„Ich denke nicht, dass Dupree noch zu uns stoßen wird. Als ich gegangen bin, hat er sich ein Video vom heutigen Ultraschalltermin angesehen, das ihm Sarah geschickt hat. Er war so gefesselt und gerührt, dass ich schnell das Weite gesucht habe. Ich musste nämlich befürchten, dass er gleich in Tränen ausbricht vor lauter Rührung.“
„Als ob du bei der Geburt deines Kindes nicht in Tränen ausgebrochen bist, Quinn!“
„Natürlich habe ich geflennt, als Brody geboren wurde. Wie ein Baby habe ich geheult, um genau zu sein, aber das haben nur Bryce und die Hebamme mitbekommen – nicht meine Teamkollegen“, entgegnete Quinn Atherton, legte die Karten verdeckt auf den Tisch vor sich und warf fünf Dollar in die Mitte des Tisches. „Ich gehe mit und erhöhe um fünf.“
„Ich gehe auch mit.“ Hunter Stone legte ebenfalls fünf Dollar auf den Tisch und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Unter uns: Als Joanie geboren wurde, habe ich Rotz und Wasser geheult und der Coach hat es natürlich miterlebt. Aber weil er ebenfalls ganz feuchte Augen bekommen hat, als er seine Enkelin im Arm hatte, war das ausgleichende Gerechtigkeit.“
„Ich bin draußen.“ Ian Carlisle warf seine Karten auf den Tisch und seufzte resigniert. „Sobald ich Taylor in der Kirche auf mich zugehen sehe, werde ich vermutlich auch ein bisschen flennen. Hochzeiten machen mich immer emotional – bei meiner eigenen wird es vermutlich am schlimmsten sein!“
„Auf Grahams Hochzeit warst du stockbesoffen und hast mit seiner Grandma den Macarena getanzt“, erinnerte Al ihn mit einem Brummen. „Ich dachte schon, einer von uns müsste einschreiten, weil sie dir an die Wäsche wollte! Besonders emotional war das nicht.“
„Echt – das war peinlich, Mann“, stimmte ihm Blake zu, der ebenfalls mitging und fünf Dollar auf den Tisch warf. „Du hast auch nicht den Eindruck gemacht, dich ungern von ihr befummeln zu lassen.“
„Grandmas lieben mich einfach. Ich kann nichts dafür“, behauptete Ian und schaukelte zufrieden auf den beiden Hinterbeinen seines Stuhls. „Grahams Großmutter muss in ihrer Jugend ein heißer Feger gewesen sein.“
„Könnten wir bitte aufhören, über meine Granny zu reden? Sie ist über achtzig!“
Ian ignorierte ihn und prostete stattdessen bedeutungsvoll Al mit seiner Flasche Light Bier zu. „Jetzt wissen wir zumindest, von wem deine Freundin ihre wilde Art geerbt hat.“
Hawke schaute zwischen seinen Teamkollegen hin und her und hatte Mühe, sich neben der Partie Poker auf all die Informationen zu konzentrieren, die er als Neuling im Team noch nicht kannte. Zwar hatte er bereits aufgeschnappt, dass der Center Al Rory mit Graham Carters Schwester zusammen war, aber er hatte nicht gewusst, dass sie ein heißer Feger mit einer wilden Art sein sollte. Ein wilder Feger wollte nicht so recht zu dem stillen Riesen Al passen, der ein exzellenter Footballspieler war und vor allem dadurch auffiel, ein Mann weniger Worte zu sein. Wie es aussah, zogen sich Gegensätze in manchen Fällen wirklich an.
Auch jetzt sagte Al nicht viel, sondern brummte eine Erwiderung und schaute Ian mit gerunzelter Stirn an. Der nuckelte weiterhin entspannt an seiner Bierflasche.
Räuspernd warf Hawke ebenfalls einen Fünfer auf den Tisch. „Apropos Hochzeit: Trinkst du etwa Light Bier, um in dein Hochzeitskleid zu passen, Carlisle?“
Gut gelaunt grinste der zukünftige Bräutigam, der in ein paar Wochen vor den Traualtar treten wollte. Woher Hawke das wusste? Ian kannte fast kein anderes Thema und erzählte jedem, der es hören wollte, und auch denen, die es nicht hören wollten, von seinem großen Tag.
