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„Die Play-offs rücken immer näher und bisher haben die Titans eine Nasenlänge Vorsprung in ihrer Division. Wie wichtig ist in dieser Phase die Spielbilanz für das Team?“

Hawke war verschwitzt, noch immer außer Atem, und ihm tat jeder Knochen weh, als er nach einem knappen Sieg gegen die Eagles am Spielfeldrand ein Interview geben musste, während die Geräuschkulisse um ihn herum so laut war, dass er kaum etwas verstehen konnte. Da es mittlerweile Anfang Dezember und in New York beschissen kalt war, wollte er nach einem anstrengenden Spiel so wenig Zeit wie möglich hier verbringen und sich den Arsch abfrieren, um nicht Gefahr zu laufen, sich eine Erkältung einzufangen. Denn die brünette Sportreporterin, die ihm ein Mikro unter die Nase hielt, hatte recht: Die Play-offs rückten immer näher. Einen Ausfall durfte er sich unter keinen Umständen erlauben.

„Momentan ist erst einmal wichtig, dass wir auf Kurs bleiben. Die Eagles sind ein fantastisches Team, das es uns heute verdammt schwer gemacht hat. Unser nächster Gegner wird es uns ebenfalls nicht leicht machen, deshalb müssen wir bei jedem Spiel alles geben, was wir haben.“

„Wenn Sie einen Wunsch freihätten, wie gern würden Sie als erstplatzierter Divisionssieger der Conference in die Play-offs einrücken?“

Eine noch dämlichere Frage hätte sie ihm wohl nicht stellen können.

Hawke fuhr sich durch das verschwitzte Haar und schnitt eine scherzhafte Grimasse, schließlich war gerade eine Kamera auf ihn gerichtet, die live sendete. „Ich glaube nicht mehr an die gute Fee und denke deshalb, dass wir uns den Allerwertesten aufreißen müssen, wenn wir als erstplatzierter Divisionssieger in die Play-offs kommen wollen.“

„Aber es ist Ihr Ziel, Erstplatzierter zu werden, richtig?“

Wessen Ziel war das nicht?

„Unser oberstes Ziel ist es, in die Play-offs zu kommen“, korrigierte er nachsichtig. „Wünschenswert wäre es natürlich, Platz eins zu belegen, um ein Spiel aussetzen zu können. Die Play-offs sind hart. Da zählt jede Pause, die man kriegen kann.“

„Sie spielen auf einem konstant hohen Niveau und begeistern die Fans und Zuschauer mit Ihrem Wurfarm, der auch mit sechsunddreißig Jahren keine Kraft eingebüßt zu haben scheint. Was ist Ihr Geheimnis?“

„Viel Training und natürlich ein gesunder Lebenswandel.“

Die Brünette kicherte auf eine so nervtötende Art, dass es ihm schwerfiel, sich nicht einfach umzudrehen und das Weite zu suchen.

„Die Antwort lasse ich gelten. Wenn wir schon von Ihrem Alter sprechen, Hawke – was haben Sie nach dieser Saison vor? Sie haben bei mehreren Gelegenheiten davon gesprochen, dass dies Ihre letzte Saison sein soll.“

Innerlich knirschte er mit den Zähnen.

Er hasste es, dass ihm wieder Fragen zu seinem Karriereende gestellt wurden, obwohl er längst nicht aufgehört hatte. Er war noch hier und spielte und gewann, verdammter Mist! Darauf sollten sich die Journalisten konzentrieren, anstatt ihn zu behandeln, als würde er bereits mit einem Bein im Grab stehen.

„Über mein Karriereende denke ich nach, wenn es so weit ist. Bis dahin habe ich noch einen Job zu erledigen.“

„Und den machen Sie fabelhaft“, flötete sie und hätte ihm das Mikro beinahe in die Nase gerammt, als sie von ihm wissen wollte: „Heute haben wir Rob Savage an der Seitenlinie entdecken können. Soll das bedeuten, dass er bald wieder spielen kann und Sie den Posten als Quarterback für ihn räumen werden?“

„Robs Genesung schreitet sehr gut voran“, erklärte er gebetsmühlenartig, während sein Augenlid nervös zuckte, weil diese Fragen seine Toleranz auf eine harte Probe stellten. „Aber er wird erst wieder in der kommenden Saison zum Einsatz kommen. Heute hat er sich für etwas seelischen Beistand zum Team gesellt, was wir alle sehr zu schätzen wissen.“

