„Wolltest du eigentlich schon immer Footballcoach werden?“
„Bis auf die kurze Phase, in der mein Lieblingsfilm Arielle war und ich unbedingt Meerjungfrau sein wollte, habe ich immer davon geträumt, später etwas mit Sport zu machen“, antwortete Isabelle und fuhr ehrlich fort: „Dass ich jemals Coach in der NFL werden könnte, habe ich gar nicht in Betracht gezogen, als ich noch ein Teenager war. Das ist rund zwanzig Jahre her, und damals war es schlichtweg unvorstellbar, dass eine Frau ein Footballteam coachen könnte.“
„In den letzten Jahren hat sich viel geändert, findest du nicht? Frauen werden mittlerweile auch im Sport akzeptiert.“
Isabelle seufzte mit leichter Resignation und dachte an die vielen Beleidigungen und Nachrichten, die sie in den letzten Tagen über ihren Account bekommen hatte. Schon wieder.
Ganz offensichtlich waren Frauen noch lange nicht akzeptiert, was den Football betraf.
Nun ja, sie wollte nicht ungerecht sein, schließlich bekam sie auch einen Haufen überschwänglicher und freundlicher Nachrichten, in denen Frauen und Männer es begrüßten, dass sie als Footballcoach in der NFL arbeitete. Diese Nachrichten gingen ans Herz und taten ihr gut. Ärgerlicherweise wogen sie die hasserfüllten, frauenfeindlichen Beschimpfungen und Drohungen nicht auf, die regelmäßig bei ihr eintrudelten.
Das erzählte sie Clara jedoch nicht, die neben ihr stand und das Training der Offense beobachtete, während sie Isabelle interviewte und ein paar Fotos von dem Geschehen machte. Dass sie extra nach Texas geflogen war, um Isabelle einen Tag beim außerplanmäßigen Trainingslager zu begleiten, war zwar überraschend für Isabelle, aber gleichzeitig nahm sie diese Ablenkung dankbar an, weil sie dann sehr viel seltener an den letzten Abend denken musste, der beinahe damit geendet hätte, dass sie mit Hawke ins Bett gegangen wäre.
„Bis es völlig normal und keine Ausnahme mehr ist, dass eine Frau ein Männerteam coacht – egal in welcher Sportart –, ist es noch ein langer Weg, fürchte ich.“
„Da magst du recht haben.“ Die jüngere Clara schaute sie neugierig an. „Wie genau bist du denn schließlich auf den Gedanken gekommen, doch diesen Karriereweg einzuschlagen? Ich denke, das würde viele Follower interessieren.“
Isabelle ließ ihren Blick über das Trainingsfeld vor sich schweifen und empfand beim Anblick der Footballspieler einen Hauch Wehmut, weil sie an ihren Großvater denken musste, der sich nirgendwo so wohlgefühlt hatte wie an der Seitenlinie eines Footballfeldes. Sogar als er bereits in Rente gewesen war, hatte er dem benachbarten Collegeteam oder dem Footballteam der nahe gelegenen Highschool fast jeden Tag einen Besuch abgestattet. Und auch zu den Spielen, bei denen Isabelle als Coach an der Seitenlinie gestanden hatte, war er gekommen. Bis zu seinem plötzlichen Tod hatte sie regelmäßig mit ihm telefoniert, neue Spielzüge mit ihm besprochen und ihn um Rat gefragt, wenn sie unsicher gewesen war.
Sein Rat und seine Unterstützung fehlten ihr.
Er fehlte ihr, wann immer sie am Spielfeldrand stand, an neuen Spielzügen tüftelte und frühere Spiele analysierte.
Die einzigen Male, bei denen er ihr nicht fehlte und sie nicht an ihn denken musste, waren die Gelegenheiten, wenn sie zusammen mit Hawke arbeitete und mit ihm über neue Taktiken sprach.
„Mein Großvater hat mich dazu gebracht, übers Coachen nachzudenken“, antwortete sie auf Claras Frage und schob den Gedanken an Hawke weit von sich. „Er war sein ganzes Leben Footballcoach in der NFL und hat mir alles beigebracht, was er wusste. Wenn er mich nicht ermutigt hätte, würde ich vermutlich heute einen etwas anderen Job haben. Er hat mich sehr gefördert und bei allem unterstützt. Leider ist er gestorben, bevor ich in die NFL kam.“ Sie lächelte traurig.
