen könne. Nummer eins, der Einzige von ihnen, der jemals eine Handlung gesetzt habe, sei der Ehemann einer Mitarbeiterin, die fristlos entlassen worden sei, nachdem sie ihrer Kollegin die Geldbörse aus dem Spind gestohlen habe. Ihr Ehemann sei schon am Abend nach der Entlassung aufs Firmengelände gekommen und habe mit einem Hammer in jeden der Reifen seines, Helbichs, Autos einen Hunderternagel getrieben. Die Überwachungsanlage habe den Mann überhaupt nicht gekümmert, im Gegenteil, er habe zum Abschied freundlich in die Kamera gegrüßt. »Glauben Sie, dass einer, der schon einmal Nägel in Ihre Autoreifen getrieben hat, jetzt Ihr Kind entführt?«, fragte Kovacs. Das sei ja sein Problem, sagte Helbich − er glaube es von niemandem auf dieser Liste.
»Herr Helbich, werden Sie erpresst?«, fragte Eleonore Bitterle unvermittelt. Der Mann hob den Kopf und schwieg für ein paar Sekunden. »Wissen Sie, wie sehr ich mir das wünschen würde«, sagte er schließlich, und Kovacs dachte, dass er selten so viel Traurigkeit im Gesicht eines Menschen gesehen hatte. Er starre stundenlang aufs Handy, es mache ihn verrückt, wenn der E-Mail-Server für kurze Zeit ausfalle, er habe sich auf Facebook und WhatsApp registriert, etwas, das er bisher kategorisch abgelehnt habe, und er schaue jeden Abend mehrmals ins Postfach am Gartentor. »Manchmal sitze ich im Wohnzimmer auf der Couch«, sagte er, »starre auf die Terrassentür, zähle bis hundert und warte darauf, dass ein Stein durchs Glas geflogen kommt, um den jemand ein Stück Papier gewickelt hat. Es kommt aber keiner. Ich zähle noch einmal bis hundert und noch einmal, und am Schluss sehe ich das Bild vor mir, das kein Mensch sehen will.« Man solle ihm einen Erpresser verschaffen, sagte Markus Helbich, dann könne er all die Dinge tun, die man in so einer Situation richtig oder falsch mache − die Polizei verständigen oder nicht, zahlen oder nicht, den Entführer anflehen oder ihn töten wollen, mit der Frau streiten oder sich einig sein. Er könne auch verlangen, die Stimme seiner Tochter zu hören. Das könne er momentan nicht.
Sie habe noch eine allerletzte Frage, sagte Eleonore Bitterle, bevor sie sich verabschiedeten. »Würde Ihre Tochter mit einer fremden Person mitgehen?«
Helbich schüttelte energisch den Kopf. »Nein, niemals«, sagte er, das habe ihr Großvater x-mal mit ihr besprochen. Warum der Großvater, fragte Bitterle. Sein Schwiegervater habe eine besonders gute Beziehung zu ihr, sagte Helbich, außerdem sei er früher Pädagoge gewesen, daher wisse er, wie man solche Dinge vermittle. Als Bitterle zögerte, lachte der Mann kurz auf und sagte, nein, mit einer besonders guten Beziehung meine er tatsächlich eine gute Beziehung. Seinem Schwiegervater sei es ein Anliegen, dass Elvira ein selbstbestimmtes, mutiges Mädchen werde, nichts anderes.
»Der Mann liebt seine Tochter«, sagte Kovacs, als sie wieder im Auto saßen. Bitterle nickte. »Tu ich das auch?«, fragte er. Wenn er ihr anordne, dass sie sofort sein Smartphone nehmen und nachschauen solle, ob eine Antwort auf seine SMS von vorhin gekommen sei, werde sie ihm das bestätigen. »Du bist einfach neugierig, gib’s zu«, sagte Kovacs. Sie lachte. »Entscheide dich.«
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»chdt?«, fragte sie. »Charlotte, deine Tochter«, sagte er, »und was bitte soll hugs sein?« Hugs, sagte Bitterle, Umarmungen, Englisch, der Plural von hug.