„Eine letzte Frage, Hawke, bevor wir Sie in den wohlverdienten Feierabend entlassen.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Vor wenigen Stunden wurde Nicoletta Martinelli am Flughafen von New York gesichtet, nachdem sie sich erst in der letzten Woche von ihrem Verlobten getrennt hat. Sind Sie der Grund, dass sie sofort hierhergeeilt ist?“

Was zum Teufel …

„Nein“, erwiderte er schlicht, lächelte in die Kamera und bedankte sich für das Interview, bevor er sich umdrehte und ging. Wenn er noch länger geblieben wäre, hätte er womöglich für einen Eklat vor laufender Kamera gesorgt.

Er hatte Nicoletta seit über einem Jahr weder gesehen noch gesprochen, und er sah keinen Anlass, etwas daran zu ändern. Wenn sie in New York war, dann sicherlich nicht seinetwegen, sondern wegen einer Filmrolle oder wegen eines Shoppingtrips. Nachdem sich ihre lauwarme Affäre nach kurzer Zeit abgekühlt hatte, bestand kein Kontakt mehr zwischen ihnen. Und dabei würde es auch bleiben.

Hawke schüttelte ein paar Spielern des anderen Teams die Hand, winkte den Fans der Titans zu, die von der Tribüne aus seinen Namen riefen, und wechselte einige Worte mit dem Defense Trainer der Eagles, den er noch aus seiner Anfangszeit in der NFL kannte.

Auf dem Weg zum Spielertunnel winkte er weiteren Fans zu, die sich auf den untersten Rängen versammelt hatten, weil sie auf ein Autogramm oder ein Trikot der Spieler hofften, die diesen Weg einschlugen, um in die Umkleiden zu gelangen. Einige von ihnen hielten Schilder in den Händen und baten auf diesen um eine Umarmung, proklamierten den Super Bowl oder verkündeten ihre Liebe zum jeweiligen Team.

Business as usual.

Und dann gab es noch die gegnerischen Fans, die nach einem Sieg das Verliererteam verspotteten oder nach einer Niederlage des eigenen Teams die Gewinner beschimpften.

Auch das war business as usual.

Hawke war daran gewöhnt und ignorierte ausrastende Fans einfach. Auch jetzt winkte er den eigenen Fans zu und beachtete die grölenden Fans des gegnerischen Teams nicht, die ihn ein Arschloch, einen Loser und ein Sackgesicht nannten und ganz offensichtlich betrunken waren.

Er winkte gerade einem etwa zehnjährigen Jungen zu, der ein Trikot mit Hawkes Spielernummer trug, als jemand lauthals brüllte: „Hey, Reynolds! Musstest du deiner Ex in den Arsch kriechen, damit sie dich aufstellt, oder hat sie es gern, wenn sie es in den Arsch kriegt?! Ich wette, du musst es ihr vor jedem Spiel besorgen, um spielen zu dürfen!“

Mitten im Schritt erstarrte er und wollte sich umdrehen, um zu sehen, wer zum Teufel diesen Kommentar von sich gegeben hatte, als einer der Ordner auf ihn zukam und ihn mit alarmierter Miene bat, einfach weiterzugehen.

Es juckte Hawke in den Fingern, auf die Empore der untersten Reihe zu klettern, sich denjenigen zu schnappen, der gerade den Kommentar von sich gegeben hatte, und ihn ordentlich zu vermöbeln.

Ja, er wollte ihn so richtig aufmischen, weil er Izzies Namen in seinen dreckigen Mund genommen hatte. Dass er ihn beleidigt hatte, juckte Hawke nicht – aber die Bemerkung über Izzie, die störte ihn gewaltig. Zum Glück war sie gleich nach dem Spiel in der Umkleide verschwunden, um sich nach Graham zu erkundigen, der sich im letzten Viertel verletzt hatte, und musste die Beleidigung des Idioten nicht hören.

Der Wichser hörte einfach nicht auf und brüllte eine weitere Beleidigung, bei der sich Hawkes Nackenfell sträubte.