„Eigentlich trinke ich nur deshalb ein Light Bier, um euch ein gutes Vorbild zu sein. Ein paar von euch sind ziemlich mopsig geworden, seit es im Verein diesen Eiswagen gibt. Vielleicht solltet ihr der neuen Diätassistentin hin und wieder einen Besuch abstatten.“
Hawke schenkte ihm einen langen Blick, denn ihn konnte Ian nicht gemeint haben. Sein Gewicht war konstant, sein Körperfettanteil lag in einem exzellenten Bereich und bei seiner Ernährung gab es keine Ausnahmen. Auch jetzt trank er Wasser, obwohl er sich nach einem harten Trainingstag ein Bier oder auch zwei verdient hätte.
Ganz offensichtlich fühlte sich Blake von Ians Bemerkung auf den Schlips getreten, weil er sich prompt mit ihm darum stritt, wer von beiden den besseren Körper besaß.
Konnte es noch schräger werden?
Diese Diskussion führten sie auch Minuten später, als Al die Partie für sich entschieden hatte und mit zufriedener Miene das Geld an sich nahm. Währenddessen überlegte Hawke, ob er seine Teamkollegen verlassen und sich in die Blockhütte zurückziehen sollte, die er sich mit Owen Adams teilte. Mit seinem derzeitigen Mitbewohner war er ziemlich zufrieden, schließlich war Owen ordentlich, schnarchte nicht und hinterließ im Badezimmer keine Überschwemmung. Trotzdem hatte Hawke noch keine große Lust, sich für heute zurückzuziehen. So ein außerplanmäßiges Trainingslager fernab der Heimat war zwar effektiv, wenn es um Trainingseinheiten und den Teamgeist ging, aber es konnte auch verdammt langweilig werden.
Hier in der Abgeschiedenheit von Ost-Texas gab es keine Ablenkung. Sie waren fast die ganze Woche in dieser Trainingseinrichtung und wohnten zu zweit in verstreuten Blockhütten, die an ein Ferienlager für Kinder erinnerten. Zwar forderten das anstrengende Training und die stundenlangen Taktikbesprechungen ihren Tribut, aber das hieß nicht, dass sie abends ins Bett fielen und sofort einschliefen.
Nein, an den Abenden wussten die meisten von ihnen nichts mit sich anzufangen.
Deshalb spielten Hawke, Blake, Ian, Al, Graham und Quinn heute ein paar Runden Poker in der Gemeinschaftshütte.
Gerade als Hawke mit dem Gedanken spielte, sich von den anderen zu verabschieden, öffnete sich die Fliegengittertür zur Hütte und Izzie betrat den Raum. Mit ihr hatte Hawke nicht gerechnet. Wieso er sich augenblicklich aufrecht hinsetzte, wusste er nicht. Er wusste nur, dass er nicht die Augen von ihr nehmen konnte, wie sie mit den kurzen Trainingshosen, die ihre langen, schlanken Beine betonten, dem übergroßen Hoodie und den Flipflops an ihren Füßen vor ihm stand und ihnen zur Begrüßung zuwinkte, bevor sie zum Automaten ging, der an der entgegengesetzten Wand angebracht war und allerhand Snacks anbot.
Obwohl er sich große Mühe gab, ihr nicht hinterherzustarren, konnte Hawke verfolgen, wie sie eine Dose Limonade und eine Tüte Chips aus dem Automaten fischte. Als sie sich nach unten beugte, um die beiden Sachen an sich zu nehmen, wurde seine Kehle trocken, schließlich präsentierte sie ihm dabei ihren Hintern, der von den kurzen Shorts kaum bedeckt wurde. Dass er nicht aufhören konnte, sie anzustarren, lag nicht nur an ihren Beinen, sondern auch daran, dass sie ihr rotes Haar heute Abend offen trug. In weichen Wellen fiel es ihr über den Rücken und rahmte ihr ebenmäßiges Gesicht ein. Es sah so weich aus, dass Hawke es am liebsten berührt hätte und mit den Fingern hindurchgefahren wäre. Trotz ihrer sportlichen Aufmachung und der schwarzen Hornbrille, die auf ihrer schmalen Nase saß, war Izzie femininer als jede andere Frau, die er kannte.
Seine Kehle wurde trocken, als sie mit ihrer Beute, die sie sich unter den Arm geklemmt hatte, zu dem Tisch schlenderte, an dem er und die anderen saßen.
„Hallo, die Herren. Wer gewinnt?“
„Das wird sich erst noch zeigen“, entgegnete Graham vergnügt und warf ihr einen alarmierten Blick zu. „Bist du hier, um die Sperrstunde durchzusetzen?“
Beim Klang ihres heiseren Lachens breitete sich feurige Wärme in Hawkes Unterleib aus.