„Das tut mir leid.“
„Mir auch.“ Isabelle stieß den Atem aus und schlug besonders herzlich vor: „Was hältst du davon, wenn wir uns zum Training gesellen und du dir meine Arbeit aus nächster Nähe anschauen kannst?“
„Das wäre fantastisch. Ist es okay, wenn ich davon Fotos und Videos mache?“ Das hübsche Gesicht der Blondine glühte vor Begeisterung. „Die Fans lieben es, wenn sie hautnah dabei sind, und exklusive Fotos und Videos vom Training würden sehr viele Klicks generieren. Wäre das okay? Oder würde ich geheime Trainingsmethoden preisgeben, wenn ich die Jungs filme?“
„Du kannst alles filmen und fotografieren, was du magst. Unser Training ist kein Geheimnis.“ Sie zwinkerte ihr zu. „Du musst lediglich mit aufgebrachten Footballspielern rechnen, falls du auf den Fotos nicht ihre Schokoladenseite erwischt hast. Sie können sich ab und zu wie kleine Diven verhalten.“
„Da erzählst du mir nichts Neues.“ Clara stöckelte neben ihr über den Rasen, als wäre es kein Problem, in hohen Absätzen über eine Wiese zu gehen. „Mein Freund war früher auch ein Footballspieler und dieses divenhafte Verhalten hat er noch immer nicht abgelegt. Wir wollen bald zusammenziehen, und ich bin gespannt, was da auf mich zukommt.“
Es war ziemlich leicht, zu vergessen, dass Clara keine Freundin war, mit der man ein Schwätzchen halten konnte, sondern dass sie hier war, um Isabelle Fragen zu stellen. Deshalb erwiderte sie, bevor sie nachdenken konnte: „Mit dem Zusammenleben mit einem Footballspieler kenne ich mich aus. Richte dich auf einen Haufen dreckiger Sportklamotten auf dem Fußboden des Badezimmers ein.“
So genau hatte sie nicht ins Detail gehen wollen – nicht vor einer fast Fremden, die in offizieller Funktion hier war.
„Das befürchte ich auch, aber Rafe hat eine ganze Zeit mit seinem Bruder zusammengelebt und der ist die Ordentlichkeit in Person, also hoffe ich, dass etwas davon auf ihn abgefärbt hat“, plauderte Clara munter los. „Darf ich fragen, wie es ist, mit dem Ex-Mann zusammenzuarbeiten?“
Isabelle schaute zu Clara hinüber. „Ist das eine offizielle Frage?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nur neugierig. Was deine Beziehung zu Hawke betrifft, werde ich nichts veröffentlichen, was du nicht willst – oder was er nicht preisgeben möchte. Ich arbeite schließlich nicht für irgendein Schmierblatt, sondern gehöre mit zum Team.“
Die Ehrlichkeit in ihrem Blick beruhigte Isabelle.
In den vergangenen Wochen waren die Gerüchte um sie beide ein wenig verstummt, nachdem die Titans endlich begonnen hatten, Siege einzufahren. Diese Ruhe wollte sie nicht gefährden, indem neue Infos oder Meldungen über sie öffentlich wurden.
Sie zuckte mit den Schultern und schaute sich automatisch nach Hawke um, der gerade seine Beinarbeit trainierte und sich blitzschnell zwischen den Markierungstellern hin und her bewegte. Auch wenn er die Positionen seiner Beine alle zwei bis drei Sekunden wechselte, behielt er den anvisierten Punkt am Ende des Parcours genau im Blick und warf den Ball zielgenau auf den Assistenzcoach, nachdem er einige Yards rückwärtsgelaufen war. Seine Schnelligkeit und die Präzision seines Wurfs waren beeindruckend.
„Wir kommen gut miteinander aus und arbeiten auch gern zusammen“, entgegnete sie gelassen. „Es ist schließlich eine Ewigkeit her, dass wir verheiratet waren. Inzwischen sind wir tatsächlich Freunde geworden.“ Isabelle war erstaunt, dass sie diesbezüglich nicht einmal gelogen hatte, auch wenn sie ihn noch vor ein paar Monaten am liebsten eine Brücke hinuntergestoßen hätte.
Das, was gestern Abend zwischen ihnen geschehen war, hatte zwar nichts Freundschaftliches an sich gehabt, sondern war heiß und leidenschaftlich gewesen, aber es hatte ihre jetzige freundschaftliche Basis auch nicht gefährdet. Darüber waren sie sich gestern einig gewesen, bevor Hawke ihre Hütte verlassen hatte. Und heute Morgen beim Frühstück hatte er sich sogar zu ihr und zu John gesetzt, um eine Idee bezüglich der nächsten Trainingseinheit zu besprechen.