»Warum sagt sie nicht Umarmungen?«
Weil das zu nahe sei und nicht dem richtigen Abstand zwischen einer Zwanzigjährigen und ihrem Vater entspreche, sagte Bitterle, das Englische stelle eine Spur mehr Distanz her − hug statt Umarmung, und schon sei alles richtig. »Wieso weißt du solche Dinge?«, fragte Kovacs. Keine Ahnung, sagte sie, vielleicht weil sie spüre, wie falsch die Distanz zwischen ihr und ihrem eigenen Vater gewesen sei. »In die andere Richtung«, sagte sie, »keine Spur von hugs.« Eleonore Bitterles Vater war Professor für Verwaltungsrecht in Salzburg gewesen, das wusste Kovacs, ein hochautoritärer Mann, der es nicht akzeptieren hatte können, dass seine Tochter eine andere Laufbahn einschlug als die, die er für sie vorgesehen hatte. Mehr hatte sie nicht erzählt. »Lebt er eigentlich noch?«, fragte er. Sie schaute geradeaus. »Ich glaube schon«, sagte sie.
Sie sprachen eine Weile nichts. »Willst du eine andere Strecke fahren?«, fragte er schließlich.
»Warum?«
»Manchmal hilft das. Man ist deprimiert, weil man an Dinge denkt, die vorbei sind und sich nicht verändern lassen. Dann fährt man eine andere Strecke, und schon ist es weg.«
Sie schaute ihn von der Seite an. »An dir ist ein Psychotherapeut verloren gegangen«, sagte sie und grinste. Dann sagte sie, dass er ihretwegen den Weg zurück nicht verlängern müsse und dass von den Dingen in ihrem Leben, die vorbei und daher unveränderbar seien, die Beziehung zu ihrem Vater eindeutig nicht das deprimierendste sei. Ja, sagte Kovacs, das wisse er.
Sie rekapitulierten den frustrierenden Ermittlungsstand im Fall Elvira Helbich, all die Nullergebnisse: Schulkolleginnen, Lehrerin, Familie, Suchhunde, zuletzt die Uferabschnitte. Alles, was einigermaßen zugänglich war, hatte man durchkämmt: keine Gegenstände, keine Fasern, keine Schleifspuren. »Irgendjemand hat sie«, sagte Kovacs.
»Oder irgendjemand hat sie getötet.«
Ihm müsse sie schließlich keine Märchen über die Mortalitätswahrscheinlichkeiten außerhalb von Mexiko erzählen, sagte sie.
Kovacs bog nach rechts in Richtung Mooshaim ab. »Ich bin nicht mehr deprimiert«, sagte Bitterle. Außerdem habe sie gesagt, er brauche ihretwegen die Route nicht zu verlängern. Er mache es auch nicht ihretwegen, erwiderte er. »Sondern?«, fragte sie.
»Für mich. Ich mag das Gefühl, eine volle Runde um den See gefahren zu sein, und ich rede gern mit dir.«
Er erzählte von Charlotte, von ihrer Lebensfreude, von der Genauigkeit, mit der sie ihre Freunde auswählte, und von der Sturheit, die sie immer schon gehabt hatte. Er sprach davon, wie überraschend es für ihn gewesen war, als sie nach einem Besuch vor vier Jahren plötzlich beschlossen hatte, bei ihm zu bleiben, wie er sich darüber gefreut hatte und wie ihm erst mit der Zeit klar geworden war, dass in der Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern weder Verpflichtung noch Dankbarkeit brauchbare Kategorien darstellten. »Und jetzt macht sie meine Arzttermine aus«, sagte Kovacs.
»Und du hast Angst um sie.«
»Wie kommst du darauf?«
»Man merkt es. Wir sprechen mit einem Vater, dessen Tochter verschwunden ist, und du bekommst Angst um die deine.«
Zwischen Mooshaim und Leonsberg war die Abzweigung zur Burg ausgeschildert — Flüchtlingsbetreuungszentrum der Jugendhilfe, in Schwarz auf grünem Grund. Kovacs dachte an die Herren vom Sicherheitsdienst, an den Kopfverband des einen und an die herrschaftliche Selbstverständlichkeit, mit der sie sich in Leftis Gastgarten breitgemacht hatten. Er dachte an den Raster in seinem Notizbuch, in den er Aktion 18, Zwillenkugel und mit der Zeit verliert es sich geschrieben hatte. Schließlich dachte er daran, dass er ins Zentrum die Hölle geschrieben hatte und dass schräg darüber die Ordensfrau stand. Er stieg auf die Bremse und griff an Leonore Bitterles Oberarm. Sie erschrak. »Was ist?«, fragte sie.