„Nein, ich wollte mir nur eine Kleinigkeit am Automaten ziehen.“ Wie selbstverständlich lehnte sie sich mit der Hüfte gegen den Tisch. „Solange ihr morgen fit genug für die nächste Trainingseinheit seid, dürft ihr gern bis in die Nacht Poker spielen.“ Bedeutungsvoll starrte sie zu Blake. „Ich weiß ja, dass ihr es auskosten wollt, für ein paar Tage nicht zu Hause zu sein und unter der Fuchtel eurer lieben Frauen zu stehen.“
Wie nicht anders zu erwarten, wurde Blake knallrot, schließlich hatte heute jeder beim Abendessen mitbekommen, dass er am Telefon geradezu panisch versucht hatte, seine Ehefrau zu beschwichtigen, weil die auf hundertachtzig gewesen war, nachdem Blake vergessen hatte, die Spülmaschine anzustellen, bevor er nach Texas aufgebrochen war. Wie es aussah, war Madison heute von einem Kurzurlaub nach Hause gekommen und hatte feststellen müssen, dass ihr Ehemann einen Saustall hinterlassen hatte, als er New York verlassen hatte. Ihnen allen war klar, dass er zu Kreuze kriechen musste, sobald er wieder nach Hause kam.
Offenbar dachte Ian gerade das Gleiche wie er, weil er schadenfroh kicherte: „In deinen Schuhen will ich momentan nicht stecken, Blake.“ Er lehnte den Kopf zurück und blinzelte zu Izzie hoch. „Willst du dich zu uns setzen und mitspielen? Wir erklären dir auch die Regeln, wenn du magst.“
Das war ein großer Fehler, denn Hawke kannte niemanden, der so gut Poker spielte wie Izzie. Als er das erste Mal mit ihr gespielt hatte, war er ebenfalls in männlicher Selbstherrlichkeit davon ausgegangen, dass eine Frau keine Ahnung von Poker haben konnte, und hatte ihr erklärt, wie das Spiel funktionierte. Sie hatte ihn voll und ganz abgezogen und ihm alles Geld aus der Tasche gezogen, das er bei sich getragen hatte. Erst danach hatte sie ihm vergnügt unter die Nase gerieben, dass sie von ihrem Großvater bereits mit zehn alles übers Pokern gelernt hatte.
Ja, Hawke war voll auf ihre Masche reingefallen, und er sah nicht ein, warum er Ian und die anderen um dieses Vergnügen bringen sollte.
„Lieber nicht“, wehrte sie in unsicherer Kleinkindmanier ab und nagte nervös auf ihrer Unterlippe herum. „Das habe ich noch nie gespielt. Ist es so ähnlich wie Skat?“
Hawke fand, dass sie ein bisschen sehr übertrieb, aber seine Teamkollegen fielen voll darauf herein. In ihren Gesichtern konnte er lesen wie in einem Buch, und es war klar, dass sie in Izzie das perfekte Opfer sahen und glaubten, sie abziehen zu können.
Er lehnte sich zurück und genoss die Show, für die Izzie einen Oscar verdient hätte. Sie stellte alberne Fragen, hielt die Karten wie eine Anfängerin in den Händen, brauchte ewig, um sich zu entscheiden, und wirkte hypernervös. Und dennoch gewann sie mühelos die erste Runde mit einem Full House, wobei Ian ihr erst einmal erklären musste, dass sie gewonnen hatte, weil sie ein Full House gelegt hatte, und was ein Full House überhaupt war.
Bei der zweiten Runde, die sie ebenfalls gewann, schob sie es aufs Anfängerglück .
Auch die dritte Runde gewann sie und beschuldigte die anderen, sie absichtlich gewinnen zu lassen.
Erst bei der vierten Runde, die Izzie schon wieder für sich entschied, wurden die anderen misstrauisch.
Blake hatte die Stirn gerunzelt und fixierte Izzie, die fröhlich die Dollarnoten einsammelte, die sie jetzt ihr Eigen nannte. „Hast du wirklich noch nie Poker gespielt?“
„Natürlich habe ich das“, entgegnete sie vergnügt. „Am College habe ich mir damit meinen Springbreak in Mexiko finanziert.“
Prompt keuchten seine Teamkollegen empört auf und richteten ihre Blicke anklagend auf ihn.
„Wusstest du davon?“
„Natürlich“, antwortete er gelassen und nahm einen Schluck von seinem Wasser.