„Das klingt wahnsinnig harmonisch.“
Isabelle drehte sich zu Clara um. „Wir beide wollen mit den Titans Erfolg haben, aber das klappt nur, wenn wir ein Team sind und nicht in der Vergangenheit leben. Von daher bleibt uns gar nichts anderes übrig, als miteinander auszukommen. Als harmonisch würde ich es nicht beschreiben, sondern als Selbstzweck.“
„Kann ich trotzdem ein gemeinsames Foto von euch beiden machen?“
„Eigentlich …“
Clara wartete ihre Antwort nicht ab, sondern winkte Hawke bereits zu sich, der gleich darauf angetrabt kam und sich die Facemask nach oben schob.
„Was gibt es?“
„Ich brauche ein paar gute Fotos von euch beiden beim Training“, erklärte Clara geradeheraus und holte sowohl ihr Handy als auch eine professionelle Kamera aus der Umhängetasche, die sie bereits die ganze Zeit mit sich herumschleppte.
„Fotos?“ Hawke richtete seinen fragenden Blick auf Isabelle. „Wofür?“
Sie verdrehte kurz die Augen und erklärte ihm: „Clara begleitet mich heute für ein Interview und einige Aufnahmen vom Training, um damit den Social-Media-Kanal des Vereins zu füttern.“
Obwohl er einen Helm trug, konnte Isabelle sehen, dass er die Stirn runzelte. „Und John erlaubt das?“, fragte Hawke ungläubig nach.
„John ist mein Schwager“, antwortete Clara mit einem geradezu teuflischen Lächeln auf dem Gesicht und hängte sich die schwere Kamera um den Hals. „Falls er es nicht erlaubt hätte, würde er Ärger mit seiner Frau bekommen, die niemand Geringeres als meine große Schwester ist. Das riskiert er nicht.“
Hawke stieß ein kurzes Grunzen aus.
Isabelle hätte es ihm am liebsten nachgemacht.
„Tut einfach so, als wäre ich nicht da“, schlug Clara ihnen gut gelaunt vor und machte ein paar Schritte rückwärts. „Ignoriert die Kamera und macht das, was ihr machen würdet, wenn ich nicht hier wäre.“
Hawke senkte die Stimme und brummte halb spöttisch, halb belustigt: „Mit anderen Worten gibst du mir Befehle und ich habe zu gehorchen, richtig?“
Sie sah zu ihm auf und betrachtete mit angehaltenem Atem sein jungenhaftes Lächeln, bei dem sich sein Mund auf hinreißende Art verzog. Es fiel ihr schwer, ihren rasenden Herzschlag zu ignorieren, und sie brachte mühsam hervor: „Du solltest versuchen, die Hüften noch mehr einzudrehen. Und denk daran, den Oberkörper stabil zu lassen.“
Seine grünen Augen zwinkerten ihr zu, während er salutierte: „Jawohl, Ma’am.“
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„Hey, Clara! Komm und setz dich zu uns. Das hier ist der gesprächigste Tisch. Und bring Coach M mit – sie muss mir eine Frage beantworten!“
Hawke schaute von seinem Teller auf, als Ians gewaltige Stimme durch die Kantine dröhnte und nach Clara Hill rief, die heute bei ihnen in Texas war, um sich das Training anzusehen und Fotos sowie Videos zu machen. Bereits den ganzen Vormittag hatte sie ihnen ihre Kamera unter die Nase gehalten, Fragen gestellt und sie aufgefordert, für irgendwelche Internetchallenges Bälle zu werfen oder Tanzeinlagen vorzuführen. Das war zwar alles völlig im Rahmen geblieben und hatte das eigentliche Training nicht gestört, dennoch war Hawke froh, wenn sie morgen zurück in New York war.
Dank ihr hatte er nämlich mit Izzie für Fotos posieren müssen und jedes Mal befürchtet, dass er dabei ertappt werden könnte, wie er seine Ex-Frau lechzend betrachtete und darüber nachdachte, wie sehr er gestern mit sich zu kämpfen gehabt hatte, um nicht über sie herzufallen und auf seinen Job zu scheißen.