»Jetzt weiß ich es wieder.«
»Was weißt du wieder?«
»Was ich heute früh den Arzt noch fragen wollte.«
Wieso ihm das jetzt einfalle, fragte Bitterle. Weil er an die Hölle gedacht habe.
Er blieb an der Abzweigung eines Feldwegs stehen und suchte im Netz nach der Nummer des Internisten. Die Ordinationshilfe hob ab. »Liebe Kerstin, dürfte ich den Doktor sprechen«, sagte er. Sie fragte, woher er denn wisse, dass sie Kerstin heiße, und er sagte, für ihn sei das leicht, er sei Kriminalbeamter. Sie lachte und stellte ihn durch.
Er wisse, die Frage klinge seltsam, sagte Kovacs, aber auf welchem Weg, abgesehen von einem Gewaltakt, könne Katzenfutter in die Luftröhre und Bronchien eines Menschen gelangen. Der Arzt zögerte. Es gebe Menschen am Rand unserer Gesellschaft, sagte er schließlich, die seien gezwungen, ernährungstechnisch auf alles zurückzugreifen, was sich anbiete. Katzenfutter sei billig, und mit ein wenig Fusel bringe man es wahrscheinlich auch runter. Wenn jemand in so einer Situation erbreche, weil er sich zum Beispiel auf Grund seiner Obdachlosigkeit heftig betrunken habe, könne Katzenfutter durch Aspiration in die Bronchien gelangen. In Wahrheit sei das aber ein reines Gedankenspiel. Warum er diese Frage stelle. Weil Katzenfutter gewesen sei, wo eigentlich Fenchelrisotto hätte sein sollen, erwiderte Kovacs, das sei die Kurzfassung. Und wo genau hätte das Fenchelrisotto sein sollen, fragte der Arzt. In einer Klosterschwester, sagte Kovacs.
Mauritz stand mit ausgebreiteten Armen im Besprechungsraum und sprach über Waffen. Der Mann habe ihm unglaubliche Dinge gezeigt, sagte er, Armbrüste, Katapulte, Präzisionsbögen. Die Polizeiarbeit beschränke sich üblicherweise ja auf die Feuerwaffe und das Messer, ab und zu komme einem vielleicht eine Axt unter. Davon, was da in den Schränken der Menschen an mechanischen Distanzwaffen vorhanden sei, habe man keine Ahnung.
Kovacs und Bitterle setzten sich. »Von wem spricht er?«, fragte Kovacs. »Von diesem Waffen- und Fischerei-Schorsch«, raunte ihm Demski zu, er glaube, Mauritz habe einen halben Tag in seinem Geschäft verbracht.
Die Treffgenauigkeit und Durchschlagskraft einer modernen Armbrust oder eines Wettkampfbogens sei enorm, und wenn man die Geräuschlosigkeit dieser Geräte ins Kalkül ziehe, müsse man sich wundern, dass mit ihnen nicht mehr angerichtet werde. Das Interesse der Käuferschaft wachse jedenfalls nach wie vor, was für den Geschäftsmann erfreulich sei, für den Kriminalpolizisten vielleicht weniger. »Worauf schießen die Leute?«, fragte Sabine Wieck. Er nehme an, auf Scheiben, antwortete Mauritz, und Demski sagte, er wisse zum Beispiel nicht, wie das Reh, aus dem das Filet stamme, das er am Wochenende gegessen habe, zu Tode gekommen sei. Bitterle boxte ihn in die Seite. »Du bist so arg«, sagte sie.
»Habt ihr auch übers Karpfenfischen gesprochen? Oder über die Fragwürdigkeit von Pfeil und Bogen als Kinderspielzeug?«, fragte Kovacs. Nein, sagte Mauritz, das hätten sie nicht, aber er habe die Botschaft verstanden. »Es waren zwei«, sagte er.