Er …

„Mr. Reynolds, bitte.“ Der Ordner blickte ihn beschwörend an. „Bitte gehen Sie einfach weiter, Sir.“

Hawke nickte angespannt und setzte seinen Weg fort. Er wollte nämlich nicht, dass der zehnjährige Junge, der ihn mit einer Heldenverehrung im Blick anschaute, verfolgen musste, wie Hawke einen betrunkenen Fan zusammenschlug. Also ließ er es bleiben und ging einfach weiter, obwohl ihm das verdammt schwerfiel.

Er dachte außerdem daran, dass es für einen Aufruhr unter der Presse sorgen würde, wenn er vor aller Augen einen Zuschauer verprügelte, weil der Izzie beleidigt hatte. Die Journalisten würden Spekulationen anstellen und sie beide wieder in den Fokus rücken, was verdammt ungünstig gewesen wäre, schließlich bemühten Izzie und er sich darum, unter dem Radar zu bleiben und niemandem Anlass zu geben, um über ihre Beziehung zueinander Mutmaßungen anzustellen.

Also atmete er tief durch und vergaß den Idioten, den er gern in der Luft zerrissen hätte.

„Das war ein gutes Spiel.“ Brian Palmer kam auf ihn zu, bevor er die Umkleide erreicht hatte, und wirkte rundum zufrieden. „Der Pass auf Hunter im dritten Viertel war spektakulär. Ich glaube, ich hätte die Nerven verloren und eine Interception verursacht.“

Das bezweifelte Hawke, denn er hatte nie erlebt, dass Brian Palmer jemals die Nerven verloren hätte.

„Es laufen schon Wetten, welche Platzierung es in den Play-offs werden könnte.“

„Dafür ist es zu früh“, konterte Hawke und sehnte sich nach einer heißen Dusche. Er war völlig erledigt und wollte so bald wie möglich nach Hause, um sich ins Bett legen zu können. „Wir haben noch ein paar Spiele vor uns, bis es so weit ist. Apropos – weißt du, wie es Graham geht? Ist es was Ernstes?“

„Um den würde ich mir keine Sorgen machen. Der Doc meint, dass er nicht ausfällt und nächste Woche bereits wieder spielen kann.“ Brian schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Da wir schon von Wetten sprechen. Kannst du mir einen Tipp geben, wen du mit zu Ians Hochzeit nimmst? Die Jungs sind geteilter Meinung und ich …“

„Wettet ihr etwa darum, ob ich in Begleitung zur Hochzeit komme?“, fragte Hawke ihn ungläubig.

Der frühere Quarterback grinste entschuldigend. „Nein, das hast du missverstanden. Wir wetten nicht darum, ob du in Begleitung kommst, sondern wen du mitbringst. Ich tendiere ja zu dieser Balletttänzerin, aber wenn du jetzt ganz unvermittelt den Kopf schütteln und mir sagen würdest, dass du heute Abend eine Pizza isst, dann würde ich meine Wette anders platzieren und auf die italienische Schauspielerin setzen.“

Hawke starrte ihn weiterhin ungläubig an, schnaubte auf und klopfte nun Brian auf die Schulter. Kommentarlos ließ er ihn stehen und betrat die Umkleide.

Dort wartete er eigentlich nur auf den nächsten Scherz auf seine Kosten, aber der kam nicht.

Stattdessen entdeckte er in seinem Spind seinen Lieblingsschokoriegel mit einer Notiz, die ihn unvermittelt lächeln ließ.

„Und dann fragte sie mich, welche Pläne ich nach meinem Karriereende hätte! Ich kam mir wie ein Greis vor, der einen Blasenkatheter hat und in einem Rollstuhl aufs Feld geschoben wurde, und nicht wie ein aktiver Quarterback, der gerade ein hartes Spiel gewonnen hatte.“

Isabelle löschte das Licht im Badezimmer und lief barfuß über den kühlen Fußboden des Schlafzimmers, während Hawke mit finsterer Miene im Bett saß und sich darüber beschwerte, dass mal wieder sein Alter thematisiert worden war, als er interviewt wurde. Seine aufgebrachte Stimme hatte sie sogar über das Geräusch der elektrischen Zahnbürste hinweg gehört.