Es war eine verdammt dumme Idee gewesen, abends vor ihrer Tür aufzukreuzen und sie wegen dieser Orgasmussache zur Rede zu stellen. Eigentlich hätte ihm gleich klar sein müssen, dass er sie küssen würde, weil er seit Tagen – wenn nicht sogar seit Wochen – an fast nichts anderes denken konnte.
Und er konnte nur noch daran denken, wie sehr er sich danach sehnte, sie zu berühren, nackt mit ihr im Bett zu liegen und mit ihr zu schlafen.
Gestern Abend war es besonders schwer gewesen. Es hatte an menschliche Grausamkeit gegrenzt, das Vorspiel zu beenden und ihr Zimmer unverrichteter Dinge zu verlassen. Besonders gut geschlafen hatte er anschließend nicht. Wenn sich Hawke nicht mit Owen eine Hütte teilen würde, hätte er sich in der vergangenen Nacht sehr wahrscheinlich einen runtergeholt.
Seine Beziehung zu Izzie durfte seinen Job nicht verkomplizieren. Er musste sich darauf konzentrieren, in die Play-offs zu kommen, und alles daransetzen, diese Saison und seine Karriere mit dem Superbowl zu krönen.
Er wollte den dritten Ring.
Das war er sich selbst schuldig.
Ein Gefühlschaos wegen seiner Ex-Frau konnte er sich nicht leisten. Und trotzdem befürchtete er, dass er sich längst ein Gefühlschaos eingebrockt hatte, denn zu seinem Erstaunen musste er feststellen, dass er Izzie nach all den Streitereien, nach der schmutzigen Trennung und nach ihrer grauenvollen Scheidung noch immer mochte.
Er mochte sie und genoss es, in ihrer Nähe zu sein sowie Zeit mit ihr zu verbringen.
Außerdem gefiel es ihm, stundenlang mit ihr über Football zu sprechen. Das hatte er bislang mit keiner anderen Frau machen können, denn keine Frau, die er kannte, war so verrückt nach Football, wie es Izzie war. Ihre langen und intensiven Gespräche erinnerten ihn an ihre Kennenlernphase und auch daran, weshalb er sich damals in sie verliebt hatte. Plötzlich war sie wieder das Mädchen, mit dem er gleichzeitig befreundet und in das er verliebt gewesen war.
In jener Zeit war sie nicht nur seine feste Freundin, sondern auch seine beste Freundin gewesen.
Und jetzt fühlte es sich an, als hätte er seine beste Freundin zurück, die er nicht ansehen konnte, ohne gleichzeitig mit ihr schlafen zu wollen.
Verdammt!
Von Anfang an hatte er befürchtet, dass es keine gute Idee war, mit seiner Ex-Frau zusammenzuarbeiten, aber da wäre ihm im Traum nicht eingefallen, dass er wieder Gefühle für sie entwickeln könnte. Er war davon ausgegangen, dass sie sich wie die Kesselflicker streiten und deshalb die Saison ruinieren würden. Von einem Streit waren sie jedoch meilenweit entfernt.
„Seid ihr sicher, dass wir uns zu euch setzen sollen? Ich dachte, ich hätte gehört, wie ihr mich heute Morgen beim Training verflucht habt.“ Izzie setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und stellte ihr Tablett mit einem riesigen Salat und einem Sandwich auf dem Tisch ab. „Apropos: Deine Beinarbeit gefällt mir verdammt gut, Blake. Die Extraeinheiten haben sich gelohnt.“
„Danke, ich …“
„Hey“, beschwerte sich Ian und starrte finster in die Runde. „Unsere Tischregel besagt: Keine Footballgespräche während der Mittagspause.“
Graham schnaubte verächtlich auf. „Die Regel ist mir neu.“
„Hast du nicht erst vorgestern von deiner Zeit als Rookie erzählt, während wir die zähen Brathähnchen gegessen haben?“, fragte Quinn nach.
Blake brachte es auf den Punkt, als er Ian vorwarf: „Du willst doch nur wieder über die Hochzeit reden!“
Al Rory stöhnte gequält auf. Hawke konnte ihm da nur zustimmen. Ihm hing das Thema ebenfalls zu den Ohren raus.