Schorsch Steiner habe sich sofort erinnert. Es sei vor drei, vier Wochen gewesen. Die beiden jungen Männer — schlank, mittelgroß, der eine blond mit Kappe, der andere dunkel mit Bart, ein orientalischer Typ — seien erst langsam durchs Geschäft gegangen und hätten sich diverse Dinge angeschaut, Leichtzelte, faltbare Jagdhocker, Luftdruckgewehre. Bei den Dolchen hätten sie sich länger aufgehalten, das sei ihm aufgefallen, bei den gefakten, verstehe sich, die teuren mit den echten Damaszenerklingen habe er im Büro unter Verschluss. Schließlich sei der Dunkle auf ihn zugekommen, habe ein Y in die Luft gezeichnet und irgendwas von shot gesagt. Er habe vermutlich ziemlich begriffsstutzig dreingeschaut, denn der Blonde habe sich zu ihm gewandt und so getan, als würde er mit einer Steinschleuder auf ihn anlegen. »Slingshot«, habe er gesagt, das heiße Steinschleuder auf Englisch, und er habe gesagt, dieses Wort habe er noch nie gebraucht. Sie hätten zwei Schleudern gekauft, Kunststoffzwillen mit Armstütze, für jeden eine. Auf die Frage, worauf sie schießen wollten, habe ihn der Blonde mitleidig angeschaut und retour gefragt, ob er sich eine andere Antwort erwarte als: auf Blechdosen. Sie hätten noch zwei Packungen Zwillenkugeln, je zweihundert Stück, genommen, bar bezahlt und seien abgezogen. Er wisse, habe Schorsch Steiner gesagt, dass er eigentlich einen Ausweis hätte verlangen müssen, aber so gut ginge das Geschäft auch nicht, und die beiden seien mit Sicherheit nahe achtzehn gewesen. Er habe natürlich gefragt, ob er die Burschen wiedererkennen würde, erzählte Mauritz, und Schorsch Steiner habe gesagt, ja, sofort, den Dunklen an seiner Blässe und den Blonden daran, dass er so ausgezehrt gewirkt habe. Vielleicht trage er auch wieder seine Stanford-University-Baseballkappe.
»Ein Blonder und ein Dunkler«, sagte Kovacs, über so viele Details freue sich der Kriminalpolizist. Die gleiche präzise Beschreibung habe er unlängst erst gehört. Es falle ihm nur momentan nicht ein, wo.
Er solle nicht ungerecht sein, eine Stanford-University-Kappe, das sei doch was, sagte Mauritz. Kovacs brummte etwas von »glauben oder nicht«, dann fragte er, woran sein Freund Schorsch so eine Kappe überhaupt erkenne. »Weil es draufsteht«, sagte Mauritz. Er habe übrigens beschlossen, sich ein wenig eingehender dieser Art von Waffen zu widmen. Er habe den Eindruck, darüber sei kaum etwas bekannt.
Mauritz war fertig. Kovacs erhob sich ächzend und trat ans Whiteboard. »Was ist los mit dir?«, fragte Demski. Kovacs sagte, er sei beim Arzt gewesen und wisse jetzt, dass er ein alter Mann sei. Er nahm einen grünen Marker und begann Linien zu ziehen. Dann schrieb er ein Wort auf: Slingshot.
Jemand räusperte sich. Er drehte sich um. Es war Petra Lindström. Sie hatte zusätzlich die Hand gehoben. »Sind wir hier in der Schule?«, fragte er. Nein, sagte sie, aber sie komme sich blöd vor. Erstens sei sie als Uniformierte nur Gast hier, und zweitens stehe sie offenbar seit kurzem auf irgendeiner Kontaktliste des Krankenhauses. Diesmal sei sie von einer Oberärztin der Psychiatrie angerufen worden. Bei ihnen liege ein Mann, dem sei nach einem spätabendlichen Lokalbesuch in der Nähe der Uferpromenade die Kopfhaut aufgeschnitten worden, von vorne bis hinten, so als wolle man ihm links und rechts den Skalp abziehen. In seinen fragmentarischen Erinnerungen habe der Mann von einem Siegelring gesprochen und von vier Gestalten mit Kapuzen. Sie habe gefragt: »Nach einer Lokaltour?«, und die Oberärztin habe gesagt, ja, Trunkenheit bewahre einen nicht davor, dass einem Schlimmes widerfahre. Sie wolle eigentlich nur fragen, ob das jemanden aus der Kollegenschaft interessiere oder ob sie fahren solle, sagte Lindström. »Du sollst fahren«, sagte Demski, »wenn du schon auf einer Liste stehst.« Lindström lachte und zeigte ihm den Mittelfinger.
Kovacs stand vor dem Whiteboard und rührte sich nicht. »Ist etwas?«, fragte Bitterle. Er hob abwehrend die Hand. An manchen Tagen kam es mehrmals hintereinander: Etwas streifte einen, und man kriegte es nicht zu fassen.