Graham klappte der Mund weit auf. „Wieso hast du nichts gesagt?“
Hawke zuckte mit den Schultern. „Wieso sollte ich? Mich hat sie bei unserem ersten Spiel auch völlig abgezogen. Heute wart ihr dran.“
„Konspirierst du etwa mit deiner Ex-Frau gegen uns?“ Quinn starrte ihn fassungslos an. „Das verstößt gegen den Ehrenkodex unter Männern, Reynolds!“
Izzie gluckste auf und antwortete an seiner Stelle: „Eine Konspiration gegen euch ist völlig unnötig, Jungs. Ihr spielt nämlich ziemlich bescheiden und seid leicht zu schlagen.“
„Noch eine Runde“, beschied Ian fest entschlossen an Izzie gewandt. „Aber dieses Mal sind wir gewappnet und wissen, worauf wir uns bei dir einlassen!“
„Seid ihr sicher?“ Sie lächelte sie nachsichtig an. „Ich will euch nicht noch mehr Geld aus den Taschen ziehen.“
Eine solche Herausforderung konnten Footballspieler natürlich nicht auf sich sitzen lassen, schließlich waren sie von Natur aus ehrgeizig. Die armen Teufel.
Hawke hätte ihnen fast geraten, es lieber sein zu lassen.
Dieses Mal schienen sie tatsächlich fest entschlossen zu sein, Izzie zu schlagen, und sie hofften, das zu schaffen, indem sie sie aus der Reserve locken wollten und Blödsinn laberten, um sie abzulenken. Da mussten sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen, denn Izzie zuckte nicht einmal mit der Wimper, als Quinn und Graham wilde Spekulationen über einen Film anstellten, in dem ein Paar auf Tuchfühlung ging und ziemlich explosiven Sex hatte und über den nun alle Welt rätselte, ob die Szenen gespielt oder echt wären.
Ihre Taktik schien gewaltig in die Hose zu gehen, weil Al, Blake und Ian ihnen andächtig zuhörten und dabei die Chips verdrückten, die Izzie aus dem Automaten gezogen hatte. Aufs Spiel konzentrierten sie sich nicht mehr besonders.
Hawke verdrehte die Augen. „Könnten wir bitte das Thema wechseln? Wenn ich wissen will, was in dem Film passiert, sehe ich ihn mir an und muss ihn mir nicht von euch Komikern nacherzählen lassen.“
„Wieso bist du so gereizt?“ Blake starrte ihn verständnislos an.
Er war gereizt, weil Izzie neben ihm saß und er nicht nur ihre nackten Beine in Reichweite hatte, sondern weil sich auch ihre Brüste an den Stoff ihres Hoodies schmiegten, während Quinn und Graham nichts anderes zu tun hatten, als ihnen haarklein zu berichten, was in diesem Porno passierte und in welcher Szene welche Stellung gezeigt wurde.
Das konnte er natürlich nicht zugeben, also brummte er lediglich: „Weil wir eigentlich in Ruhe pokern wollten und weil ihr den ganzen Tisch vollkrümelt.“
Großzügig hielt Ian ihm die Tüte mit Izzies Chips hin. „Willst du auch welche?“
Bevor er antworten konnte, erklärte Izzie wie die Ruhe selbst: „Chips mag er nicht. Die isst er nicht mehr, seit er als Teenager davon kotzen musste. Bei Schokolade oder Kuchen wird er schwach und kann nur schlecht Nein sagen. Ich erhöhe um fünfzig. Wer geht mit?“
Die anderen stockten für einen Moment – genauso wie Hawke. Sie erhöhte um fünfzig? Entweder hatte sie ein verdammt gutes Blatt oder sie bluffte.
Dummerweise konnte Hawke an ihrer Miene nichts erkennen. Ihr Pokerface war dazu viel zu gut.
„Ich bin raus“, entgegnete er daher resigniert und warf seine Karten auf den Tisch.
Quinn, Al, Blake und Ian machten es ihm nach und brummten dabei irgendwelche Flüche vor sich hin.
„Du bluffst doch nur“, warf Graham ihr vor und musterte sie durchdringend.
„Bist du dir sicher?“, fragte sie liebenswert nach.
Die Rädchen im Kopf des Wide Receivers ratterten und ratterten. „Ja, ich bin mir sicher. Ich gehe mit.“ Er warf fünfzig Dollar auf den Tisch. „Du kannst nicht schon wieder ein gutes Blatt auf der Hand haben. Du musst einfach bluffen.“
„Wenn das so ist …“ Sie schob weitere einhundert Dollar über den Tisch. „Warum erhöhen wir dann nicht den Einsatz?“
Graham stockte und blinzelte verwirrt. Er war bei Weitem nicht so gut darin, sein Pokerface zu bewahren wie Izzie, der tatsächlich nicht anzusehen war, was sie dachte oder ob sie nervös war.