„Ich habe die Übertragung des Interviews in der Umkleide gesehen.“ Isabelle verdrehte die Augen, ging zur Kommode und holte ein Paar Kuschelsocken heraus, die sie sich im Stehen anzog. Auch wenn sie ein winziges Top und eine kurze Pyjamahose im Bett trug, brauchte sie an den Füßen wärmende Socken, um nicht zu frieren. „Sie hätte dir wirklich ein paar intelligente Fragen stellen sollen. Da gebe ich dir recht.“

„Also findest du auch, dass ihre Fragen beleidigend waren?“, röhrte er empört und beobachtete sie vom Bett aus.

Isabelle schmunzelte innerlich, denn Hawke war sehr empfindlich, was sein Alter betraf. Sie fand, dass ein Mann mit seinem Aussehen und seinem Talent großzügig darüber hinwegsehen sollte, wenn ihm alberne Fragen zu seinem Alter gestellt wurden, aber er benahm sich wie eine kleine Diva, sobald es um dieses Thema ging. „Ich finde, dass der Sender eine Journalistin wie Skyler Slade die Interviews führen lassen sollte, weil die Fragen dann Substanz hätten“, erwiderte sie gelassen und aktivierte den Wecker auf ihrem Handy, bevor sie es auf die Ladestation auf der Kommode stellte. „Bei dieser Journalistin hatte ich den Eindruck, dass der Sender sie nur deshalb vor die Kamera gestellt hat, weil sie hübsch ist und gern mit den Spielern flirtet.“

Sein Kopf fuhr nach oben. „Du denkst, dass sie mit den Spielern flirtet?“

Isabelle rümpfte die Nase. „Draußen ist es saukalt, aber sie steht mit tiefem Ausschnitt am Spielfeldrand und klimpert mit den Wimpern, sobald ein Spieler in ihre Nähe kommt. Thomas Baker von NCSB trug einen gefütterten Parka und eine Mütze auf dem Kopf. Warum sonst sollte sie in dieser Aufmachung dort stehen, wenn sie nicht flirten wollte?“

Seine grünen Augen funkelten vergnügt. „Warst du etwa eifersüchtig, als sie mit mir geflirtet hat?“

Wieso klang er so zufrieden?

„Nein“, erwiderte sie leichthin. „Natürlich nicht.“

Hawkes Augenbrauen zuckten in die Höhe. „Was meinst du mit natürlich nicht ?“

„Ich hatte doch gar keinen Grund, um eifersüchtig zu sein, schließlich hat sie mit dir gar nicht geflirtet.“ Isabelle schüttelte ihre Haare aus und fuhr gelassen fort: „Du bist ihr vermutlich zu alt, um zu flirten.“

„Zu alt?!“ Das Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben.

„Also ich persönlich finde dich nicht alt“, hob sie hervor und schlenderte zu seiner Bettseite, nachdem sie die Sportsalbe von der Kommode genommen hatte. „Ich finde, dass du genau im richtigen Alter bist, aber eine Einundzwanzigjährige sieht das vielleicht anders.“ Isabelle blieb neben dem Bett stehen und ließ es sich gefallen, dass er sie skeptisch musterte.

„Genau im richtigen Alter?“ Seine blonden Augenbrauen berührten sich beinahe über seiner Nasenwurzel.

„Mhm.“ Sie lächelte ihn an. „Ich finde sechsunddreißig an einem Mann viel besser als einundzwanzig, schließlich ist ein Mann dann endlich erwachsen und braucht keine Rundumbetreuung durch eine Frau mehr, die ihn davon abhält, die Hand oder andere Körperteile in den Müllschlucker zu stecken. Männer im gesetzten Alter von sechsunddreißig haben eine aufgeräumte Wohnung, sie essen zum Frühstück keine Pizza, die drei Tage alt ist, ihren Kaffee filtern sie nicht durch Klopapier und sie wechseln regelmäßig ihre Unterhosen. Nun gut – sie brauchen etwas länger, um nach dem Sex bereit für eine zweite Runde zu sein, aber …“ Lachend unterbrach sie sich, weil Hawke empört nach Luft schnappte und sie zu sich auf den Schoß zog. Dass er dies mühelos tat, bewies, dass er in seinem Alter tatsächlich perfekt in Form war.