„Interessant, über was ihr während eurer Mittagspause redet.“ Clara setzte sich neben Al und griff über seinen Teller hinweg zum Pfefferstreuer. „Habt ihr etwas dagegen, wenn ich daraus eine Story bastele? Ich könnte die Follower abstimmen lassen und …“
„Stopp!“ Ian schüttelte abwehrend den Kopf. „Wenn das so weitergeht, willst du sie vermutlich auch darüber abstimmen lassen, zu welchem Lied Taylor und ich auf der Hochzeit tanzen sollen.“
„Die Idee ist gar nicht schlecht“, foppte Clara ihn. „Hat Taylor schon ihr Hochzeitskleid ausgesucht? Falls sie sich nicht entscheiden kann, wären eure Fans sicherlich sehr gern dazu bereit, ihr bei der Entscheidung zu helfen.“
Mit einem Grollen warf Blake ein: „Unsere Fans wollen etwas über Football erfahren und nichts über Hochzeitskleider! Himmel, wir sind nicht die Kardashians, sondern ernst zu nehmende Sportler!“
Obwohl Hawke seinem Teamkollegen recht gab, was die Abstimmung über Hochzeitskleider und die Kardashians anging, entgegnete er nichts, da der ernst zu nehmende Sportler erst vorgestern voller Stolz berichtet hatte, dass er in einem bald zu produzierenden Zeichentrickfilm einer kurzsichtigen Schildkröte seine Stimme leihen würde.
„Wenn du wüsstest, wie viel die Kardashians mit einem einzigen Post verdienen, würdest du dich nicht dagegen wehren, ihnen nachzueifern, Blake.“ Clara blickte den Runningback unerschrocken an und öffnete dabei eine Dose Coca Cola. Gleichzeitig schwadronierte sie weiter: „Mit den sozialen Medien lässt sich viel mehr Geld verdienen als mit klassischer Werbung. Von dem Titans-Kanal profitiert ihr alle, wenn es zu Verhandlungen mit Kooperationspartnern kommt. Eine hohe Interaktionsrate innerhalb der …“
„Können wir bitte wieder über Hochzeitskleider reden“, jammerte zu Hawkes Überraschung ausgerechnet Al Rory und verzog leidgeprüft das Gesicht.
„Ganz meine Rede“, stimmte ihm Ian zu. „Also …“
Clara aber unterbrach ihn resolut. „Ihr solltet euch dafür wirklich mehr interessieren, denn solche Kooperationen steigern euren Profit und verschaffen euch auch in kommenden Vertragsverhandlungen mit dem Verein einen Vorteil. Sogar die vielen Kommentare von Trollen und Hatern steigern die Sichtbarkeit des Profils. Apropos.“ Sie richtete den Blick auf Izzie, die schweigend zugehört und dabei ihren Salat gegessen hatte. Clara stieß den Atem aus und fuhr bedauernd fort: „Unsere Abteilung hat bereits Schritte gegen die Hasskommentare unter deinen Posts eingeleitet. Außerdem gab es einige bösartige Verleumdungen, die sich die Rechtsabteilung genauer ansehen will. Das ist bestimmt in deinem Sinn.“
Izzie seufzte auf und schüttelte den Kopf. Sie wirkte unangenehm berührt und so, als würde sie das Thema lieber nicht besprechen. „Eigentlich würde ich gerne darauf verzichten und …“
„Hasskommentare?“ Hawke blinzelte verwirrt und starrte Izzie über den Tisch hinweg an. „Bösartige Verleumdungen? Worum geht es hier?“
Sie machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Um nichts Wichtiges.“
„Wenn die Rechtsabteilung einschreitet, muss es etwas Wichtiges sein“, widersprach er und fixierte sie.
Ihre grauen Augen schweiften umher, als suchte sie nach einer passenden Antwort, während sie leichthin erklärte: „Es ist wirklich nichts, über das man sich Sorgen machen müsste. Ein paar Footballfanatiker kommen damit nicht klar, dass eine Frau als Coach in der NFL arbeitet, und lassen ihren Frust deshalb im Internet ab. Das kenne ich schon und fahre am besten damit, es zu ignorieren.“ Sie stach mit der Gabel in ein Salatblatt und schob es sich in den Mund.
Ein eigenartiges Gefühl kam in Hawke hoch – Wut, Empörung und das archaische Bedürfnis, besagten Footballfanatikern den Kopf abzureißen. „Was sind das für Kommentare?“
Sie verdrehte die Augen. „Nur ein bisschen geistiger Dünnschiss. Können wir jetzt das Thema wechseln?“
„Nein, können wir nicht“, beschied er. „Was genau muss ich mir unter geistigem Dünnschiss vorstellen?“
„Hawke.“ Ihre Augen sprühten Funken. „Ich will nicht darüber reden.“
Am Tisch war es verdächtig ruhig geworden, weil alle sie gespannt zu beobachten schienen.