Sein Teamkollege schluckte und runzelte nachdenklich die Stirn, bis er nach einer gefühlten Ewigkeit stöhnte und seine Karten auf den Tisch warf. „Ich bin raus.“
Seine Kumpel protestierten, aber Graham schüttelte den Kopf. „Keine Chance, Jungs, sie hat mir fast mein ganzes Geld aus der Tasche gezogen! Ich höre lieber auf, bevor es total peinlich wird.“
„Dafür ist es schon zu spät“, erwiderte Hawke trocken und nickte Izzie fragend zu. „Was hattest du auf der Hand?“
„Nichts.“ Fröhlich legte sie ihre Karten hin und schob den Haufen Geldscheine zu sich. „Rein gar nichts.“
Hawke gluckste vor sich hin, während Graham fassungslos protestierte.
„Du hast ja doch geblufft! Ich habe es geahnt.“ Fast hätte er sich die Haare gerauft. „Seit wann können Frauen so gut bluffen, verdammt noch mal?“
„Das haben wir im Blut“, erwiderte Izzie gelassen und sammelte völlig abgebrüht die Geldscheine ein, die sie soeben gewonnen hatte. „Wir sind Meisterinnen darin, Männern etwas vorzutäuschen, schließlich müssen wir euch auch in schöner Regelmäßigkeit einen Orgasmus vorspielen.“
Plötzlich war es mucksmäuschenstill.
Hawke erstarrte förmlich und schaute zu Izzie, die seelenruhig am Tisch saß und ihr Geld zählte. Was zum Teufel meinte sie denn damit ?
„Was?“ Blake stotterte förmlich. „Was meinst du damit?“
Sie verdrehte die Augen, als müsste sie einem Teenager erklären, dass es den Weihnachtsmann nicht gab. „Ich meine damit, dass jede Frau schon einmal einen Orgasmus vorspielen musste – mehr als einmal, um genau zu sein.“
Quinn schnappte nach Luft. „Also meine Frau hat mir noch nie einen Orgasmus vorgespielt! Die waren alle echt.“
„Bei meiner Frau auch! Ich wüsste doch, wenn Madison mir einen Orgasmus vorspielen würde!“ Das kam von Blake, der völlig empört war und ein knallrotes Gesicht bekommen hatte.
Izzie kicherte und stopfte sich das Geld in die Tasche ihres Hoodies. „Aber sicher!“
Ian räusperte sich und legte den Kopf schief. „Hast du denn schon einmal einen Orgasmus vorspielen müssen?“
Zu Hawkes Erschrecken, schaute Izzie ihm ins Gesicht, lächelte breit und wiederholte geradezu genüsslich: „Aber sicher.“
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„Wann hast du mir jemals einen Orgasmus vorspielen müssen?“
Isabelle verdrehte die Augen und wollte von Hawke wissen, der auf der Türschwelle ihrer Hütte stand: „Was tust du denn hier?“
Spöttisch zog er eine Augenbraue in die Höhe. „Denkst du, du kannst so eine Bombe platzen lassen, ohne dass ich eine Erklärung will? Also? Wann hast du mir jemals einen Orgasmus vorgespielt?“
Ihre Mundwinkel zuckten, denn es war elf Uhr abends und die Lichter in den anderen Hütten waren längst erloschen. Morgen stand ihnen ein anstrengender Tag bevor, aber Hawke stand vor ihrer Tür, um herauszufinden, ob sie die Wahrheit gesagt oder ihn angelogen hatte. Männer waren so durchschaubar. „Das beschäftigt dich wirklich?“
Hawke schob das Kinn vor. „Wann, Izzie?“
Es fiel ihr schwer, angesichts seines strengen Gesichtsausdrucks nicht die Fassung zu verlieren und in lautes Gelächter auszubrechen. „Ich denke nicht, dass ich mich an alle Gelegenheiten erinnere, aber …“
„Mehr als einmal?!“ Ihm entgleisten die Gesichtszüge und seine grünen Augen, die im fahlen Licht der Außenbeleuchtung dunkler waren als normalerweise, rundeten sich in absolutem Unglauben. Vielleicht war es auch Fassungslosigkeit. Auf jeden Fall wirkte er geschockt. „Du bist bei mir mehr als einmal nicht gekommen?“
Seufzend schaute sie an die Decke. „Ich habe nicht mitgezählt, falls du genaue Zahlen haben willst, aber …“
„Du verscheißerst mich doch, Izzie“, unterbrach er sie sichtlich schockiert und raunte ihr entrüstet zu: „Ich hätte es gemerkt, wenn du nicht gekommen wärst!“
Geradezu gewaltsam presste sie die Lippen aufeinander, um das Zucken ihrer Lippen zu verbergen. Anscheinend verletzte die Tatsache, dass er sie nicht jedes Mal zum Orgasmus gebracht hatte, seinen Stolz.