Er küsste sie stürmisch auf den Mund und erstickte damit das fröhliche Glucksen, das sie von sich geben wollte. Anschließend knurrte er gegen ihre Lippen: „Erst hältst du mir vor, dass ich dich nicht zum Orgasmus bringe, und jetzt stellst du mein Stehvermögen infrage? Ich glaube, du machst das mit voller Absicht.“

Isabelle nahm den Kopf zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können, und erklärte verschmitzt: „Das nennt man Taktik, Hawke. Sobald ich dir sage, dass du etwas nicht kannst, setzt du alles daran, mir zu beweisen, dass du sehr wohl dazu in der Lage bist.“

Seine Arme, die sie umschlungen hielten, zogen sie nah an sich. Mit einem Funkeln im Blick, das übersprudelnden Humor versprach, schaute er sie an. „Ah, so ist das also. Gut zu wissen.“

Schon wieder waren die Schmetterlinge da, die sie ganz nervös machten. „Ja, so ist das.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln. „Als wir vor ein paar Tagen in der Dusche waren und ich diese eine Sache gemacht habe, die dir so gefällt, hast du mich angefleht, nicht aufzuhören. Willst du mir jetzt etwa erklären, dass du eigentlich das Gegenteil wolltest?“

„Bei dieser speziellen Sache war das nicht der Fall.“ Sie zwinkerte ihm zu.

„Ihr Frauen seid ein einziges Rätsel“, warf er ihr zärtlich vor. „Was soll ich nur mit dir machen, Izzie?“

Isabelle wusste selbst nicht, weshalb sein Kommentar ihr einen Kloß in der Kehle verursachte. Vielleicht lag es daran, dass er ihren Namen so zärtlich ausgesprochen hatte, oder daran, dass sich das hier zwischen ihnen leicht und richtig anfühlte. Was auch immer es war, sie wollte nicht, dass Hawke bemerkte, wie gerührt sie war. Also drückte sie ihm einen raschen Kuss auf die Lippen und wand sich aus seiner Umarmung heraus. „Das musst du schon selbst herausfinden. Und jetzt lass mich los, damit ich mich um deine blauen Flecken kümmern kann.“

Offenbar hatte er ihren Stimmungsumschwung nicht bemerkt, denn er rutschte ein Stück nach vorn, während sie sich hinter ihn auf die harte Matratze kniete, und entblößte damit seinen nackten Rücken, der mit den Muskelsträngen und der tiefen Kerbe in der Mitte so unwiderstehlich war, dass Isabelle sich vorbeugte und ihm einen Kuss aufs Schulterblatt drückte, bevor sie die Tube in ihrer Hand öffnete.

„Vorsicht, jetzt wird es etwas kalt“, warnte sie ihn und verteilte einen großzügigen Klecks der Sportsalbe auf den lädierten Stellen, die rötlich schimmerten und Resultat des heutigen Spiels waren.

Er hatte einiges abbekommen, und Isabelle wollte es wiedergutmachen, indem sie sich persönlich um seine Blessuren kümmerte. Das war Teil ihres Deals – er spielte sich die Seele aus dem Leib und sie versorgte im Anschluss seine Wehwehchen. Zwar glaubte sie noch immer nicht, dass nach dem Spiel gegen die Texans ein Handjob nötig gewesen wäre, weil er schließlich einen Tiefschutz trug, aber sie wollte sich nicht beschweren. In jener Nacht war sie immerhin selbst auf ihre Kosten gekommen.

„Das tut gut“, murmelte Hawke und beugte sich etwas weiter vor, damit sie einen besseren Zugang zu seinem Rücken hatte.

„Ich weiß.“ Zärtlich rieb sie die Salbe in seine Haut und massierte die Stellen, die unverletzt waren. Sie liebte es, seine glatte Haut unter ihren Fingerspitzen zu spüren, ihn zu umsorgen und ihre Hände über seine Muskeln gleiten zu lassen. In den letzten Wochen war es zu einer Art Routine geworden, ihn nach den Spielen mit einer Sportsalbe einzureiben und seine Verspannungen zu massieren. Und es war ebenfalls eine Routine geworden, dass Hawke für sie kochte, wenn sie bei ihm übernachtete, was immer öfter vorkam, wenn Isabelle ehrlich war.