Hawke konnte den plötzlich aufkommenden Beschützerinstinkt nicht unterdrücken und entgegnete angespannt: „Aber ich will darüber reden, Izzie.“
„Dumm gelaufen, weil es nichts zu bereden gibt.“ Kämpferisch hob sie das Kinn, als wollte sie ihm deutlich machen, dass er sich mit ihr nicht anlegen sollte.
Diese kämpferische Geste hätte ihm gefallen, wenn es ihn nicht verrückt gemacht hätte, dass er nicht wusste, wie schlimm jener geistige Dünnschiss war.
Er öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, als Graham sich einmischte und wissen wollte: „Warum nennt dich Hawke eigentlich Izzie? Ist das sein persönlicher Spitzname für dich? Uns wurdest du als Isabelle vorgestellt.“
Izzie wandte den Blick von Hawke ab und schaute zu Graham hinüber.
Ein paar Sekunden verstrichen, in denen sich die explosive Stimmung abschwächte. Auch Hawke merkte, dass er langsam runterkam und die Empörung hinunterschluckte.
Izzies steife Schultern lockerten sich und ihre Stimme nahm einen weniger harschen Tonfall an. „Izzie ist der Spitzname, mit dem mich mein Großvater gerufen hat. Sonst nennt mich niemand so – außer Hawke, der sich das irgendwann einmal angewöhnt hat.“ Sie schaute wieder in seine Richtung und feixte: „Dabei weiß er, dass er mich Coach Moore nennen soll.“
Er schnitt eine Grimasse, denn so weit würde es niemals kommen. Das sagte er ihr jedoch nicht. Stattdessen ergriff er seine Gabel, beugte sich über den Tisch und spießte mit ihr die grünen Bohnen aus Izzies Salat auf, um sie auf seinen eigenen Teller zu transferieren.
„Was tust du da?“
„Ich suche die grünen Bohnen heraus und esse sie“, antwortete er wie selbstverständlich und stopfte sich eine von ihnen in den Mund.
Izzie schob ihren Teller aus seiner Reichweite. „Wie kommst du darauf, mein Essen von meinem Teller zu stehlen?“
Er legte den Kopf schief und musterte sie mit einem langen Blick. „Du magst die Bohnen doch überhaupt nicht.“
„Wer sagt, dass ich sie nicht mag?“
„Du“, entgegnete Hawke trocken. „Ich kann mich daran erinnern, wie du einer Kellnerin lang und breit erklärt hast, warum du keine grünen Bohnen in deinem Salat magst, als wir damals auf Durchreise in Oregon waren.“
„Das ist über vierzehn Jahre her, Hawke.“
Er schob seinen Teller in die Mitte und fragte herausfordernd: „Willst du sie zurückhaben?“
„Nein, aber du hättest wenigstens fragen können“, murrte sie und runzelte die Stirn.
Blake räusperte sich. „Wird das hier ein Ehestreit?“
Izzie schnalzte mit der Zunge und schaute empört in Blakes Richtung. „Natürlich nicht! Wir sind doch überhaupt nicht mehr verheiratet.“
„Kommt mir aber so vor“, raunte Graham.
Al nickte zustimmend.
Hawke spürte, wie ihm verlegene Röte ins Gesicht stieg. Dabei war er längst aus dem Alter raus, wegen einer Frau rot zu werden.
„Wie auch immer“, warf Ian geradezu hektisch ein und deutete nervös auf sie beide. „Falls ihr zwei zur Hochzeit in Begleitung anderer kommen wollt, sagt mir bald Bescheid. Wir müssen uns nämlich endlich um die Sitzordnung kümmern.“ Er richtete seinen Blick auf Hawke. „Und da meine kleine Schwester ein riesiger Fan von Jennifer Kincaid ist, will ich sie lieber vorwarnen, falls du sie mit zur Hochzeit bringst, Reynolds. Oder denkst du eher an Letìcia da Silva als Hochzeitsbegleitung? Von ihr sind vermutlich alle männlichen Hochzeitsgäste riesige Fans.“
Während Hawke Izzies undurchdringlichen Blick auf sich spürte, hätte er Ian gern ein Veilchen verpasst, das man noch auf seiner Hochzeit erkennen würde, obwohl diese erst in einigen Wochen stattfinden sollte.