Anstatt ihn darüber zu informieren, dass sein letzter Kommentar absoluter Unsinn war, seufzte sie auf und erklärte freundlich: „Es ist elf Uhr und ich wollte gerade schlafen gehen, Hawke.“ Sie rieb über ihre nackten Oberarme. „Außerdem wird es draußen ziemlich frisch.“
„Gut. Wir können drinnen weiterreden“, entschied er und schob sich an ihr vorbei, bevor sie ihn davon abhalten konnte, ihre Hütte zu betreten.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Tür zu schließen, sich zu ihm umzudrehen und die Arme vor ihrer Brust zu verschränken.
Er stand mitten im Raum und füllte diesen mit seiner ungeheuren Präsenz aus, obwohl die Hütte ziemlich geräumig war. Hawke ließ sie jedoch schlagartig viel kleiner wirken.
Da Isabelle nach der Pokerrunde geduscht und sich bettfertig gemacht hatte, stand sie ihm lediglich in einer langen Pyjamahose und einem Trägertop gegenüber und war sich bewusst, dass sie darunter keine Unterwäsche trug. Er dagegen war noch immer vollständig bekleidet und musste sich keine Gedanken darum machen, dass sie seine harten Nippel unter dem zarten Stoff des Spaghettiträgertops erkennen konnte.
„Du hast ja einen Fernseher in deinem Zimmer.“ Typisch Mann musterte er den schlichten Fernseher, auf dessen Bildschirm gerade ein Serienmörder mit Kettensäge sein Unwesen trieb.
Obwohl die Lautstärke nicht besonders laut war, schnappte sich Isabelle die Fernbedienung und schaltete den Ton aus. „Das sind die Privilegien der Coaches. Wir haben eine Glotze auf dem Zimmer, ihr überbezahlten Spieler nicht.“
Hawke nahm keinen Anstoß an ihrer Bemerkung, sondern fragte amüsiert nach: „Wieso wundert es mich nicht, dass du dir einen Horrorfilm ansiehst?“
„Weil ich absolut berechenbar bin.“ Mit ihren verschränkten Unterarmen bedeckte sie ihre Nippel und rümpfte die Nase. „Andere schauen sich Renovierungsvideos oder Übertragungen aus afrikanischen Nationalparks an, um sich zu entspannen und runterzukommen. Ich brauche dazu Horrorfilme.“
Er lächelte schief. „Wenn du nicht so niedlich wärst, müsste man ja eine Todesangst vor dir haben.“
Er fand, dass sie niedlich war?
Ein warmer Schauer floss ihr über den Rücken und setzte ein Kribbeln auf ihrer Haut frei.
Wenn Isabelle ihn nicht schnellstmöglich loswurde, saß sie in der Patsche.
„Kommen wir doch zu dieser Orgasmusdebatte zurück.“ Sein Lächeln hatte etwas Wölfisches an sich, das ihr zuflüsterte, auf der Hut zu sein.
Als er zwei Schritte auf sie zu machte, wollte Isabelle automatisch zwei Schritte zurückgehen, verkniff sich dies jedoch, um ihm nicht zu zeigen, dass er sie nervös machte.
Gespielt desinteressiert und gelangweilt konterte sie: „Was genau willst du denn wissen?“
„Ach, ich weiß auch nicht.“ Hawke rieb sich gedankenverloren über sein breites Kinn und sah ihr dabei mit einem heißen Blick in die Augen. „Wie kommt es, dass du heute behauptest, ich hätte dich nicht zum Orgasmus gebracht, obwohl ich mich verdammt gut daran erinnern kann, wie du unter mir und auch über mir gezittert, gestöhnt und geschrien hast, wenn du gekommen bist? Habe ich mir das alles nur eingebildet?“
Isabelle schnalzte mit der Zunge. „Ich habe nicht gesagt, dass ich immer einen Orgasmus vortäuschen musste. Manchmal hast du deine Aufgabe ganz gut erledigt.“
„Manchmal?“, echote er krächzend. „Ganz gut ?“ Beinahe hätte sich seine Stimme überschlagen.