In seiner Wohnung fühlte sie sich wohler und heimischer als in ihrem Hotelzimmer, und sie hatte sogar ein eigenes Fach in seinem Badezimmer, in dem alle lebensnotwendigen Dinge wie Shampoo, Zahnbürste und Tampons aufbewahrt wurden.

Als Hawke Platz in seinem Kleiderschrank gemacht hatte, damit sie dort ein paar Kleidungsstücke deponieren konnte, war sie für einige Sekunden so überwältigt gewesen, dass sie gegen beißende Tränen hatte ankämpfen müssen. Schnell hatte sie diese weggeblinzelt, damit er es nicht mitbekam.

Sie befürchtete, dass sie dabei war, sich rettungslos in ihn zu verlieben, denn der knallharte, arrogante und selbstgerechte Quarterback konnte so verdammt lieb, aufmerksam und zärtlich sein, dass sich Isabelle kaum noch daran erinnern konnte, dass sie früher seinetwegen Gift und Galle gespuckt hatte.

Vielleicht hatte er recht gehabt, als er davon sprach, dass sie damals zu unreif für eine Ehe gewesen waren. Mittlerweile waren sie erwachsen geworden und redeten miteinander, anstatt kindische Spielchen zu treiben, zu schmollen und den anderen zu ignorieren. Ob es für eine dauerhafte Beziehung reichte, stand in den Sternen, denn die Situation ließ es einfach nicht zu, dass sie ein normales Paar sein konnten – jedenfalls momentan nicht.

Die Play-offs standen kurz bevor und die Presse thematisierte noch immer hie und da ihre frühere Ehe, auch wenn sich die Aufregung deutlich gelegt hatte. Das würde sich jedoch schlagartig ändern, wenn herauskäme, dass sie beide mehr als nur Arbeitskollegen waren. Sie konnten nicht gemeinsam ins Kino gehen, ein Restaurant besuchen oder zusammen die Einkäufe erledigen, wie es ein normales Paar tat. Stattdessen schlich sich Isabelle in seine Wohnung, sie fuhren getrennt zur Arbeit und verbrachten nicht einmal die Mittagspause miteinander, damit niemandem etwas auffiel.

Wenn die Saison vorbei war, konnten sie daran etwas ändern. So genau hatten sie noch gar nicht darüber geredet. Sicher war nur, dass das Team so kurz vor der entscheidenden Phase auf dem Weg in die Play-offs keine Ablenkung gebrauchen konnte. Es war schlimm genug, dass sich Isabelle ständig dabei ertappte, wie sie an ihn dachte und sich deshalb selbst von ihrer Arbeit ablenkte.

„Das könntest du öfter machen“, murmelte er und seufzte behaglich auf.

Lächelnd betrachtete sie seinen Hinterkopf. „Aber ich massiere dich doch fast immer, wenn ich hier bin.“

„Das ist nicht genug“, brummte er und ließ den Kopf nach vorn sinken. „Du schläfst zu selten hier, Izzie. Mir würde es gefallen, wenn du mehr Zeit bei mir verbringen würdest.“

Ein paar Schmetterlinge hüpften bei seinem Geständnis in ihrem Magen auf und ab. Vermutlich hatte er keine Ahnung, was seine Worte in ihr auslösten und wie warm es in ihrer Herzgegend wurde.

„Ich würde auch gern mehr Zeit bei dir verbringen“, gestand sie ihm atemlos.

„Dann tu es doch einfach.“

Zärtlich rieb sie mit dem Daumen über seinen Nacken. „Irgendwann werden mich die Paparazzi dabei erwischen, wie ich in aller Herrgottsfrühe aus deinem Haus schleiche, und dann ist der Skandal perfekt.“

„Es ist kein Skandal, wenn zwei Erwachsene miteinander ausgehen und Zeit zusammen verbringen.“

Da hatte er natürlich recht. „Es wäre zwar kein Skandal, aber die Presse würde sich darauf stürzen, und wir können uns so kurz vor den Play-offs keine Ablenkung leisten.“

„Soll das heißen, dass ich nur eine Ablenkung für dich bin?“, fragte er interessiert nach und schaute sie über die Schulter hinweg an.

Isabelle lächelte weich und schlang ihm die Arme um den Oberkörper. Das Kinn bettete sie auf seine Schulter und flüsterte ihm zu: „Du bist die beste Ablenkung, die es gibt.“