Sie verdrehte die Augen und erklärte in atemlosem Entzücken: „Du warst der beste Liebhaber, den ich jemals hatte. Nach dir hat es niemand geschafft, mich auch nur annähernd die Dinge fühlen zu lassen, die du in mir erweckt hast. Bist du zufrieden? Können wir dieses alberne Gespräch jetzt beenden?“
„Ich glaube dir nicht“, brummte er trotzig. „Das sagst du nur, um mich loszuwerden.“
Eigentlich wollte sie ihn loswerden, weil das Terrain, das sie hier beschritten, gefährlich wurde.
Sie war kaum bekleidet, er war in seiner Empörung zum Anbeißen, die Rede war ständig von Orgasmen und direkt hinter ihm stand ein Bett. Dazu kam die Tatsache, dass sie beide sich in den vergangenen Wochen kein einziges Mal gestritten hatten und erstaunlicherweise verdammt gut miteinander auskamen.
Es fiel Isabelle erschreckend leicht, zu vergessen, dass sie Hawke einmal zum Teufel gewünscht hatte. Stattdessen fiel ihr immer öfter auf, wie heiß er aussah, wie gut er roch und wie intensiv der Blick war, mit dem er sie musterte.
„Ist es denn nicht egal, ob ich vor vierzehn Jahren mal einen Orgasmus vorgetäuscht habe?“ Sie zuckte mit den Schultern und achtete dabei darauf, dass ihr Oberteil nicht verrutschte. „Das ist eine Ewigkeit her, Hawke. Lass es gut sein.“
„Das kann ich aber nicht, Izzie. Ich kann es nicht.“ Seine Stimme war plötzlich heiser und rau und sein Blick richtete sich direkt auf ihren Mund. Und dann streckte er einfach die Arme aus, umfasste ihre Oberarme und zog sie an sich.
Ihr stockte der Atem, als sie sich an seinen Körper gepresst fühlte und die ungeheure Wärme spürte, die von ihm ausging. „Hawke …“
„Ich fürchte, ich muss beweisen, dass dir deine Erinnerung nur einen Streich gespielt hat“, flüsterte er gegen ihre Lippen, nachdem er den Kopf zu ihr hinabgesenkt hatte.
Sie wollte noch etwas sagen, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Stattdessen klopfte ihr Herz zum Zerspringen, während Hawke seinen Mund auf ihren presste und sie küsste.
Sein Mund war feucht und perfekt und schloss sich um ihren, berührte ihre Lippen und glitt über deren Konturen. Ihre Zehen krampften sich zusammen, als er sie eng an sich presste und ein heißer Schwall durch ihren gesamten Körper schoss. Das Kribbeln auf ihrer Haut verstärkte sich und ließ ihre Knie weich werden.
Isabelles Hände glitten über seinen Oberkörper, damit sie das Gleichgewicht nicht verlor und stolperte. Vielleicht wollte sie ihn auch einfach nur berühren. So genau konnte sie es nicht sagen.
Sie wusste nur, dass der Kuss ihr den Atem raubte.
Seine schlüpfrige Zunge glitt in ihren Mund, neckte ihre und vereinnahmte sie völlig. Ihr ganzes Sein konzentrierte sich auf die Berührung seiner Zunge und seines Mundes. Sein warmer Atem vermischte sich mit ihrem, als sie seine Berührungen nachahmte und sich ihm entgegen reckte.
Isabelle wollte ihn nah an ihrem Körper spüren. So nah wie möglich.
Zügellos erwiderte sie den Kuss und legte den Kopf schief, während sich ihre Finger in seine kräftigen Schultern bohrten. Gleichzeitig schmiegte sie sich an seinen harten Körper und erzitterte, als seine Hände über ihren Rücken fuhren, unter den Saum ihres Tops schlüpften und ihre nackte Haut liebkosten.
Sie erschauerte und stöhnte leise in seinen Mund.
Ihr ganzes Sein konzentrierte sich auf den Kuss und die Berührungen seiner Hände, die sich so stark, so heiß und so fordernd anfühlten. Ihre Haut glühte dort, wo er sie berührte. Nur mühsam bekam sie Luft, denn das Atmen fiel ihr schwer. Stattdessen war da eine alles umfassende Lust, die für nichts anderes Platz ließ. Isabelle stöhnte seinen Namen und hätte ihm beinahe in die Unterlippe gebissen, weil es nicht genug war.
Sie wollte mehr.
Ihr Körper wollte mehr.
Brennendes Verlangen überwältigte sie und sammelte sich in ihrer Mitte. Ihre Brüste wurden schwer und empfindlich. Wann immer ihre harten Nippel seine Brust berührten, erschauerte sie vor Leidenschaft. Isabelle kämpfte gegen den Drang an, sich an seinem Körper zu reiben und ihn einfach zu verschlingen. Fahrig glitten ihre Hände über seine Brust. Seine Muskeln zogen sich dort zusammen, wo sie ihn berührte, und das Gefühl, diese Macht über ihn zu besitzen, steigerte ihre Lust ins Unermessliche.
Auch er stöhnte ihren Namen und schlang die Arme fest um sie, während er ihren Mund verschlang.
Erst als sie seinen Mund auf ihren Brüsten spürte, bemerkte sie, dass sie auf dem Bett lag und sich Hawke über sie beugte. Er hatte den Ausschnitt ihres Tops nach unten gezogen und glitt mit seinen Lippen über ihre Haut. Als sie sich um ihren linken Nippel schlossen und ihn in seinen heißen, feuchten Mund zogen, stieß Isabelle einen kleinen Schrei aus.
Zum Glück lag ihre Hütte ziemlich abgelegen und weit entfernt von den anderen.
Dummerweise hatte dieser Gedanke etwas Ernüchterndes an sich.
Der Gedanke war tatsächlich so ernüchternd, dass sie ihre Hand auf Hawkes Hand legte, die gerade dabei war, in ihre Hose zu schlüpfen.
Er hob den Kopf und starrte sie aus vor Lust trunkenen Augen an. Verwirrt und schwer atmend forschte er in ihrem Gesicht. Auch Isabelle atmete schnell und hektisch, und sie verfluchte sich selbst, weil sie sich gerade etwas verwehrte, das ganz bestimmt verdammt gut gewesen wäre.
„Willst du etwa, dass ich aufhöre?“ Hawke klang so frustriert, wie sie sich fühlte.
Sie schluckte schwer und erwiderte mit einem Krächzen: „Das hier ist eine schlechte Idee, Hawke.“
Er atmete laut aus und ließ die Schultern nach unten fallen. „Ich weiß.“
Seine Reaktion enttäuschte sie ein bisschen, denn insgeheim hatte sie gehofft, dass er ihren Einwand ignorieren oder entkräften würde, indem er einfach weitermachte. Natürlich wollte sie, dass er aufhörte, weil Sex zwischen ihnen eine Katastrophe wäre. Und dennoch wollte ein kleiner Teil von ihr, dass er nicht aufhörte.
Isabelle verzog den Mund und ließ langsam seine Hand los. „Ich meine, es ist eine wirklich schlechte Idee. Wir … wir arbeiten miteinander.“ Wollte sie ihn damit überzeugen oder sich selbst?
„Ich weiß.“ Seine Antwort klang gequält. Ein weiteres Mal stieß er den Atem aus und starrte sie nachdenklich an, bevor er seine Hand vom Saum ihrer Pyjamahose wegzog und sich neben sie aufs Bett fallen ließ.
Dort lagen sie Seite an Seite und schauten an die Decke über sich, an der ein Ventilator hing. Sein Arm berührte ihren.
„Was machen wir hier eigentlich, Izzie?“ Das dunkle Timbre seiner Stimme klang verwirrt.
„Ich habe keine Ahnung“, antwortete sie ehrlich und zog den Ausschnitt ihres Tops nach oben, damit sie nicht halb entblößt neben ihm lag.
„Das ist mir noch nie passiert“, murmelte er, als spräche er zu sich selbst.
„Dass eine Frau während des Vorspiels ihre Meinung ändert?“
„Nein.“ Er räusperte sich und fuhr trocken fort: „Ich habe noch nie mit einem schmerzhaften Ständer neben meiner Ex-Frau im Bett gelegen, während in der Glotze einem Kerl mit einer Kettensäge der Fuß amputiert wird.“
Isabelle hob ein winziges Stück den Kopf und sah in Richtung Fernseher. Hawke hatte recht, was die Fußamputation anging. Was seinen Ständer betraf, wollte sie nicht nachsehen, ob er die Wahrheit gesagt hatte.
Die Situation war mit einem Mal so albern und komisch, dass sie sich die Hände vor den Mund hielt und lachen musste. Sie gluckste und ihre Schultern bebten. Hawke musste sie für übergeschnappt halten.
Aber das tat er nicht, denn er begann ebenfalls zu lachen – so laut und herzlich, dass das Bett hin und her schaukelte.
Wer hätte das gedacht?